Smetanas musikalisches Vermächtnis für die tschechische Nation

Das 8. Philharmonische Konzert bot dem Publikum am 15. und 16. April 2025 in Dortmund ein seltenes und musikalisch eindrucksvolles Erlebnis. Im hiesigen Konzerthaus stand der komplette Zyklus „Mein Vaterland“ von Bedřich Smetana (1824–1884) unter dem Titel „Entlang der Moldau“ auf dem Programm.

Im Mittelpunkt stand nicht nur die bekannte, emotional-musikalische Reise entlang der Moldau – von der Quelle bis zur Mündung –, sondern das Gesamtwerk in seinen sechs sinfonischen Dichtungen. Dieses stellt ein musikalisches Monument der tschechischen Identität und ihres Strebens nach Selbstbestimmung und Unabhängigkeit dar. Der als Einheit konzipierte Zyklus ist ein eindrucksvolles Klangbild aus Naturverehrung, Tradition, Mythen und politischem Aufbruch. Zur Zeit seiner Entstehung gehörte Tschechien noch zur Habsburger Monarchie. Smetana folgte inhaltlich einer konkreten Idee der sinfonischen Dichtung, wie sie programmatisch geprägt war.

Visionär-musikalischer Zyklus der Romantik

Den Dortmunder Philharmonikern unter der Leitung des mit tschechischer Musik bestens vertrauten kanadischen Dirigenten Charles Olivieri-Munroe gelang es auf beeindruckende Weise, dieses große Werk mit klanglicher Sensibilität und Tiefe darzubieten.

Als Ouvertüre eigener Art fungierte das erste Stück „Vyšehrad“. Der Titel bezieht sich auf den sagenumwobenen Prager Fürstenberg – der Legende nach der Sitz der Seherin Libuše – und steht als Symbol für die Größe und Hoffnung der tschechischen Nationalbewegung. Das eröffnende Harfenthema, ein prophetischer Gesang (bekannt aus Smetanas Oper Libuše), zieht sich wie ein Leitmotiv durch das gesamte Stück – ein musikalisches Drama zwischen Glanz und Verfall.

Charles Olivieri-Munroe dirigierte die Dortmunder Philharmoniker durch  Smetanas Zyklus "Mein Vaterland". (Foto: (c) Adam Golcek)
Charles Olivieri-Munroe dirigierte die Dortmunder Philharmoniker durch Smetanas Zyklus „Mein Vaterland“. (Foto: (c) Adam Golcek)

Im folgenden Teil „Die Moldau“ wird der Lauf des Flusses poetisch und eindringlich nachgezeichnet – mit all seinen Stromschnellen und ruhigen Passagen, spürbar und unmittelbar erlebbar für die Zuhörenden.

Mythisch und kämpferisch zeigt sich das dritte Stück „Šárka“, das die Geschichte einer schönen Amazonenkriegerin erzählt, die mit List und mit Hilfe ihrer Gefährtinnen eine feindliche Ritterschar besiegt – herbeigerufen durch den Klang eines Horns.

„Aus Böhmens Hain und Flur“, der vierte Teil, ist eine liebevolle und facettenreiche musikalische Landschaftsbeschreibung der böhmischen Heimat.

Dramatisch und historisch bedeutungsvoll werden schließlich die beiden abschließenden, eng miteinander verbundenen Stücke „Tábor“ und „Blaník“. Hier verweist Smetana auf die Hussitenkriege, die für das tschechische Nationalgefühl eine zentrale Rolle spielen. Ihr Auslöser war die Hinrichtung des Reformators Jan Hus im Jahr 1415.




Philharmonisches Konzert entführt in mythische Nachtwelten

Mit der Sinfonie Nr. 7 von Gustav Mahler (1860–1911) fand am 11./12.03.25 ein großer Mahler-Zyklus im hiesigen Konzerthaus seinen gebührenden Abschluss. Es war ein bedeutender Schwerpunkt im über ein Jahrzehnt andauernden Wirken von GMD Gabriel Feltz bei den Dortmunder Philharmonikern.

