Mit der „romantischen Sinfonie“ in die Spielzeitpause

Mit Bruckner und Gubaidulina verabschiedeten sich die Dortmunder Philharmoniker und ihr Leiter, Gabriel Feltz in die Sommerpause. Nicht ganz, denn am 19. Juni steht noch das 3. Konzert für junge Leute an. Dennoch war das 10. Philharmonische Konzert ein würdiger Abschluss der Spielzeit.



Und gewichtig war auch die 7. Sinfonie von Bruckner, die nach der Pause erklang. Die 7. Sinfonie ist in vier Sätzen angelegt und nimmt den Hörer mit auf eine emotionale Reise. Auch wenn ich persönlich mit Bruckner nicht warm werde, der dritte und vierte Satz seiner „Siebten“ haben mir sehr gut gefallen. Der dritte Satz, das Scherzo, bringt eine willkommene Abwechslung mit seinem lebhaften, tänzerischen Charakter. Hier zeigt sich Bruckners Fähigkeit, rhythmische Energie und spielerische Melodien zu kombinieren. Das Finale ist geprägt von einer enormen dynamischen Bandbreite, von zarten, fast schwebenden Passagen bis hin zu kraftvollen, mitreißenden Orchesterstürmen.

Vor der Pause erklang noch das „Märchenpoem“ der Komponistin Sofia Gubaidulina. Diese Spielzeit widmete ihr das Konzert bereits eine Zeitinsel. Das „Märchenpoem“ basiert auf das Märchen die „Schneekönigin“. Ein bemerkenswertes Merkmal von „Märchenpoem“ ist Gubaidulinas Verwendung von Klangsymbolik, um die Charaktere und die Atmosphäre des Märchens darzustellen. Sie schafft Klangbilder, die die Kälte der Schneekönigin, die Verlockungen des Bösen und die Hoffnung der Protagonisten einfangen.

Den Beginn des Konzertes machte ein kurzes, aber musikalisch spannendes Stück, dessen Urheberschaft im Dunkeln liegt. Ist das „Sinfonische Präludium“ von Anton Bruckner oder von seinem Schüler Rudolf Krzyzanowski. Vielleicht war es auch eine „Hausarbeit“, die Bruckner Krzyzanowski gestellt hatte.

Ein wuchtiger, sehr romantischer Abend ging mit Standing Ovations zu Ende.




Musikalische Frühlingsgefühle im Dortmunder Konzerthaus

Das 8. Philharmonische Konzert am 04. und 05. April 2023 im Konzerthaus in Dortmund stand unter dem Anfang April passenden Motto „Frühlingsgefühle“. Mit dieser Jahreszeit wird Aufbruch und neue Lebenskraft verbunden.



Zu Beginn wurde der bekannte Jahreszyklus „Die vier Jahreszeiten“ von Antonio Vivaldi (1678 – 1744) von der virtuosen französischen Soloviolinistin Chouchane Siranossian, einem Streichquartett der Dortmunder Philharmoniker sowie einem Basso continuo zelebriert. Der Zyklus wurde von fast allen Beteiligten im Stehen stimmungsvoll präsentiert.

Chouchane Siranossian spielte die Solovioline bei den "Vier Jahreszeiten" von Antonio Vivaldi. (Foto: (c) Nicolaj Lund)
Chouchane Siranossian spielte die Solovioline bei den „Vier Jahreszeiten“ von Antonio Vivaldi. (Foto: (c) Nicolaj Lund)

Der Frühling, das Vogelgezwitscher, das Erblühen der Vegetation und der Winter (Hitze, aber auch Spaß), der Sommer (Hitze, aber auch Spaß) und der Winter (Kälte, Schlittschuhlaufen) wurden mit viel Empathie musikalisch begleitet.

Es war ein grandioses Zusammenwirken zwischen Solo-Violine und ihren musikalischen Begleitungen.

Nach der Pause wurde mit einer größeren Orchesterbesetzung der fünfminütige Frühlingsmorgen der leider früh verstorbenen Lili Boulanger unter der Leitung von Felix Mildenberger gefühlvoll dargeboten.

Der impressionistische Klangzauber wurde von der Komponistin erst kurz vor ihrem Tod für das Orchester umgearbeitet und besticht durch seine Eigenständigkeit und prächtige Vielfalt.

Die viersätzige „Frühlingssinfonie“ (Sinfonie Nr. B-Dur op. 38) von Robert Schuhmann (1810 – 1856) bildete den Abschluss des Konzerts.

In diesem Sinne schuf der frisch mit Clara Wieck verheiratete Komponist hier seine musikalische Vorstellung vom Frühling. Das Stück hat einen optimistisch-idyllischen Charakter.

