Meditativ-kraftvolle Klänge aus der tuwinischen Steppe

Im Rahmen des Klangvokal Musikfestivals 2025 entführte die tuwinische Gruppe Huun-Huur-Tu das Publikum am 10. Oktober im Dortmunder Reinoldihaus in die endlose Weite der sibirischen Steppe. Tuwa – ein abgelegenes Gebiet im Süden Sibiriens – ist ihre Heimat. Seit über zwanzig Jahren prägt die Band dort die traditionellen, naturverbundenen Klänge ihrer Region und führt sie mit modernen Arrangements zusammen.

Zentrales Element ist der Khoomei, der berühmte Ober- und Kehlgesang, der Töne gleichzeitig in mehreren Frequenzen erklingen lässt. Mit Lippen, Zunge, Kehlkopf und Stimmbändern erschaffen die Musiker ein vibrierendes Klanguniversum aus tiefem Grollen, schwebenden Obertönen und feinen Pfeifmelodien. Wer sich auf diesen Klangstrom einlässt, spürt die Bewegung von Wind und Pferden in der Steppe – eine meditative Reise durch Klanglandschaften, die zwischen Erde und Himmel zu schweben scheinen.

Auch visuell ist das Ensemble ein Erlebnis: In traditionellen Gewändern stehend, umgeben von Instrumenten aus ihrer Heimat, entfaltet sich ein Klangbild von archaischer Schönheit.

Huun-Huur-TU bei Klangvokal im Reinoldisaal (Foto: Céline-Christine Spitzner)
Huun-Huur-TU bei Klangvokal im Reinoldisaal (Foto: Céline-Christine Spitzner)

Zu hören waren unter anderem:

  • Igil, das zweisaitige Streichinstrument mit geschnitztem Pferdekopf, Symbol der tuwinischen Musiktradition.
  • Toschpulur, eine langhalsige Laute mit warmem, holzigem Klang.
  • Byzaanchi, ein Streichinstrument mit vier Saiten und Tierhautbespannung.
  • Chuur, die weiche, atmende Flöte der Steppe.
  • Tungur, die Schamanentrommel, deren tiefe Schläge spirituelle Kraft entfalten.
  • Khomus, die Maultrommel mit ihrem schillernden Obertonspektrum.
  • Tuyug, ein Rhythmusinstrument aus Pferdehufen, das den Klang galoppierender Tiere nachahmt.

Mit diesem Instrumentarium erschaffen die vier Musiker von Huun-Huur-Tu eine dichte, fast filmische Klangwelt – zwischen archaischer Erdverbundenheit und hypnotischer Trance.

Auf der Bühne standen:
Sayan Bapa (Gesang: Kargyraa, Khoomei; Toschpulur, Gitarre, Igil),
Alexej Saryglar (Gesang: Sygyt; Tuyug, Tungur, Igil),
Radik Tyulyush (Gesang: Borbangnadyr; Byzaanchi, Khomus)
und Kaigal-ool Khovalyg (Gesang: Khoomei, Sygyt, Kargyraa; Igil).

Ein Konzert, das weniger gehört als erlebt wird – intensiv, erdig und zutiefst verbunden mit der Natur.




Poro – Händels Kammeroper im königlichen Gewand

Die Oper Poro markierte für Georg Friedrich Händel eine Art Comeback. Nachdem die Royal Academy of Music in Schwierigkeiten geraten war, gründete Händel 1729 gemeinsam mit dem Impressario Johann Jakob Heidegger eine neue Opernkompanie am King’s Theatre in London. Zwei Jahre später, 1731, feierte Poro Premiere – eine Oper, die ganz im Zeichen des Humanismus steht. Sie zählt heute zu den weniger häufig gespielten Werken Händels, umso erfreulicher war es, dass das Klangvokal Musikfestival dieses Juwel am 19. August 2025 in einer konzertanten Aufführung im Konzerthaus Dortmund präsentierte.

Worum geht es in Poro?

Die Handlung spielt im alten Indien zur Zeit Alexanders des Großen. König Poro wurde von Alexander besiegt und lebt versteckt. Seine Geliebte Cleofide versucht, ihn zu schützen. Alexander wiederum zeigt Interesse an Cleofide – politisch wie persönlich –, was bei Poro Misstrauen und Eifersucht weckt. Um ihre Treue zu prüfen, gibt er sich als einfacher Offizier aus.

