Schriftsteller Saša Stanišić erhält Nelly-Sachs-Preis der Stadt Dortmund

Der Schriftsteller Saša Stanišić ist am Sonntag (10. Dezember) in einem Festakt mit dem Nelly-Sachs-Literaturpreis der Stadt Dortmund ausgezeichnet worden.



Bürgermeisterin und Juryvorsitzende Barbara Brunsing übergab den mit 15.000 Euro dotierten und damit wichtigsten Dortmunder Kulturpreis im Museum für Kunst und Kulturgeschichte. Im Anschluss trug sich der Autor in das Goldene Buch der Stadt Dortmund mit den Worten ein: „…niemals aufhören, zuzuhören.“

Saša Stanišić bedankte sich mit einer berührenden Rede, in der er betonte, wie wichtig es sei, trotz aller Widerstände, trotz Krieg und Rassismus, Spuren zu hinterlassen, „trotzdem warnen, vielleicht hört ja wirklich jemand zu. Trotzdem weiterschreiben, vielleicht sagt ja jemand: Aha. Trotzdem nicht verstummen angesichts des Abgrunds.“

Fluchterfahrung als zentraler Moment

Saša Stanišić wurde 1978 in Višegrad (Jugoslawien) geboren und floh mit 14 Jahren vor den Schrecken des Krieges nach Deutschland. Früh entdeckte er die Liebe zur Sprache und hatte den Wunsch, Schriftsteller zu werden. Seine Bücher wurden mehrfach ausgezeichnet.

„Zum zentralen Moment seines Schreibens macht er die Fluchterfahrung. Mit Ironie und Witz behandelt er auch das Unangenehmste, das ihm und seiner Familie sowohl in Jugoslawien als auch in Deutschland widerfahren ist, ohne dabei zu verharmlosen“, sagte Jury-Mitglied Dr. Bozena Badura über Saša Stanišić. In ihrer Laudatio bescheinigte die Literaturkritikerin Saša Stanišić sprachliche Virtuosität, eine komplexe Handlungsführung, authentische Figuren und präzise gestaltete Romanwelten. Damit habe er die deutschsprachige Literatur um die Erzähltradition der Balkankulturen bereichert.

Texte verbinden Kulturen miteinander

Seine Texte entfalteten eine außergewöhnliche Sogkraft, die es den Lesenden ermögliche, sich restlos in die Figuren hineinzuversetzen und so die beschriebenen Erfahrungen geradezu zu durchleben. Dies erschaffe eine einzigartige emotionale Dimension der Verständigung, die Kulturen und Menschen miteinander verbindet, so Dr. Bozena Badura.

Saša Stanišić

Saša Stanišić lebt seit 1992 in Deutschland. Er veröffentlichte die Romane „Wie der Soldat das Grammofon repariert“ (2006), „Vor dem Fest“ (2014) und „Herkunft“ (2019), den Erzählband „Fallensteller“ (2016) sowie zuletzt mehrere Kinderbücher.

Seine Werke wurden in über 30 Sprachen übersetzt und vielfach ausgezeichnet. Saša Stanišić erhielt u.a. den Preis der Leipziger Buchmesse für „Vor dem Fest“ und für „Herkunft“ den Deutschen Buchpreis 2019, sowie u.a. den Eichendorff-Literaturpreis, den Schillerpreis und den Hans-Fallada-Preis. Er lebt und arbeitet in Hamburg.




Nelly-Sachs-Preis 2021 – Verleihung in schwierigen Zeiten

In einem feierlichen Rahmen konnte die coronabedingt verschobene Verleihung des Nelly-Sachs-Preises 2021 an die Schriftstellerin (und Schauspielerin) Katerina Poladjan nun am 03.04.2022 im Dortmunder Orchesterzentrum durchgeführt werden.

Mit diesem mit 15.000 Euro dotierten Literaturpreis ehrt und fördert die Stadt Dortmund alternierend weibliche und männliche Persönlichkeiten, die im Sinne von Nelly Sachs für ihre besonderen schöpferischen Leistungen auf dem Gebiet des literarischen (sowie geistigen) Lebens, und die mit ihren Werken zur Völkerverständigung beitragen.

