Der zerbrochne Krug

Am 11.10.2025 feierte die dritte Inszenierung von Lola Fuchs Premiere auf der Bühne des Dortmunder Schauspiels. „Der zerbrochne Krug“ kündigt sich als eine Mystery-Seifenoper nach Heinrich von Kleist an und hält damit mindestens die Hälfte seines Versprechens. Die Eckdaten aus Kleists ursprünglichem Lustspiel sind gleich, jedoch entstaubt Fuchs die Figuren und Handlung und katapultiert sie in eine schräge Szenerie zwischen entrücktem CDU-Dorfleben und überdrehter Influencer-Realität.

Die Handlung rund um einen Gerichtsprozess bekommt auf der Dortmunder Bühne einen grotesk modernen Anstrich. Die Klägerin und Geschädigte Marthe Rull (Antje Prust) tritt als überambitionierte Keramik-Unternehmerin von „The Pottery Fairy“ auf, die ihre Tochter Evangelista aka Eve (Puah Abdellaoui) für ihren Lebenstraum vereinnahmt. Ihr Trailerpark-Look steht dem von Eves prolligen Geliebten Ruprecht Tümpel (Roberto Romeo) in nichts nach, und doch sind die beiden sich spinnefeind. Das reicht so weit, dass Marthe Ruprecht beschuldigt, ihre Töpferware zerstört zu haben, und wendet sich dafür direkt an den Dorfrichter Mr. A (Linus Ebner). Dieser ist als aktives Mitglied im CDU-Landesverband und Naturwein-Liebhaber Vertrauensperson für die Dorfbewohner:innen, entpuppt sich jedoch schließlich als der Schuldige des Verbrechens. Der Gerichtsschreiber Licht (Lukas Beeler) bezeichnet sich selbst augenzwinkernd als seine „Magd“ und mimt den Erzähler für das Publikum. Aus Gerichtsrat Walter wird bei Fuchs die unterkühlte Compliance-Managerin Wendy Walter (Nika Mišković), die die Ermittlungen überwacht. Und zu guter Letzt taucht noch das Dorfmedium Brigitte auf, die sich zwischen mysteriösem Orakeln, gewitztem Geschäftssinn und verrücktem Vogelnest auf dem Kopf bewegt.

Der zerbrochne Krug.: v.l.n.r.: Tobias Hoeft, Lukas Beeler, Roberto Romeo, Antje Prust, Puah AbdellaouiFoto © Birgit Hupfeld
Der zerbrochne Krug.: v.l.n.r.: Tobias Hoeft, Lukas Beeler, Roberto Romeo, Antje Prust, Puah Abdellaoui
Foto © Birgit Hupfeld

Fuchs verpackt in ihrer Adaption von Kleists Stück über Wahrheit und Recht jede Menge  Gesellschaftskritik. Angefangen bei ihrem humoristischen, aber pointiert kritischen Blick auf digitale Medien, neoliberale Geschäftsmodelle und moderne Sozialstrukturen richtet Fuchs ihre Aufmerksamkeit besonders auf Phänomene, die uns die Gegenwart leicht bekömmlich, aber klar aufzeigen. Eve wurde seit ihrer Kindheit von ihrer Mutter an die Töpferscheibe gezwungen und verkörpert eine Type des Millennials, die unter Leistungsdruck und digitaler Omnipräsenz lost zwischen Hingabe für ihren Geliebten und Selbstbehauptung ihrer Selbst ist.

Dem Publikum werden durch den Modellbau der Dorfgesellschaft Klassismus und soziale Ungleichheiten aufgezeigt – Marthe ist hochverschuldet und Mr. A bereichert sich an privaten Darlehen – ebenso wie patriarchale Strukturen zum Vorschein kommen – Mr. A ist die Autorität über Wahrheit und Sein im Dorf. Und auch Feinheiten wie ein kritischer Blick auf die moderne Vermarktung von Esoterik und Spiritualität werden von Fuchs mit skurriler Leichtigkeit herausgearbeitet. Der Spagat zwischen der alten Sprache des 19. Jahrhunderts und neudeutschen Konstruktionen gelingt dabei nur halb und kommt etwas spröde daher. Auch der Umzug von Fuchs Stücken auf die große Bühne des Theaters kommt ihrer Arbeit nicht unbedingt zugute. Der Charme der Live-Kamera, die zwei simultane Perspektiven auf das Bühnengeschehen zulässt, verkommt jenseits der Studiobühne zur Spielerei, die höchstens noch an ein filmisches Reenactment bei Gericht erinnert. Die extreme Typisierung der Figuren, die fast bis zur Parodie ihrer selbst reicht, gelingt Fuchs wie so oft erneut. Jedoch bewegen sich Handlung und Personen nicht weit genug aus dem Korsett der Stückvorlage und dem Habitus einer großen Bühneninszenierung heraus, wodurch die Adaption teils hölzern wirkt. Lola Fuchs‘ künstlerische Handschrift und ihre eigenwillige Art, die Gegenwart pointiert zu sezieren, verbinden sich nur schwerlich mit den Scherben von Kleists zerbrochenem Krug. Dennoch entsteht ein unterhaltsamer Theaterabend, der den Klassiker mit Witz und schrillen Bildern neu befragt.




