Täuschung im Chat: „Cyber Cyrano“ am KJT Dortmund

Mit „Cyber Cyrano“ von István Tasnádi in der Regie von Johanna Weißert präsentierte das Kinder- und Jugendtheater Dortmund am 27. September 2025 ein Stück, das Motive des bekannten Dramas „Cyrano de Bergerac“ von Edmond Rostand aufgreift. In Rostands Stück verliebt sich der Titelheld Cyrano in seine Cousine Roxane. Cyrano ist ein Meister der Worte, leidet jedoch unter seiner großen Nase. Roxane wiederum schwärmt für Christian, den Cyrano heimlich mit seiner Sprachgewandtheit unterstützt.

Tasnádi stellt diese Grundidee auf den Kopf. Hier ist es nicht der „hässliche“ Mann, der dem hübschen, aber einfältigen Rivalen hilft, sondern die Schülerin Zoe (Sar Adina Scheer), die sich in ihren langjährigen Klassenkameraden Mats (Jan Westphal) verliebt hat. Dieser wiederum scheint Gefühle für die neue Mitschülerin Lina (Annika Hauffe) zu entwickeln. Aus Eifersucht erfindet Zoe ein wohlhabendes Geschwisterpaar, Viktor und Moira, mit denen sie angeblich befreundet ist. In Wahrheit steckt jedoch sie selbst hinter deren Chatnachrichten: Viktor schreibt mit Lina, Moira mit Mats.

Jan Westphal, Annika Hauffe, Sar Adina Scheer(Foto: ©Birgit Hupfeld)
Jan Westphal, Annika Hauffe, Sar Adina Scheer
(Foto: ©Birgit Hupfeld)

Schon das Bühnenbild macht die Szenerie klar: Wir befinden uns in einer Schule. Rechts stehen zwei Schulbänke mit Tafel, links deutet sich eine Aula an, in der Lina und Mats eine Choreografie zu einem Song von Taylor Swift proben – sehr zum Missfallen von Zoe. Wenn sie über ihre Intrigen nachdenkt, nimmt sie Platz in einem Ball Chair.

Das Stück, das sowohl komische als auch nachdenkliche Momente bietet, wirft die Frage auf: Sind junge Menschen tatsächlich so leichtgläubig, dass sie jede Nachricht auf dem Smartphone unhinterfragt akzeptieren? Selbst Menschen mit Lebenserfahrung haben sich schon von angeblichen „Prinzen“ aus Nigeria täuschen lassen, die ihnen Millionen versprachen. Ähnlich überzogen wirken die Geschichten des angehenden Diplomaten Viktor, der mit eigenem Segelboot und angeblicher Fähigkeit in die Zukunft zu blicken daherkommt – oder Moira, die angeblich schon mit 14 als Model um die Welt reiste. Erst sehr spät überprüft Mats die Erzählungen und entlarvt Zoe, was schließlich zu ihrem Rauswurf aus der Schule führt.

„Cyber Cyrano“ ist somit keine Liebesgeschichte und auch keine Tragödie, sondern vielmehr ein Appell an die Medienkompetenz: Glaubt nicht alles, was in Chats oder sozialen Medien steht, und überprüft Informationen kritisch – vor allem dann, wenn sie zu schön klingen, um wahr zu sein.

Die Inszenierung richtet sich sprachlich klar an ein jugendliches Publikum, ohne dabei in künstlichen Jugendslang zu verfallen. Zudem hatte das Stück durchaus poetische Momente. Sar Adina Scheer, Jan Westphal und Annika Hauffe überzeugten durch lebendiges Spiel und wurden vom fast ausverkauften Saal mit großem Applaus belohnt.

So zeigt „Cyber Cyrano“, dass es nicht nur pädagogisch relevant, sondern auch als Theatererlebnis sehenswert ist.

 




Piratenstück mit Fantasie und Humor

Als erste Premiere der neuen Spielzeit zeigte das Dortmunder KJT (Kinder- und Jugendtheater) am 18. September 2025 „Käpten Knitterbart und seine Bande“ von Cornelia Funke (Bühnenbearbeitung: Stefan Dehler). Regie führte Antje Siebers.

