Zeitinsel Caldara – Ende mit Jubelgesang

Die Zeitinsel Caldara endete am 18.01. 2014 mit der musikalischen Jubelfeier „La concordia de‘ Planeti“ (die Einigkeit der Planeten) des damaligen Vize-Hofkapellmeisters Antonio Caldara. Das Stück wurde zu Ehren des Namenstages der Gattin von Kaiser Karl VI. Elisabeth Christine 1723 uraufgeführt.

 

Worum geht es in diesem Stück? Die Planeten (unter anderem Venus, Mars, Jupiter), unterhalten sich darüber, ob es Elisabeth Christine erlaubt sein soll, unter ihresgleichen aufgenommen zu werden. Natürlich sind die Planeten gleichzusetzen mit den gleichnamigen antiken Gottheiten. Am Ende steht fest: Elisabeth ist in ihrer Schönheit und Tugendhaftigkeit selbst den Göttern überlegen.

 

Es fällt schwer, bei den Lobhudeleien der kleinen Oper auf „Elisa“ wie sie dort genannt wird, ernst zu bleiben. So etwas kennen wir heutzutage höchstens noch aus Nordkorea. Schnell sind die Planeten/Götter sich einig, dass Elisa alle in den Schatten stellt, so dass sogar die Grazien, die Dienerinnen der Venus, quasi Fahnenflucht begehen und bei Elisa anheuern. Es ist ja auch schon ziemlich bemerkenswert, dass sich ein so katholisches Haus wie die Habsburger heidnischer Götter bemühen, um ihre Größe zu demonstrieren. Natürlich sind die Götternamen nicht wörtlich zu nehmen, die Barockzeit war die große Zeit der Allegorien und so sind die Götter selbstverständlich nicht als reale Personen zu verstehen, sondern eher Sinnbilder der Tugend.

Darüber hinaus hat der Textdichter ein Danaer-Geschenk eingearbeitet. Denn Elisabeth Christine hatte zu diesem Zeitpunkt noch keinen Thronfolger geboren (ihr Sohn Leopold Johann starb schon nach wenigen Monaten). Mehrmals taucht in den Arien der Wunsch auf, dass die Kaiserin doch nun einen Thronfolger gebären solle. Letztendlich ging der Wunsch nicht in Erfüllung. Karl VI. schuf die „pragmatische Sanktion“, so dass seine Tochter Maria Theresia den Thron besteigen konnte. Leider musste erst der Österreichische Erbfolgekrieg für Klarheit sorgen.

Das La Cetra Barockorchester unter der Leitung von Andrea Marcon und unterstützt vom La Cetra Vokalensemble sowie den Solisten Verónica Cangemi (Diana) , Delphine Galou (Venere), Carlos Mena (Marte) ,Franco Fagioli (Apollo),Ruxandra Donose (Giove), Daniel Behle (Mercurio) und Luca Tittoto (Saturno) boten eine erstklassige Leistung.




Wiederentdeckung eines vergessenen Meisters

Die Solisten mit dem La Cetra Barockorchester sowie dem La Cetra Vokalensemble unter der Leitung von Andrea Marcon. (Foto: © Pascal Amos Rest).
Die Solisten mit dem La Cetra Barockorchester sowie dem La Cetra Vokalensemble unter der Leitung von Andrea Marcon. (Foto: © Pascal Amos Rest).

Ungerecht, Zufall oder warum ist Antonio Vivaldi selbst Menschen geläufig, die keine Berührung mit klassischer Musik haben, während sein Zeitgenosse und Namensvetter Antonio Caldara selbst unter Klassik-Fans nur wenigen bekannt ist? Schwierige Frage. Das Konzerthaus Dortmund bemüht sich in einer dreiteiligen Zeitinsel vom 16. bis zum 18. Januar dem italienischen Komponisten den Raum zu geben, den er verdient. Begonnen wurde die Zeitinsel am Donnerstag mit einem „Concerto di Arie“, mit dem La Cetra Barockorchester unter der Leitung von Andrea Marcon.