Bereits einmal wegen der Corona-Pandemie verschoben, konnte dem Publikum nun doch noch dieses kolossale Werk mit großer Orchesterbesetzung dargeboten werden. Es zeichnet sich durch musikalische Vielfalt, Variationsreichtum und ein gezieltes Changieren zwischen den Tonarten aus. Dramatisch aufbrausende, geheimnisvolle und feierlich leise Passagen wechseln sich in den fünf Sätzen ab.

Die besondere Rolle der Nachtmusiken

Die Besonderheit dieser Sinfonie liegt in den beiden „Nachtmusik“-Binnensätzen, die geschickt über ein Scherzo mit unheimlichem Charakter im Wechsel von Dur und Moll verbunden werden.

Mahler führt uns in eine ganz eigene, mythisch-märchenhafte Nachtwelt mit all ihren musikalisch fühlbaren Geräuschen. Oft düster, entfaltet sich eine abwechslungsreiche Wanderung durch die „Musik der Nacht“, in der der Mensch mit dem Unbegrenzten und Erhabenen konfrontiert wird. Musik als Kunst der Nacht sowie als Schutz vor den Ängsten in der Dunkelheit spielen dabei ebenfalls eine Rolle.

GMD Gabriel Feltz dirigierte die 7. Sinfonie von Gustav Mahler (Foto: (C) Liudmila Jeremis)
GMD Gabriel Feltz dirigierte die 7. Sinfonie von Gustav Mahler (Foto: (C) Liudmila Jeremis)

Schon der erste, stark zerklüftete Satz beginnt furios mit einem marschartigen Rhythmus. Hierfür wählte der Komponist ein Tenorhorn – ein für den Einsatz in einem Symphonieorchester eher unübliches Instrument. Wie Mahler selbst vor seinem Tod gesagt haben soll: „Hier röhrt die Natur.“ Danach entwickelt sich durch die Verschiebung des Themas nach Es-Dur eine Art Choral und feierliche Stimmung, die von Harfen- und Mandolinenklängen unterstützt wird. Die beiden „Nachtmusiken“ mit ihrem leichten Serenadencharakter werden durch das Scherzo zu einem musikalischen Block verbunden. Jeder einzelne Satz wirkt dabei wie ein eigenes Universum.

Im optimistisch-euphorischen Finalsatz geht es temperamentvoll zu. Als Rondo angelegt, mit siebenfach wiederkehrendem Ritornell, wird er feierlich mit dem choralartigen Einsatz der Blechbläser eröffnet, den die Streicher weiterführen. Der Satz führt die Zuhörenden ins Helle – man könnte sich auf einer in leuchtendes Himmelblau getauchten Festwiese wähnen.

Ein grandioses musikalisches Finale.




Musik in neuen Dimensionen

Beethoven, Barber und Chin – diese drei Komponisten standen im Mittelpunkt des 5. Philharmonischen Konzerts, das am 21. und 22. Februar 2025 im Konzerthaus Dortmund stattfand. Unter der Leitung von Hugh Wolff entführten die Dortmunder Philharmoniker ihr Publikum in faszinierende Klangwelten und zeigten eine beeindruckende Bandbreite musikalischer Stile.

Zwischen Avantgarde und Klassik

Der Auftakt des Abends gehörte der südkoreanischen Komponistin Unsuk Chin mit ihrem Werk „subito con forza“. Chin, die in Hamburg bei György Ligeti studierte, kombiniert in diesem kurzen, aber intensiven Stück Beethoven-Zitate und -Anklänge mit ihrer avantgardistischen Klangsprache. In nur fünf Minuten erschufen die Dortmunder Philharmoniker eine traumartige, oft surreale Atmosphäre, die das Publikum in den Bann zog.

