Der lustige Heiner (Uwe Schmieder) und Inge Borg (Eva Verena Müller) verbesserten die Welt.
Ein teilweise surrealer, bunt komischer Abend erwartete die Besucher bei der „Großen Weltverbesserungsshow“ am Samstag, dem 18. Januar um 23 Uhr im Institut des Schauspielhauses. Dabei waren viele Mitglieder des Schauspielensembles.
Lag es am „Goldenen Zeitalter“, dem Stück, das vorher gespielt wurde oder waren gerade viele Weltverbesserer unterwegs? Jedenfalls quoll das Institut über vor Leuten. Gleich zu Beginn wurde einige Besucher ausgewählt, um entweder in den Keller oder in die erste Etage zu fahren, um dort den ersten der vielen Programmpunkte zu erleben. Den Berichterstatter zog es in den ersten Stock, wo er in einer Behindertentoilette Julia Schubert beim – nun ja- philosophieren traf. Ihr Text drehte sich um das menschliche Verständnis, jederzeit im Mittelpunkt der Welt zu sehen und die mangelnde Empathie, sich in andere hineinzudenken, etwa in einer Schlange vor der Supermarktkasse.
Danach ging es wieder zurück und die Show begann. Aufgebaut wie eine Art Talkshow wurde der Abend moderiert von Inge Borg (Eva Verena Müller). Auf Stichwort gab es Beiträge von Thorben (Frank Genser), dem lustigen Heiner (Uwe Schmieder), dem Finanzfuzzi Josef Ackermann (Ekkehard Freye) und dem Philosofisch (Björn Gabriel). Mit dabei war auch noch Oscar Musinowski.
Die vorgetragenen Texte stammten von unterschiedlichen Autoren wie Georg Büchner, Heiner Müller (logischerweise vom lustigen Heiner vorgetragen) und Thorben las aus dem Buch „In Afrika ist immer August“, das aus Schulaufsätzen neapolitanischer Kinder bestand. Sie waren sehr entlarvend, weil sie aus kindlicher Perspektive sehr ehrlich waren.
Neben Liedern (unter anderem „Ein bisschen Frieden“ live gesungen oder besser: interpretiert von Ekkehard Freye mit Sebastian Graf) wurden noch Fotos und Videos auf die Leinwand geworfen. Anhand der Videos wurde an diesem Abend die fast schon rassistische Sichtweise von Entwicklungshilfeorganisationen kritisiert.
Die Besucher durften selbst aktiv werden. Einerseits wurden Organspendeausweise verteilt, zum anderen durften die Besucher etwas zu Papier bringen, was sie 2014 nicht mehr tun werden. Diese Vorsätze wurden dann durch einen Schredder gejagt.
Zuletzt gab es auch etwas zu essen und trinken: Einerseits Kaffee, davor wurde ein Schluck Sekt gereicht. Statt wie im Vorfeld angekündigt Sophia Loren kochte an ihrer Stelle Darlene Mietrich (Merle Wasmuth) Spaghetti mit einer vegetarischen Sauce.
Was bleibt am Ende? Werden wir jetzt alle Weltverbesserer? Nun ja, es tut gut mal daran zu denken, dass es nicht immer optimal für einen selbst läuft und ein wenig Empathie für andere Menschen kann auch nicht schaden.
Am 30. November 2013 war Premiere für „Verbrennungen“, nach dem Thriller des im Libanon aufgewachsenen kanadischen Autoren Wajdi Mouawad. Das Buch wurde 2010 unter dem Titel „Die Frau die singt“ verfilmt.Die niederländische Regisseurin Liesbeth Coltof unterstützt schon seit vielen Jahren junge Schauspieler/innen im Gaza-Gebiet und hat dort auch schon verschieden Inszenierungen aufgeführt.Diese besondere Beziehung zum Nahen Osten merkt man auch in ihrer sensiblen Inszenierung von „Verbrennungen“.
Zur Geschichte: Die im Nahen Osten aufgewachsene Nawal hinterlässt ihren in Kanada ohne Vater aufgewachsenen 22 Jahre alten Zwillingen Jeanne und Simon nach ihrem Tot durch die befreundete Notarin Hermile (im Film ein Notar) ein verstörendes Testament. Jeanne soll ihren tot geglaubten Vater suchen und Simon den ihm völlig unbekannten Bruder. Vorsichtig nähern sich zunächst Jeanne, dann auch ihrer Simon dem unfassbaren Geheimnis der Mutter, die zuvor fünf Jahre geschwiegen hatte. Langsam setzen sich die einzelnen Mosaiksteine zu einem erschütterndem Ganzen zusammen… Der Ort im Nahen Osten ist bewusst nicht genau lokalisiert. Der Libanon dient nur als ein Muster für Bürgerkriegskonflikte, die zu einem Teufelskreis der Gewalt führen.