Melancholische Puppen

„Leonce und Lena“ als kommentiertes Kammerspiel am Schauspiel Dortmund

Für die Inszenierung klassischer Dramen braucht es oft eine besondere Idee. um dem Zuschauer eine neue Sichtweise auf den Text zu erschließen. „Leonce und Lena“, Georg Büchners einziges Lustspiel ist seit seiner späten Uraufführung 1895 viele Male aufgeführt und neu interpretiert worden.Jana Vetten sucht in ihrer ambitionierten Inszenierung auch nach dem Besonderen und erfindet eine Person hinzu, die als Alter Ego des Autors, als Moderator das Geschehen auf der Bühne musikalisch begleitet, verbal kommentiert, eine Art Narr, der den Zuschauern erklären soll, was der Dichter meint. Die Idee scheint verführerisch, geht aber nicht unbedingt auf. So entfaltet sich ein zweistündiger Abend, der trotz schöner Bilder und spielfreudiger Akteure bisweilen dem Zuschauer einen langen Atem abverlangt.

Büchner, blutjunge 22 Jahre alt, ein frühreifer, genialer Heißsporn, sozial und politisch engagiert, schrieb 1836 eine Komödie. Er wollte sich am Wettbewerb des Cotta-Verlags beteiligen, versäumte aber den Einsendeschluss. Die Komödie schrieb er trotzdem. Widersprüchlich erscheint es auf den ersten Blick, dass der sozialrevolutionäre Dichter von „Dantons Tod“, dem „Hessischen Landboten“ und des „Woyzeck“, plötzlich Lust bekam auf ein seichtes Lachstück, eine romantisierende Verwechslungskomödie in den Kreisen des schmarotzenden Hochadels. Tatsächlich hat die Geschichte etwas von einer modernen Seifenoper.

Fabienne-Deniz Hammer, Viet Anh Alexander TranFoto © Birgit Hupfeld
Fabienne-Deniz Hammer (Lena), Viet Anh Alexander Tran (Leonce)
Foto © Birgit Hupfeld

König Peter, ein regierungsmüder Monarch, arrangiert eine Ehe zwischen seinem Sohn Prinz Leonce und Prinzessin Lena. Die zwei vom Leben desillusionierten jungen Leute kennen sich gar nicht, wollen auch nicht heiraten und suchen – unabhängig voneinander – ihr Heil in der Flucht. Begleitet von einer gestressten Gouvernante (Beatrice Masala) und dem lässigen Valerio (Stefan Hartmann) begegnen sich die beiden zufällig im Wald und verlieben sich blitzartig – in Unkenntnis ihrer wahren Identitäten. So kommt es zufällig doch noch zu einem Happy-End.

Auf den zweiten, genaueren Blick ist „Leonce und Lena“ eine bissige Satire auf den dekadenten, schmarotzenden Adel. Im „Hessischen Landboten“ findet Büchner wuchtige Worte für seinen Hass: „Das Leben der Vornehmen ist ein langer Sonntag. Sie wohnen in schönen Häusern, sie tragen zierliche Kleider, sie haben feiste Gesichter. Das Volk aber liegt vor ihnen wie Dünger auf dem Acker.“ Zwei Jahre später war sein politischer Ehrgeiz abgekühlt. Enttäuscht stellte er fest: „Das ganze Leben besteht nur aus Versuchen, sich die entsetzlichste Langeweile zu vertreiben.“

Diese Langeweile und das bisweilen suizidale Verzweifeln an der Welt ist durchaus auch ein aktuelles Thema. Jana Vetten greift es in ihrer durchaus ideenfreudigen Inszenierung auf. Dabei wertet sie – eine gute, zeitgemäße Entscheidung – die Rolle der forschen Lena (Fabienne Deniz Hammer) auf, indem sie ihr Texte von Leonce (Viet Anh Alexander Tran) in den Mund legt. So entsteht ein differenzierter Dialog auf Augenhöhe.

Der Bühnenraum (Lan Anh Pham) passt sich wunderbar an das Stück an. Der Bau auf der Drehbühne erinnert weniger an ein Schloss, mehr an ein Treppenhaus, eng wie in einem Käfig und ist Symbol für eine Welt, die sich vorwiegend um sich selbst dreht. Im ersten, etwas zähen Teil werden die Szenen in geometrischen Rahmen als Tableaus inszeniert, Schnappschüsse von außen in ein Puppenhaus. Eine bedrückende Welt, die sich erst öffnet, als die beiden Königskinder aus ihr fliehen. Draußen wird auch das Spiel lebendiger. Die Liebesszene zwischen Leonce und Lena, ein Tanz in Ketten, ein Liebeskampf eher, ist toll und intensiv gespielt. Ebenso wie das Ritual, das König Peter (Ekkehard Freye) mit seinem blechblasenden Hofstaat inszeniert, der als witziger Bewegungschor aus sechs Dortmunder Jugendlichen immer wieder eifrig mitmischt.