Die thematische Verklammerung der vier Sinfonie-Sätze wird durch einen abstrakten Blechbläserruf zu Beginn der Sätze variiert. Der Frühling kündigt sich mit Fanfarenklängen an und zum Ende des vierten Satzes hin steigert sich das Ganze zu einem musikalischen Rausch.

Es war ein gelungener Konzertabend zum Frühlingsanfang.




Franz Liszt schickt uns in die Hölle – 5. Philharmonische Konzert

Das 5. Philharmonische Konzert am17. Und 18. Januar 2023 entführte die Zuhörenden im zweiten Teil an einen ungemütlichen Ort, der Hölle wie sie sich Dante in seiner „Göttlichen Komödie“ vorstellte. List vertone zwar nur das „Inferno“ und das „Fegefeuer“, aber das mit musikalischer Wucht. Kein Wunder, dass Richard Wagner von der Tonsprache Liszts angetan war.



Doch beginnen wir am Anfang. Die Leistung der Dortmunder Philharmoniker hatte an den beiden Abenden Josep Caballé Domenech, der sein Dirigat sehr souverän absolvierte.

Vor der Pause war Musik von Dimitri Schostakowitsch an der Reihe. Wer beim Neujahrskonzert dabei war, wird sich bei der „Suite Nr.1 für Jazzorchester“ an die fröhliche, beschwingte Musik erinnern. Musikalisch vergnüglich ging es mit dem „Konzert Nr.1 für Klavier, Streichorchester und Trompete“ weiter. Schostakowitsch verknüpft verschiedene Musikstile wie russische Romantik, mit Neoklassik und Moderne und füllt es mit Parodien und Klamauk auf. Oliver Schnyder am Klavier und Balázs Tóth waren die Solisten an den beiden Abenden.

Danach ging es in die Unterwelt. Liszt führte uns wie in einem abwärts fahrenden Aufzug musikalisch ins „Inferno“ inklusive dem kompletten Chaos in der Tiefe und den Höllenqualen der dort gefangenen Seelen.

Der zweite Teil, das „Fegefeuer“, eigentlich ja „Läuterung“ ist ruhiger, die Seelen warten schließlich nach erlittenen Qualen auf den Aufstieg ins Paradies. Liszt hat aber noch gegen Ende eine Überraschung in Petto: Ein Frauenchor (hier die Damen des Kammerchors der TU Dortmund und die Damen des Bach-Chors Hagen) stimmt engelsgleich das „Magnificat“ an, mit dem die Seelen ins Paradies geleitet werden.  




Flieg nicht zu hoch

Mit „Ikarus“ von Lera Auerbach und „Hezarfen“ von Fazil Say entführten uns die Dortmunder Philharmoniker unter der Leitung von GMD Gabriel Feltz beim 4. Philharmonischen Konzert am 06. und 07. Dezember 2022 im Dortmunder Konzerthaus vor der Pause in hohe Gefilde, danach schickte uns Felix Mendelssohn Bartholdy auf den schwankenden Grund der Meeresoberfläche.



Doch zunächst zu Lera Auerbach. Die 1973 geborene Komponistin widmete ihr Orchesterstück dem legendären Irkarus. Er und sein Vater Dädalus wollten von Kreta fliehen, doch Ikarus ignorierte die Warnungen seines Vaters und flog zu hoch, so dass seine Wachsflügel schmolzen und er ins Meer stürzte. So will es die Legende. Heute wird die Figur des Ikarus‘ gerne als Symbol benutzt, für allzu technikbegeisterte Menschen.

Auerbachs Musik fängt auch gleich sehr dramatisch an, wird aber abgelöst von einer ruhigen Flugphase, die von der Solovioline getragen wird. Eine Besonderheit dieses Werks ist, dass das Theremin eine große Rolle spielt. Charlie Draper entlockte dem fremdartigen Instrument wehklagende Töne. Das Theremin ist ein „Überlebender“ der Neuerfindungen von Instrumenten der 20er Jahre des vorigen Jahrhunderts, als mit elektronischen Instrumenten experimentiert wurde. Ein anderes Beispiel dafür ist das Ondes Martenot. Das Theremin ist das einzige Instrument, das berührungslos gespielt wird.

Wie zu erwarten ist, geht der Flugversuch von Ikarus schief. Der Fall wird musikalisch mit dramatischen Paukenschlägen gegen Ende dargestellt.

