Oratorium „La vièrge“ in der Reinoldikirche

Eigentlich wäre die Marienkirche in Dortmund der passendere Ort für die Aufführung von Jules Massenets „La vièrge“, denn die Handlung dreht sich um Maria, die Mutter Jesu. Am 24. September wurde das Stück im Rahmen des Festivals Klangvokal in der Reinoldikirche aufgeführt.



Jules Massenets (1842-1912) ist vor allem als Opernkomponist bekannt, „Manon“ ist eines seiner bekanntesten Opern. Doch er schuf auch Oratorien über biblische Figuren wie Maria Magdalena, Eva oder eben Maria.

Wer bei „La vièrge“ eine durchgehende Handlung erwartet, der wurde enttäuscht, denn das Libretto von Charles Grandmougin setzt einzelne Schlaglichter. Die Verkündung, das Festmahl zu Kanaa, Karfreitag und Marias Himmelfahrt sind die vier Themen. Große Soloparts haben außer Maria nur der Erzengel Gabriel, der Rest ist mehr oder weniger Stichwortgeber. Von daher ist es nicht unverständlich, dass das Stück nach seiner Uraufführung 1880 lange nicht Vergessenheit geriet, obwohl das Präludium des vierten Teils („Le dernier sommeil de la vièrge“) heute noch in Konzerten gespielt wird.

Obwohl Massenet ja ein Opernkomponist war, schafft er es in „La vièrge“ bis auf wenige Ausnahmen nicht, einen Spannungsbogen zu erzeugen. Immerhin hat der zweite Teil (Festmahl zu Kanaa) Rhythmik und Dynamik.

Für die Vorlage konnten die Musiker und Sänger nichts, sie machten das beste daraus. Die Dortmunder Philharmoniker unter der Leitung von Granville Walker, der Philharmonische Chor des Dortmunder Musikvereins und der Opernkinderchor waren ebenso mit Leidenschaft dabei wie die Solokünstler*innen Valentina Stadler, Suzanne Jerosme, Lotte Verstaen, Sungho Kim und Thomas Laske.




Huelgas Ensemble – Französischer Renaissancemusik

Das Huelgas Ensemble aus Belgien und die Musik der Renaissance aus Frankreich und Flandern, mit Landschaftsprojektionen

Seit mehr als 40 Jahren ist die franko-flämische Vokalpolyphonie des Mittelalters und der Renaissance die musikalische Muttersprache von Paul van Nevels. Meisterwerke dieser Madrigal Musik der Renaissance brachte uns das Huelgas Ensemble am 18. September im Reinoldihaus zu Gehör. Das Ensemble wurde 2019 mit dem Opus Klassik zurecht geehrt. Die Klangimpressionen des vielstimmigen Gesangs spiegelten sich in den melancholischen Bildern der photographisch festgehaltenen Landschaften Flanderns und Nordwestfrankreichs, Nord-Pas-de-Calais, das Land der Stif, wie wir seit einer bitterbösen französischen Komödie wissen.

Das Madrigal ist ursprünglich eine sehr freie Gedichtform, die als Textgrundlage für eine Komposition diente (Singgedicht). Besonders in Italien war diese Gattung im 16. und 17. Jahrhundert zuerst als mehrstimmige Chorkomposition, dann auch als instrumental begleitetes Sologesangsstück sehr beliebt. Der Text beinhaltet zumeist weltliche Themen; das geistliche Pendant zum Madrigal bildet die Motette.

In der Geschichte des Madrigals hat sich seine Gestalt mehrfach verändert, zu allen Zeiten aber handelte es sich dabei um weltliche, in der Regel vier-, fünf- oder sechsstimmige Chorstücke in einem kammermusikalischen Rahmen.



Man schreibt das Madrigal als ab 1520 unter den Medici Päpsten entstanden … so wie Vasari, Michelangelo Groupie, die Renaissance ausschließlich in Italien entstanden sah und die Barbaren im Norden Europas von der Renaissance ausschloss … So vehement kaprizierte sich Vasari auf Italien, das die im Norden schon lange sich entwickelte Kunst als Flämische Naive oder Primitive verunglimpft wurden, und die Maler und Bildhauer nur früher weiter waren als die von Vasari gepriesenen italienischen Meister. Man denke nur an den Bamberger Reiter aus der Mitte des 13.Jh. und die Flämische Meister: Bruegel, Rubens, Van Eyck, van der Weyden, Memling, Bouts, u.a.