Kalle Kummer komponierte die stimmige Musik und Sounds, spielt live am Flügel den kommentierenden Narren Schorsch Typhus, wie er in Anlehnung an Büchners tödliche Krankheit genannt wird. Er empfängt das Publikum schon beim Hereinkommen mit melancholischen Klängen, hat Schmerzen, leidet, das sieht man ihm an. Am Ende liegt er am Boden, desillusioniert im Scherbenhaufen seiner revolutionären Träume. Dazwischen füllt er alles mit Büchnerschem Sarkasmus und Anekdoten, versucht auch die Geschichte zu ändern, wenn er Valerio immer wieder auffordert, den Prinzen umzubringen, um so die Französische Revolution doch noch nach Deutschland zu tragen. An all dem verzweifelt er und ändert doch nichts am Zustand der Welt, am „gräßlichen Fatalismus der Geschichte“, wie es bei Büchner heißt. Nachhilfe in Sachen Büchnerverständnis nimmt viel Raum ein an diesem Abend. Das ist gut gemeint, wirkt aber eher bemüht schulmeisterlich als spielfreudig, überfrachtet den Abend, hemmt den Spielfluss und ist zudem nicht witzig genug, um neben der Inszenierung der eigentlichen Komödie zu bestehen. Zweite Vorstellung, verhaltener Applaus.




Jeeps: Erbschaftslos oder die Erbschaft los

Die Komödie „Jeeps“ behandelt ein heikles Thema: Jedes Jahr werden Vermögenswerte im Umfang von rund 400 Milliarden Euro vererbt, vor allem in Form von Immobilien und Finanzanlagen. Gleichzeitig leben etwa 20 Prozent aller Kinder in Deutschland in Armut. Kritische Stimmen sehen in der Vererbung von Vermögen eine Untergrabung des Prinzips der Leistungsgerechtigkeit. Weil „Geburtsglück“ einen maßgeblichen Einfluss auf sozialen und wirtschaftlichen Erfolg nimmt. Die Premiere von „Jeeps“ fand am 9. November 2024 im Schauspiel Dortmund statt und widmete sich dieser Problematik auf humorvolle Weise.

Erbschaftslose beim Jobcenter: Die Handlung von Jeeps

In ihrer Komödie „Jeeps“ lässt die Autorin Nora Abdel-Maksoud das Jobcenter als Verteiler von „Erbschaftslosen“ auftreten – das Chaos ist vorprogrammiert. Arbeitssuchende sowie Menschen, die plötzlich auf ihr Erbe verzichten müssen, stürmen das Jobcenter und sorgen für erhebliche Verwirrung. Die Hauptrollen übernehmen vier Figuren: Silke (Marlena Keil), eine Start-up-Gründerin, die ihr Erbe zurückwill; Maude (Nika Mišković), eine Hartz-IV-Empfängerin; und die beiden Jobcenter-Mitarbeiter Gabor (Alexander Darkow) und Armin (Viet Anh Alexander Tran). Gabor fungiert als „Losverwalter“, der die Kontrolle über die Erbschaftslose ausübt.

Silke und Maude schließen sich zusammen, um gegen das System zu kämpfen. Silke möchte ihr Erbe für den Erhalt ihres Start-ups „Laptops in Stollenschuhen“ zurück, während Maude empört ist, weil ihr Flaschenpfand von der Grundsicherung abgezogen wurde. Gemeinsam stürmen sie das Büro von Sachbearbeiter Gabor, was zu chaotischen Verwicklungen führt, in die sich auch Armin, der sich für Gabors Vorgesetzten hält, einmischt.

Viet Anh Alexander Tran, Marlena Keil, Nika Mišković, Alexander DarkowFoto: (c) Birgit Hupfeld
Viet Anh Alexander Tran, Marlena Keil, Nika Mišković, Alexander Darkow
Foto: (c) Birgit Hupfeld

Humor und Kritik im „Jeeps“

Als absurde Komödie zieht „Jeeps“ zahlreiche gesellschaftliche Klischees durch den Kakao. Gabor ist ein pedantischer Beamter, der sich strikt an Vorschriften hält und damit seine „Kunden“ wie auch sich selbst vor Willkür schützen will. Gabors Liebe zu seinem Auto, einem Mercedes G 400-D – einem Geländewagen, der im Stück als „Jeep“ tituliert wird – verleiht der Komödie ihren Titel.

In der Wartehalle des Jobcenters tauchen zudem typische Elemente aus der Start-up-Welt auf, wie eine Boulderwand und Foodtrucks. Doch die Partnerschaft zwischen Silke und Maude zerbricht schnell, als Maude sich mit Armin verbündet, um an Erbschaftslose zu gelangen. Doch Gabor hat das letzte Wort und überrascht alle mit einer unerwarteten Wendung.

„Jeeps“ wechselt zwischen abgedrehtem Humor und Gesellschaftskritik und spielt mit Klischees rund um penible Beamte, SUV-Liebhaber und Start-up-Gründer. Die Darsteller*innen des Schauspiel Dortmunds wurden für ihre humorvollen Darbietungen vom Publikum gefeiert. Auch wenn die Komödie gelegentlich überdreht wirkt, hätte ihr etwas mehr politische Schärfe sicherlich gutgetan. Insgesamt bot „Jeeps“ jedoch eine gelungene Mischung aus Slapstick und Wortwitz, die zum Lachen einlud.

Weitere Informationen und Termine für „Jeeps“ gibt es auf der Webseite des Theaters unter www.theaterdo.de.