Doch es gab auch einen realen „Ikarus“, der es im Gegensatz zu seinem mystischen Vorbild tatsächlich geschafft hat, eine Strecke erfolgreich im Segelflug zurückzulegen: Hezarfen Ahmed Çelebi (1609-1640). Der osmanische Flugpionier soll 1638 einen Segelflug über den Bosporus gewagt haben. Ihm widmet Fazıl Say sein Konzert für Ney-Flöte und Orchester. Als Solisten dienten Burcu Karadağ (Ney) und Aykut Köselerli (türkisches Schlagzeug). Die Musik entführt die Besucher*innen direkt nach Istanbul. Orientalische Klänge und Rhythmen, unterstützt durch die beiden Solisten, machen die Zeitreise und den Ortswechsel leicht. Doch auch Herzafen wird nicht lange glücklich. Der Sultan verbannte den Flugpionier nach Algerien. Ähnlich wie bei Auerbach endet das Stück mit Paukenschlägen.

Auch nach der Pause hatte das Publikum keinen festen Boden unter den Füßen. Es geht aufs Meer. Die drei Konzert-Ouvertüren von Mendelssohn-Bartholdy handeln entweder von mythischen Meeresbewohnern (Melusine), Meereslandschaften (Hebriden) oder Meeresfahrten (Meeresstille und glückliche Fahrt). Mendelssohn Bartholdy schafft es in den drei kurzen Orchesterstücken die Schönheit und den Schrecken des Meeres musikalisch darzustellen, dass man die tosende See beinahe spüren kann.   




Blasmusik und Alpenglühen

Eigentlich passen ja die Begriffe „Blasmusik“ und „Alpenglühen“ gut zusammen, aber bei einem Klassikkonzert? Unter der Leitung von Gabriel Feltz spielten die Dortmunder Philharmoniker das Konzert für Violoncello und Blasorchester von Friedrich Gulda und die „Alpensinfonie“ von Richard Strauss beim 2. Philharmonischen Konzert am 18. Oktober 2022.



Friedrich Gulda komponierte sein „Violoncellokonzert mit Blasmusik“ 1980 und es waren neben Blasmusik auch deutlich hörbare Elemente aus dem Blues und Rockbereich zu hören. Besonders in der Ouvertüre konnte neben Solist Wolfgang Emanuel Schmidt auch der Gitarrist und der Schlagzeuger der Dortmunder Philharmoniker ihr Können zeigen. Schmidt war vor allem in der Cadenz gefordert, wo er allein mit seinem Instrument zu erleben war und ungewöhnliche Töne und Rhythmen aus seinem Instrument zauberte.

Nach der Pause war des dann Zeit für den Gipfelsturm von Richard Strauss. Seine „Alpensinfonie“ sollte zwischenzeitlich „Der Antichrist“ heißen. Strauss war zu dieser Zeit stark von Nietsche beeinflusst so komponierte er auch „Also sprach Zarathustra“. Fü Strauss widersprechen die christlichen Werte der Natur.

Die Spiritualität, die in dem Werk nichtsdestotrotz zu finden ist, kommt aus den Naturbeschreibungen. Wasserrauschen am Wasserfall, Vogelgezwitscher im Wald, Kuhglocken auf der Alm. Die Zuhörerinnen und Zuhörer konnten dem Auf- und Abstieg des Bergsteigers nachverfolgen. Natürlich hat das Werk auch eine weitere Interpretationsebene: So ist die „Alpensinfonie“ auch ein musikalisches Gleichnis für Geburt, Leben und Tod eines Menschen.

Es war auf jeden Fall ein gelungener musikalischer Abend, der neben neuen Hörerlebnissen auch weihevoll-naturalistische Musik zu bieten hatte.




Erlösung ein Philharmonisches Konzert im Konzerthaus Dortmund mit den Dortmunder Philharmonikern

Eine Betrachtung in drei Teilen

Teil 1 Wolfgang Amadeus Mozart Klavierkonzert Nr. 21 C-Dur KV 467

Das Klavierkonzert Nr. 21 gehört zu den sogenannten sinfonischen Konzerten, denn der orchestrale Part ist hier von großer Bedeutung. Das Klavierkonzert in C-Dur, ein an harmonischen Schattierungen reiches Werk, wie KV 467 schuf Mozart in nur 4 Wochen nach der Vollendung des d-Moll Konzertes. Eine Probe musste genügen, um das neue Werk am 10. März 1785 – mit Mozart als Solist – zur ersten Aufführung zu bringen. Das Klavierkonzert gehört zu den populärsten Stücken von Mozart. Zum Teil mag das auch an dem schwedischen Film, „Elvira Madigan“ des schwedischen Regisseurs Bo Widerberg liegen, über die unglückliche Liebe einer Seiltänzerin und einem Leutnant. Hier spielte in dem 1967 in Cannes prämierten Film der II. Satz, das Andante, eine bedeutende Rolle. Doch war das Klavierkonzert Nr. 21 schon zu Lebzeiten von Mozart erfolgreich.