Es folgte Samuel Barbers Cellokonzert in a-Moll, op. 22, das seine typische lyrische Tiefe mit einer modernen Harmonik verbindet, ohne die tonale Sprache des 19. Jahrhunderts zu verlassen. Barbers narrative Dreiteilung – von düsterer Leidenschaft über meditative Ruhe bis zur explosiven Energie des Finales – stellt hohe Anforderungen an den Solisten. Der französische Cellist Marc Coppey meisterte diese Herausforderung mit Bravour, beeindruckte mit technischer Virtuosität und gab dem Werk eine intensive emotionale Tiefe.

Die 3. Sinfonie von Ludwig van Beethoven wurde beim 5. Philharmonischen Konzert gespielt. (Foto: Richard Mcall from Pixabay)
Die 3. Sinfonie von Ludwig van Beethoven wurde beim 5. Philharmonischen Konzert gespielt. (Foto: Richard Mcall from Pixabay)

Ein Klassiker als Höhepunkt

Nach der Pause erklang Beethovens 3. Sinfonie in Es-Dur, op. 55, die „Eroica“. Dieses Meisterwerk, das in den Jahren 1803/04 entstand, markiert einen Wendepunkt in der Musikgeschichte. Mit ihrer Länge, dramatischen Intensität und emotionalen Vielschichtigkeit sprengt die „Eroica“ die Grenzen der klassischen Sinfonie und erzählt eine epische Geschichte von Heldentum, Trauer, Leichtigkeit und triumphaler Überwindung.

Die Dortmunder Philharmoniker überzeugten auch hier durch ihr nuanciertes Zusammenspiel und die kunstvolle Ausarbeitung der vielen besonderen Details dieser Sinfonie. Hugh Wolff leitete das Orchester mit Präzision und Feingefühl und sorgte so für einen mitreißenden Abschluss des Konzertabends.




Einflüsse musikalischer Pioniergestalten Amerikas

Das 3. Philharmonische Konzert am 05. und 06. November 2024 in Dortmund stand unter dem Motto „Go West!“. Im Dortmunder Konzerthaus präsentierten die Dortmunder Philharmoniker unter der Leitung von Frank Dupree unter anderem die „Billy the Kid“-Ballettsuite von Aaron Copland (1900–1990) und entführten das Publikum in die verklärte Welt des „Wilden Westens“ und der Prärie. Dupree übernahm dabei selbst den Part des Solisten am Klavier und brachte zusammen mit Meinhard „Obi“ Jenne am Schlagzeug und Jacob Krupp am Jazz-Kontrabass zusätzlichen Schwung in die Darbietung.

Die musikalische Reise durch die USA

Das Konzert begann mit der „Ouvertüre zu Strike Up the Band“ aus dem gleichnamigen Musical von George Gershwin (1898–1937), orchestriert von Don Rose. Diese Komposition, die mit einem Augenzwinkern geschrieben wurde, enthält auffallend militärisch anmutende Elemente, die immer wieder durch Jazz-Akkorde und -Rhythmen aufgelockert werden. Zum Verständnis: Die Handlung des Musicals spielt in einer amerikanischen Käsefabrik, deren Besitzer seine Monopolstellung durch hohe Strafzölle auf Schweizer Käse sichern möchte – eine Entscheidung, die letztlich zu einem fiktiven Krieg mit der Schweiz führt. 1930 wurde diese satirische Fassung entschärft, doch das Thema der Einfuhrzölle ist auch heute in politischen Diskussionen aktuell.

Die Solisten: Jakob Krupp, Frank Dupree und Meinhard "Obi" Jenne. Foto: Ralph Steckelbach
Die Solisten: Jakob Krupp, Frank Dupree und Meinhard „Obi“ Jenne. Foto: Ralph Steckelbach

Anschließend wurde Gershwins „Concerto in F“ aufgeführt, das Jazz und klassische Tradition kunstvoll verbindet. Der erste Satz erinnert teils an Rachmaninow, angereichert mit Jazzelementen, während der zweite Satz eher an den Blues und der dritte an den Ragtime angelehnt ist.