MA DUCE AMOR von Johannes Symonis Hasprois (1430-1492) entstand nun vor 1520 im flämisch-nordfranzösischen Grenzraum … im Hennegau, der im 15. und 16. Jhdt. als eine Wiege der Musikgeschichte der Renaissance Musik gilt.

Die Melancholie der Bildprojektionen spiegelte sich in den vorgetragenen Musikstücken wieder, machen sie aber auch damit wieder mittelalterlich, trotz ihres Ursprungs in der Renaissance. Sanft fast sind die polyphonen A cappella Gesänge des Huelgas Ensemble die wir unter sanfter, kaum wahrnehmbarer Leitung von Paul van Nevel hörten. Nein Instrumente brauchte es wirklich nicht. Die Stimmen waren das Instrument jedes einzelnen aus dem Ensemble.




Barock à la Française

Reinhold van Mechelen. Tenor und Dirigat, und sein Ensemble A Nocte Temporis

Barockmusik aus Frankreich ist für die meisten von uns zuerst einmal die Musik, die am Hof von Versailles unter Louis XIV. komponiert und gespielt wurde, allen voran Lully, Charpentier und andere. Vielleicht denken wir auch an den fantastischen Film Le Roi Danse … Es war die Musik die der „Verherrlichung des Königs“ diente, bzw. geschaffen wurde, wie Lully der Initiator es postulierte, obgleich Lully aus Italien stammte. Die Musik war als dynastischer und nationaler Kontrapunkt zur italienischen Musik gedacht.



Van Mechelen brachte uns aber eine andere Zeit und Protagonisten zu Gehör … Während nach dem Tode Louis XIV. das Zeitalter des Barocks endete und das frivole und dem Plaisir verfallene Rokoko mit der Regentschaft des Philip d´Orleans für den unmündigen Louis XV. begann, verharrte die Musik im Barock mit all seiner Bombastik und auch mathematische Strenge.

Barockmusik herrschte vor allem in Frankreich von ca. 1600 bis 1750, während sich die Vorklassik schon mit dem empfindsamen Stil ca. 1720 ankündigte und ca. 1730 bis 1770 zur Klassik wurde. Ab 1770 herrscht in Europa dann die Wiener Klassik (ca. 1770 bis 1830).

In den 1750er Jahren befand sich die Pariser Musik- und Opernwelt in einem Ausnahmezustand, denn in der französischen Hauptstadt schwelte ein Grundsatzkonflikt, der „Buffonenstreit“, welche Musik nun den Primat habe, die italienische oder die französische. Das schloss auch die Frage welcher Operngattung den Vorzug zu geben habe, der bürgerlichen oder der höfischen … Die ersten Glocken der kommenden Revolution läuteten.

Van Mechelen stellte uns nun Jean-Philippe Rameau, Jean-Joseph Cassanéa de Mondonville, Jean-Marie Leclair mit ihren Werken vor.

Aus dem „Buffonenstreit“ gingen am Ende die „Italiener“ hervor mit der frischeren und einfacheren Musik.Die Barockmusik dominierte aber noch weiter die Musik, obgleich sich die Klassik immer mal wieder meldete.

Diese Zeit lassen van Mechelen und sein Ensemble wiedererstehen, inklusive eines Stückes das das Rokoko und sein „Plaisir Absolute“ durchscheinen lässt … inkl. Travestie.