(v.l.n.r.) Julia Lezhneva (Cleofide),, Rémy Brès-Feuillet als Gandarte , Lucile Richardot (Erissena) und  Timothy Edlin (Timogene). (Foto: (c) Oliver Hitzegrad)
(v.l.n.r.) Martyna Pastuszka ([oh!] Orkiestra ), Julia Lezhneva (Cleofide),, Rémy Brès-Feuillet als Gandarte , Lucile Richardot (Erissena) und Timothy Edlin (Timogene). (Foto: (c) Oliver Hitzegrad)
Es folgen Intrigen, Missverständnisse und ein beinahe tödlicher Konflikt. Doch Cleofide bleibt standhaft. Am Ende zeigt Alexander sich als großmütiger Sieger: Er vergibt Poro und gibt ihm und Cleofide ihre Freiheit und ihr Reich zurück. Die Oper endet mit einem versöhnlichen Schluss – Gnade statt Rache, Menschlichkeit statt Machtgehabe.

Kalkutta liegt nicht am Ganges – und Alexander war nie dort

Wie viele Werke der Barockoper ist auch Poro kein historisches Tatsachenstück, sondern ein moralisches Drama. Der Fokus liegt auf dem Ideal des aufgeklärten Herrschers: Alexander zeigt Stärke nicht durch Gewalt, sondern durch Großmut. Seine Vergebung – auch gegenüber dem Verräter Timagene – unterstreicht seine Größe, nicht seine Schwäche.

Hugo Hymas sang den Alexander. (Foto: (c) Oliver Hitzegrad)
Hugo Hymas sang den Alexander. (Foto: (c) Oliver Hitzegrad)

Historisch ist einiges allerdings anders gelaufen: Alexander besiegte König Poros tatsächlich am Fluss Hydaspes (heute im heutigen Pakistan), doch er erreichte nie den Ganges. Seine Truppen weigerten sich, weiterzuziehen. Auch Cleofide, Poros Geliebte, ist eine reine Erfindung der Opernliteratur.

Ein musikalisches Erlebnis

Musikalischer Mittelpunkt der Aufführung war weniger der Titelheld, sondern Cleofide. Die russische Sopranistin Julia Lezhneva brillierte in dieser Rolle mit technischer Präzision, feiner Phrasierung und emotionaler Tiefe. Ihre Stimme spannte den Bogen von zarter Innigkeit bis zu entschlossener Stärke – mehrfach quittiert mit spontanen Bravo-Rufen aus dem Publikum.

Max Emanuel Cenčić überzeugte als Poro mit seiner wandlungsfähigen Countertenorstimme und einer tiefgründigen Darstellung des innerlich zerrissenen Königs.

Max Emanuel Cenčić als "Poro". (Foto: (c) Oliver Hitzegrad)
Max Emanuel Cenčić als „Poro“. (Foto: (c) Oliver Hitzegrad)

Als Alexander glänzte der britische Tenor Hugo Hymas mit klarer Diktion und charismatischer Bühnenpräsenz – er verkörperte den humanistischen Herrscher mit Eleganz und Feinsinn.
Lucile Richardot gab Poros Schwester Erissena mit warmer Stimme und subtiler Charakterzeichnung.
Rémy Brès-Feuillet als Gandarte verlieh der Rolle heldische Stärke, ohne die lyrischen Nuancen zu vernachlässigen.
In der Rolle des zwielichtigen Timagene überzeugte Timothy Edlin mit klarer Linienführung und dramatischem Ausdruck.

Insgesamt hatten die Sängerinnen und Sänger Spaß daran, durch Gesten und Mimik der konzertanten Aufführung noch mehr Leben einzuhauchen, sehr zur Freude des Publikums.

Das polnische Ensemble [oh!] Orkiestra unter der Leitung von Martyna Pastuszka sorgte für den klanglichen Rahmen dieser konzertanten Aufführung. Mit feinem Gespür für barocke Klangfarben und dramatische Zuspitzung brachte Pastuszka Händels Musik zum Leuchten – ausbalanciert zwischen dramatischer Geste und fein ziselierter Detailarbeit.




Global Jazz Spaniens auf hohem Niveau

Im Rahmen des diesjährigen Klangvokal Musikfestivals Dortmund wurde am 18. Juni 2025 im Domicil ein weiterer Höhepunkt für Fans des spanischen Global Jazz gesetzt. Als hochkarätiger Gast trat die junge katalanische Sängerin, Posaunistin und Komponistin Rita Payés gemeinsam mit ihrer Band auf.

