Musik voll Eleganz, Sinnlichkeit und rhythmischer Kraft

Das 9. Philharmonische Konzert am 25./26.04.2023 stand unter dem Titel „Vom Tellerwäscher zum Millionär“. Das bezog sich aber nach der Programmänderung speziell nur auf den Gershwins „Porgy and Bess – A Concert of Songs“ nach der Pause im Dortmunder Konzerthaus. Ars tremonia war am 25.04.2023  mit dabei.

Das Programm stellte französische und US-amerikanische Musik (erste Hälfte 20. Jahrhundert) gegenüber.

Der Abend begann mit Maurice Ravels (1875 – 1937) „Le Tombeau de Couperin“. Mit dem Tombeau (Grabmal oder Grabstein) greift Ravel die Tradition der französischen Barockmusik auf und huldigt auf seine eigene Art nicht nur ihr, sondern auch dem von ihm verehrten Barockkomponisten Francois Couperin.

Die Dortmunder Philharmoniker unter der schwungvollen Leitung von Dirigent Jordan de Souza füllten die viersätzigen Orchesterfassung des Komponisten mit Leben. Die stilisierten Tanzformen dieses „musikalischen Grabmals“ mit ihren charakteristischen Rhythmen und Bewegungsformen werden auf die ganz eigen von Ravel musikalisch raffiniert und elegant musikalisch verarbeitet.

Es war gleichzeitig ein Gedenken an die im Ersten Weltkrieg ermordeten Menschen.

Es folgte die Huldigung von Claude Debussy (1862 – 1918) an das Meer mit „La Mer. Trois esquisses symphoniques“. Die bis ins letzte Detail ausgeformte Komposition gibt viel Spielraum für Assoziationen. Die drei Sätze wurden von Debussy schon mal (suggestiv) mit Titeln wie „Von der Morgendämmerung bis zum Mittag auf dem Meer“, „Spiel der Wellen“ und „Dialog zwischen Wind und Meer“ versehen. Auf alle Fälle ein sinnliches Erlebnis für alle Zuhörenden.



Nach der Pause stand als weiterer Höhepunkt George Gershwins (1898 – 1937) „Porgy and Bess – A Concert of Songs. Arrangiert für Sopran, Bariton, Chor und Orchester von Robert Russel Bennett“ auf dem Programm.

Mit der Konzentration auf vier große Szenen in gedrängter Form (14 Songs insgesamt) wurde es zu einem gelungenen Gershwin pur Erlebnis.

Beteiligt daran waren der nicht zum ersten Mal im Konzerthaus aufgetretenen temperamentvolle Chor Brno unter der Leitung von Michael Dvořák, Tatjana Prushinskaya am Klavier und die südafrikanische Sopranistin Pumeza Matshikiza mit ihrer klaren Stimme und Zachariah N. Kariithi (Kenia) mit seinem vollen warmen Bariton. Das wunderbare Zusammenspiel aller Beteiligten sorgte zudem insgesamt für ein gelungenen, und mit viel Beifall bedachten Konzertabend.




Zwischen Traum und Trauma

Das 6. Philharmonische Konzert im Konzerthaus Dortmund am 23. und 24. Februar 2016 stand unter dem Motto „traum_welten“. Das bedeutet nicht nur die traumhaft-ekstatische positiven Seite, sondern auch die dunkle Seite, der Albtraum dahinter.

Besonders deutlich wird das bei Maurice Ravel (1879 – 1937) bei seinem „La Valse, Poème choréographique zu Beginn des Abends. Im Jahr 1916 als Hommage Johann Strauß von Ravel zunächst unter dem Titel „Wien“ konzipiert, wurde der Name nach seinen Erlebnissen im Ersten Weltkrieg in „La Valse“ geändert.

Was bei Thomas Manns „Zauberberg“ eine literarische Auseinandersetzung mit dem „Fin de Siècle“ ist, gelingt Ravel beeindruckend auf musikalischer Ebene.

Der Dortmunder Philharmoniker unter der sensiblen und energischen Leitung von Generalmusikdirektor Gabriel Feltz gelang es hervorragend, die unterschiedlichen Stimmungen des Stücks bis in die feinen Nuancen für das Publikum lebendig werden zu lassen.

