Messa di Gloria als stimmgewaltiges Konzerterlebnis

Giacomo Puccini (1858-1924) ist vor allem für seine ausdrucksstarken und melodramatischen Opern bekannt. Doch als Abschlussprojekt seines Studiums komponierte er die „Messa a quattro voci“, heute besser bekannt als „Messa di Gloria“, für Orchester und Chor (SATB) sowie solistische Tenor- und Baritonstimmen. Diese stand am 30. Juni 2024 im Konzerthaus Dortmund im Mittelpunkt einer beeindruckenden Aufführung. Der Philharmonische Chor, unter der Leitung von Granville Walker, bildete das stimmgewaltige Fundament, sensibel begleitet von den Dortmunder Philharmonikern, ebenfalls unter Walkers Dirigat.



Mit Sungho Kim (Tenor), Kenneth (Bariton) und Denis Velev (Bass) war höchste Qualität bei den Solo-Stimmen gewährleistet. Das Konzert begann jedoch zunächst mit „A Raffaello Divino (Inno)“ von Marco Enrico Bossi (1861-1925). Einem Werk, das ursprünglich zum 400. Todestag des berühmten Architekten der italienischen Hochrenaissance, Raffaello Sanzio da Urbino, komponiert wurde. Granville Walker hatte das Stück für Orchester und Chor neu instrumentalisiert, sodass es als Chorwerk mit Orchestrierung seine besondere Klangpracht entfalten konnte.

Der Aufbau des Werkes war interessant gestaltet: Zunächst spielte das Horn solistisch, nach und nach setzten die Bläser und Streicher ein. Nachdem das Orchester verstummte, begannen erst die Frauenstimmen, gefolgt von den Männerstimmen. Mit dem erneuten Einsatz des Orchesters entstand ein meisterhaft komponiertes Crescendo.

Das darauffolgende grandiose „Intermezzo Sinfonico“ zum dritten Akt von Puccinis „Manon Lescaut“ ließ die Trauer und Verzweiflung von Des Grieux, der seine geliebte Manon zu einer Strafkolonie in Louisiana verschifft sieht, musikalisch spürbar werden. Die anschließende „Messa di Gloria“ ist eine vollständige Vertonung des Messordinariums in mehreren Teilen.

Bereits beim „Kyrie“ entfalteten die schön und melodisch geführten Stimmen ihre volle Ausdruckskraft – mal unterordnend, mal hervorhebend. Die Eröffnungsmelodie des „Gloria“ bestach durch ihren mitreißenden Schwung, während das anschließende „Credo“ melodisch ernster gehalten war.

Das „Incarnatus“ bietet bei Puccini etwas Spezielles: Der Chor singt – das einzige Mal in der gesamten Messe – a cappella und aus dem Chorsatz löst sich der Solo-Tenor. Die Musik ist dabei von einer verblüffend klaren Einfachheit. Das beeindruckende „Agnus Dei“ schwang sanft, fast wie ein Kinderlied, zunächst in C-Dur zwischen Tonika und Subdominante hin und her. Die zweite Anrufung wiederholte den Ablauf von der Tonika zur parallelen a-Moll und die dritte intensivierte das Geschehen zunehmend, als die zwei Solo-Stimmen (Tenor und Bass) die Melodie wohlklingend übernahmen und der Chor eine rhythmische, leicht aufgelöste Antwort gab.

Die Aufführung im Konzerthaus Dortmund war ein stimmgewaltiges Konzerterlebnis, das die Vielseitigkeit und Tiefe von Puccinis musikalischem Schaffen eindrucksvoll zur Geltung brachte.




Italienische Operngefühle im Konzerthaus

Es war sicherlich einer der Höhepunkte des Klangvokal Festivals 2016 in Dortmund: Die nicht oft aufgeführte Oper von Giacomo Puccini (1858 – 1924), „Edgar“ (Libretto Ferdinando Fontana), wurde am 28.05.2016 im Rahmen des Festivals im Dortmunder Konzerthaus mit international renommierter Besetzung aufgeführt. Es war gleichzeitig eine Deutschlandpremiere der Mailänder Urfassung aus dem Jahr 1889 mit dem zwischenzeitlich der Kürzung zum Opfer gefallenen vierten Akt.

Für den erkrankten Kristian Benedikt sprang der argentinische Tenor Gustavo Porta für die Rolle des Protagonisten Edgar ein. Den Part der Tigrana übernahm die italienische Sopranistin Rachele Stanisci für die ebenfalls erkrankte Nino Surguladze. Das tat der gesanglichen Qualität der Aufführung keinen Abbruch.

Bei dieser Oper spielen die Chöre eine große Rolle, die SängerInnen wurden von einem großartigen WDR Rundfunkchor Köln (Einstudierung: Robert Blank) und durch den Kinderchor der Chorakademie Dortmund (Einstudierung: Bianca Kloda) unterstützt. Mit dem WDR Funkhausorchester unter der Leitung von Alexander Joel, stand ein Puccini-erfahrenes Orchester zur Verfügung. An der Orgel spielte die musikalische Assistentin Ann-Katrin Stöcker. Eine aufwendige konzertante Aufführung im feierlichem Rahmen.

Ähnlich der Grundkonstellation bei Bizets „Carmen“ oder Wagners „Tannhäuser“ steht der Titelheld Edgar zwischen der treuen, „engelsgleichen“, liebevollen Fidelia, die er schon lange kennt, und der lebenshungrigen, verführerischen, „verruchten“ Tigrana, eigentlich die Freundin von Fidelias Bruder Frank. Für Tigrana ist Frank ein Langweiler.

Wahre Liebe oder die Verlockungen eines ausschweifenden Lebens – das ist die Entscheidung. Die erhoffte Erlösung gibt es auch hier nicht bei den Lebenden. Ein Happy End ist ihnen nicht vergönnt.

Die Geschichte wurde von Puccini in das Jahr 1302, der Zeit des Flämischen Unabhängigkeitskampfes gegen Frankreich verlegt. Den anti-französischen, nationalistischen Tendenzen zur damaligen Zeit wurden durch den Komponisten Rechnung getragen.

Die Topsänger, allen voran die amerikanischen Latonia Moore (Fidelia), Gustavo Porta (Edgar), die temperamentvolle italienische Sängerin Rachele Stanisci (Tigrana), und der Bariton Evez Abdulla (Frank) sowie der rumänischen Bassist Bogdan Taloş (Vater von Fidelia) begeisterten das Publikum mit ihren starken und einfühlsamen Stimmen.

Die jeweiligen Stimmungslagen wurden vom Orchester in gutem Zusammenspiel im Einklang mit den SängerInnen in den Konzertraum projiziert. Bei den Liebesarien waren zum Beispiel schmeichelnde Klänge der Harfe, Querflöten und Streichern zu hören, und beim Eintreffen der Soldaten erklang Trommelwirbel und Trompetenrufe. Eine eindrucksvolle Stimme gaben die Chöre der bäuerlichen und bürgerlichen Zivilgesellschaft.

Ein wunderbarer Abend für die Freunde der italienischen Oper.