Nach der Pause folgte Aaron Coplands Western-Ballettsuite, bestehend aus sieben Sätzen. Mit Anklängen an mexikanische Volksmelodien und Cowboy-Lieder sowie Coplands unverwechselbarer Musiksprache wird die dramatische Geschichte des Revolverhelden Billy the Kid bis zu seinem Tod lebendig. Man hört das Trampeln von Pferden und auch das Knallen von Schüssen.

Den Höhepunkt des Konzertabends bildete schließlich der berühmte „Bolero“ von Maurice Ravel (1875–1937), der das Publikum in seinen Bann zog. Obwohl hier der „Wilde Westen“ verlassen wurde, zeigt auch dieses französische Stück subtile Anklänge an den amerikanischen Jazz. Ravel verfolgte dabei eine klare musikalische Idee und inszenierte einen berauschenden Klangteppich, der sich durch eine stetige, langsame Steigerung auszeichnet. Die einzelnen Instrumente konnten sich in dieser eindrucksvollen Darbietung besonders gut entfalten.




Musikalisches Rom-Porträt der besonderen Art

Das 2. Philharmonische Konzert in Dortmund führte am 15./16. Oktober 2024 unter dem Titel „Roma aeterna – Ewige Stadt“ musikalisch in die Hauptstadt Italiens. Auf dem Programm im Konzerthaus stand die „Rom-Trilogie“ (entstanden 1916–1928) von Ottorino Respighi (1879–1936). Dem Komponisten gelang damit eindrucksvoll der Nachweis, dass Italiener auch großartige Orchestermusik schreiben können. Die Zuhörenden wurden in die Tiefe der Geschichte Roms entführt, und die Schönheit der italienischen Landschaft wurde spürbar.

Die drei Werke wurden sensibel von den Dortmunder Philharmonikern unter der lebhaften Leitung von Gabriel Feltz (GMD) interpretiert. Die Stücke sind jeweils in vier pausenlos ineinander übergehende Sätze gegliedert, die unterschiedliche Stimmungen und Sujets darstellen.

Der Konzertabend begann mit der Symphonischen Dichtung „Fontane di Roma“ (Brunnen von Rom). Der Weg führte von der geheimnisvollen Morgendämmerung bei der Villa Borghese über den Triton-Brunnen, bei dem die Wasserspiele vor den Augen der Zuhörer lebendig wurden. Weiter ging es zum berühmten Trevi-Brunnen bis in die Abenddämmerung bei den Gärten der Villa Medici.

Generalmusikdirektor Gabriel Feltz dirigierte die Dortmunder Philharmoniker mit voller Kraft. (Foto: (c) Andy Spyra)
Generalmusikdirektor Gabriel Feltz dirigierte die Dortmunder Philharmoniker mit voller Kraft. (Foto: (c) Andy Spyra)

Es folgte der letzte Teil der Trilogie, „Feste Romane“, ein deutlicher Kontrast. Zunächst entführt das Werk in die dramatisch-grausame Zeit der Christenverfolgung, dann in das Pilgerleben des Mittelalters. Die letzten beiden Sätze widmen sich dem modernen Christentum im 20. Jahrhundert. Die musikalische Reise führt von einem Oktoberfest, das der Weinlese gewidmet ist und von Mandolinenklängen begleitet wird, bis zum ausgelassenen Dreikönigsfest auf der Piazza Navona. Diese Abschnitte zeigen die beeindruckende Vielfalt der Musik und die Bildhaftigkeit der Klänge, ebenso wie Respighis grandiose Instrumentation. Eine besondere Herausforderung für alle Beteiligten auf der Bühne.

Ein Klangfeuerwerk in „Pini di Roma“

Nach der Pause erhellte „Pini di Roma“ die Atmosphäre mit unbeschwert spielenden Kindern in den Pinienhainen der Villa Borghese. Dieser Beginn in der Morgendämmerung gleitet unvermutet in die düsteren Katakomben mit wehmütigen Klängen. Der dritte Satz, eher naturalistisch geprägt, ließ in einer Nacht auf dem Gianicolo zauberhafte Klänge und sogar eingespielte Vogelstimmen erklingen.