Schwindel – eine rasant-queere Beziehungskomödie

Im Studio des Dortmunder Schauspielhauses feierte am 08.11.2024 die queere Beziehungskomödie „Schwindel“ nach dem neuen Roman von Hengameh Yaghoobifarah Premiere. Regisseurin Shari Asha Crosson greift in ihrer Inszenierung Strukturen und Elemente von Reality-Dating-Shows wie „Princess Charming“ auf. Diese Formate nutzen symbolisch die Treppe als hierarchischen Entscheidungsraum für die Auswahl (hopp oder flopp) aus dem Teilnehmer*innen-Pool. Dabei spielen gesellschaftlich geprägte Normen, Werte, Geschlechterbilder sowie Vermarktungsinteressen und Oberflächlichkeit eine wesentliche Rolle.

Karikatur und Dekonstruktion gesellschaftlicher Rollenbilder

Mit Karikatur und Dekonstruktion wird in „Schwindel“ auf einer eindrucksvollen Bühnenkonstruktion (eine knallpinke Treppe und ein drehbares, hellgelbes Gerüst in Herzform) humorvoll und ironisch die Thematik von Begierde, Liebe, Sehnsüchten, Körperbewusstsein, Unsicherheit, Verlust- und Bindungsängsten in all ihrer Komplexität dargestellt. Der Plot dreht sich um vier queere Personen unterschiedlichen Alters, die sich im Gefühlschaos fragen, was wirklich zählt.

Ava (Akasha Daley) hat im 15. Stockwerk ihrer Wohnung ein heißes Date mit Robin (Fabienne-Deniz Hammer). Plötzlich stören zwei ihrer ehemaligen Liebhaber*innen, Delia (Rabea Lüthi, Gast) und Silvia (Antje Prust), die Szene: Delia möchte nur ihr vergessenes Handy abholen, während Silvia verärgert ist, weil Ava seit Wochen nicht auf ihre Nachrichten reagiert hat. Die überforderte Ava flieht ohne Schlüssel und Smartphone, verfolgt von den drei anderen, aufs Dach. In schwindelerregender Höhe und nahe am Abgrund sitzen die Vier schließlich fest – mit all ihren emotionalen Konflikten.

Akasha Daley, Antje Prust, Fabienne-Deniz Hammer, Rabea Lüthi(Foto: c) Birgit Hupfeld
Akasha Daley, Antje Prust, Fabienne-Deniz Hammer, Rabea Lüthi
(Foto: c) Birgit Hupfeld

Die Schauspieler*innen versetzten sich eindrucksvoll und mit großer Spielfreude in die unterschiedlichen Charaktere. Die scheinbar beziehungsunkomplizierte Ava leidet in Wahrheit unter Verlustängsten, Robin tut cool und selbstsicher, während die jüngste, Delia, noch etwas unsicher ist, aber klare Ansagen macht. Die älteste, Silvia, fürchtet besonders, von der jüngeren Partnerin verlassen zu werden.

Auch körperlich forderte die Inszenierung den Darsteller*innen einiges ab. Die Erzählerin (die Regisseurin selbst) kommentierte das Geschehen humorvoll und ironisch. Die Herzkonstruktion diente zudem als sinnliche Projektionsfläche, und Musik spielte eine tragende Rolle, indem sie die emotionale Ebene der Szenen unterstützte.

Ein erfrischender, oft derber und direkter Beitrag der jungen Theatergeneration, der einen differenzierten Diskurs um Queerness, den politischen Körper und menschliche Beziehungen anstößt. Weitere Aufführungstermine finden Sie wie immer unter www.theaterdo.de oder telefonisch unter 0231/50 27 222.




Tücken der Revolution

„Dantons Tod und Kants Beitrag“ inszeniert von Kieran Joel am Theater Dortmund

Die Französische Revolution begann vor 225 Jahren spektakulär mit dem Sturm auf die Bastille. Sie veränderte Europa und die Welt. Kieran Joel geht im Kant-Jahr 2024 der Frage nach, ob die Revolution nachhaltig war und die Menschen wirklich besser gemacht hat. Mit einem spielfreudigen Dortmunder Ensemble inszeniert er eine „revolutionäre Theatersatire“. Nach „Das Kapital. Das Musical“ bearbeitet er diesmal Georg Büchners Drama. Die zentrale Frage lautet: Können Theater und Kunst die Welt verbessern?
Die Inszenierung bietet eine zähe, oft holzschnittartige und laute Performance. Sie bringt wenig neue Erkenntnisse. Doch immer dann, wenn sie Büchners Originaltexte einsetzt, zeigt sie starke schauspielerische Momente.

Herausgekommen ist dabei eine etwas zähe, bisweilen holzschnittartige, oft zu laute Performance mit wenig Erkenntnisgewinn, ein Theaterabend, der jedoch immer dann, wenn er auf Büchners Originaltexte vertraut, auch starke schauspielerische Momente bereit hält.