Der Einstieg in die Musik des Spätbarock gab van Mechelen mit der Ouvertüre aus Hippolyte et Aricie von Rameau, bombastisch, vielstimmig und volumig, mit Pauken und Trompeten, à la Lully und Charpentier. Der Zuhörer könnte sich an Le Roi Danse erinnert fühlen, vor meinem Auge tanzte er als Apollo im Garten von Versailles …

Aber die Reise ging weiter mit Arien einfühlsam von van Mechelen vorgetragen und fantastisch von seinem Ensemble begleitet. Alle Stücke des Abends wurden einst von Pierre de Jéliote (1713-97) gesungen. Jéliote wurde nachgesagt, dass er der Einzige gewesen sei, der den wahren Geist der französischen Musik wiederzugeben in der Lage gewesen sei. Er war einer der wenigen Sänger des Ancien Regime der sich eines dauerhaften Nachruhms erfreuen durfte, hätte er denn länger gelebt. Ihre Anfänge 1789 har er erlebt.




Barockmusik mit einer Legende

Am 12. Juni 2022 fand im Konzerthaus Dortmund ein bemerkenswertes Konzert statt. Sir John Eliot Gardiner , der Monteverdi Choir und die English Baroque Soloists spielten Musik von Schütz, Schein und Bach,

Sir John Eliot Gardiner gab ein vielumjubeltes Konzert im Dortmunder Konzerthaus. (Foto: © Bülent Kirschbaum)
Sir John Eliot Gardiner gab ein vielumjubeltes Konzert im Dortmunder Konzerthaus. (Foto: © Bülent Kirschbaum)

Im Zentrum des Konzertabends stand die Trauermusik. Johann Sebastian Bachs Werk „Gottes Zeit ist die allerbeste Zeit“ (BWV 106) eine frühe Trauerkantate, die thematisch Texte aus dem Alten und Neuen Testament benutzt, um die Ablösung vom alten durch den neuen Bund darzustellen. Auch das zweite Bachstück „O Jesu Christ meines Lebens Licht“ gehört in die gleiche Gattung und wurde vermutlich für eine Trauerfeier komponiert.

Doch Trauerkantaten gab es bereits vor Bach. Auch die frühbarocken Komponisten wie Schütz oder Schein waren in diesem Metier aktiv. Vor allem Johann Hermann Schein (1586-1630) war leidgeprüft. Er verlor gleich sieben Kinder und seine erste Frau. Doch das Konzert begann fröhlich mit einem Hochzeitslied von Heinrich Schütz (1586-1672) „Freue dich des Weibes deiner Jugend“ (SWV 453). Im Mittelpunkt des ersten Teils stand die „Musikalische Exequien“ (SWV 279-281), die als Musik zur Beisetzung des Landesherrn von Heinrich Schütz, Heinrich Posthumus Reuß, gespielt wurde.

Sir John Eliot Gardiner ist seit den 60er Jahren in Sachen Alter Musik unterwegs. Er gründete 1964 den Monteverdi Choir und 1978 die English Baroque Soloists. Die jahrelange enge Zusammenarbeit zwischen Dirigenten, Musikern und Chor war in jeder Sekunde spürbar und erzeugte eine eigene Form der musikalischen Magie.




Orlando furioso als eindrucksvolles barockes Opernspektakel

Bei einem guten Klangvokal Musikfestival in Dortmund darf Barockmusik nicht fehlen. Am 17.06.2022 wurde im hiesigen Konzerthaus musikalische Drama in drei Akten „Orlando furioso“ von Antonio Vivaldi (1678-1741) konzertant mit starker Besetzung aufgeführt. Das Libretto stammt von Grazio Braccioli.

Das Ensemble von "Orlando furioso" im Konzerthaus (Foto: © Bülent Kirschbaum)
Das Ensemble von „Orlando furioso“ im Konzerthaus (Foto: © Bülent Kirschbaum)

Begleitet wurden die sieben Sänger*innen von dem in alter Musik erfahrenen Orchester Armonia Atenea. Das Orchester wurde einfühlsam von dem in Griechenland geborenen Dirigenten George Petrou geleitet..

Entstanden ist die Oper nach Vivaldis Beschäftigung mit dem damals populären Stoff vom „rasenden Roland“ nach dem Vers-Epos von Ludovico Ariostos und von der griechischen Mythologie beeinflusst.

Tragische Liebschaften, tiefe Emotionen, Pathos und Magie, dazu virtuose Arien und musikalische Ausdrucksstärke machen den Reiz dieser Oper aus. Daneben bietet sie gleich drei exzellenten Countertenören die Gelegenheit, das Publikum zu begeistern.