Stephen Hough verzauberte das Konzerthaus mit Mozarts Klavierkonzert Nr. 21 (Foto: © Sim Canetty-Clarke)
Stephen Hough verzauberte das Konzerthaus mit Mozarts Klavierkonzert Nr. 21 (Foto: © Sim Canetty-Clarke)

Der Solist am 13.04. im Konzerthaus Dortmund war Stephen Hough, der wie verzückt den Konzertflügel mal streichelte, mal trieb. Auch wenn Hough stellenweise, weil so von Mozart angelegt „nur“ begleitet, so malte er gleichsam das Thema aus dem Orchester weiter aus.

Das Hauptthema liegt beim Orchester und nicht beim Soloinstrument. Auch die Orchesterbesetzung ist größer, Trompeten und Pauke kommen zum Einsatz. Das war damals zu Mozarts Zeit etwas Neues.
Insgesamt ist es ein heiteres Werk, in dem mit relativ einfacher Melodik eine differenzierte Komplexität entwickelt wird. Das Soloinstrument, besonders durch das Spiel von Hough, scheint sich immer wieder unabhängig machen zu wollen und wird dann in das Gesamtgeschehen eingefangen und integriert.

Komplexität im Einklang

Der erste Satz trägt die Überschrift „Allegro maestoso“ – und erfüllt die damit verbundenen Erwartungen auf ganzer Linie. Das prächtige Hauptthema wird zuerst vom Orchester in unterschiedlicher Form – kammermusikalisch, orchestral und kontrapunktisch – wiederholt, bis es dann vom Klavier aufgenommen wird.
Dieses erste Allegro von KV 467 wird von einem Marschmotiv im Unisono eröffnet, dessen fast aufmüpfige Geste die Geigen mit einer empfindsamen Kantilene beantworten. Wie so oft bei Mozart ist damit schon im Hauptthema selbst der entscheidende Themengegensatz angelegt. Der ganze lange Satz ist der Ausarbeitung dieses Kontrasts gewidmet: zwischen dem Marschmotiv auf der einen Seite, das in immer neuen Verwandlungen auftritt, und den empfindsamen Episoden der Streicher und Holzbläser auf der anderen Seite. In beide Ausdrucksebenen wird das Klavier auf höchst raffinierte Weise eingebunden – ein Spiel mit unendlich vielen Zwischentönen, teils ironischer, teils melancholischer Art, das dennoch breiten Raum lässt für virtuose Passagen des Solisten.

Die unterschiedlichen Motive innerhalb des Klavierkonzerts sind miteinander im Einklang: wie Mozart auch in den Opern eine perfekte Dramaturgie unterlegt hat, so hat er es auch hier wieder verstanden, alles zu einem homogenen Ganzen zusammenzuführen.

Den berühmten langsamen zweiten Satz dieses Konzerts zu schildern, ist müßig: Wie sich hier Holzbläser und Klavier über dem Klanggrund der sordinierten Streicher die wundervollsten Vorhaltsharmonien zuspielen, ist selbst unter Mozarts langsamen Sätzen einmalig und prächtig vom Orchester ausgespielt. Dabei wirkt der Gesang der rechten Hand des Klaviers, also Stephen Hough, wie die träumerische Cavatina einer Primadonna in der Nachtszene einer Opera seria.

Im dritten Satz „Allegro vivace assai“ findet man dafür ein besonderes Beispiel: Hier verbindet Mozart das Thema des Rondos über ein zweites neues Thema mit dem Thema des Sonatenhauptsatzes. Ganz buffonesk kommt das Finale daher, tänzerisch wie immer in Mozarts letzten Sätzen. Das Klavier kann sich ganz der Spielfreude hingeben, Hough treibt scheinbar, nicht gequält, sondern spritzig, heiter und beschwingt, und doch entsteht eine Gleichstimmigkeit des Soloinstrumentes mit dem Orchester. Contretanz und Marsch gehen hier eine überraschende Verbindung ein, was Stoff für ein langes Sonatenrondo bietet.