Wie bewahrt man sich Menschlichkeit in einer Welt des Hasses? Wie durchbricht man den Teufelskreis von Hass und Rache und noch mehr Hass und noch mehr Rache? Diese Fragen tauchen häufiger im Stück auf. Auf den Rat der Großmutter hin lernt Nawal Lesen, Schreiben und selbstständig zu Denken. Das macht sie selbstbewusst und aktiv. Es macht zunächst Mut, Nawal mit all ihrer Hoffnung auf diesem Weg der Menschlichkeit zu begleiten. Trotz Rückschläge will sie sich ihre Menschlichkeit bewahren. Nawal steht für die Millionen von Frauen in den Kriegen der Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft. Sie werden vergewaltigt, getötet und ihrer Kinder beraubt. Die Schrecken, die sie miterlebt haben, machten manche stumm. Wie Nawal. Denn das Schweigen ist für sie besser als dem Hass freien Lauf zu lassen.
Die erste Überraschung präsentierte Coltof gleich zu Beginn: Die Bühnenbild ist als Symbol für die Unwissenheit der Kinder ganz in weiß gehalten. Weiße Holzplatten und Stühle und ein heller , flexibel benutzbarer ein und ausfahrbarer Vorhang prägen das Bild.
Im Stück werden die verschiedenen Zeitebenen öfter gewechselt. Ausgangspunkt ist das gegenwärtige Wissen der Kinder. Nach und nach erfährt das Publikum durch ihren Blickwinkel mehr von Nawals vom Bürgerkrieg geprägte Biographie. Der Wechsel der Zeitebenen wird hauptsächlich durch Änderung der Beleuchtung verdeutlicht. Die Geschichte von Nawal (Friederike Tiefenbacher), beginnt,als sie im Alter von 14 Jahren von ihrem Geliebten Wahab (Peer Oscar Musinowski) schwanger wird. Das Kind wird ihr weggenommen und verschwindet in einem Waisenhaus. Nach einem weisen Rat ihrer Großmutter „lerne lesen, schreiben, denken“schaffte die die verzweifelte Nawal es, das Land zu verlassen und schreiben zu lernen. Als sie nach drei Jahren in ihr Heimatdorf zurückkommt um nach ihrem Kind zu suchen, schreibt sie stolz den Namen ihrer Großmutter auf deren Grab. Sawda , eine Freundin, eindringlich gespielt von Caroline Hanke , hat den starken Wunsch, ihr zu folgen und ebenfalls lesen zu lernen. Bildung als Mittel zur Befreiung ist ein zentraler Punkt in dem Stück. Eine große Herausforderung stellt sich Friederike Tiefenbacher. Sie spielt die Nawal im Alter von 14 Jahren, dann 17-jährig, 40-jährig im Gefängnis und dann am Ende als über 60-jährige. Sie macht das mit Hilfe kleiner Veränderungen an ihren Haaren, aber vor allem durch ihre Verhalten.
Die beiden Zwillinge Jeanne und Simon sind völlig verschieden angelegt. Jeanne (gespielt von Julia Schubert), Mathematik-Dozentin versucht mit Rationalität an die Geschichte heranzugehen. Sie ist sofort bereit, ihren Vater zu suchen und bereist das Land ihrer Mutter. Simon (Sebastian Graf) ist sehr emotional und aggressiv. Er verzeiht ihr ihr langes Schweigen nicht. Simon kompensiert seine Aggressivität dadurch, dass er Amateur-Boxer ist. Erst spät fährt auch er ins Land seiner Mutter, um seinen Bruder zu suchen und erfährt die schreckliche Wahrheit.
Andreas Beck und Carlos Lobo spielen mehrere Rollen und haben in dem Stück die Funktion, die Geschichte weiter zu bringen. Sei es als Fremdenführer, Gefängniswärter oder Hausmeister. Oscar Musinowski spielt ebenfalls mehrere Rollen unter anderem Wahab, den Vater des ersten Kindes von Nawal. Die verschiedenen Persönlichkeiten glaubhaft darzustellen ist ihm gelungen.