Die Geschichte bekommt durch die Aktionen von zwei Liebesdreiecken in Fahrt.

Dem Ritter Orlando (Countertenor Max Emanuel Cenčić), Angelica (Sopranistin Julia Lezhnva) und Medoro (Countertenor Philipp Mathmann) und der Liebestollen Zauberin Alcina (Mezzosopranistin Vivica Genaux), Ruggiero (Countertenor Nicholas Tamagna) sowie Bradamante (Altistin Sonja Runje).

Dazwischen steht der in Alcina verliebte Astolfo (Bassbariton Sreten Manojlović)

Die Zauberin versucht, die Personen nach ihren Wünschen durch Zauberkraft zu instrumentalisieren. Sie wird aber auch nicht glücklich und verliert am Ende ihre magischen Kräfte.

Zunächst verliert Orlando durch seine Eifersucht seinen Verstand, bis er ihn am Ende durch seine Stärke zurückerlangt. Angelica und Medoro können zusammen glücklich werden. Für Orlando bleibt die Erkenntnis: Liebe lässt sich nicht erzwingen.

Die Stimmungsänderungen und musikalischen Steigerungen wurden durch viele Rezitative unterstützt. Da bleiben manchmal empfundene Längen nicht aus.

Neben den hervorragenden Stimmen der Beteiligten begeisterten die Zwiesprache zwischen einer Solo-Querflöte und Ruggiero (Nicholas Tamagna) das anwesende Publikum. Die Leistungen wurden mit viel Beifall belohnt.




Eine emotionale Oper als Monument der Menschlichkeit

Das Klangvokal Musikfestival Dortmund hatte am 11.06.2022 im hiesigen Konzerthaus Gaetano Donizettis (1797-1848) dramatische lyrische Oper „Caterina Cornaro“ als konzertante Aufführung auf dem Programm.

Alles war auf das feinste für die Freunde der italienischen Belcanto-Opernmusik vorbereitet.

Das renommierte WDR Rundfunkorchester spielte unter der sensiblen Leitung von Giacomo Sagripanti. Der 1947 gegründete altehrwürdige WDR Rundfunkchor bildete die eindrucksvolle begleitende öffentliche Stimme.

Als Sänger*innen standen mit der italienischen Sopranistin Roberta Mantegna als Caterina Cornaro, der Bass Adam Palk als ihr Vater Andrea, der für den indisponierten Davide Luciano kurzfristig eingesprungene Bariton Germán Enrique Alcántara als ihr Ehemann König Lusignano von Zypern, Dimitry Korchak (Tenor) als ihr große Liebe Gerardo, George Andguladze (Bass) als Intrigant und Erpresser Mocenigo, Dimitry Ivanchey (Tenor) als Handlanger Strozzi sowie als ihre Vertraute Matilde die Sopranistin Anna Malesza-Kutny einige Hochkaräter auf der Bühne.

Roberta Mantegna sang die Titelrolle der "Caterina Cornaro" im Konzerthaus. (Foto: © Bülent Kirschbaum)
Roberta Mantegna sang die Titelrolle der „Caterina Cornaro“ im Konzerthaus. (Foto: © Bülent Kirschbaum)

Die dramatische lyrische italienische Oper basiert auf die historische Geschichte der „Caterna Cornaro (1454 -1510)“. Caterina plante eine Liebesheirat mit dem französischen Edelmann Gerardo. Kurz vor der Trauung wird sie jedoch von Mocenigo vom Rat der Zehn in Venedig aus politischen Machtinteressen unter Druck gesetzt, den zyprischen König Lusignano zu heiraten. Ihr Vater ist nicht stark genug, sich dagegenzustellen. Es geht um die Herrschaft Venedig über Zypern. Eine dramatische Geschichte um die Kraft von Freundschaft, Vertrauen und Liebe. Zudem aber auch um Liebesleid, Verrat, Vertrauen und den Kampf für Freiheit und Selbstbestimmung.