Dantons Tod: Sarah Quarshie, Lukas Beeler, Antje Prust, Fabienne-Deniz Hammer, Viet Anh Alexander Tran, Alexander Darkow. Foto:(c) Birgit Hupfeld
Dantons Tod: Sarah Quarshie, Lukas Beeler, Antje Prust, Fabienne-Deniz Hammer, Viet Anh Alexander Tran, Alexander Darkow. Foto:(c) Birgit Hupfeld

Zwischen Utopie und Realität: Eine Theatertruppe auf der Suche nach der Revolution

Der Abend beginnt idyllisch. Morgennebel liegt über einer Waldlandschaft, entworfen wie von Caspar David Friedrich. Diese Romantik wird jedoch durch einen Bühnenarbeiter in schwarzem Outfit gebrochen, der am Rand den eisernen Vorhang bedient. Dieses absurde Bild deutet den Spagat zwischen Schein und Realität an, den Joel an diesem Abend wagt. Die Theatertruppe von Intendantin Bettina Kunstmann (Antje Prust) besinnt sich auf den alten Traum der Künstler
. Sie wollen die Welt nicht nur interpretieren, sondern wirklich verändern. Eine nie dagewesene Inszenierung von „Dantons Tod“ soll der Auftakt für eine Theaterrevolution sein.
Vor der Waldkulisse versammelt sich eine Schar Weltverbesserer. Sie wirken in ihren Kostümen (Tanja Maderner) wie Studenten der 68er-Generation. Begeistert entdecken sie das Agitprop-Theater für sich. Die Euphorie ist groß, die Rollen werden verteilt (ausschließlich Männerrollen aus Büchners Drama). Die Rollenverteilung spiegelt die Hierarchie im Theater wider. Es gibt die Radikalen und die Gemäßigten. Einige wollen nur spielen, andere möchten das Spiel zerstören. Diese unterschiedlichen Ansprüche führen zu Konflikten. Theater und Realität vermischen sich auf bedrohliche Weise. Das Ensemble scheitert an seinen Widersprüchen. Es scheint, als würden am Ende echte Köpfe rollen statt Theaterblut fließen.
Das Haupt des Philosophen Kant wurde vorsorglich als übergroßer Puppenkopf entsorgt. Damit steht der gewaltbereiten Zügellosigkeit nichts mehr im Weg.

Starke Monologe als Glanzpunkte der Inszenierung

Das Finale der Satire endet in einer Prügelei. Doch bevor es Tote gibt, verkündet die Darstellerin des Volks (Sarah Quarshie) eine Überraschung. „Die Menschen reflektieren ihre Verhältnisse“, erklärt sie den verblüfften Streithähnen. Alle gehen hinaus und kommen zurück. Sie bezeugen nichts weniger als ein Wunder. Ein Happy End? Hat das Theater sein Ziel erreicht? Wohl kaum. Der Kreis schließt sich zum idyllischen Anfang. Dieser satirisch gemeinte Schluss unterstreicht das Anliegen des Regisseurs. Er möchte ein „hoffnungsvolles“ Theater inszenieren. Doch der Abschluss wirkt ein wenig zu euphemistisch.
Die Dialoge verknüpfen geschickt Büchners Text mit neuen, gemeinsam entwickelten Passagen. Anfangs verfolgt man das Geschehen interessiert. Doch nach und nach wiederholen sich die Wortbeiträge, Fragen und Antworten. Die Widersprüche sind bereits bekannt, und neue Erkenntnisse bleiben aus. Die Auseinandersetzung bleibt im Allgemeinen stecken. Das Interesse verblasst, wie das (Theater-)Blut auf den Kostümen. Die Inszenierung ist oft zu laut und wenig nuanciert.
Wohltuend anders sind die Monologe, die Joel nah an Büchners Original hält. Wenn Alexander Darkow als Danton über den Fatalismus der Geschichte reflektiert, wird es leise. Fabienne Deniz-Hammer als Saint-Just erklärt mit kaltem Lächeln, dass die „Revolution die Menschheit zerstückt, um sie zu verjüngen“. Antje Prust als Robespierre zweifelt an seiner eigenen Gefühlskälte. Diese Momente sind leise und gefährlich. Sie gewinnen an Tiefe und Gedankenschärfe. Für diese starken Augenblicke lohnt sich der Besuch der Inszenierung.




Wenn das innere Kind zum Dämon wird

Am 13. September 2024 feierte die Groteske „Der Dämon in dir muss Heimat finden“ im Studio des Schauspielhauses Premiere. Das Stück, geschrieben von Lola Fuchs, ist eine Satire auf den Selbstoptimierungswahn. Seit Jahren versucht dieser, uns vorzuschreiben, wie wir inmitten des Chaos produktiv und erfolgreich bleiben sollen. Der Titel spielt provokant auf Stefanie Stahls Bestseller „Das Kind in dir muss Heimat finden“ an. Dieser beschäftigt sich mit den Auswirkungen ungelöster Kindheitstraumata auf das Erwachsenenleben.

Im Mittelpunkt steht Mandy-Galadriel (Nika Mišković), eine 30-jährige Betreiberin eines Paketshops. Sie träumt immer noch von einer Karriere als Singer-Songwriterin. Ihre Freundinnen haben genug von ihrem unsteten Leben. Sie schenken ihr einen Gutschein für die DAWN-Experience, ein esoterisches Unternehmen, das sich auf die „Heilung des inneren Kindes“ spezialisiert hat. Dort trifft sie auf Veronika von Sonnen (Marlena Keil), Markus von Sonnen (Linus Ebner) sowie auf die weiteren Teilnehmer*innen Melli (Linda Elsner) und Florian (Ekkehard Freye).