Teil 2 Parsifal WWV111 – Vorspiel und Karfreitagszauber aus dem Bühnenweihfestspiel

Parsifal  ist das letzte musikdramatische Werk von Richard Wagner. Wagner selbst bezeichnete das dreiaktige Stück als ein Bühnenweihfestspiel. Das Philharmonische Konzert am 13.04. im Konzerthaus Dortmund mit den Dortmunder Philharmonikern, ließ uns das Vorspiel, den Ersten Aufzug, und den Karfreitagszauber, den Dritter Aufzug und Schluss, erleben.

Das Kunstreligiöse, Pseudo-Liturgische, das Wagners letzte Oper umwölkt, ließ mich immer verstört zurück. Es schwang auch an diesem Abend bei mir mit. Wagner ist nicht mein Ding, war aber erträglich ohne die Bayreuther Bühnenshow. Vielleicht liegt es am Braunauer, oder dem Wagnerschen Antisemitismus.

Der Parsifal von Wagner, ging aus den Anfang des 13. Jahrhunderts entstandenen Versepos Parzival von Wolfram von Eschenbach hervor, der im 8. Jahrhundert spielt. Die eigentliche Handlung basiert aber nur lose auf dem Versepos und ist in vielen Details Wagners eigene Schöpfung. Die christlichen Reliquien Gral und Heiliger Speer stehen Seite an Seite mit buddhistischen Ideen und insbesondere der Idee von Reinkarnation, die dem Parzival-Epos völlig fremd sind. Damit wirkt der Parsifal ein wenig voll.

Traditionsgemäß wird Parsifal gern in der Osterzeit gegeben, der dritte Akt spielt an einem Karfreitag. Zuweilen finden Aufführungen am Karfreitag statt, was wegen des ernsten Charakters des Werks in einigen deutschen Bundesländern erlaubt ist (Feiertagsgesetze).

Man wurde von der Kraft und Majestät der Musik des Werkes eingenommen. Die Philharmoniker brachten uns den Parsifal auch ohne Bühnenshow lebendig dar, nur nicht so pathetisch und erdrückend. Die Vielzahl der Leitmotive wurden im beeindruckenden Vorspiel so vorgestellt, dass der Zuhörer selbst das Leid empfinden konnte, welches Amfortas durch seine nicht heilende Wunde haben musste.

Im Dritten Aufzug, dem Karfreitagszauberm kehrt Parsifal kehrt mit heiligem Speer zurück und kann Amfortas heilen. Wonach Gurnemanz Parsifal als neuen Gralskönig begrüßt.

Die musikalische Illustration durch die Dortmunder Philharmoniker ist exzellent durch die sinnlich-assoziative Darbietung gelungen.



Teil 3 Engelbert Humperdinck Aktvorspiele aus der Märchenoper Königskinder

Das Humperdinck für zwei Jahre Assistent von Wagner war, merkt, hört man besonders an diesem von den Dortmunder Philharmonikern interpretierten Werk, obgleich er nicht im Schatten von Wagner bleibt. Das Stück ist aus dem Mythenkosmos von Wagner herausgelöst, ist aber trotz des volkstümlichen Charakters des Motives pathetisch wie Wagner. Dazu passen dann auch die Figuren, eine Gänsemagd, ein Prinz und ein Spielmann, der beiden helfen will. Die beiden Hauptprotagonisten dürfen aber erst im Tod zusammenfinden und leben im Spiel des Spielmannes weiter …

Die Dortmunder Philharmoniker interpretieren die Sequenzen mit all ihrer Belle Epoque Überschwänglichkeit und Bombastik. Wobei sie die Humperdincksche Melodramatik die Nähe zu Wagner nicht verleugnen können, denn der hatte einen großen Einfluss auf ihn. War Humperdinck zum einen Wagner Fan und im Team des Komponisten.

Das Stück erinnert zuweilen an die musikalischen Untermalungen US amerikanischer Filme, besonders denen von Disney, dem Original Disney bevor es ein Mediengigant wurde, der fast überall mit drin steckt.

So wie die vorherigen Sequenzen aus dem Parsifal von Wagner und davor das Klavierkonzert Nr. 21 C-Dur KV 467 von Mozart, die Dortmunder Philharmoniker spielten unter der Leitung von Fabien Gabel hervorragend und zudem ein Augenschmaus, die Musiker bei ihrer Hingabe zu beobachten.

Diese achte Philharmonische Konzert war ein Genuss, für mich etwas eingeschränkt, da mir Humperdinck nicht liegt, wegen der Bombastik und zuweilen Überladenheit des Belle Epoque Komponisten Humperdinck. Aber das ist nicht das Problem der Dortmunder Philharmoniker, sondern mein eigenes.




