Der Ring des Nibelungen – alle gegen Wotan

Tja, er hat es halt verkackt, der gute Wotan. Dabei hat er doch nur das Beste gewollt. Aber wie heißt es doch so schön: Das Gegenteil von gut ist gut gemeint. Dafür bekommt er nun Feuer von allen Seiten. Alberich, Fricka, Brünnhilde, die Kinder der Riesen: Alle haben ein Hühnchen mit Wotan zu rupfen. Denn es ist schon peinlich für einen Gott der Verträge, wenn man sich selbst nicht an Abmachungen hält.



Während es bereits zahlreiche Analysen des Werkes von Richard Wagner gibt, die sich auf die ökonomischen Aspekte des „Rings“ beziehen, so setzt sich Autor Necati Öziri mit den zwischenmenschlichen Dingen auseinander. Intendantin Julia Wissert inszenierte das Stück.

Sarah Quarshie (Erda) und das Ensemble. (Foto: (c) Birgit Hupfeld)
Sarah Quarshie (Erda) und das Ensemble. (Foto: (c) Birgit Hupfeld)

Der Beginn des Stückes ist sehr launig, denn Arda (Tamer Tahan) erklärt erst einmal seinem fiktiven Onkel, was eigentlich die „Nibelungensage“ ist. Schließlich hat er Zweifel, ob er als Gastarbeiterkind und bildungsfern aufgewachsen überhaupt „mitmachen kann“. Nach einer kleinen Zusammenfassung übernimmt Erda (Sarah Quarshie) die Bühne und liest der Menschheit die Leviten, spart dabei auch nicht mit aktuellen Bezügen. „Ihr verschanzt euch auf eurer Burg Walhall hinter hohen Mauern, hinter Zäunen aus Feuer du aus Furcht vor den Heimlosen, die euch heimsuchen, gewährt ihr nur noch den Toten den Eintritt in euer Reich.“

Danach waren die „Götter“ an der Reihe. Alberich (Adi Hrustenović), der als hässlich gebrandmarkte Zwerg machte den Anfang.  Er sprach für die „Einsamen, die Anstrengenden, die Unsympathischen“. Als nächstes sprach die Walküre und Tochter Wotans, Brünnhilde (Nika Mišković). Um Nachschub für Wotans Armee der toten Helden zu sammeln, müssen die Walküren dafür sorgen, „dass die Völker dieser Welt sich weiterhin bekriegen“. Diese Sinnlosigkeit ist sie satt und kündigt an, auf Alberichs Schiff mit den „Verlierern der Geschichte“ zu gehen.

Die Kinder der Riesen, die sich für den Bau der Burg Walhall kaputtgeschuftet hatten und beim Lohn von Wotan betrogen wurden (statt der Göttin der Jugend bekamen sie verfluchtes Gold) forderten von Wotan die Jugend zurück. Die Live-Komponistinnen Isabelle Papst und Maike Küster spielten auf das Schicksal der Gastarbeiter an, die sich in Deutschland und anderen Ländern kaputtgeschuftet hatten.

Auch Wotans Ehefrau Fricka (Antje Prust), auf der Bühne nackt und somit verletzlich,  hatte mit ihm ein Hühnchen zu rupfen, was ihr sichtlich schwerfiel. Denn sie liebt ihn eigentlich immer noch, obwohl er sich von ihr entfernte, wie sie beklagt. Auch die Tatsache, dass Wotan eine Geliebte hat (Brünhilde ist das Kind von Erda und Wotan), macht ihr nicht so sehr zu schaffen wie die Tatsache, dass sie in seinen Augen „verschwindet“, weil sie zu alt geworden ist.

Zum Schluss darf sich Wotan (Alexander Darkow) rechtfertigen. Seine Argumente, er habe schließlich aus dem Chaos etwas aufgebaut, seiner Familie ein Heim geschaffen. Er verhält sich wie der typische „alte, weiße Mann“, der weder seine Fehler eingestehen will, noch akzeptiert, dass sich die Welt gerade verändert. Frustriert, dass seine Arbeit und Mühen nicht von der Nachfolgegeneration gewürdigt werden. Letztlich steckt er „seine“ Welt selbst in Brand.