Dass Payés aus einer musikalischen Familie stammt, zeigte sich nicht zuletzt durch die energiegeladene Unterstützung ihrer Mutter Elisabeth Roma an der spanischen Gitarre. Ergänzt wurde das Ensemble durch Juan Rodriguez Berbin (Percussion), Horacio Fumero sowie Pol Batlle (Gitarre, Gesang) – allesamt exzellente Musiker.

Die Sängerin mit ihrer leicht angerauten Altstimme, die auch mühelos höhere Lagen erklimmen konnte, beeindruckte zudem durch ihre sprachliche Vielseitigkeit: Ob Spanisch, Portugiesisch, Katalanisch oder Englisch – sie wandte sich stets charmant an ihr Publikum.

Rita Payés verzauberte das domicil. (Foto: (c) Clara Ruiz)
Rita Payés verzauberte das domicil. (Foto: (c) Clara Ruiz)

Das abwechslungsreiche Programm war geprägt von einem spannenden Stilmix. Mal klanglich leicht verschleiert und portugiesisch-melancholisch, dann wieder durchzogen von lateinamerikanischen oder brasilianischen Rhythmen wie Bolero-Son oder Bossa Nova.

Ihr Gesang – häufig inspiriert von persönlichen Lebenserfahrungen – wurde eindrucksvoll durch ihr ausdrucksstarkes Posaunenspiel ergänzt. Ihre starke Bühnenpräsenz erfüllte den Raum mühelos.

Immer wieder bekamen auch die anderen Bandmitglieder Gelegenheit, ihr Können solistisch oder in kleineren Formationen unter Beweis zu stellen. Dabei entstand stellenweise eine mitreißende Jam-Session-Atmosphäre.

Ein gelungener und klangvoller Abschluss des Klangvokal Musikfestivals im Domicil – und ein überzeugender Beweis dafür, wie lebendig und facettenreich der spanische Global Jazz sein kann.




Ein roter Teppich für Weltmusik: Morekoma

Klangkosmos – Familienkonzert – Klangvokal

Der rote Teppich ist ausgerollt. Frühmorgens im domicil Dortmund. Für Kinder, die auf ihm Platz nehmen können, um ganz nah bei Musikerinnen und Musikern und ihren Instrumenten zu sein, die konsequenterweise auch nicht auf der Bühne, sondern davor spielen. Allerdings sind die meisten im Saal „Kinder mit grauen Haaren“, wie der Moderator und Initiator des multinationalen Ensembles, Percy Yip Tong, feststellt.
Begeistern lassen sich diese erwachsenen Kinder genauso schnell. Sie tauchen ein in die Vielfalt der Musik des südindischen Ozeans. Viele kleine Inselstaaten gehören dazu, auf der Bühne versammeln sich Madagaskar, La Réunion, die Komoren und Mauritius mit etablierten Künstlerinnen und Künstlern – quasi „Indian Ocean All Stars“. Die Gruppe ist speziell für diese kleine Reihe von Konzerten zusammengewachsen.
Und sie nehmen uns mit in den Rhythmus und in die Gesänge. Traditionelles ist im Programm ebenso wie eigene Stücke der Musiker:innen. So präsentiert Christine Salem von der französischen Insel La Réunion, die bereits mit zwölf Jahren komponierte, ihren Song über Nelson Mandela. Sie ist die „Königin der Maloya“, einer inzwischen zum immateriellen Weltkulturerbe gehörenden Musikrichtung des Indischen Ozeans. 2009 aufgenommen von der UNESCO, war der Musikstil doch bis 1981 auf La Réunion verboten. Von Musik der Sklavenarbeiter auf Zuckerrohrplantagen wollte man sich wohl distanzieren. Heute wird sie weiterhin gespielt und immer wieder auch neu interpretiert. Rund dreihundert Ensembles widmen sich ihr.
Es wird in verschiedenen Sprachen gesungen, darunter auch Sanskrit, eine alte indische Sprache. Diesen traditionellen Song präsentiert Sarasvati Mallac mit Herzblut, die auf Mauritius geboren wurde.