Sophie Dahlbüdding (Statisterie), Marlena Keil, Linus Ebner, Nika Mišković(c) Birgit Hupfeld
Sophie Dahlbüdding (Statisterie), Marlena Keil, Linus Ebner, Nika Mišković Foto: (c) Birgit Hupfeld

Zwischen Esoterik und Kapitalismus: Mandys Reise zur Selbstfindung

Lola Fuchs verbindet in ihrer Groteske den Druck zur Selbstoptimierung mit Science-Fiction- und Horrorelementen. Das „innere Kind“ wird hier nicht nur metaphorisch wiedergeboren. Durch ein Portal erscheint es erneut, was zu komischen und nachdenklichen Konfrontationen zwischen jüngeren und älteren Ichs führt. Besonders witzig ist die Enttäuschung von Florians jüngerem Ich. Es ist schockiert, dass seine ältere Version als Linksextremist gescheitert ist. Das kapitalistisch geprägte jüngere Ich kann das nicht fassen.

Wenn das innere Kind zur Ware wird: Kritik an spirituellen Heilversprechen

Der Höhepunkt des Stücks zeigt Veronika und Markus im „Zukunftslabor“. Sie wollen die gechannelten inneren Kinder entweder als Arbeitssklaven (Schattenkinder) oder Führungskräfte (Sonnenkinder) verkaufen. Die älteren Versionen sollen verschwinden. Doch dieser Plan scheitert. Mandy und Galadriel stellen sich gegen die Ausbeutung. Lola Fuchs bietet in diesem Werk eine scharfe Analyse der gegenwärtigen Verhältnisse. Sie beleuchtet die skrupellose Profitmaximierung in der Selbstoptimierungsbranche. Die engagierten Darsteller*innen trugen entscheidend zum Erfolg des Stücks bei. Besonders Sophie Dahlbüdding, die das 12-jährige Ich von Mandy spielte, glänzte in ihren Dialogen mit dem älteren Ich.

Weitere Informationen finden Sie unter: www.theaterdo.de




Jugendclub 18Plus-Projekt – „Nichts. Was im Leben wichtig ist“

Im Studio des Dortmunder Schauspiels hatte der neue Jugendclub 18Plus am 22.02.2024 mit ihrer Projektarbeit „Nichts. Was im Leben wichtig ist“ von Janne Teiler (nach der deutschen Übersetzung von Sigrid C. Engeler. Bühnenfassung Andreas Erdmann) seine Premiere. Regie führte Sarah Jasinszczak.



Das Bühnenbild war mit sechs großen roten Buchstaben „NICHTS“ und einem Papierberg im Hintergrund von Sandra Kania nicht nur auffällig gestaltet, sondern die einzelnen Buchstaben konnten auch multifunktional von den acht schauspielenden Personen (18–20 Jahre) bei der Aufführung genutzt werden.

Jugendclub18Plus. Simon Thomae, Sarah Gißübel, Philo Schwippert, Valdrina Jusufi, Lisa Winkelmann, Louis Koppelkamp, Stella Hanke, Ari Trapani
Foto: (c) Birgit Hupfeld

Die Geschichte ist in einer Kleinstadt in Dänemark angesiedelt. Der Junge Pierre Anthon sträubte sich schon damals in der achten Klasse gegen jede Art von Bedeutung. Er konfrontierte seine Mitschüler*innen von einem Pflaumenbaum aus mit logisch scharfen Argumenten, die das tradierte (kapitalistische) Wertsystem provokativ in Frage stellte. Die Altersgenossen wollten ihn schließlich mit einem „Berg aus Bedeutung“ in einem Sägewerk vom Gegenteil Überzeugung. Jeder und jede von ihnen musste einen Gegenstand von größter persönlicher Bedeutung ablegen. Der oder die Opfernde durfte festlegen, wer als nächstes welches Opfer zu bringen hatte. Die Situation eskalierte immer mehr bis zum schrecklichen Ende…

Acht Jahre später vergeht immer noch kein Tag, an dem die ehemaligen Schüler*innen nicht daran denken und das Geschehen für das Publikum die Vorgänge nacherzählen.

Als Ich-Erzählerin Agnes (Stella Hanke) hatte neben Pierre Anthon (Louis Koppelkamp) dabei eine besondere Funktion. Die sechs anderen Schauspieler*innen hatte stellten die ihnen zugeordneten unterschiedlichen Charaktere ebenfalls glaubwürdig dar. Eindrucksvoll auch die Szenen im Zeitraffer. Das Studio mit seiner Nähe zum Publikum war genau der richtige Ort für das Bühnenstück. Es wurde auch Life-Musik von Simon Thomae in seiner Rolle als ehemaliger Mitschüler Jan-Johan (Gitarrist) gespielt.

Wegen seiner nihilistischen Aussagen war der Roman umstritten.

Die Fragen nach dem Sinn des Lebens sind gerade heute wie schon damals von existentieller Bedeutung. Ein wichtiges Thema für die junge Bühne in unserer Zeit.