Als die ganze Intrige offensichtlich wird, zeigen Caterina, Lusignano und Gerardo ihre wahre Stärke und bringen das Volk hinter sich. Im Gegensatz zur realen Historie gewinnen die Zyprioten gegen die Macht des „Löwen“ Venedig.

In dieser Fassung kehr Gerardo mit dem sterbenden König Zyperns heim. Caterina wird neue Königin.

Konnten alle beteiligten Sänger*innen mit ihren warmen und vollen Stimmen dem Publikum gefallen, gab es doch besondere Beifallsbekundungen (Bravo-Rufe) für die sehr emotionalen Gesangdarbietungen von Roberta Mantegna, Germán Enrique Alcántara und Dimitry Korchak. Bei ihnen kam die in ihren Charakteren angelegte gesamte Gefühlspalette wie etwa Liebe, Leiden, Zweifel Schwäche oder Stärke besonders gut rüber.

Eine Oper, die leider nichts von ihrer Aktualität eingebüßt hat. Auch heute sind wir inmitten von Europa, in der Ukraine, mit einem schrecklichen Macht-Krieg durch Putins Russland konfrontiert. Die Menschen erleben die Zerstörung ihres Landes mit viele Toten. Die Bevölkerung dort kämpft mit Mut und Hoffnung für ihre Selbstbestimmung, Sicherheit und Glück.

Die Donizetti-Oper ist ein universales musikalisches Monument der Menschlichkeit.




Opern-und Operettengala mit Emotionen und Schwung

Im Rahmen des Klangvokal Musikfestival Dortmund fand am 28.Mai 2022 im hiesigen Konzerthaus die große Opern-und Operettengala statt. Für die Freunde dieser beiden Genres konnten mit der österreichischen Sopranistin Daniela Fally (1980 in Niederösterreich geboren) und dem Tenor Daniel Behle (1974 in Hamburg geboren) zwei starke Stimmen für diesen Abend gewonnen werden. Begleitet wurde die Gala musikalisch durch das renommierte WDR Funkhausorchester unter der schwungvollen Leitung von dem 1949 in Ungarn geborenen Dirigenten Stefan Soltész. Das Orchester konnte das Publikum gleich zu Anfang mit der Ouvertüre zu “Il barbiere di Siviglia” von Gioachino Rossini auf einen stimmungsvollen Abend einstimmen.

Daniela Fally und Daniel Behle verzauberten das Publikum mit Opern- und Operettenmelodien. (Foto: (c) Bülent Kirschbaum)
Daniela Fally und Daniel Behle verzauberten das Publikum mit Opern- und Operettenmelodien. (Foto: (c) Bülent Kirschbaum)

Mit der Arie “Una voce poco fa” aus dieser Oper hatte Daniela Fally ihren ersten Auftritt. Es schien, als würde sie gerade die anspruchsvollen Koloraturen besonders auskosten. Der erste Opern-Teil des Abends bot eine schöne Auswahl von bekannten Arien oder Duetten von Gioachino Rossini, Gaetano Donizetti, Giacomo Puccini, Georges Bizet oder Jules Massenet. Auch der Tenor Daniel Behle konnte nicht nur mit seiner Stimme punkten, sondern legte wie seine Kollegin viel Emotionen und Inbrunst in Stimme und Körpersprache. Ob als Solisten oder gut aufeinander eingestimmt im Duett, waren beide mit viel Hingabe für die Situation der Personen in der jeweiligen Oper. Liebes-Leid und Lust oder Schmerz versuchten sie dem Zuhörer*innen musikalisch nahe zu bringen. Die Sopranistin wechselte zu jeder Arie passend das Kleid.

Der zweite Teil nach der Pause war der Operette gewidmet. Etwas frivol zeigte sich nach der Ouvertüre vom Zigeunerbaron (Johann Strauss) Daniela Fally bei ihrer Arie “Spiel ich die Unschuld vom Lande” aus der Fledermaus. Es folgte ein temperamentvolles Duett aus Gräfin Mariza “Komm mit nach Varasdin” (Emmerich Kálmán). Gefühlvoll wurde es bei  “Dein ist mein ganzes Herz” aus dem “Land des Lächelns” (Franz Lehár).