Eliasse Ben Joma  von "Morekoma" (Foto: (c) Martina Bracke)
Eliasse Ben Joma von „Morekoma“ (Foto: (c) Martina Bracke)


Die Geschichte der Lieder und ihr Inhalt werden jeweils von den Musikerinnen und Musikern auf Englisch, Französisch und Deutsch vermischt erklärt, ansonsten bleibt einmal mehr Musik die Sprache der Welt.
Aber über Sprache kann man sich auch amüsieren. So sorgt es für Erheiterung, dass ein Instrument „Sense“ heißt, was nichts mit Tod oder dem Schneiden von Heu zu tun hat. Es ist eh nur die Lautsprache, denn man schreibt es wohl eher „Dzendze“.
Dafür lernen wir auch das Wort „Marahaba“. Ein wichtiges Wort, denn es bedeutet „Danke“. Und Danke kann man immer gebrauchen. Aber es geht auch weiter: Dankeschön heißt Marahaba menji. Jedenfalls auf den Komoren, von denen Eliasse Ben Joma stammt, der auch die Dzendze spielt und seit Längerem in Bordeaux in Frankreich lebt. Ein bisschen mokiert er sich zu Beginn über den frühen Start des Konzerts, der für die Stimme nicht besonders förderlich sei, aber sie ist schon beim ersten Ton voll da. Wer weiß, wann er dafür aufgestanden ist.
Besonderen Klang bringt auch Bosco Rakoto aus Madagaskar ins domicil – zum einen über seine voluminöse Stimme, zum anderen über seine Instrumente, die er selbst baut. So spielt er eine Harfe, die aus der Ferne an ein Didgeridoo erinnert; bei näherem Hinsehen sind aber Saiten rund um das Holz angeordnet. Diese stammen von Fahrradbremszügen und klingen doch wie eine Harfe.
Lieder voll Rhythmus, stimmgewaltig, mit viel Gefühl und Hintergrund – auch brennende Wälder und Nachhaltigkeit gehören zu den musikalisch verarbeiteten Themen. Das Publikum swingt mit, singt mit, tanzt am Ende gar auf dem roten Teppich und widmet sich mit viel Interesse und Freude den einzelnen Instrumenten, die auch angefasst werden dürfen.

Das Konzert fand im Rahmen des 17. Dortmunder Klangvokal-Musikfestivals unter der Leitung des an diesem Morgen fröhlich mittanzenden Leiters Torsten Mosgraber in der soundzz-Familienkonzertreihe des domicil mit Unterstützung von Klangkosmos Weltmusik NRW statt.

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www.klangvokal-dortmund.de
www.domicil-dortmund.de




Von Karl zu Karl – Musik für Kaiser, Kirche und Krone

Karl der Große und Karl IV. haben beide eine Beziehung zu Dortmund – darauf wies Torsten Mosgraber, der Leiter des Klangvokal Festivals, vor Beginn des Konzerts hin. Karl der Große gab einst den Anstoß zur Gründung Dortmunds, während Kaiser Karl IV. die Stadt später besuchte – und dabei nicht ohne eine Reliquie wieder abzog.

Am 12. Juni 2025 sang das Tiburtina Ensemble in der Marienkirche ein Konzertprogramm mit Musik aus den Epochen dieser beiden Herrscher. Der aus sechs Sängerinnen bestehende tschechische Chor trat an diesem Abend zwar mit einer Stimme weniger auf, doch der musikalischen Ausdruckskraft tat dies keinen Abbruch: Es entstand ein eindrucksvolles, klanglich reiches Erlebnis.

Musikalische Zeitreise vom Frühmittelalter zur Gotik

Das Programm verband Musik aus der Zeit Karls des Großen mit Werken aus der Epoche Karls IV. – zwei Epochen, in denen sich Reichsidee, Frömmigkeit und kulturelle Blüte gegenseitig befruchteten. Die vorgetragenen Gesänge, Tropen, Responsorien und Motetten zeichneten ein vielstimmiges Porträt europäischer Musikgeschichte – von der Strenge karolingischer Liturgie bis hin zur emotional aufgeladenen Mehrstimmigkeit des Spätmittelalters.

das Tiburtina Ensemble in der MArienkirche. (Foto: (c) Céline-Christine Spitzner)
das Tiburtina Ensemble in der MArienkirche. (Foto: (c) Céline-Christine Spitzner)

Neben dem eindringlichen Gesang, der sowohl vielstimmig als auch in solistischen oder Duett-Formationen erklang, bereicherte Ensembleleiterin Barbora Kabátková einige Stücke durch ihr Spiel auf zwei mittelalterlichen Harfen.