Der letzte Satz spielt auf der alten Heerstraße „Via Appia“. Mit dem Einsatz von Buccinen (Naturhörnern) wird der triumphale Einzug römischer Soldaten schmetternd begleitet. Die Musik steigert sich in Dramatik, und ein Gefühl der Bedrohung macht sich breit, bis am Ende nur noch Aggressivität übrig bleibt.

Die Dortmunder Philharmoniker, unter der Leitung des sich körperlich stark einbringenden Gabriel Feltz, konnten erneut ihr Können eindrucksvoll unter Beweis stellen.




Wünsch dir was – das 10. Philharmonische Konzert

Demokratie bei einem klassischen Konzert? Ja, das geht. Am 18. und 19. Juni 2024 bewiesen die Dortmunder Philharmoniker unter der Leitung von Florian Ludwig, der für den erkrankten Gabriel Feltz einsprang, ihre Flexibilität.



Fünfmal durften die Besucher*innen entscheiden, was gespielt wird. Dabei erhielten sie eine grün/rote Karte, was den Dirigenten vor besondere Schwierigkeiten stellte, denn er hat eine Rot-Grün-Sehschwäche. Doch mit ein paar Tricks liefen die Wahldurchläufe ohne Probleme ab.

Das erste Stück durften die Besucher*innen nicht wählen: Der erste Satz aus Smetanas „Die Moldau“ erklang als Auftakt. Danach gab es die erste Wahl. Wie bei der Fußball-EM verlor Österreich (Mozart) gegen Frankreich (Ravel), und der Solist Benedetto Lupo spielte den zweiten Satz des Klavierkonzerts in G-Dur.

Auch Johann Strauß (Sohn) und Jean Sibelius hatten bei der Abstimmung gegen Antonin Dvořák und Peter Tschaikowsky keine Chance.

Nach der Pause ging es in den Weltraum mit der Musik von „Star Wars“ des Komponisten John Williams. Mahler gewann gegen Samuel Barber, und die Dortmunder Philharmoniker spielten das Adagietto aus seiner 5. Sinfonie.

Danach war es Zeit für den Pianisten Lupo, der den vierten Satz aus dem zweiten Klavierkonzert von Johannes Brahms spielte.

Das Konzert endete mit dem ersten Satz des „Danse macabre“ von Camille Saint-Saëns, der sich gegen Liszt durchsetzen konnte, sowie einer lateinamerikanisch inspirierten Zugabe.

Florian Ludwig dirigierte nicht nur, sondern gab dem Publikum auch wertvolle Informationen zu den einzelnen Stücken, damit sie ihre Wahl nach bestem Wissen treffen konnten.




Ein Konzertabend voller rhythmischer Vielfalt

Das 9. Philharmonische Konzert im Dortmunder Konzerthaus am 21. und 22. Mai 2024 stand unter dem Motto „Schmelztiegel der Kulturen“. In dieser Spielzeit wird „Wir im Ruhrgebiet“ thematisiert, was auch die kulturelle Diversität Dortmunds betont. Seit Jahrzehnten ist die Stadt ein Schmelztiegel unterschiedlichster Kulturen, die das gesellschaftliche Leben prägen. Die türkischstämmigen Einwanderer, zunächst als „Gastarbeiter“ angeworben, haben dabei einen bedeutenden Beitrag geleistet.



Die Dortmunder Philharmoniker, unter der humorvoll-temperamentvollen Leitung des erfahrenen britischen Dirigenten Howard Griffiths (*1950, verheiratet mit einer Türkin), präsentierten sich erneut in Höchstform. Das Programm begann mit der Ouvertüre zu „Figaros Hochzeit“ von Wolfgang Amadeus Mozart (1756-1791) aus dem Jahr 1786 und dem Klavierkonzert Nr. 17 in G-Dur, KV 453. Nach der Pause folgte die ausdrucksstarke „Istanbul-Sinfonie op. 28“ des türkischen Komponisten und Pianisten Fazil Say (*1970).