Das Publikum bekam die Gelegenheit, die Ouvertüre zu der im letzten Jahr entstanden Operette “Hopfen und Malz” zu hören.

Eiin englischsprachige Musical-Song (Glitter and be gay) von Leonard Bernstein, gefühlvoll präsentiert von Daniela Fally, beendete den Abend. Ohne schwungvolle Zugaben ging es natürlich nicht nach Hause.




Klangvokal 22 – Barocke Kirchenmusik im Orchesterzentrum

Am 27. Mai 2022 präsentierte das Festival Klangvokal Kirchenmusik aus der Barockzeit. Das Ensemble L’arte del mondo spielte Musik von Evartisto Felice Dall’Abaco (1675-1742), Johann Adolf Hasse (1699-1783) und Jan Dismas Zelenka (1679-1745). Besonders Zelenkas Messe “Missa omnium Sanctorum” stand im Mittelpunkt. Unterstützt wurden die Musiker unter der Leitung von Ulrich Arns vom Kammerchor der TU Dortmund und den vier Sängerinnen und Sängern Wendy Krikken (Sopran), Nicolas Tamagna (Altus), Hugo Hymas (Tenor) und Tomáš Kral (Bass).

Barocke Kirchenmusik auf hohem Niveau im Orchesterzentrum. (Foto: (c) Bülent Kirschbaum)
Barocke Kirchenmusik auf hohem Niveau im Orchesterzentrum. (Foto: (c) Bülent Kirschbaum)

Den Beginn des Konzertes machte aber ein Instrumentalstück eines Komponisten, der keine Verbindung zu Dresden hatte: Evartisto Dall’Abaco. Sein “Concerto A quattro” in D-Dur verbindet kontrapunktische Klarheit mit dem galanten französischen Stil. Barockmusik pur. 

Johann Hasses “Misere” in c-moll ist ein spannendes Musikstück, bei dem sich Arien und Choreinsätzen abwechseln.  Dass Hasse als spätbarocker Opernkomonist aktiv war, spürt man in jeder Note. Die einzelnen Teile könnten auch aus einer seiner unzähligen Opern stammen (werden sie vermutlich auch). Aber gerade das macht die Musik so interessant und abwechslungsreich, bei dem sich der Kannerchor und die vier Solisten auszeichnen konnten.

Temprament, außergewöhnliche Harmonik und reiche Melodien. Dennoch hatte es Jan Zelenka nicht leicht, sei es zu Lebzeiten, als er seinem Traumjob vergeblich hinterlief. Sei es nach seinem Tod, als der Barockmusiker in Vergessenheit geriet. Doch in den vergangenen Jahren wird Zelenka wieder öfter aufgeführt. Mit Recht. Seine “Missa omnium sanctorum” (ZWV 21) ist ein Meisterwerk. In seinen letzten Jahren versucht der Komponist alte Techniken mit neuen Elementen zu verknüpfen. Das ist in der Musik spürbar. Durchaus eine Herausforderung für alle Beteiligten, die sie aber meisterten. 

Ein gelungener Abend, der verdientermaßen Standing Ovations erhielt. 




The Tenebrae Consort – Gregorianischer Choral und Musik aus der Tudorzeit

Schon 2017 war das „Tenebrae Consort“ zu Gast beim Klangvokal-Festival und eigentlich waren sie auch gebucht, um am 20. Mai 2020 in der Marienkirche zu singen. Doch Corona machte wie so oft einen dicken Strich durch die Rechnung und so mussten die Liebhaber englischer Chormusik zwei Jahre warten, um das Konzert zu erleben. Am 17. Mai 2022 war es am geplanten Ort – der Marienkirche – soweit.

The Tenebrae Consort gelang ein beeindruckendes Konzert in der Marienkirche. (Foto: © Bülent Kirschbaum)
The Tenebrae Consort gelang ein beeindruckendes Konzert in der Marienkirche. (Foto: © Bülent Kirschbaum)

Zu hören gab es neben alten gregorianischen Gesängen, Musik der englischen Komponisten John Sheppard, William Byrd, John Blitheman und Thomas Tallis. Alle Vier komponierten in der Zeit, in der England zwischen dem katholischen Glauben und der Reformation stand, so komponierte Tallis beispielsweise zu Beginn noch für die katholische Messe, danach für die protestanische. Darüber hinaus gab es in der Regierungszeit von Maria (1553-1558) eine kurze katholische Restaurationszeit.