Vor allem der erste Konzertteil war geprägt von klösterlicher Schlichtheit und spiritueller Tiefe – eine Einladung zur Kontemplation und inneren Einkehr. Doch das Tiburtina Ensemble verstand es ebenso, die sakrale Musik der Gotik mit ihren Anfängen der Mehrstimmigkeit eindrucksvoll zur Geltung zu bringen – und so den klanglichen Bogen zwischen mystischer Innerlichkeit und geistlicher Pracht wirkungsvoll zu spannen.




Emotionale Verdi-Oper mit starken Stimmen

Es ist schon erstaunlich, welche „Opernschätze“ Torsten Moosgraber und sein Team jedes Jahr aufs Neue für das Klangvokal Musikfestival Dortmund ausfindig machen – und dazu internationale Opernstars für deren Interpretation gewinnen können.
Am 06.06.2025 stand Giuseppe Verdis (1813–1901) lange übersehenes Meisterwerk Stiffelio (1850) mit dem Libretto von Francesco Maria Piave auf dem Programm im Dortmunder Konzerthaus.
Musikalisch einfühlsam begleitet wurde die konzertante Oper in drei Akten vom WDR Funkhausorchester unter der temperamentvollen Leitung des italienischen Dirigenten Lorenzo Passerini. Stimmungsvoll unterstützt wurde die Handlung zudem vom WDR Rundfunkchor (Einstudierung: Rustam Samedov).
Schon bei der Ouvertüre war der „typische Verdi“ musikalisch erkennbar – mal beschwingt, dann wieder dramatisch, dazwischen intensiv-leise Passagen.

Starke Besetzung, packende Emotionen

In den Hauptrollen glänzten hochkarätige Opernstars: die südafrikanische Sopranistin Pretty Yende (Lina, Stiffelios Frau), der italienische Tenor Angelo Villari (Stiffelio), der südkoreanische Bariton Insik Choi als Vertretung für den erkrankten Gabriele Viviani (Stankar, Linas Vater, Oberst und Reichsgraf) sowie der portugiesische Tenor Carlos Cardoso (Raffaele, Leuthold und Verführer Linas).
Die wichtigen Nebenrollen waren ebenfalls überzeugend besetzt: mit dem in Tiflis geborenen George Andguladze (markanter Bass) als Jorg (Geistlicher), der jungen Mezzosopranistin Verena Kronbichler aus Südtirol (Dorotea, Linas Cousine) sowie dem in Russland geborenen Tenor Anton Kuzenok (Linas Vetter).

Lorenzo Passerini war der Dirigent des intensiven Verdi-Abends. (Foto: Oliver Hitzegrad)
Lorenzo Passerini war der Dirigent des intensiven Verdi-Abends. (Foto: Oliver Hitzegrad)

Das packende Drama um Liebe, Ehebruch, Rache, Vergebung und religiösen Fanatismus wurde dem Publikum nicht nur durch die leidenschaftliche und intensive Stimmkraft der Interpret*innen ausdrucksstark vermittelt.
Jede Geste und jede Mimik spiegelte Schuldgefühle, Qualen und tiefe Emotionen wider.
Eine besonders eindrucksvolle Wirkung – gerade durch die hervorragende Akustik des Konzerthauses – erzielte zudem der effektvolle Einsatz der Orgel.

Ein gelungener und musikalisch anspruchsvoller Verdi-Opernabend.




Ein musikalisches Denkmal für Palestrina

Zwei Tage, zwei Welten: Am 3. Juni pulsierende westafrikanische Rhythmen mit Habib Koité im domicil – am 4. Juni geistliche Klanglandschaften der Renaissance in der Marienkirche. Der britische Vokalchor Stile Antico widmete sein Programm ganz dem Werk Giovanni Pierluigi da Palestrinas und entführte das Publikum in eine Welt voll klanglicher Klarheit und spiritueller Tiefe. Ein Abend, der zur inneren Einkehr einlud – mit geschlossenen Augen und offenen Ohren.