Julia Wissert gelang ein durch den „Ring“ eine gelungene Inszenierung des alten, germanischen Mythos. Wagner-fern und Dank Öziri auf aktuelle Themen konzentriert. Ragnarök, also die Götterdämmerung, wird kommen und Wotan und die alten Götter und ihre Ordnung hinwegfegen. Sie halten sich leider bis zum Schluss an die Macht und sorgen für Not und Elend. Die angeblichen Verlierer der Weltgeschichte sammeln sich und keine Burg Walhall wird sie aufhalten.

Ein gelungenes Spektakel, auch dank der Livemusik von Isabelle Papst, Maika Küster und Yotam Schlezinger, die die Bühne teilweise ordentlich gerockt haben.

Wer also den „Ring“ mal ohne Wagnerianisches Pathos in weniger Zeit erleben möchte oder überhaupt mal wissen möchte, worum es beim „Ring“ geht, sollte auf jeden Fall eine Vorstellung besuchen.

Infos unter www.theaterdo.de




Zombification – wie man die Zombiecalypse überlebt

Ob nun im Schauspielhaus mit den Stücken von Wenzel Storch oder mit dem Theaterkollektiv „Komplott Legal“: Wenn jemand in ein Stück von oder mit Thorsten Bihegue besucht, kommt er jedenfalls schlauer wieder heraus und ist dabei auch noch gut unterhalten. Das Prinzip der Wissensvermittlung durch Theaterbesuch funktionierte auch bei „Zombification – Lecture-Performance mit Hirn“, die am 27.10. 2017 im Theater im Depot Premiere hatte.

Das Wort „Zombie“ kommt aus der zentralafrikanischen Sprache Kimbuntu und bedeutet „Totengeist“. Über Haiti und dem Voodoo haben die Zombies den Weg in die populäre Kultur gefunden, als willenlos Untote, die auf ständiger Suche nach menschlichen Fleisch sind.

Das Trio von „Komplott Legal“ Isabel Stahl (Regie und Produktion), Christine Köck (Video und Grafik) sowie Theresa Mielich (Ausstattung) schufen eine fiktive Brennpunktsendung „Wo brennt‘s jetzt“ in der Zombitologe Wolfram Kowalewski (Bihegue) und Regine Anacker (Moderatorin) über die Zombies informierten und Tipps gaben, wie man eine Zombicalypse überlebt. Nicht nur Anacker war vom Dortmunder Sprechchor, sondern auch weitere neun Mitglieder, die als realitätsnah geschminkter „Zombiechor“ schönes Anschauungsmaterial boten.

Was fasziniert uns an Zombies? Ist es die Angst vor einer seelenlosen, stumpfen Masse, die unser gewohntes Leben durcheinanderbringt? Es ist schon erstaunlich, wenn Demokraten in den USA regieren, dann kommen mehr Vampirfilme auf dem Markt, denn so Kowalewski, die Demokraten fürchten mehr den Geldadel der Wall-Street, der mit den Blutsaugern eher assoziiert werden kann. Die Republikaner fürchten eher den Aufstand der Massen, der Armen und Ausgestoßenen, die das bürgerliche Leben in ein Chaos verwandeln.

Zwar nicht "Schwanensee", aber auch Zombies können schöne Choreografien. (Foto: © Theresa Mielich)
Zwar nicht „Schwanensee“, aber auch Zombies können schöne Choreografien. (Foto: © Theresa Mielich)

Selbstverständlich wird auf die filmischen Komponenten der Zombie-Thematik eingegangen, wenn auch meist nur mit Bildern von Filmcovern. Kurz zu sehen ist ein älterer Zombiefilm aus den 40er Jahren, in dem Zombies die klassische Rolle als willenlose, fremdbestimmte Figuren einnehmen.

Auch in „Zombification“ spielen die Zombies zunächst nur die Rolle als billige Arbeitskraft, denn billiger als ein Untoter geht nicht, um dann doch mit erstaunlichen Fähigkeiten zu glänzen wie beispielsweise dem Spielen eines Glockenspiels.