Einen besonderen Kniff hatte sich Coltof noch ausgedacht: Sechs Frauen aus unterschiedlichen nicht-europäischen Ländern waren teilweise mit auf der Bühne (Jeannie Marianna Dressman, Sila Ekiztas, Emine Turhan, Yasemin Ucar, Fatma Ulutopcu und Jing Wu). Sie kamen auf Afrika, China, der Türkei und hatten keinerlei Bühnenerfahrung. Ihre Präsenz machte aber deutlich, dass Vertreibung, Mord und Vergewaltigung noch in weiten Teilen der Welt gang und gäbe sind. Der Teufelskreis Hass und Rache dreht sich immer noch und vor allem die Frauen müssen darunter leiden. Oftmals ohne Bildung müssen sie dem jeweiligen Sieger zu Willen sein. Bildung und selbstständiges Denken sind sind jedoch sicherlich wichtige Grundlagen zur Durchbrechung dieses Teufelskreises.
Musik und Bilder wurden bei der Inszenierung dezent aber wirkungsvoll eingesetzt. Ein großes Kompliment an das gesamte Ensemble. Es ist ihnen gelungen, das Publikum tief zu berühren. Da flossen bei einigen auch ein paar Tränen. „Verbrennungen“ berührt durch seine sparsame Inszenierung, durch das Spiel der Schauspieler und der sechs Frauen. Das Stück fängt an wie ein geschichtlicher Familienkrimi an, wo am Ende nur das Schweigen bleibt, um die Menschlichkeit zu bewahren. So soll Theater sein!
Weitere Termine am 5., 14. und 27. Dezember sowie am 08. und 24. Januar 2014.
Karten und Infos unter www.theaterdo.de oder 0231 50 27222.
Bei der Premiere des Lieder-abends mit Live-Musik „Drama Queens“- neue Songs aus der Kantine“, nach einer Idee von Christian Quitschke am 6. Oktober 2013 stand die Musik voll im Mittelpunkt. Gesprochen wurde von den drei Weiblichen und drei männlichen Schauspielern „Drama Queens“ noch weniger als bei „La Cantina Adrenalina“ aus der letzten Spielzeit.
Regisseur und Schauspieler Andreas Beck gelang es zusammen mit Quitschke, Dramaturg Thorsten Bihegue und der musikalischen Leitung von Paul Wallfisch hervorragend, dem Publikum das Geschehen auch ohne viel Worte mit einer gelungenen und passenden Musikauswahl nahe zu bringen.
Paul Wallfisch wurde mit seinen Kollegen Gregor Kerkmann am Bass, Martell Beigang am Schlagzeug und Marcus Scheltinga gleich am Anfang live und „unplugged“ mitten auf der Bühne in die Handlung eingebunden. Später begleiteten die Musiker das Geschehen professionell und gekonnt wie schon bei „La Cantina“ auf einer erhöhten Plattform links.
Nach der Premierenfeier von „Hamlet“ aus „La Cantina“ stehen sofort die neuen Proben für „Romeo und Julia“ von Shakespeare an. Natürlich wegen Schwierigkeiten wieder in der Kantine.
Kantinenwirtin ist immer noch Bettina Lieder, die noch ein wenig ihrer alten Liebe, dem ehemaligen Regieassistenten nachtrauert, aber gleich für den neuen, gut gebauten und zunächst etwas tollpatschigen Assistenten (Oscar Musinowski) entbrennt. Mit viel Sexappeal und erotischen Spielchen umgarnt die Kellnerin nach allen Regel der Kunst den neuen Regieassistenten. Das führt zu wunderbar komischen Situationen. Musinowki entwickelt in seiner Rolle im Laufe des Abends ein immer größeres Selbstbewusstsein.
In den Stück wird gleich klar, die weiblichen „Drama Queens“ ziehen die Fäden. Das gilt zunächst für die neue Regisseurin aus den USA, gespielt von Eva Verena Müller. Musikalisch hinterließ sie innerhalb des musikalischen Ensembles als Soul-Queen einen besonderen bleibenden Eindruck. Dass die Regisseurin auf Frauenpower steht (bei ihr heißt das Stück nur „Julia“), sorgt gleich für Komplikationen.
Somit knirscht es auch im Gebälk der Beziehung zwischen dem Schauspieler (Sebastian Graf) und der Schauspielerin (Merle Wasmuth) als Julia. Wasmuth spielte und sang mit viel Liebreiz und Bestimmtheit.
Gegen Ende wird „Romeo und Julia“ aufgeführt, wobei Andreas Beck auch in einer Frauenrolle zu sehen ist, ein großartiger Moment in einer sowieso großartigen Inszenierung.
Musikalisch stehen die 70er und 80er im Vordergrund. Von ABBA über Kraftwerk bis hin zu den Ramones. Natürlich durften die Dire Straits mit „Romeo and Juliet“ nicht fehlen.
Das Publikum tobte vor Begeisterung. Zurecht. „Drama Queens“ hat das Zeug zu einem Kultklassiker.