Das Konzert fand im Rahmen des Klangvokal Musikfestivals Dortmund statt, das jedes Jahr internationale Vokalensembles und Solist:innen in die Stadt bringt. Die stimmungsvolle Atmosphäre der Marienkirche bildete den idealen Raum für dieses besondere Programm.

Palestrina (ca. 1525–1594), Hofkapellmeister in Rom, gilt als Inbegriff der katholischen Kirchenmusik nach dem Konzil von Trient. Seine Kompositionen stehen für Ausgewogenheit, Klarheit und spirituelle Tiefe – und genau diese Qualitäten brachte das zwölfköpfige Ensemble in beeindruckender Weise zur Geltung. Die sorgfältig zusammengestellte Werkauswahl reichte von bekannten Motetten wie Sicut cervus oder Tu es Petrus bis hin zu Auszügen aus der berühmten Missa Papae Marcelli.

Stile Antico brachten den Zuhörenden die Musik der Spätrenaissance Palestrinas näher. (Foto: (c) Fiona Bischof)
Stile Antico brachten den Zuhörenden die Musik der Spätrenaissance Palestrinas näher. (Foto: (c) Fiona Bischof)

Doch das Programm blieb nicht bei Palestrina allein: Auch Stücke seiner Zeitgenossen wie Josquin Desprez (Salve Regina) oder Tomás Luis de Victoria (Trahe me post te) fanden ihren Platz – ebenso wie selten aufgeführte Werke etwa von Felice Anerio oder Gregorio Frances. Besonders spannend: Der Ausflug in die Gegenwart mit A Gift of Heaven, einer Komposition der Britin Cheryl Frances-Hoad. Hier zeigte sich, wie geistliche Musik auch heute noch neue Wege gehen kann.

Stile Antico: Klangliche Perfektion

Was Stile Antico so besonders macht: Ein ausgewogener, klarer Chorklang, bei dem jede Stimme ihren Platz hat, ohne sich in den Vordergrund zu drängen. Fein nuancierte Dynamik, perfekte Intonation und ein Höchstmaß an Präzision prägten den Abend.

Der Auftritt in der Marienkirche war nicht nur ein Tribut an einen der wichtigsten Komponisten der Musikgeschichte, sondern auch ein Plädoyer für die zeitlose Schönheit der Vokalmusik. Wer dabei war, dürfte tief beeindruckt gewesen sein – und vielleicht auch ein kleines bisschen geerdeter aus diesem musikalischen Raum der Stille herausgetreten sein.




Westafrikanischer Groove im domicil

Am 3. Juni 2025 machte ein Weltstar Halt im Dortmunder domicil: Der malische Musiker Habib Koité trat im Rahmen des Festivals Klangvokal mit seinem neuen Ensemble Mandé Sila auf. Mit über 400.000 verkauften Alben und mehr als 1.700 Konzerten weltweit zählt Koité zu den bekanntesten Musikern des afrikanischen Kontinents. Er war bereits an internationalen Projekten wie Desert Blues mit Touareg-Musikern und Acoustic Africa mit Künstlern wie Vusi Mahlasela und Dobet Gnahoré beteiligt.

Der Name Mandé Sila bedeutet „Der Weg des Manding-Reiches“ und steht sinnbildlich für die kulturelle und musikalische Vielfalt Westafrikas. Das Ensemble zelebriert diese Vielfalt, indem es traditionelle Musikformen bewahrt und zugleich neue klangliche Perspektiven erschließt. Begleitet wurde Koité von drei herausragenden Musikern: Aly Keïta aus der Elfenbeinküste am Balafon, Lamine Cissokho aus dem Senegal an der Kora und Mama Koné aus Mali, langjähriger Begleiter Koités an Djembe, Kalebasse und elektronischen Pads.

Mandé Sila (v.l.n.r.) Aly Keïta, Habib Koité, Lamine Cissokho  und Mama Koné. (Foto: (c) Celine-Christine Spitzner)
Mandé Sila (v.l.n.r.) Aly Keïta, Habib Koité, Lamine Cissokho und Mama Koné. (Foto: (c) Celine-Christine Spitzner)

Karibische Assoziationen und westafrikanische Lebensfreude

Besonders Aly Keïta begeisterte mit seinem virtuosen Spiel auf dem Balafon und zog immer wieder die Aufmerksamkeit auf sich. Die hellen, schnarrenden Klänge erinnerten an karibische Musik – kein Zufall, denn das Balafon gilt als Vorläufer von Instrumenten wie der Marimba. Durch die traurige Geschichte des transatlantischen Sklavenhandels gelangten viele musikalische Traditionen Westafrikas in die Karibik, wo sie sich weiterentwickelten.