Vor dem Konzert stellte der Experte Prof. Dr. Michael Stegemann erst einmal den Komponisten Antonia Caldara vor. Caldara und Vivaldi haben sehr viel gemeinsam. Zunächst sind sie Zeitgenossen, Caldara lebte von 1670-1736 und Vivaldi von 1678-1741. Beide sind Venezianer und beide sind in Wien gestorben. „Venedig war zu dieser Zeit ein spannender und produktiver Schauplatz“, so Stegemann. Neben den beiden erwähnten Komponisten gab es noch Alessandro Marcello oder Tomaso Albinoni zu nennen. Caldara versuchte schnell, woanders Fuß zu fassen und war von 1699-1708 in Diensten des Herzogs von Mantua. Dorthin zog es später auch Vivaldi. Ab 1716 wird Caldara Vize-Kapellmeister am Hof von Wien. Kaiser Karl VI. Ist musikbegeistert und dirigiert die Opern seines Komponisten selbst. Caldara bleibt bis zu seinem Tode in Wien. Als Vivaldi 1740 ebenfalls versucht, in Wien in die Fußstapfen von Caldara zu treten, wird er enttäuscht, denn Karl VI. stirbt im gleichen Jahr. Zehn Monate später stirbt auch Vivaldi.

Nach ihrem Tod geraten die beiden Musiker mehr und mehr in Vergessenheit. „Damals wollten die Leute neue Musik hören“, erklärte Stegemann. Neue Musikstile kündigen sich an: Ab 1730 ist schon die Frühklassik am Horizont zu erkennen. Erstaunlicherweise ist der Nachruhm Caldaras noch Anfang des 19. Jahrhunderts zu erkennen. Felix Joseph Lipowsky schreibt in seinem „Baierischen Musik-Lexikon“ von 1811 in einer Fußnote zu Johann Niklas Hemmerlein: „Anton Caldara, einer der größten und berühmtesten Komponisten Italiens“.

Vielleicht hatte Vivaldi einfach das Glück zu Beginn des 20. Jahrhunderts eher wiederentdeckt zu werden als Caldara. Das beide meisterhafte spätbarocke Werke komponiert haben, dafür steht die Zeitinsel als Beweis.

Der erste Abend stand unter dem Zeichen der Arien-Komposition Caldaras. Caladara komponierte über 90 Opern, 50 Oratorien sowie etwa 500 Solokantaten. Für Sänger bietet dieser Fundus einen reichen Schatz. Daraus wurde am 16. Januar beim „Concerto di arie“ geschöpft. Eine kleine Besetzungsänderung gab es zu vermelden: Für die erkrankte Anna Prohaska sprang kurzfristig Julia Lezhneva ein.
Mit dem La Cetra Barockorchester unter der souveränen Leitung von Andrea Marcon war ein Orchester zu Gast, das mit der ersten Note es schaffte, die Zuhörer etwa 300 Jahre zurück in die Zeit zu versetzen. Instrumente wie Laute oder Cembalo haben ihren eigenen magischen Klang. Zum Klang des Barocks gehören eigentlich auch Kastraten. Da es glücklicherweise die Tradition der Kastration von Jungen nicht mehr gibt, behilft man sich mit Countertenören, deren Falsett aber nicht mit einer Knabenstimme zu vergleichen ist. Nichts desto trotz machte Countertenor Carlos Mena einen tollen Job. Vor allem das zarte „Ah! Come quella un tempo“ aus Caldaras „Sedecia“ lohnte den Besuch des Konzertes. Auch weil bei der Musik ein selten gespieltes Instrument die Hauptrolle übernahm: ein Hackbrett. Kennt man das Instrument nur aus der alpenländischen Musiktradition, ist man überrascht, wie zärtlich das Instrument klingen kann.
Bassist Luca Tittoto brauchte etwas, um warm zu werden. Sein erster Einsatz „Da la faccia de la terra“ aus „Joaz“ ging im Spiel des Orchesters ein wenig unter. Danach war seine Stimme auf Betriebstemperatur und „Se mai rimbomba“ sowie „Buon pescatore non é“ klangen satt und voluminös.

Die Russin Julia Lezhneva war der Star des Abends. Zwar sang sie ihre erste Arie „Dio, che mentir non puo“ mit ein wenig zu viel Vibrato nach meinem Geschmack, aber ihre Stimme ist außergewöhnlich. Als Gast wurde ihr die Ehre zuteil, zwei Zugaben zu singen, die sie mit einer wunderbaren Brillianz und Kalrheit sang. Eine echte Entdeckung, die noch ihren Weg machen wird.