Am Anfang die wie durch einen Nebel gesehenen ausgelassenen Walzerklänge eines höfischen Balls, die immer ekstatischer werden. Zwischendurch sind aber schon bedrohliche Paukenschläge zu hören. Am Ende steigert wie bei einen „Tanz auf dem Vulkan“ in einen hysterischen Taumel bis zur Katastrophe hinter dem Abgrund.

Es folgte das technisch anspruchsvolle 2. Klavierkonzert g-Moll op. 13 von Camille Saint-Saëns ( 1835 – 1921). Die junge Schweizer Pianistin Beatrice Berrut meisterte die Herausforderung der Melange verschiedener stilistischer Einflüsse mit einer scheinbar spielerischen Leichtigkeit. So zum Beispiel in den Solopartien mit der formalen Strenge J.S. Bach, oder dann im plötzlichen Wechsel leicht mit einem romantischen Anklang an Schuhmann im erste Satz „Andante sostenuto“. Das Zusammenspiel mit dem begleitenden Orchester war von großer Harmonie geprägt.

Der zweite. Satz, das „Allegro scherzando“ war melodiös und von beschwingter Leichtigkeit gekennzeichnet.

Der dritte Satz mit dem Finale:Presto (alla breve) nimmt mit einer schwungvollen Tarantella noch einmal gehörig an Fahrt auf hin bis zu den fulminanten Orchesterakkorden am Ende.

Für das begeisterte Publikum gab es von der Pianistin noch eine Zugabe von J.S. Bach.

Nach der Pause folgte das Trauma des russischen Komponisten Sergej Rachmaninow (1873-1943), die 1. Sinfonie d.Moll op. 13.

Nach der Uraufführung am 27. März 1897 wurde sie zunächst gnadenlos von der Presse verrissen. Das führte bei Rachmaninow zu einer Depression. Hinzu kam noch seine unglückliche Liebe zu Anna Lodyzhenska, der Frau eines Moskauer Kaufmanns. Ihr hatte Rachmaninow die Sinfonie gewidmet und von diesem Schmerz ist sie geprägt. Düster, wuchtig, melancholisch und kraftvoll. Nur kurz heiter beim Volksfest der Zigeuner.. Das Mottothema wie das gesamte Werk von Rachmaninow basiert auf der Tonfolge des „Dies Irae“-Chorals der lateinischen Totenmesse.

Einen persönlichen Bezug zu seiner unglücklichen Liebe zeigen auch die an die Zigeunermusik anklingende musikalischen Elemente. Die Eltern von Anna waren Zigeuner (Roma -Sinti ?).

Temperamentvolle Tarantella und Volksfeststimmung wechselt mit ruhigeren Passagen bis zum gewaltigen Höhepunkt mit dem Schlag eines Tamtams, um dann wieder zum umfassenden Motto des ersten Satzes zurück zu finden.




Zeitinsel Labèque – Die Suche nach den Wurzeln

Die Begeisterung von Ravel zur spanischen Musik kommt nicht von ungefähr, denn seine Mutter war Baskin. Was lag also näher, als die bekanntesten Stücke von Maurice Ravel mit traditioneller baskischer Musik zu kombinieren. So begannen die beiden Schwestern Katia und Marielle Labèque ihre Zeitinsel im Konzerthaus Dortmund am 25. November mit einer Mischung aus Klassik und Weltmusik und einer Spurensuche nach den baskischen Wurzeln ins Ravels Musik.

Märchenhaft und beinahe zärtlich ging es los. „Ma mére l’oye“ (Mutter Gans) von Ravel ist ein feines Stück für Klavier zu vier Händen. In der sanften Interpretation von Katia und Marielle wird deutlich, warum das Stück bei Pianisten so beliebt ist. Scheinbar einfach in seinen Strukturen, entwickelt die Musik eine beinahe hypnotische Kraft.