Doch auch Lamine Cissokho und Mama Koné überzeugten mit Spielfreude und Virtuosität an Kora und Percussion. Habib Koité selbst benötigte nicht mehr als seine akustische Gitarre und seine charismatische Ausstrahlung, um das Publikum in seinen Bann zu ziehen.

Das Konzert war wie geschaffen dafür, sich vom Rhythmus mitreißen zu lassen – was viele im Publikum auch begeistert taten. Für einen Abend verwandelte sich das Dortmunder domicil in eine westafrikanische Tanzfläche voller Energie und Lebensfreude.




Glanzvolle Operngala zur Klangvokal Festival-Eröffnung

Im Konzerthaus Dortmund fand am 01.06.2025 das Eröffnungskonzert des Klangvokal Musikfestivals in unserer Stadt in Form einer italienischen Operngala statt.
Geboten wurde ein über zweistündiges Programm aus der Welt der romantischen italienischen Oper und des Verismo – von Giuseppe Verdi (1813–1901) bis Giacomo Puccini (1858–1924). Emotionale Musik voller Leidenschaft, Liebe, Eifersucht und Schmerz.

Die dramatischen Arien und Duette wurden sensibel und schwungvoll von der Neuen Philharmonie Westfalen unter der Leitung des italienischen Dirigenten Carlo Montanaro begleitet. Das Orchester konnte bei mehreren musikalischen Intermezzi sein Feingefühl und Können eindrucksvoll unter Beweis stellen.

Als internationale Opernstars standen die Italienerin Maria Agresta (Sopran) und der in Brasilien geborene Tenor Martin Muehle auf der Bühne.
Ob in ihren Solo-Arien oder im Duett: Beide transportierten mit ihren ausdrucksstarken Stimmen und Gesten tiefe Emotionen, die für das Publikum unmittelbar spürbar wurden.
Maria Agresta überzeugte mit einem klaren, strahlenden Sopran, Martin Muehle mit einem kraftvoll-warmen Tenor.

Auf der Bühne standen standen die Italienerin Maria Agresta (Sopran) und der in Brasilien geborene Tenor Martin Muehle  (Foto: ((c) Oliver Hitzegrad)
Auf der Bühne standen standen die Italienerin Maria Agresta (Sopran) und der in Brasilien geborene Tenor Martin Muehle (Foto: ((c) Oliver Hitzegrad)

Dramatik und Gefühl – Ein Abend der großen Opernmomente

In der ersten Hälfte standen Arien und Duette aus Verdis Otello sowie Puccinis Tosca im Mittelpunkt.
Nach einem orchestralen Intermezzo aus Pagliacci (1892) von Ruggero Leoncavallo (1857–1919) setzte der zweite Teil mit der Arie der Mimì aus La Bohème (Puccini, 1895) dramatisch fort.
Ein weiterer Höhepunkt war die berühmte und bewegende Arie des Kalaf „Nessun dorma“ aus Turandot (Puccini, 1924).

Arien aus Opern von Francesco Cilea (1866–1950) und Umberto Giordano (1867–1948), die „Barcarola“ aus Silvano (Pietro Mascagni, 1895) sowie das von ekstatischer Liebe getragene Schlussduett „Vicino a te s’acqueta“ (Du kommst daher) rundeten die glanzvolle Gala eindrucksvoll ab.

Das begeisterte Publikum verabschiedete die Künstler:innen nicht ohne mehrere Zugaben.




Opera Passion & Tango – Leidenschaft füllt den Raum

Auf der Bühne im Reinoldisaal steht ein Flügel. Und die Ankündigung, dass der vorgesehene Pianist erkrankt ist. Ballast für den Abend? Nein.
Auf die Bühne kommt für den ersten Teil der arrivierte und preisgekrönte Musiker Karsten Scholz von den Dortmunder Philharmonikern, der scheinbar mühelos in den vergangenen zwei Tagen das vorgesehene Programm einstudieren konnte. Jedenfalls füllt er seinen Part komplett aus und spielt sich virtuos durch den Abend und seinen Solopart von Schumann.

