Neun Sonnen – Digitale Utopien in der UWEI

Vom 08. September 2022 bis zum 15. Januar 2023 zeigt die UWEI des Dortmunder U die immersive Ausstellung „Neun Sonnen“. Hier gibt es alternative Realitäten zu entdecken, sich zu entschleunigen und neue virtuelle Räume entdecken. #neunsonnenexperience



Wenn Künstler sich die Zukunft vorstellen, wird es meistens düster. Dystopien in verschiedenster Form lassen grüßen, die Farbe Schwarz ist vorherrschend. Doch diese Ausstellung ist anders. Bunt und farbig. Gemäß den Satz der Science-Fiction Autorin Octavia E. Butler „Es gibt nichts Neues unter der Sonne. Aber es gibt neue Sonnen.“ präsentieren elf Künstler*innen Arbeiten, die das Verhältnis zwischen Natur und Technik thematisieren. Wie sehen ihre Utopien aus?

Die Videoarbeit von Johanna Mangold zeigt überhaupt keine positive Utopie. Denn sie zeigt das Verhältnis zwischen einer Ameisenart und parasitären Pilzen, die sich zu einer Symbiose vereinigen. Leider zum Nachteil der Ameisen. In ihrem Video verbindet sie 2-D Animationen mit Synthesizer-Sounds und Text.

Virtual Reality (VR) ist das Stichwort für Lena Biresch und Nico Parisius. Sie bilden das Kollektiv PRESS [ST]ART und bieten mit „Me, myself and my Avatar“ einen Ausflug in virtuelle Welten. Hier können Besucher via VR-Brille einen von drei Avataren steuern, die allesamt Besonderheiten haben wie beispielsweise einen dritten Arm. Wie geht das menschliche Gehirn damit um?

Gamer unter den Besucher*innen werden Spaß haben an „Orun Rere – Swarm Prototype 4“ der beiden Künstlerinnen Glor’la & alpha_rats. Kann man in den meisten Spielen nur „männlich“ oder „weiblich“ wählen, ist „Orun Rere“ ein Spiel ohne binäres Denken.

Augmented Reality hat durch Pokeman Go vor einigen Jahren einen Boom erlebt. Die Künstlerin Eunjeong Kim verwandelt ihren Bereich mithilfe eines Tablets in einen Raum, in denen Objekte auftauchen, die sich bewegen und auch klingen.

„Chasing Landscapes“ heißt die interaktive Installation von Vesela Stanoeva, die gleichzeitig auch Kuratorin der Ausstellung ist. Ihre projizierte bunte Landschaft kann durch Besucher*innen gestaltet werden, die die Installation per Bewegung zu einem anderen Ort verändern können.

Dimitris Gkikas entführt die Besucher*innen mit „Mnemosyne Unit-01“ in eine ferne Zukunft. Seine Installation erzählt die Geschichte einer Kreatur, die wegen eines Virus sämtliche DNA der Menschheit in sich aufgenommen hat.  

Andrea Familari ist ein Medienkünstler, der bei dieser Ausstellung mit einem Spiegel (TTN-YOU) aufwartet. Anders als im Märchen, sagt er nichts, sondern reagiert auf dem Lärm, den eine Person erzeugt. So entstehen ungewöhnliche bunte Bilder.

Eine virtuelle Reise zu den fünf menschlichen Sinnen ermöglicht das Studio „Baum & Leahy“. Begleitet von den Hütern der Sinne können sich die Besucher*innen auf neue Erlebnisse in der virtuellen Welt freuen.

Ein wenig Zeit brauchen die Besucher*innen für „Sleep like Mountains“ von Lotta Stöver. Hier wird die Oberfläche des menschlichen Körpers gemessen und mit Geodaten der Erde verglichen. So bekommt der/die Besucher*in einen Ort präsentiert, der seinem/ihrem Körper entspricht.

Wird es in der Zukunft eine Form der digitalen Unsterblichkeit geben? MengXuan Sun experimentiert mit dieser Frage in ihrer Video Installation „TaiChu3030“. Hier können die Besucher*innen wieder mit einer VR-Brille in virtuelle Welten abtauchen und einen imaginären Blick in die Zukunft werfen können.

Für die Ausstellung wurde extra ein Sounddesign geschaffen. Verantwortlich dafür ist der Soundkünstler Christian Bröer. Besonders schön ist auch das Ausstellungsdesign geworden. Mehr als 15.000 Papierstreifen führen die BesucherInnen durch die einzelnen Räume. Dazu gibt es auch noch ein futuristisches Sofa als „Snoezel-Element“.

Die UZWEI freut sich schon auf Reaktionen der Besucher*innen unter dem Hashtag #neunsonnenexperience

Die Eröffnung ist am Donnerstag, dem 08. September 2022 um 17 Uhr.