Emotionales Philharmonisches Konzert

Das 7. Philharmonische Konzert am 15. und 16. März 2022 trug ursprünglich den Namen „Mütterchen Russland“. Jedoch überfiel Russland am 24. Februar 2022 die Ukraine und somit war den Verantwortlichen klar, dass das Programm überarbeitet werden musste.

Klar war aber auch, dass die russischen Komponisten Peter Tschaikowsky und Modest Mussorsgky nicht für den Krieg gegen die Ukraine verantwortlich sind. Generalmusikdirektor Gabriel Feltz betonte vor dem Konzert, dass russische Kultur ein Pfeiler der europäischen Kultur sei. Damit hat er recht, denn ohne die russischen Komponisten oder Schriftsteller wäre unsere Kultur ärmer.

Pianist Kit Armstrong überzeugte beim Klavierkonzert von Tschaikowsky. (Foto: ©Photo: Marco Borggreve)
Pianist Kit Armstrong überzeugte beim Klavierkonzert von Tschaikowsky. (Foto: ©Photo: Marco Borggreve)

Doch die aktuellen Ereignisse erforderten Programmänderungen. Gleich zu Beginn erklang die ukrainische Nationalhymne, komponiert von Mychajlo Werbyzkyi. Hierbei wurden die Philharmoniker unterstützt von Oleh Lebedyev und Demian Matushevskyi vom Opernstudio NRW und Mitgliedern des Opernchors.

Danach stand das berühmte Klavierkonzert Nr.1 in b-Moll von Peter Tschaikowsky auf dem Programm. Die berühmten Klavierakkorde sind auch nicht Klassikfans ein Begriff, die Älteren kennen sie als Titelmelodie von „Notizen aus der Provinz“ von Dieter Hildebrandt aus den 70er Jahren. Tschaikowskys Freund und Pianist Nikolaj Rubinstein fand es „armselig“ und unspielbar. Dass es durchaus spielbar ist, zeigte Solist Kit Armstrong eindrucksvoll.

Die Musik im ersten Satz ist sehr majestätisch, während im zweiten Satz die Naturbeschreibungen im Vordergrund stehen. Der dritte Satz verlangte wegen der Läufe und Sprünge wieder vom Solisten enormes Können.

Nach der Pause erklang „Bilder einer Ausstellung“ von Modest Mussorsgky im Arrangement von Maurice Ravel. Eine weitere Besonderheit: Zwischen dem 9. und 10. Bild wurde die Ouvertüre zur Oper „Taras Bulba“ des ukrainischen Komponisten Mykola Lyssenko gespielt. Das Stück „Bilder einer Ausstellung“ ist reine Programmmusik. Mussorsgky versucht, die gesehenen Bilder in Musik umzuwandeln. Ein Ankerpunkt ist die „Promenade“, die den Betrachter darstellt, wie er von Bild zu Bild wandert. Die Musik ist sehr divers, vom bedrohlich-linkischen „Gnomus“ über fröhliche Kinder, die umhertollen in „Tuileries“ bis hin zum düsteren „Katakomben“.

Wegen der schrecklichen Ereignisse in der Ukraine war das 7. kein gewöhnliches Philharmonisches Konzert, doch zeigte es auch die verbindende Kraft der Musik.




5. Philharmonische Konzert – Lichtblicke mit Carmen

Zufall oder nicht? Das Akkordeon ist im Januar 2022 das „Instrument des Monats“ in der Musikschule Dortmund und passenderweise stand es auch im Mittelpunkt des 5. Philharmonischen Konzertes am 11. Januar 2022. Ksenija Siderova zeigte den Zuhörern im Konzerthaus, welche klanglichen Möglichkeiten im Akkordeon stecken, eine wahre Botschafterin ihres Instrumentes.

Leider musste das Programm des Philharmonischen Konzertes geändert werden, da die geplanten Werke von Ottorino Resphighi eine volle Orchesterbesetzung fordern und dies wegen des aktuellen Infektionsgeschehens nicht möglich war. Daher wurde die Carmen-Suite von Rodin Schtschedrin als Ersatz gespielt.

Ksenija Siderova zeigte ihr Können am Akkordeon. (Foto: © Dario Acosta)
Ksenija Siderova zeigte ihr Können am Akkordeon. (Foto: © Dario Acosta)

Den Anfang machten die „Vier Jahreszeiten“, aber nicht von Vivaldi, sondern vom Argentinischen Komponisten Astor Piazzolla. Begleitet von Siderova und den Dortmunder Philharmoniker erlebten die Zuhörer ein Jahr in Buenos Aires. Das komplette Stück atmet den Tango und seine synkopischen Rhythmen nehmen uns mit auf eine ferne Reise. Im Gegensatz zu Vivaldi beginnt Piazzolla mit dem Sommer, der in Argentinien heiß ist, sodass die Leidenschaft erst richtig am Abend beginnen kann. Während auch in Südamerika der Herbst und Winter trist und düster wirken, beginnt die Lebensfreude im Frühling von neuem. Es ist sehr erfrischend, Siderova beim Spielen zuzusehen, welche Töne sie dem Akkordeon entlockt. Das ist alles weit entfernt von dem betulichen Volksmusikstigma, dass das Instrument vielleicht noch besitzt.