Katerina Polodjan trägt sich ins Goldene Buch der Stadt Dortmund ein, beobachtet von Oberbürgermeister Thomas Westphal. (Foto: © Roland Gorecki, Dortmund Agentur)
Katerina Polodjan trägt sich ins Goldene Buch der Stadt Dortmund ein, beobachtet von Oberbürgermeister Thomas Westphal. (Foto: © Roland Gorecki, Dortmund Agentur)

Von einer sachkundigen Jury wurde die 1971 in Russland geboren, aber schon seit ihrem siebten Lebensjahr in Deutschland aufgewachsene Katerina Poladjan als Preisträgerin auserwählt.

Sie überzeugte unter anderem ihr Roman „Hier sind Löwen“ (Geschichte Armeniens, dort kamen ihr Großvater und Vater her) und ihr neuer Roman „Zukunftsmusik“ ,Situation 1985 , nachdem Gorbatschow Präsident der damaligen UdSSR wurde).

Nach der Begrüßung durch Oberbürgermeister Thomas Westphal bekam die Autorin den renommierten Preis überreicht und trug sich in das Goldene Buch unserer Stadt ein.

In ihrer bewegenden Laudatio würdigte Jurymitglied, Autorin und Übersetzerin Léda Forgó das literarische Werk von Poladjan. Dabei ging sie vor allem auf den leichten, aber gleichzeitig tiefsinnigen, symbolisch-poetischen, fantasievollen und speziell zwischen den Zeilen starken Schreibstil hin. Ihre Dankesrede, die Katerina Poladjan für den ursprünglich geplanten Termin der Preisverleihung im Dezember 2021 vorbereitet hatte, sei nun eine andere geworden, sagte die Autorin. Zu allen Zeiten hätten sich Literaten gezwungen gesehen, zum Krieg Stellung zu nehmen.

Musikalisch umrahmt wurde das Programm sensibel von dem Duo Nurith mit Werken von Kurt Weil, Sergei W. Rachmaninow und Fanny Hensel (Schwanenlied).




Nelly-Sachs-Preis 2017 für Autor Bachtyar Ali

Alle zwei Jahre wird im Dortmunder Rathaus der renommierte Nelly-Sachs-Preis für Autoren verliehen, deren Werke nicht nur durch ihre literarische Qualität überzeugen, sondern auch für Versöhnung, Verständnis für unterschiedliche Kulturen und Menschlichkeit stehen.

"Bachtyar Ali bricht eine Lanze für die Menschlichkeit", urteilt Schriftstellekollege Stefan Weidner.
„Bachtyar Ali bricht eine Lanze für die Menschlichkeit“, urteilt Schriftstellekollege Stefan Weidner.

So erklärte es Claudia Kokoschka. Leiterin des Kulturbüros und „Hüterin des Nelly-Sachs-Preises“ beim Pressegespräch mit dem irakisch-kurdischen Autor Bachtyar Ali (Preisträger 2017). Seit 2015 wird der mit 15.000 Euro dotierten Preis alternierend an weibliche und männliche Preisträger vergeben. „Nicht das Ende, sondern den Werdegang außergewöhnlicher Autoren wollen wir begleiten,“ so Bürgermeisterin und Jury-Mitglied Birgit Jörder.

Der diesjährige Preisträger Bachtyar Ali ist 1966 in Sulaimaniya (Nordirak). Geboren. Er ist geprägt von einer Welt voller politischer Gewalt, Kriegen und Flucht.

Seit Mitte der 1990iger Jahre lebt er in Deutschland. Sein Gesamtwerk umfasst Romane, Gedichte und Essays. Einen verlässlichen und passenden Verlag für seine Werke hatte er im Unionsverlag (Zürich) gefunden.

Im orientalisch-arabischen Bereich ist er ein schon länger ein geschätzter und bekannter Autor. Beliebt ist er besonders bei seinen kurdischen Freunden. Er schreibt seine Bücher auf Sorani, der südöstlichen Variante des Kurdischen. Dass er erst in den letzten Jahren in Deutschland bekannt wurde, liegt daran, dass es mit einer deutschen Übersetzung dieser Sprache schwierig war.