Die weiteren Termine für „Drama Queen“ sind der 9- November sowie der 13. und 31 Dezember 2013.
Infos und Karten erhalten Sie unter: Tel. 0231/50 27 222 oder www.theaterdo.de .
Erinnert sich noch jemand an das Video „Around the world“ von „Daft Punk“ aus dem Jahre 1987? Zur sich ständig wiederholenden Musik machten Gruppen von Tänzern ständig gleiche Bewegungen. Ähnlich fing das Stück an: Mit gleichen blonden Perücken und uniformem kurzen weißen Röckchen und blauem Oberteil gingen die sechs SchauspielerInnen ( Björn Gabriel, Caroline Hanke, Carlos Lobo, Eva Verena Müller, Uwe Schmieder und Merle Wasmuth) in Wiederholungsschleifen roboterhaft nacheinander eine Treppe hinunter. An der rechten Seite der Bühne war eine Ecke mit einer Schlafgelegenheit eingelassen. Auf der linken Seite befand sich ein Kücheninterieur aus der 70er-Jahre-Hölle. Tisch, Sitzecke, orange Plastiklampe plus Plastikuhr. Darüber befand sich die technische Schaltzentrale von Videokünstler Daniel Hengst und Singer-Songwriter Tommy Finke. In Hintergrund der Bühne war eine Videoleinwand, auf der Texte und Szenenwiederholungen eingebaut wurden.
Das Stück hätte jetzt natürlich ewig so weitergehen könne, aber Voges und Kerlin hatten sich eine Besonderheit ausgedacht: Kay Voges saß im Zuschauerraum und gab per Mikrofon kurze Regieanweisungen. Das erinnerte an ein Improvisationstheater oder an die Sendung „Schillerstraße“. Auf Regieanweisungen wurden quasi neue Loops entwickelt und dargestellt.
„Das Goldene Zeitalter“ behandelte in den knapp drei Stunden natürlich nicht nur das Thema „Wiederholung“, es ging auch um Begriffe wie „Freiheit“, „Erlösung“ oder um die Frage „Wo komme ich her?“. Basiert meine Existenz quasi auf eine Wiederholung des Lebens mit Variationen (Sprich Evolution) oder bin ich von einem Schöpfer geschaffen (schöne Szene mit Uwe Schmieder auf dem Klo sitzend gefilmt wurde und die Genesis erzählt)? Jedenfalls waren Adam und Eva die absoluten Publikumslieblinge. In knuffigen Kostümen (nein, kein Adamskostüm) spielten sie ein Ehepaar, das sich gegenseitig ordentlich annervt. Wenn dass das Paradies sein soll, dann doch lieber die Hölle.
Im Mittelpunkt stand der Mensch, der in seinen Wiederholungen gefangen ist. Ist er ein Individuum oder nur Masse? Aufstehen, der tägliche stupide Tagesablauf (passend dazu zwei schöne Texte von Tschechow), schlafen (herrlich Uwe Schmieder als Deutscher Michel, der in seinem Kostüm eher aussah wie Louis de Funes in „Balduin, das Nachtgespenst).
Was ist nun die Wiederholung: Fluch oder Segen? Dämon oder Gott? Diese Frage stellte sich schon Nietzsche in der „Fröhlichen Wissenschaft“.? Kein Wunder, dass der Text, gesprochen von Björn Gabriel, eine zentrale Rolle spielt und auf Anweisung mehrfach wiederholt wurde.
Aber gibt es eine Möglichkeit, diesem Kreislauf von Wiederholungen zu entkommen? Für die Buddhisten gibt es das Nirwana, in unserem Kulturkreis spricht man eher von „Erlösung“. Dargestellt durch die arme Raupe Nimmersatt (Eva Verena Müller), die stirbt und unter Klängen von Wagners „Parsival“ als Schmetterling wiedergeboren wird.
Letztendlich war es für die sechs SchauspielerInnen wie für die Zuschauer ein harter, aufreibender Abend. Einige von ihnen nahmen die angebotene Möglichkeit wahr, kurz etwas zu trinken und dann wiederzukommen. Großes Lob gebührt auch an Daniel Hengst und Tommy Finke, die Sound, Musik und Video zu einem wichtigen Element der Aufführung werden ließen. Kleine Kritik: Manche „Loops“ waren vielleicht etwas zu lang.
Kein Abend wird wie der andere sein, Wiederholungen sin d in diesem Falle also ausgeschlossen. Die nächsten Möglichkeiten das Stück zu sehen sind am 21. September, 09. und 17. Oktober, 17. November und 04. sowie 21. Dezember 2013.