Nach der Pause kam die Carmen-Suite von Rodin Schtschedrin zu Gehör. Anscheinend hatte der russische Komponist ein Faible für Percussions-Instrumente, denn nicht weniger als fünf Mann aus dem Orchester spielten eine ungeheure Anzahl an kleinen und großen Dingen aus dem Instrumentariums des Schlagwerks. Ob das der Grund war, dass die Suite bei seiner Premiere 1967 in der Sowjetunion nicht gut ankam? Es wurde dem Komponisten vorgeworfen, das Erbe Bizets zu beschmutzen und seine Carmen sei viel zu erotisch. Vielleicht war den Funktionären auch die Idee einer selbstbewussten und selbstbestimmten Frau zu suspekt. Denn in Wirklichkeit erweist Schtschedrin der Musik von Bizet eine große Ehre und egal wie Schtschedrin die Melodien bearbeitet, sie bleiben deutlich erkennbar.




Musikalische Orientfantasien beim 4. Philharmonischen Konzert

Das 4. Philharmonische Konzert im Dortmunder Konzerthaus widmete sich am 07. und 08.12.2021 unter dem Titel „Orient und Okzident“ musikalischen Orientfantasien.

Auf dem Programm stand zunächst das Konzert für Violine und Orchester Nr. 5 A-Dur KV 219 „Türkisches“ von Wolfgang Amadeus Mozart (1756 – 1791) und die Sinfonische Suite op. 35 „Sheherazade“ von Nikolai Rimski-Korsakow (1844 -1908).

Als dynamischer Dirigent für die bestens aufgelegte Dortmunder Philharmoniker agierte Francesco Angelico (GMD des Hessischen Staatstheater Kassel).

Im 18./19. Jahrhundert kam das, was damals als „türkische Musik“ galt und durch kriegerische Auseinandersetzungen mit dem Osmanischen Reich bekannt wurde gerade groß in Mode. Diese waren gekennzeichnet durch schrille Blasmusik der Militärkapellen, lauten Schlagzeugen und rhythmischen Märschen. Es war aber auch der fremdartige Reiz der orientalischen geheimnisvollen Geschichten, die das europäische Interesse weckte. Ars tremonia war beim Konzert am 07.12.2021 anwesend.

Begeisterte als Solistin beim „Türkischen“ Konzert von Mozart: Arabella Steinbacher. (Foto: © Sammy Hart)
Begeisterte als Solistin beim „Türkischen“ Konzert von Mozart: Arabella Steinbacher. (Foto: © Sammy Hart)

Als Solistin für Mozarts Konzert für Violine und Orchester zeigte die renommierte Arabella Steinbacher ihr vielseitiges Können und Feingefühl an ihrem Instrument.

Gleich nach der Orchestereinleitung kommt dies nach einem überraschenden Allegro aperto („offenen“ Allegro) schon zu Geltung. Auf dem ersten heiteren Satz folgt der ausgreifende melancholische zweite Satz (Adagio) in der seltenen e-Moll Tonart.

Der dritte „türkische“ Rondosatz beginnt mit galantem Menuett-Tempo, wechselt dann aber schnell in romantische Moll. Dann ändert sich der Satz vollständig mit einem derben türkischen Marsch mit starken Akzenten und exotisch anmutender Harmonie. Nach diesen orientalischen Einsprengseln folgt nach einem ausgedehnten Violinsolo das musikalische Geschehen wieder beim Menuetto.

Das Publikum ließ die Gast-Solistin nicht ohne eine Zugabe (Sergej Prokofjew) von der Bühne gehen.

Nach der Pause folgte die Sinfonische Suite op.35 von Rimski-Korsakow. Sheherazade liegen Erzählungen aus der Sammlung „Tausendundeine Nacht“ zugrunde. Dabei geht es um die kluge persische Königin Scheherazade, die mit unterbrochenen spannenden Erzählungen ihren von Frauen enttäuschte Mann am ende besänftigt und sein Vertrauen gewinnt.