Sinn in seinem begrenzten Leben muss jeder Einzelne selber suchen und finden. Wir haben nur das Eine.

Informationen zu weiteren Aufführungsterminen erhalten Sie wie immer unter www.theaterdo.de oder Tel.: 0231/50 27 222




Eine humorvoll-satirische Adventslesung mit musikalischer Begleitung

Das konnte das Publikum am 02.12.2023 im Institut des Dortmunder Schauspielhauses unter dem Motto „Alle Jahre wieder…“ erleben.



Atmosphärisch-kulinarisch abgerundet wurde das Erlebnis mit frischen Waffeln. Auch die kleine Bühne war gemütlich weihnachtlich-festlich eingerichtet.

Thomas Ehrlichmann und Annika Hauffe auf dem Schlitten mit Raphael Westermeier und Lukas Beeler. (Foto: (c) Lisa Bunse)
Thomas Ehrlichmann und Annika Hauffe auf dem Schlitten mit Raphael Westermeier und Lukas Beeler. (Foto: (c) Lisa Bunse)

Die Schauspieler Raphael Westermeier und Lukas Beeler vom hiesigen Schauspielensemble ließen den „vorweihnachtlichen Wahnsinn“ mit seinen Überforderungen, Ritualen, Erwartungen, Stress, übervollen Städten, Weihnachtsmärkten und Arztpraxen mit Texten von Kurt Tucholsky bis Loriot mit humorvoller-Ironie lebendig werden. Besonders bei Loriots „Der Familienbenutzer- vielleicht weglassen?“ und „Uff Ächz schnief hust“ (Sandra Da Vina) konnten sie ihr schauspielerisches Können gut ausspielen.

Drei passend ausgesuchten Songs mit einem ironischen Augenzwinkern von Thomas Ehrlichmann und Annika Hauffe vom KJT Dortmund sorgten für gute Laune. Eine gelungen Crossover-Zusammenarbeit und gelungene Vor-Advents-Veranstaltung. Das Publikum ging mit guter Stimmung in den frühen Abend.

Gelegenheit, diese Adventslesung mit Musik zu erleben gibt es noch am Sonntag, den 10.12.2023 um 15:00 Uhr im Institut (Schauspiel Dortmund).

Karten und Infos erhalten Sie wie immer über www.theaterdo.de oder Tel.: 0231/50 27 222 eventuell an der Kasse des Schauspielhauses.




Was wollen und brauchen wir wirklich?

Im Dortmunder Schauspielhaus hatte die Inszenierung von Paul Spittler nach William Shakespeares Komödie „Was ihr wollt“ am 14.11.2023 seine Premiere.



Dieses Spiel um das hartnäckige und  Werben des selbstverliebten Herzog Orsino von Illyrien um die Liebe der Gräfin Olivia, eines getrennten Zwillingspaare, Geschlechterrollenwechsel, Machtausübung, Täuschungen und scheinbar unmöglichen Beziehungen bietet viel Stoff für unsere heutige Zeit.

Was ihr wollt: Sarah Quarshie, Linda Elsner, Viet Anh Alexander Tran, Raphael Westermeier und Antje Prust. (Foto: (c) Birgit Hupfeld)
Was ihr wollt: Sarah Quarshie, Linda Elsner, Viet Anh Alexander Tran, Raphael Westermeier und Antje Prust. (Foto: (c) Birgit Hupfeld)

Der Regisseur versucht die Verbindung zum 21. Jahrhundert vor allem durch die spezielle Rolle des Narren (Antje Prust), der hier keine nur von außen erklärend-kommentiere Funktion hat. Der Narr ist mitten drin in einer bunten karnevalesken Spaßgesellschafft. Diese möchte generell eigentlich nicht nachdenken außer über Rausch, Flirten, einem zotigen Gag, die persönliche Beförderung, oder einer kleinen Intrige etwa gegen den herablassenden Haushofmeister Malvolio.

Der Herzog Orsino (Raphael Westermeier) und die (um ihren verstorbenen Bruder trauernde) Gräfin Olivia leben selbstgefällig mit Macht oder Reichtum im Hintergrund. Leider nutzt ihnen das in vermeintlichen Liebesdingen wenig. Der arrogante Haushofmeister Malvolio (Ekkehard Freye) im Dienst der Gräfin sieht auf die anderen Bewohner, wie die lustige Zofe Maria (Sarah Quarshie) oder ständig betrunkenen Onkel Toby Rülps (Nika Mišković). Der etwas tumbe, für die Gräfin schwärmende Ritter Sir Andrew Leichenwang (Adi Hrustemović) wird gerne für ihre Intrige gegen den Malvolio einspannen.

Die schiffsbrüchige Viola (gerettet von einem Kapitän), von ihrem Zwillingsbruder Sebastian getrennt, dient verkleidet als Cesario dem Herzog und verliebt sich in ihn. Währenddessen wird der Zwillingsbruder von dem unglücklich in ihn verliebten Antonio (Alexander Darkhoff, auch als Kapitän) gerettet. Die Doppelrolle Viola/Sebastian wurde von Ensemble-Neuzugang Viet Anh Alexander Tran verkörpert. Narr Feste versucht verzweifelt (und vergeblich) in dem Chaos auf das Wesentliche hinzuweisen. Alle suchen doch hinter ihrer Maskerade nach Zugehörigkeit, Wertschätzung, Respekt, Soziale Gerechtigkeit, Freiheit, egal welches Geschlecht oder sexuellen Orientierung, gläubig oder nicht gläubig, und der „wahren Liebe“. Keiner will richtig zuhören. Ablenken ist angesagt.