Mozarts Ouvertüre, die ursprünglich einen langsamen Mittelteil beinhaltete, begeistert das Publikum immer wieder durch ihre sprühende Vitalität, Lebensfreude und dynamische Kontraste. Für das anschließende Klavierkonzert Nr. 17 in G-Dur konnte die virtuose US-amerikanische Pianistin Claire Huangci (*1990) gewonnen werden. Während der erste Satz heiter geprägt ist, entwickelt sich im zweiten Satz eine melancholisch-nachdenkliche Stimmung. Der variationsreiche Schlusssatz bietet der Pianistin und dem Orchester die Gelegenheit, ihr Können eindrucksvoll unter Beweis zu stellen. Huangci begeisterte zudem mit einer rasanten Interpretation von Mozarts „Türkischem Marsch“.

Nach einer kurzen Pause entführte die „Istanbul-Sinfonie“ von Fazil Say das Publikum atmosphärisch in eine fremde Kultur. Traditionelle türkische Instrumente wie die Ney-Flöte (gespielt von Burcu Karadağ), die orientalische Kastenzither Kanun (gespielt von Hakan Güngör) und diverse türkische Schlaginstrumente (gespielt von Aykut Köselerli) sorgten für ein authentisches Klangbild. Die Sinfonie beginnt und endet mit einem eindrucksvollen instrumentalen Meeresrauschen des Marmarameers. In den sieben Abschnitten werden Sehenswürdigkeiten wie die „Blaue Moschee“ und die Romantik der „Prinzeninseln“ lebendig dargestellt, ebenso wie dramatische Ereignisse wie der Krieg im östlichen Mittelmeer um 1485 und religiöser Fanatismus. Diese Passagen erinnerten an die Musik von Dmitri Schostakowitsch. Das Chaos der Großstadt Istanbul wurde ebenfalls eindrucksvoll musikalisch umgesetzt, bevor die Sinfonie in einem ruhigen „Wellenabschluss“ endet.

Dieser musikalisch spannende und rhythmisch vielfältige Konzertabend bot eine wunderbare Verbindung zwischen klassisch-westlicher Sinfonieorchestertradition und türkischer Musik.




Emotional aufwühlende Sinfonie in Umbruchzeiten

Die Konzerte der Dortmunder Philharmoniker haben in dieser Spielzeit einen Bezug zum Revier. Unter dem Titel „Im Ruhrgebiet geboren“ stand am 26. und 27.03.2024 beim 7. Philharmonischen Konzert die viersätzige 6. Sinfonie (a-Moll) von Gustav Mahler (1860-1911) auf dem Programm. Ars tremonia war am 26.03.2024 mit dabei.



Wie vielleicht nicht alle wissen, wurde die 6. Sinfonie 1906 in Essen (also in unserer Nachbarschaft) unter der persönlichen Leitung des Komponisten uraufgeführt. Sie endete als einzige in Moll und wurde die „Tragische“ genannt, obwohl sie viel mehr ist.

Gabriel Feltz (GMD), der einen besonderen Bezug zu dieser Sinfonie hat, dirigierte das Konzert mit großer Besetzung der hiesigen Philharmoniker. Für dieses expressive und anspruchsvolle Werk wird alles an Instrumenten aufgefahren.

Zur Zeit der Entstehung der Sinfonie war Mahler einerseits glücklich mit Alma Mahler-Werfel und seiner kleinen Familie, andererseits brodelten die Konflikte in der Monarchie Österreich-Ungarns. Im Balkangebiet regte sich vermehrt Widerstand und Unruhe.

Diese Kontraste, Glücksmomente, Zerrissenheit, Verzweiflung werden auch in der Musik deutlich spürbar.