Das spiegelt sich auch in den vier Sätzen wider. Das volle Orchester konnte hier von Beginn an sein großes Können zeigen. Es führte das Publikum im ersten Satz „Allegro non troppo – (Das Meer und Sinbads Schiff) in ein wellenartig ansteigenden musikalischen Rausch. Die folgende Sätze sind mal tänzerisch festlich, dann wieder aufbrausend anschwellend. Die Solovioline (Alexander Prushinsky) übernahm (oft in Zusammenarbeit mit der Harfe (Renske Tjoelker) oder den anderen Streichern die „Rolle“ der Sheherazade, während die Bläser, Kontrabässeo der Pauken den „noch nicht besänftigten“ persischen Sultans symbolisierten. Auch die Querflöte, Oboe, Klarinette oder dem Fagott verzauberten das Publikum mit wunderschönen Soli.

Nach dem grandiosen Finale mit Schiffbruch (Sindbads Schiff zerschellt am Magnetberg) und dem am Ende „besänftigten Sultan“ wurden die beteiligten Akteure mit viel Applaus belohnt.




Offertorium – Zweites Philharmonisches Konzert

Ein beeindruckendes Werk, von einer beeindruckenden Frau. Das „Offertorium“, titelgebend für das 2. Philharmonische Konzert im Konzerthaus Dortmund war ein echtes Highlight.

Sofia Gubaidulinas Konzert für Violine und Orchester thematisierte eine Opfergabe. Opfer oder Opfergaben begleiten die Menschen durch alle Kulturen und Religionen. Die Komponistin nahm das Thema regium aus dem Musikalischen Opfer von Johann Sebastian Bachs Musikalischem Opfer als Grundlage für ihr Werk. Ihr Opfer sind die jeweils erste und letzte Note des „regiums“ Nach und nach „verlor“ das Orchester die Noten bis nach vielfachen Schleifen nur ein Ton übrigblieb. Sehr leise und deshalb umso intensiver stand der Ton ein paar Takte im Raum. Von hier aus baute sich das Thema dann wieder auf, bis es wieder vollständig erklang. Linus Roth an der Solovioline spielte virtuos die schwierigen, teils kakofonischen Klangpassagen.

Das Hornsolo bringt den "Lichtstrahl" in die 5. Sinfonie von Tschaikowsky. (Foto: © Sabine Schmidt / pixelio.de)
Das Hornsolo bringt den „Lichtstrahl“ in die 5. Sinfonie von Tschaikowsky. (Foto: © Sabine Schmidt / pixelio.de)

Das Philharmonische Orchester war in voller Besetzung auf der Bühne. Die Streicher bewältigten die schwierige Herausforderung mit Bravour. Die fünf Musiker an den verschiedenen Schlagwerken waren ungewöhnlich viel beschäftigt. Vom leisen Triangelton, bis zum donnernden, ohrenbetäubenden Trommelwirbel waren sie ständig gefordert. Schon in ihrer Zeit in der Sowjetunion interessierte sich Sofia Gubaidulina für Dodekaphonie, Serialismus und Elektronik. Gerade ihre Liebe zum Seriellen zeigt sich in diesem Stück in Schleifen, die das Thema immer wieder einkreisen. Das waren herausfordernde, aber inspirierende 40 Minuten.

Die zweite Hälfte des Abends füllte Tschaikowskys 5. Sinfonie in e-moll. Die vom Komponisten als unzureichend empfunden Sinfonie gilt heute als eines seiner wichtigsten und modernsten Kompositionen. Tschaikowsky bearbeitete in seiner Sinfonie das „Schicksalsthema“. Nach seiner Auffassung musste der Mensch sich seinem Schicksal beugen beziehungsweise war er der Vorsehung ausgeliefert. Dieses Thema zieht sich durch die Sinfonie. Sie beginnt mit einem dunklen Trauermarsch, die Blechbläser symbolisieren durch kurze, laute Einwürfe immer wieder die Macht des Schicksals. Der zweite Satz beginnt ebenfalls getragen mit den Streichern, ein Hornsolo und dazukommende Klarinetten lassen einen Hoffnungsschimmer aufkeimen. In eine beschwingte Walzermelodie verpackt Tschaikowsky sein Schicksalsthema im dritten Satz. Nach der Leichtigkeit folgt erneut eine Hinwendung zum pathetischen Ausgeliefertsein. Mit einer sich ständig steigernden Einsatz der Klangstärke des Orchesters endet das Stück in einem gewaltigen pathetischen Finale. Dirigent des Abends war Leo McFall. Er ist Preisträger des diesjährigen Opus Klassik 2021 in der Kategorie Sinfonische Einspielung/Musik 19. Jahrhundert.