Laut Programmheft sollte das Konzert den Tagesablauf eines Mönches in einer mittelalterlichen englischen Kathedrale darstellen. Das Konzert selbst faszinierte mehr durch die Gegensätze zwischen den schlichten, aber kraftvollen gregorianischen Chorälen und dem polyphonen Gesang des 16. Jahrhunderts. Hier zeigte vor allem Tallis seine Meisterhaft, die vom Chor exzellent rezipiert wurde. Die fünf Sänger und die Sängerin nutzen den Klangraum, den die Marienkirche bot gut aus und zeigten, dass diese Art von Gesang auch den richtigen Ort braucht, um zu klingen.

Persönlich fand ich den gregorianischen Gesang „Komplet in der Fastenzeit“ zu Beginn ein wenig zu lang, hingegen waren beide „Lamentations of Jeremiah“ von Tallis eines der Höhepunkte des Konzertes.

Ein gelungener Ausflug in die Spätrenaissance an einem geeigneten Ort. Gesungen haben Martha McLorinan (Mezzosopran), Jeremy Budd (Tenor), Nicolas Madden (Tenor), Joseph Edwards (Bariton), Nigel Short (Bariton & Leitung) und Tom Herring (Bass).




Sophie Junker – Entführung in die Barockzeit

Es gibt doch Orte, mit denen man in die Zeit zurückreisen kann. Dieser Ort war am 21. November 2021 der Reinoldisaal in Dortmund. An diesem Ort entführte uns Sophie Junker und das Ensemble „Le concert de L’hostel dieu“ im Rahmen des Festivals Klangvokal nach London in die Mitte des 18. Jahrhunderts. Dort feierte Georg Friedrich Händel seine Erfolge und der Komponist hatte mit Élisabeth Duparc eine großartige Sängerin an seiner Seite. Sophie Junker erweckte sie wieder zum Leben.

Bereits die erste Arie „Nasconde l’usignol‘ in altui rami Il Nido“ aus „Deidamia“ zeigte die Fähigkeiten von Junker. Glasklar und mit kraftvoller Dynamik ließ sie die Nachtigall erklingen. Der Funke zum Publikum sprang sofort über.

Danach wurde es etwas sentimental, gar klagend und melancholisch. Anscheinend war Junker und dem Ensemble bewusst, dass der 21.11. 2021 der Totensonntag war. In „My father! Ah!“ aus dem Oratorium „Hercules“ trauert Iolo um ihren Vater, in „In sweetest harmony they lived“ trauert das Volk Israel um Saul und Jonathan.

Hymnischer und fröhlicher ging es in „What passion cannot music raise and quell“ aus der „Ode to St. Cecilia’s day“. Auch in den beiden abschließenden Stücken „Endless pleasures“ („Semele“) und „Và perfido! Quel cor MI tradirà“ („Deidamia“ zeigte Junker ihr ganzes Können.

Selbstverständlich konnte auch das zehnköpfige Ensemble „Le concert de l’hostel dieu“ glänzen. Beinahe abwechselnd Instrumentalmusik und Arien, trugen die Musiker ebenfalls dazu bei, sich wie in der Barockzeit zu fühlen. Neben Musik von Händel spielten sie auch Händels Zeitgenossen Charles Avison.

Nach der Zugabe „Mi parto lieta sulla Tua fede“ aus der Oper „Faramondo“ entließen uns die Musiker in die kalte Wirklichkeit des 21. Jahrhunderts. Ein außergewöhnlicher Abend mit einer außergewöhnlichen Stimme und ausgezeichneten Musikern.

Sophie Junker brachte den Zauber von Händels Barockmusik nach Dortmund. (Foto: © Bülent Kirschbaum)
Sophie Junker brachte den Zauber von Händels Barockmusik nach Dortmund. (Foto: © Bülent Kirschbaum)