Bei den heutigen Krisen und Problemen, Klimawandel, Flüchtlingsproblematik, Kriege, soziale Ungerechtigkeit, Armut und Wohnungsnot, Hungersnöte in der Welt, Umweltkatastrophen, Vereinsamung usw. geht es vielen Menschen ähnlich. Aber das ist keine Lösung für die Probleme.

Die frisch-frechen und neuen Texte für den Narren von Laura Naumann brachten einen besonderen Bezug zur Jetzt-Zeit mit einem kritisch-ironischen Blick auf Geschlechterrollen, Machtstrukturen und Spaßgesellschaft.

Optisch, vielleicht ein wenig dick aufgetragen, zog die Inszenierung alle Register. Abgefahrene Kostüme, Männer in Frauenkleidung und umgekehrt. Über alle Geschlechtergrenzen hinweg tobten sich die Schauspieler*innen mit viel Spielfreude auf der Bühne aus. Eine schwierige Balance zwischen Klamauk und ernsthaften Hintergrund.

Häufiger Wechsel des Bühnenbildes (Drehbühne), Video-Einspielung oder witzige Song oder Tanz-Passagen wurden geschickt eingesetzt.

Wer sich selber ein Urteil bilden möchte: Infos zu weiteren Aufführungsterminen finden Sie wie immer unter www.theaterdo.de oder 0231/55 27 222




Die Not steht ihr gut – Trashkomödie um Kapitalismus und Patriarchat

Das als „gewinnorientierte Trashkomödie“ bezeichnete Stück „Die Not steht ihr gut“ von Ensemblemitglied Lola Fuchs hatte am 26.01.2023 seine Uraufführung im Studio des Schauspiel Dortmund.



Lola Fuchs ist nicht nur Autorin und Regisseurin des Stücks, sondern übernahm auch die Rolle der emotional missbrauchten Seminarteilnehmerin Gisela.  Diese werden von der angesagten Coaching-Agentur der Gründerinnen Sharon (Linda Elsner) und Dana (Nika Mišković) angeboten. Mit List und Ausnutzung aktueller emanzipatorischer Strömungen schlagen sie Kapital. Die Aushöhlung ihrer Ideale und Abhängigkeit vom charmant-skrupellosen Investors Charlie (Christopher Heisler) nehmen sie dabei in Kauf. Der unterbezahlte Dauerpraktikant Dominic (Linus Ebner), der es nicht einmal Wert ist, sich seinen Namen zu merken, steht ihnen dienend zur Seite.

Nika Mišković ,und Linda Elsner als Gründerinnen einer Coaching-Agentur. (Foto:  Florian Dürkopp)
Nika Mišković ,und Linda Elsner als Gründerinnen einer Coaching-Agentur. (Foto: Florian Dürkopp)

Heimlich träumt er von einer gerechten sozialistischen Welt, in der die Menschen gleichberechtigt, unabhängig von Geschlecht oder Herkunft leben und nach ihren Fähigkeiten entwickeln können. Er tritt auch als Erzähler der Geschichte auf.

Nach dem verhängnisvollen Tweet einer ehemaligen Seminar-Teilnehmerinnen ändert sich die sich die Situation der beiden Businessfrauen schlagartig. Gemeinsam mit ihrem Gehilfen müssen sie den Weg ins gefährliche und angstauslösende Dickicht hinter den Mauern ihres Büros antreten…

Die Bühnenausstattung und Kostüme sind in auffallenden, knalligen Farben gehalten und entsprechen der ironisch-humorvoll überzeichneten Charaktere auf der Bühne. Das gleiche gilt für die wunderbare Arbeit der Maske.

Den Schauspieler*innen gelang es überzeugend, sich in die Persönlichkeiten hinein zu versetzen. Das Ganze mit vollem Körpereinsatz. Eindrucksvoll auch, wie die Persönlichkeitsveränderungen von Dana (von eher naiv lebensfroh zu kämpferisch) oder Sharon (von selbstbewusst zu angepasst) dargestellt wurden.

Die Rolle der dem Investor Charlie ergebenen „Brüderhorde“ übernahmen witziger Weise mit viel Freude am Spiel sechs junge Damen des Jugendclubs (Theater Dortmund).

Das Geschehen wurde von einer Live-Kamera (Ismael Khudida) effektvoll begleitet. Auch die Souffleuse (Klara Brandi) durfte ab und zu auf der Bühne mitmischen. Tanz und kleine Gesangseinlagen zwischendurch sorgten für etwas Auflockerung.

Die Mechanismen des Kapitalismus wurden durch die Trashkomödie offen und klar mit einer guten Portion schwarzen Humor dargelegt.

Starken Beifall gab es für die Leistung der Beteiligten.

Infos zu weiteren Aufführungsterminen erhalten Sie wie immer unter www.theaterdo.de oder Tel.: 0231/ 50 27 222