Kassandras zeitlose Tragik

Kassandra (Bettina Lieder) als Zerrbild ihrer selbst. (Foto: © Birgit Hupfeld).
Die Spiegel zeigen die Zerissenheit von Kassandra (Bettina Lieder). (Foto: © Birgit Hupfeld).

Die 2011 gestorbene Schriftstellerin Christa Wolf schrieb ihre Erzählung „Kassandra“ unter dem Einfluss des nuklearen Wettrüsten in West und Ost am Anfang der 80-iger Jahre des letzten Jahrhunderts. Als verschlüsselte Fabel und Mahnung vor der Bedrohung spielt ihre Erzählung in der Antike zur Zeit des Trojanischen Krieges zwischen dem Königreich Troja und Griechenland. Griechenland war zu der Zeit auch mit Sparta und Mykene verbunden. Kassandra hat viele Dimensionen, neben der Politischen auch eine Feministische.

 

Am Freitag, dem 4. April 2014 hatte „Kassandra“ in der Inszenierung und Bearbeitung von Lena Biresch und Dirk Baumann Premiere im Studio des Schauspiels Dortmund. Die politisch zeitlose Dimension steht bei ihnen im Mittelpunkt.

 

Zentrum der Aufführung ist die trojanische Königstochter, Priesterin und Seherin Kassandra. Kurz vor ihrer Ermordung blickt Kassandra, eindrucksvoll von Bettina Lieder gespielt, schonungslos reflektierend auf ihr Leben zurück.

Sie beginnt mit ihrer Kindheit als „Lieblingstochter“ ihres Vaters Priamos, dem König von Troja und ihrer strengen Mutter Hekabe, und von ihrem sehnlichsten Wunsch, Priesterin zu werden.

Im Traum wurde ihr die „Seher-Fähigkeit“ vom Gott Apollon verliehen. Als sie sich ihm nicht hingeben will, versieht er Kassandra mit einem Fluch. Sie soll zwar die Gabe zu Sehen weiter behalten, aber niemand wird ihr glauben.

Kassandra ist nun zerrieben zwischen der Verbundenheit zum König und Volk und ihrem zunehmende Ekel vor Täuschung, Betrug und Selbstbetrug, und rechthaberischer Feindseligkeit gegenüber der „Gegenpartei“ zum Machterhalt. Sie fleht ihren Vater an, doch Alternativen zu suchen und zu verhandeln. Sie sieht den Untergang Trojas voraus und muss die Ermordung von ihren Brüdern Troilos und Hektor durch „Achill, das Vieh“ verkraften, ohne etwas verhindern zu können. Darüber wird sie zeitweise krank und von ihren Geschwistern für wahnsinnig gehalten. Kraft geben ihr der Geliebte Aineias und Arisbe, die Mutter des Aisakos.

Kassandra kann letztendlich nicht gegen ihre Überzeugung handeln. Aineias will sie überreden, mit ihm aus besetzten Festung Troja zu fliehen und woanders etwas neues aufzubauen. Kassandra will aber aber nicht mitkommen, da er dann wohl ein Held werden müsse und sie keinen Helden lieben könne…

 

Die Bühne war minimalistisch, nur mit einer spiegelnden Folie im Hintergrund, eingerichtet. Zum einen sollte ja Kassandra im Mittelpunkt stehen und ihr eine Stimme gegeben werden, zum anderen unterstützte die Spiegelfolie gut die Selbstreflexion der Kassandra. Bettina Lieder stellte sich so mal mit dem Rücken zum Publikum, mal drehte sie sich um und sprach die Zuschauer/innen direkt offen an. Musik gab es keine, außer bei ihrer Erzählung aus der Kriegszeit. Hier hörten die Zuschauer leise Hintergrundgeräusche wie beispielsweise Kriegstrommeln.

 

Es war schon beachtlich, wie die junge Schauspielerin nicht nur den schwierigen, komplexen Text beherrschte, sondern mit ihrer starken Präsenz und Ausdruckskraft das Publikum in ihren Bann zog. Jede Geste und Wechsel in der Stimme zeigten die Gefühlswelt der Kassandra. Sei es Verzweiflung, Schuldgefühle, weil sie zunächst den Betrug mit der angeblich von den Griechen zurückeroberten „verschleierten Helena“ nicht sofort öffentlich gemacht hat, Ekel ob der Gewalt des Krieges oder die liebevollen Gefühle für Aineias.

Einer der Höhepunkte des Abends war sicherlich, als Kassandra sagt: „Wann ein Krieg beginnt, lässt sich zeitlich gut Terminieren. Aber wann beginnt die Vorkriegszeit?“ Oder als sie am Ende betont: „Eine Welt die Helden braucht, ist dem Untergang geweiht.“

Das ließ viel im Publikum wohl auch an gegenwärtige Konflikte wie im Augenblick in der Ukraine denken.