In den vier Sätzen wechseln sich Marschcharaktere, romantische Nachklänge an Schubert, musikalische Gedanken, die von Mahlers Liebe zu Alma inspiriert sind, die Welt der Alpen hervorrufen, Volklieder, Tänze, Choräle bis hin zu Rutenhieben oder eindrucksvollen Hammerschlägen (zweimal) zwischen Moll und Es-Dur ab.

Der seelenvoll-trügerische Andante-Satz mit der „Alma“ und Choralthematik wurde bei dieser Aufführung an dritter Stelle nach dem dämonisch-distanzierten Scherzo-Satz gespielt. Das führte grandios als Kontrast zum furios-monumentalen Finalsatz bis hin zu seinem letzten Moll-Ton.

Das Konzert machte nicht nur auf die verschüttete Tradition aufmerksam, sondern wurde von der Dortmunder Philharmoniker und ihrem Dirigenten mit Herzblut, viel Empathie sowie Können interpretiert. Sie zogen das Publikum trotz der fast 90-minütigen Dauer in den ganz eigenen Bann der Sinfonie hinein.

Das wir im Augenblick auch in unruhigen Krisenzeiten leben, sorgt für ein spezielles Empfinden des musikalischen Erlebnisses.




Eindrucksvoll bildgewaltige Musik beim Philharmonischem Konzert

Mit seinem Motto „Unter Tage“ wurde beim 6. Philharmonischen Konzert am 13. Und 14.02.2024 in Dortmund wieder ein Bezug von klassischer Musik und Bergbauvergangenheit des Ruhrgebiets hergestellt.



Für die beiden Abende im Dortmunder Konzerthaus wurde vom hiesigen Orchester unter der emphatischen Leitung des estnischen Dirigenten Mihhail Gerts das Klavierkonzert Nr. 4 G-Dur op. 58 von Ludwig van Beethoven (1770 – 1827) sowie aus der Musik zu Peer Gynt vom norwegischen Komponisten Edvard Grieg (1843 – 1907): Im Hochzeitshof und die Suiten Nr. 1 plus 2 aufgeführt.

Für Beethovens lyrisches und dramatisches Klavierkonzert konnte der virtuose Schweizer Pianist Louis Schwizgebel (*1987) gewonnen werden.

Ungewohnt ist der Beginn des Soloinstruments mit einer lyrisch- träumerischen Klangfarbe, dem sich langsam anschließenden Streichern, Bläsern und am Ende zu einem grandiosen Tutti das gesamte Orchester anschließen. Der Satz biete aber nicht nur das sanft Pochende Motiv, sondern zudem konflikthaft zugespitzte und anspruchsvoll-virtuose Passagen.

Im Gegensatz steht der von seinen Kontrasten lebende zweite Satz.  Er ist allein für das Solo-Klavier und die Streicher orchestriert. Auf der einen die Streicher mit ihren dramatisch-pulsierenden Klängen, auf der anderen Seite das mit seiner choralhaft-weichen Tönen flehend aufbegehrende Solo-Klavier. Das weckt durchaus Assoziationen zu dem Mythos des für die Befreiung von Eurydike flehenden Orpheus in der Unterwelt. Dieser verzauberte die Unterwelt mit der Macht seines Gesangs.

Mit einem überschäumenden Rondo wird das Publikum zum Schluss wieder zurück ins Jetzt geführt. Der Pianist begeisterte es mit seiner Virtuosität und Sensibilität am Klavier.

Nach der Pause stand Edvard Griegs Musik zu „Peer Gynt“ – beeinflusst von der Ausdruckskraft norwegischer Volkslieder und Sagen – im Mittelpunkt.