Den großen Durchbruch schaffte er mit der deutschen Übersetzung seines Romans „Der letzte Granatapfel“ ( aus dem Kurdischen von Ute Cantera-Lang und Rawezh Salim). Der zweite bisher in deutscher Sprache erschienene Roman ist „Die Stadt der weißen Musiker“.

In seinen orientalisch-mythisch geprägten und bildhaften Sprache mahnt er vor den Gefahren von Nationalismus und Dogmatismus, die Konflikte nicht beheben, sondern im Gegenteil verstärken. Er versucht Wege aus einer gestörten Kommunikation zu zeigen. Notwendige Voraussetzung dafür ist für ihn der Einsatz für eine demokratisch-humanistische und offene Gesellschaft. Wie Bachtyar Ali selber sagt, ist er auf der Suche nach einer „kreativen Ordnung“.

Unsere Gesellschaft ist zu politisiert. Gerade im Orient steht die Macht die Politik über allem. Kultur, Kunst, Literatur und Wissenschaft haben keinen Möglichkeit, einer positiven Einflussnahme,“ so Ali.

Froh ist er über diese besondere Anerkennung seines literarischen Schaffens für Frieden und stolz darauf ,in einer Reihe mit so bekannter Preisträger wie etwa Nadine Gordimer (1985) oder Milan Kundera (1987) zu stehen.

Der Nelly-Sachs-Preis 2017 wird am Sonntag, den 10.12.2017 um 11:00 Uhr in einem Festakt im Dortmunder Rathaus vergeben.




Nelly-Sachs-Preis 2015 geht an Marie NDiaye

Die Preisträgerin des Nelly-Sachs-Preises 2105: Marie NDiaye.
Die Preisträgerin des Nelly-Sachs-Preises 2105: Marie NDiaye.

Die französische Schriftstellerin Marie NDiaye erhielt am 13. Dezember 2015 im Dortmunder Bürgersaal den mit 15.000 € dotierten Nelly-Sachs-Preis. Die französische Gegenwartsschriftstellerin schrieb zahlreiche Romane, Erzählungen und ist durch ihre Theaterstücke auch auf deutschen Bühne bekannt. Die Laudatio hielt die Literaturkritikerin Sabine Berking.

„Ich freue mich über den Preis“, gab NDiaye im Pressegespräch zu. „Denn ich arbeite ja immer alleine als Schriftstellerin und so bekomme ich Resonanz für meine Arbeit“. Sie Schriftstellerin lebt momentan in Berlin. Frankreich verließ die Tochter eines Franzosen und eines Senegalesen wegen der Einwanderungspolitik der Regierung Sarkozy. Fremdsein hat aber auch einen Reiz für NDiaye. „Ich schätze es, wenn ich hier nicht zuhause bin“, erzählt sie. Zudem hat sie ein Faible für den amerikanischen Autor Stephen King.

Über ihre Arbeitsweise erzählte sie: „Ich bin sehr diszipliniert, ich liebe meinen Beruf. Aber ich muss mich zwingen, denn es gibt viele Dinge, die ich lieber tue.“ Dafür macht NDiaye eine Frau Angst: Marie LePen. „Man kann sie nicht mehr stoppen“, sagt sie resignierend. „man kann nur Fatalist sein. Das Land war noch nie so gespalten und so voller Hass.“




Es liegt an der Wahrnehmung

Warum bekamen so wenig Frauen den Nelly-Sachs-Preis? Marianne Brentzel forschte nach.
Warum bekamen so wenig Frauen den Nelly-Sachs-Preis? Marianne Brentzel forschte nach.

20 Männer, sieben Frauen: so lautet die Verteilung des Nelly-Sachs-Preises, den die Stadt Dortmund alle zwei Jahre vergibt. Einer der Bedingungen des Literaturpreises ist unter anderemeine Verbesserung der kulturellen Beziehungen zwischen den Völkern. Schriftstellerin Marianne Brentzel stellt in ihrem E-Book „Im Salon der Dichterinnen“ die sieben Preisträgerinnen vor.

 

Ars tremonia fragte in einem Interview nach, warum so wenig Frauen nominiert wurden, was die sieben Frauen verbindet und warum Brentzel den Weg eines E-Books gewählt hat.