Mit ihm erscheint der Opernstar – mit wehenden Haaren, aber streng mit Fliege und Frack. Der argentinische Bariton Germán E. Alcántara ist auf den Brettern in Theatern wie dem traditionsreichen Teatro Colón in Buenos Aires, in dem auch Caruso, Callas, Domingo und Pavarotti gastierten, ebenso zu Hause wie in London oder Köln. Bereits mehrfach war er zu Gast in Dortmund beim Musikfestival „Klangvokal“. Mit diesem Hintergrund und der Liebe zu Oper und Tango entstand die Idee zu diesem Abend eigens für dieses Festival.

Karsten Scholz von den Dortmunder Philharmonikern am Klavier mit dem Bariton Germán E. Alcántara . (Foto: (c) Klangvokal)
Karsten Scholz von den Dortmunder Philharmonikern am Klavier mit dem Bariton Germán E. Alcántara . (Foto: (c) Klangvokal)

Mit eindrücklicher Leidenschaft erklingen schon die ersten Töne. Germán E. Alcántara ist jemand, der es schafft, auch ohne Kulisse seine Arien schauspielerisch zu interpretieren – mit ausdrucksstarker Mimik, Gestik und vollem Körpereinsatz. Dabei reicht seine Stimme bereits aus, um den Saal zu fesseln. Doch so ist es ein Vergnügen, ihn nicht nur zu hören, sondern ihm auch zuzuschauen.

Es erklingen Arien aus Mozarts Don Giovanni und Bellinis I Puritani – es geht um Liebe und Leidenschaft, um Verrat und Rache. Verdis Maskenball und Rigoletto liefern weitere Arien. Mit dem ausführlichen Programmheft, das alle Liedtexte im Original und in Übersetzung enthält, lassen sich die Passagen sehr gut verfolgen – wenn man es denn will. Man kann sich aber auch einfach den Tönen überlassen.

Am Ende von Verdis Anklage an die „abscheulichen Höflinge“ rauft sich der Interpret die Haare, reißt sich die Fliege ab und fällt vor dem imaginären Gesindel auf die Knie – voller und überzeugender Leidenschaft. Nicht umsonst heißt der Abend Opera Passion.

Tango-Passion: Von Buenos Aires nach Dortmund

Und der Tango?
Die Tango-Passion erfüllt sich im zweiten Teil. Dafür konnte das Klangvokal-Festival unter der Leitung von Torsten Mosgraber kurzfristig eine Tangospezialistin und Arrangeurin aus Paris gewinnen, die selbst ein Tangoorchester leitet. Auf der Dortmunder Bühne gehören Lysandre Donoso, ein gefragter Bandoneonist, und der Bassist Lucas Frontini zum Ensemble. Gemeinsam mit dem erkrankten Knut Jacques und Alcántara entwickelten sie das Programm.

Germán E. Alcántara – mit streng zum Pferdeschwanz gebundenen Haaren, schwarzem Hemd, oben offen, und Jackett – ergibt sich im ersten Tango der Trunkenheit. In zwölf Chansons sind auch die Liebe und die Umgebung Thema, in der der Tango Argentino seine Heimat hat.

Der Tango hat es in den „Operntempel“ Teatro Colón in Buenos Aires geschafft, entstanden ist er jedoch auf den Straßen von Buenos Aires und Montevideo – beeinflusst von Einwanderern aus aller Welt.

Alcántara interpretiert Chansons von Troilo, Stampone, Mores, Gardel und anderen – Piazzolla darf dabei natürlich nicht fehlen.

Ihren instrumentalen Solopart bestreiten die Musikerinnen und Musiker mit einem Tango von Luis Bernstein.

Im Grunde könnte es so weitergehen. Doch auch dieser Abend erreicht sein Ende.
Noch nicht ganz.

Zwei Zugaben runden das zweistündige Programm ab. Bei einer davon greift Alcántara selbst zur Gitarre. Eine Strähne hat sich längst aus dem strengen Pferdeschwanz gelöst.

Ein leidenschaftlicher Abend mit einem hervorragenden Ensemble, das harmonierte, obwohl die Pianisten nur zwei Tage zur Vorbereitung hatten. Eine Wiederholung des Abends wäre wünschenswert – es würde sich lohnen.

Das Klangvokal-Festival startet also furios in die neue Saison. Das aktuelle Programmheft erscheint am 26. Februar. Online findet man alle Informationen unter www.klangvokal.de.