Nach dem Beginn mit der Ouvertüre „Hochzeitshof“ folgten die von ihm später aus rein musikalischen Gründen zusammengestellten Suite Nr. 1 op. 46 und Suite Nr. 2 op. 55

Zu Anfang der Suite Nr. 1 ist die bekannte (sogar zu werbezwecken benutzte) äußerst romantisch und eindrucksvolle „Morgenstimmung“ zu hören. Bei der Bühnenfassung erscheint diese erst im vierten Akt und ist in Marokko verortet.

Passenderweise lässt sie uns eher an den Sonnenaufgang im Norden denken. Es folgt eine musikalische Reise mit Peer Gynt. Unter anderem führt sie uns in „Die Halle des Bergkönigs“, der fantastischen Welt unter Tage ins Reich der Trolle, wo sich Peer Gynt der grotesken Töchter des Bergkönigs erwehren muss.  Die Musik ist entsprechend dramatisch. Auch mit der Unausweichlichkeit des Todes (Ăses Tod) wird sich auseinandergesetzt. Der Satz endet mit Anitras Tanz.

Die Suite Nr. 2 bietet mit Arabischen Tanzrhythmus, Brautklau (Ingrids Klage) oder am Ende das sehnsuchtsvolle Lied von Solveig viel Abwechslung und variationsreiche musikalische Elemente.

Eindringliche und bildgewaltige Musik, die wie so oft starke aufspielende Dortmunder Philharmoniker mit einem für das Konzert passenden Dirigenten und grandioser Solo-Pianist sorgten für ein bewegendes Erlebnis.




3. Philharmonische Konzert – Aus dem Taubenzüchterland

Auch wenn ein Drittel aller Brieftaubenzüchter im Ruhrgebiet leben, es werden halt immer weniger, die dieses Hobby pflegen. Wer sich jetzt aber fragt, geht es eigentlich nicht um Musik? Ja, weil das diesjährige Motto der Dortmunder Philharmoniker irgendwas mit Ruhrgebiet ist, wurden Themen gesucht, die mit dem Ruhrgebiet in Verbindung gebracht werden. Das vergangene Mal war es Stahl, beim 3. Philharmonischen Konzert sind es die Brieftauben.



Gespielt wurden Werke von Dvořák und Korngold, beide nicht aus dem Ruhrpott, aber zumindest hat Dvořák etwas über Tauben komponiert, nämlich „Die Waldtaube“. Die Philharmoniker unter der Leitung von Christoph Altstaedt spielten zum Auftakt den ersten Satz der „Waldtaube“. Ein Werk mit lyrischen Passagen und dramatischen Momenten, typisch für Dvořáks Fähigkeit, folkloristische Elemente mit orchestraler Pracht zu verbinden. 

Das zweite Stück war das Violinkonzert von Erich Wolfgang Korngold. Als Solistin zeigte Anna Tifu, dass sie das technisch anspruchsvolle Stück beherrschte. Das Konzert zeigt eine spätromantische Klangwelt, die mit üppigen Orchesterklängen, farbenreichen Harmonien und expressiven Melodien gefüllt ist. Da Korngold auch ein Oskar-Preisgekrönter Komponist war, wirkt das Violinkonzert wie eine Brücke zwischen klassischer Musik und Filmmusik.

Nach der Pause wurde wohl das bekannteste Werk von Dvořák gespielt: Die 9. Sinfonie oder auch „Aus der Neuen Welt“. Die Sinfonie selbst könnte als Filmmusik zu jedem Western dienen und besitzt irrsinnig schöne Melodien. Der berühmte zweite Satz, das „Largo“, enthält eine der bekanntesten Melodien von Dvořák. Dieser Satz wurde auch als eigenständiges Stück unter dem Titel „Goin‘ Home“ bekannt. 

Dvořák benutzt in seiner Komposition Einflüsse aus Spirituals, indianischer Musik und afroamerikanischer Melodien, denn die USA waren und sind ein Schmelztiegel der Kulturen. Und hier ist wieder ein Brückenschlag zum Ruhrgebiet zu erkennen. Auch dieses Gebiet ist seit der Industrialisierung zu einem Schmelztiegel geworden.