 

Das Interview als Podcast: 

 

Marianne Brentzel liest aus ihrem Buch am Montag, den 10. März 2014 um 19:30 Uhr im Studio B der Stadt- und Landesbibliothek.

 

Marianne Brentzel

Im Salon der Dichterinnen
Die Nelly-Sachs-Preisträgerinnen

E-Book, 11,99 €
ISBN 978-3-9816512-1-8




Abbas Khider erhält den Nelly-Sachs-Preis 2013

Glückwunsch zum Nelly-Sachs-Preis: Oberbürgermeister Ullrich Sierau gratuliert Abbas Khedir.
Glückwunsch zum Nelly-Sachs-Preis: Oberbürgermeister Ullrich Sierau gratuliert Abbas Khedir.

Der Literaturpreis der Stadt Dortmund, der Nelly-Sachs-Preis, geht an Abbas Khider. Der aus dem Irak stammende Autor schildert in seinen Romanen die Situation der zerrissenen Gegenwart. Als moderner Odysseus musste er aus seinem Heimatland fliehen und lebte mehrere Jahre als illegaler Flüchtling in verschiedenen Ländern, bis sein Asylantrag in Deutschland positiv beschieden wurde.

 

In seinen drei erschienen Romanen spiegelt Khider sein Leben wider: Flucht aus den Folterkeller Saddams, die Odyssee durch verschiedenen Länder als Flüchtling, der verzweifelte Versuch, Freunde und Verwandte im Heimatland nicht ganz aus den Augen zu verlieren. Auf Homers Werk „Odysseus“ hebt auch Literaturkritiker Hubert Spiegel ab. Hierbei drehe es sich um eine Geschichte eines Flüchtlings, der in fremden Ländern meist unfreundlich aufgenommen wird und sprichwörtlich ein Niemand ist. In dieser schwierigen Situation hat vor allem der Humor einer lebenswichtigen Funktion, wie man in Khiders Büchern erfahren kann.

 

In seiner Dankesrede sprach Khider von seiner im wahrsten Sinne des Wortes entfachten Liebe zur Literatur. „Fast vier Stunden hatte ich die Teekanne auf dem Herd vergessen. Seitdem sagte meine Familie: ‚Die Bücher haben Abbas den Verstand geraubt.‘ Und das geschah wahrhaftig.“ Doch Lesen reichte ihm irgendwann nicht mehr. „Ich glaubte, diese seltsame Welt mit dem Schreiben verändern zu können. Daran glaubte ich wirklich sehr lange.[…] Das Schreiben war die einzige Möglichkeit, mich zu wehren“, so Khider weiter. In Deutschland angekommen, verändert sich sein Schreiben. „Das Schreiben war kein Versuch mehr, die Welt nur zu erklären oder mich gegen die Wlet zu wehren, sondern ein Versuch, die Welt neu zu formulieren“, fuhr Khedir fort, „ss faszinierten mich plötzlich die kleinen Dinge und die unbedeutenden Erlebnisse, die Geschichten in der Geschichte, die Abweichungen von der Regel, die Umwege auf der Suche nach Erklärungen und Sortierungen, und die Jagd nach den poetischen unsichtbaren Momenten.“

 

Abbas Khiders Werke liegen im Verlag Edition Nautilus vor. 2008 erschien „Der falsche Inder“, 2011 „Die Orangen des Präsidenten“ und 2013 „Brief in die Auberginenrepubik“.

 

Seit 1961 wird der Nelly-Sachs-Preis von der Stadt Dortmund in zweijährigem Rhythmus vergeben und ist mit 15.000 € dotiert. Preisträger waren unter anderem 1967 Alfred Andersch, 1979 erich Fromm, 1987 Milas Kundera oder 1999 Christa Wolf.

 

Für den musikalischen Rahmen bei der Preisverleihung sorgte das „Duo Habaneras“.

Abbas Khedir im Gespräch mit Claudia Kokoschka, der Leiterin des Kulturbüros.
Abbas Khedir im Gespräch mit Claudia Kokoschka, der Leiterin des Kulturbüros.

Abbas Khedir trägt sich ins Goldene Buch der Stadt Dortmund ein.
Abbas Khedir trägt sich ins Goldene Buch der Stadt Dortmund ein.