Praktische Tipps gibt es auch von von Kowalewski: Wie schützt man sich vor Zombieangriffen , welche Waffen sind nützlich und wo versteckt man sich. In einem Video, dass nicht zufällig einem Ego-Shooter ähnelt, kämpft sich unser Experte durch eine Horde von Trainingszombies.

Was nimmt der Theaterbesucher aus diesem Abend mit? Er erlebt Zombies die singen und tanzen, Live-Musik (natürlich „Zombie“ von den Cranberries), eine gut aufgelegte Moderatorin samt Experten und neun großartige Zombies. Zombies sind eben mehr als herum schlurfende, fleischfressende Untote, sie sind Teil unser Popkultur und daraus nicht mehr wegzudenken. Angesichts der politischen Verhältnisse in den USA ist also wieder mit mehr Zombiefilmen zu rechnen. Die wichtigen Frage sind doch. Wie viel Zombie steckt in uns, welche Bedingungen fördern sie und wie kann man sich dagegen wehren?

Die nächste Möglichkeit das Stück zu sehen, bietet sich am 04. Novemeber 2017 um 20 Uhr im Theater im Depot.




Zombification – Zombies zwischen Fiktion und Realität

Das freie Künstlerkollektiv Komplott Legal hat ihre neueste Produktion „Zombification“ eine Lecture-Performance mit Hirn, in Zusammenarbeit mit dem Dortmunder Sprechchor und in Kooperation mit dem Theater im Depot entwickelt. Die Uraufführung findet am Freitag, den 27.10.2017 um 20:00 Uhr im Depot statt. Regie und Produktion liegen in den Händen von Isabel Stahl (Komplott Legal).

Das Publikum wird direkt in eine Studio-Produktion hineingeführt. Die Moderatorin Helene Tomatschek (Regine Anacker, Dortmunder Sprechchor) hat den Schauspieler und Zombitologen Wolfram Kowalewski (Thorsten Bihegue , Komplott Legal) als Studiogast in ihre Sendung eingeladen. Wolframs Job ist es nicht nur, wertvolle Survival-Tips im Falle eines „Zombie-Apokalypse“ zu geben, sondern er setzt sich auch mit den filmischen, geschichtlichen, philosophischen sowie den Kapitalismus-kritischen Komponenten der Zombie-Thematik auseinander.

Drei Zombies ohne Glockenseil. (Foto: © Theresa Mielich)
Drei Zombies ohne Glockenseil. (Foto: © Theresa Mielich)

Da gibt es genug ja Material aus diversen Filmen und Fernsehserien. Wichtige Grundlage sind zum Beispiel neben Texten zur Thematik auch Filme wie etwa die bissige Parabel „Land of the Dead“ von George A. Romero (2005).

Zombies rekrutieren sich aus dem Dortmunder Sprechchor

Es geht um die Fragen wie: Was ist real, was ist Fiktion? Was macht die Zombies so attraktiv? Was macht sie zu Zombies und wie viel Zombie steckt in uns? Da spielen unter anderem die Angst vor „dem Fremden“, Untergang und Tod sowie die Sehnsucht nach Überleben eine bedeutende Rolle.

Auf der Bühne befinden sich rekrutierte „Zombies“ vom Dortmunder Sprechchor, die als reale Zombies angesprochen werden. Per Video kommen noch eine ganze

Menge weiter hinzu. Eine weitere Frage ist: Was können Zombies eigentlich wirklich? Die auf der Bühne können sich jedenfalls künstlerisch ausdrücken und tanzen. Ja, sie können sogar ein wenig sprechen.

Das Publikum erwartet viele sinnliche Bilder, viel Nebel, und ein guter Soundtrack von Musik aus der Konserve und live auf der Bühne.

Wir arbeiten mit Fakten und Behauptungen, die übertrieben dargestellt werden,“ erklärte Bihegue. Das Ganze findet im Spannungsfeld zwischen Fiktion und Realität statt. Ironie wird dabei eine bedeutende Rolle spielen.

Wir dürfen auf die ungefähr siebzig minütige Performance gespannt sein.

Weiter Vorstellungen: Samstag, den 28.10.2017 und Samstag, den 04.11.2017, jeweils um 20:00 Uhr.

Infos und Kartenreservierungen unter 0231 – 9822336 oder ticket@theaterimdepot.de