Ein nachdenklicher Abend, aber mit dem Wissen, dass sich die Welt im ständigen Wandel befindet, was durch auch als Quelle möglicher Hoffnung auf positive Veränderungen sein sollte.

Eine gelungene Inszenierung mit einer starken schauspielerischen Leistung wurde mit viel Beifall belohnt.

Karten gibt es noch für die Vorstellungen am 09. und 25. April sowie für den 23. Mai 2014. Karten und Infos unter www.theaterdo.de oder 0231 50 27222.

 




Kein Gehör für Kassandra

Hätte Kassandra (Bettina Lieder) sich anders entscheiden können? (Foto: © Edi Szekely)
Hätte Kassandra (Bettina Lieder) sich anders entscheiden können? (Foto: © Edi Szekely)

Am Freitag, den 4. April ist um 20:00 Uhr Premiere für „Kassandra“ nach Christa Wolf (1929 -2011) in einer Fassung von Regisseurin Lena Biresch und Dramaturg Dirk Baumann im Studio des Dortmunder Schauspielhauses. Im Zentrum der Erzählung steht die Zeit der „Trojanische Krieg“ zwischen Troja und Griechenland im Verbund mit Mykene und Sparta.

 

Die trojanische Königstochter und Priesterin Kassandra ist vom Gott Apollon in die Kunst der Wahrsagung eingeweiht worden. Da sie sich einer Liebesbeziehung mit Apollon verweigert, verflucht dieser sie. Keiner soll ihren seherischen Fähigkeiten glauben schenken. So bleiben auch ihre Warnungen vor den drohenden zehnjährigen Trojanischen Krieg ungehört. Verzweifelt und vergeblich versucht sie, den „unvermeidbaren Untergang“ noch zu verhindern. Von den Siegern wird Kassandra als Sklavin verschleppt, demütigt und am Ende ermordet…

 

Der Ausgangspunkt des Stückes ist der Zeitraum kurz vor Kassandras Ermordung. Sie erzählt Erinnerungen an ihre Erlebnisse in der Kindheit, wie sie Seherin wurde und wie sich ihr politisches Bewusstsein entwickelt hat. Wolfs „Kassandra“ hat viele Dimensionen. Vor allem eine Politische – geschrieben wurde die Erzählung Anfang der 80iger Jahre des letzten Jahrhunderts zum Höhepunkt der nuklearen Aufrüstung in West und Ost mit seinem Bedrohungsszenario. Zudem hat sie natürlich auch eine starke feministische Aussage.

 

„Bei unserer Inszenierung steht Kassandra als eine Person, die letztendlich nur ihre Überzeugung verpflichtet fühlt im Mittelpunkt. Sie steht dem politischen System und seinen Mechanismen kritisch gegenüber und will die Fehler der Regierung aufzeigen. Gleichzeit zeigt sie andere, friedliche Wege der Konfliktbewältigung auf. Sie findet aber kein Gehör“, so Baumann. „Wir wollen dieser Frau wie es auch Christa Wolf wollte, eine besondere Stimme verleihen. Schwierig war, das 350-seitige wortgewaltige Werk so zu bearbeiten und zu kürzen, dass wir dem Publikum in 80 Minuten ein interessantes und eindrucksvolles Theatererlebnis mit der spezifischen interessanten politischen Dimension bieten können“, ergänzte Biresch.

 

In ihrer ersten Solo-Rolle als Schauspielerin wird Bettina Lieder vom Ensemble des Dortmunder Schauspielhaus die Kassandra spielen.„Wir gebrauchen bei dieser Aufführung wird eine minimalistische Formsprache sein. Die Figur der Kassandra steht im Zentrum des Geschehens und die Geschichte lebt von der Präsenz der Schauspielerin. Das ist eine große Herausforderung“, erklärte die Regisseurin. „Auch das Publikum wird in den Prozess des Erkennens und Sehens einbezogen“, ergänzte Baumann. Assoziationen zu Konflikten der Gegenwart wie etwa in der Ukraine werden da nicht rein zufällig aufkommen.

 

„Das Bühnenbild ist ebenfalls minimalistisch und eher abstrakt gehalten,, um nicht von der Hauptperson abzulenken“, verriet die für die Ausstattung verantwortliche Mareike Richter.

 

Die Premiere am 04. April 2014 ist bereits ausverkauft, aber Karten gibt es noch für die Vorstellungen am 09. und 25. April sowie für den 23. Mai 2014. Karten und Infos unter www.theaterdo.de oder 0231 50 27222.