Neben dem berühmten Bolero wird die Begeisterung von Ravel für das Spanische in seiner „Rhapsodie Espagole“ deutlich. An zwei Klavieren spielten die beiden Schwestern das Stück mit immer stärker werdender Intensität, vor allem im vierten Satz, der „Feria“, in der alle Emotionen kumuliert werden und zum Ausbruch kommen.

Nach der Pause kam ein frischer Hauch Weltmusik in den Konzertsaal. Thierry Biscary, Jamixel Bereau und Xan Errotabehere bilden das Trio Kalakan. Traditionelle baskische Musik, teilweise nur a capella dargeboten oder durch Percussioninstrumente betont, verzauberten das Publikum im Nu und brachte es zum Mitsummen und Mitklatschen.

Danach war wieder Ravel mit seinem wohl bekanntesten Stück „Bolero“ an der Reihe. Die Version, die Katia und Marielle Labèque zusammen mit Kalakan auf die Bühne zauberte, verblüffte durch ihre musikalische Klarheit. Kein großes Orchester, keine Streicher, keine Bläser. Zwei Klaviere und Percussion, mehr brauchte es nicht, um einen umwerfenden Bolero zu spielen, der von der Leidenschaft der beiden Schwestern geprägt war.

Die Zugaben waren eine kleine Vorausschau auf die nächsten Tage der Zeitinsel. Katia und Marielle Labèque spielen ein kleines Stück von Philip Glas als Vorgeschmack auf das „Minimalist Dream House“ am Samstag und Kalakan gaben eine Ahnung, was die Konzertbesucher am Donnerstag erwarten würde.




Musikalische Nachtgedanken

„nacht_stücke“ hieß das Programm des 2. Philharmonischen Konzertes am 08. und 09. Oktober im Konzerthaus und präsentierte Werke von Ravel, Debussy und Mozart. Am Dirigentenpult stand Stefan Solyom.

Exit light – enter night. Das war jedenfalls das Motto des Abend, obwohl das Lied des Komponistentrios Hetfield, Ulrich und Hammett (besser bekannt als „Enter Sandman“) nicht zur Aufführung kam. So sorgte vor allem Claude Debussy zu Beginn für wohlige Schauer mit seinen „Trois Nocturnes“. Nachtbilder, Wechsel zwischen Mondlicht und Schatten, vor allem der dritte Satz „Sirènes“ weckte wohlige Schauer. Die Frauen des sinfonischen Chors der Chorakademie erzeugten mit den Philharmonikern eine Stimmung wie bei einer wolkenbehangenen Vollmondnacht.

 

Eine Besonderheit war das Konzert für Klavier und Orchester D-Dur von Maurice Ravel. Der Komponist hatte es für den Pianisten Paul Wittgenstein geschrieben, der im Ersten Weltkrieg seinen rechten Arm verloren hatte. Daher wird es einhändig, für die linke Hand, aufgeführt. Herbert Schuch am Klavier interpretierte das Werk meisterhaft. Hin und wieder hörte man aus dem Werk Ravels den Schrecken des Weltkrieges heraus. Ruhige Passagen wechseln sich mit gehetzten Takten ab, eine Reminiszenz an die Grabenkämpfer, die Tag und Nacht mit Angriffen und Bombardements rechnen mussten.

 

Nach der Pause kam Mozart mit seinem bekanntestes Stück über die Nacht: Die „kleine Nachtmusik“. Das Stück, eigentlich ein Kammermusikstück für Violinen, Bratsche, Violoncello und Kontrabass, wurde von Solyom mit der Streichbesetzung der Philharmonie gespielt. Vom Namen her passt die „kleine Nachtmusik“ natürlich ins Programm, von ihrer Klangfarbe gehört sie eher in einen lauen Abend. Besser passte schon Mozarts „Prager-Sinfonie“ ins Thema, vor allem durch seinen letzten Satz, dem Presto. Violinen und Holzbläser sorgten für eine schwebende Stimmung zwischen Nacht und Tag. Zwielicht.

 

Stefan Solyom führte die Dortmunder Philharmoniker konzentriert durch den Abend, den verdientermaßen größten Applaus erhielt Pianist Herbert Schuch, der sich mit einer Zugabe vom Publikum verabschiedete.