Die Bühne des Skelly verwandelte sich in einen etwas staubigen Holzkellerverschlag, gefüllt mit allerlei Gegenständen, Kleidungsstücken und Holzpaletten. Schon seit jeher regen Abenteuerbücher wie „Die Schatzinsel“ von Robert Louis Stevenson die Fantasie der Lesenden an. Das Leben der Seeräuber und ihrer Mannschaft bot Abwechslung und spiegelte die Sehnsucht nach Freiheit wider. Laut, wild und frei sein zu dürfen – diesem Wunsch wurde hier Raum gegeben.

Der Schauspieler Rainer Kleinespel verkörperte mit viel Humor und Spielfreude den „Käpten Knitterbart“. Sein Kollege Andreas Ksienzyk schlüpfte scheinbar mühelos in die unterschiedlichsten Rollen der Bandenmitglieder. Das Verkleiden bereitete beiden sichtbar großes Vergnügen. Auch die auf der Bühne vorhandenen Gegenstände wurden kreativ eingesetzt. Mit lauter Stimme, Säbelrasseln und Pistolengetöse heizten die Piraten dem Publikum ordentlich ein und fühlten sich unbesiegbar. Doch ein Schiff hätten sie besser vorbeifahren lassen sollen – an Bord befand sich die kleine Molly (hier dargestellt durch einen Wischmopp), die den Piraten gehörig Angst einjagte.

v.l.n.r.: Rainer Kleinespel und Andreas Ksienzyk© Birgit Hupfeld
v.l.n.r.: Rainer Kleinespel und Andreas Ksienzyk
© Birgit Hupfeld

Mit einfachen Mitteln und viel Witz entführten die Schauspieler ihr Publikum in eine abenteuerliche Piratenwelt. Schauspielerische, pantomimische und teils auch körperlich anspruchsvolle Szenen meisterten sie souverän mit Erfahrung und Professionalität.

Musikalisch wurde das Geschehen atmosphärisch untermalt, unter anderem mit Auszügen aus Wagners „Fliegendem Holländer“.

Ein Stück für Kinder ab sechs Jahren, das dazu anregt, der eigenen Fantasie auch in der „realen Welt“ Ausdruck zu verleihen.

Karten und Informationen zu weiteren Aufführungsterminen erhalten Sie wie immer unter Tel. 0231/50 27 222 oder unter www.theaterdo.de.

 




Der Klotz lebt

Der Jugendclub feiert Premiere im KJT

 

Drei graue Figuren schleichen auf der Bühne um einen Stuhlberg herum. Wie Schnecken tragen sie ihr Haus auf dem Rücken, terrassenförmige Wohn-Einheiten, die auf den ersten Blick wie eine schwere Last wirken, die sie aber andererseits ganz leicht, beinahe zärtlich vom Rücken lösen und nebeneinander stellen zu einer großen Einheit.Ein großes Haus steht vor uns, ein Betonklotz, könnte man sagen. Hunderte von Wohnungen unter einem Dach, sogenannter billiger Wohnraum, der vor allem in den siebziger Jahren in vielen Großstädten in den sozialen Brennpunkten hochgezogen wurde, nicht nur um die Wohnungsnot zu lindern, sondern auch um Menschen in der Hoffnung auf ein friedliches Miteinander zusammenzuführen. Ein sozialarchitektonisches Experiment mit zweifelhaftem Ausgang.
Die drei grauen Figuren geben diesem Klotz eine Stimme. Nach der gewaltfreien Aufbauphase treten sie dann doch noch den Stuhlberg um. Und schon in den ersten Minuten dieser bemerkenswerten und engagierten Inszenierung bekommen wir die beide Pole zu spüren, zwischen denen sich die Stimmung der Protagonisten bewegt: Zärtlichkeit und Wut. Ja, sie hassen und sie lieben ihn, ihren Betonklotz.

Betonklotz vorne v.l.n.r.: Lea Sommer, Marie Gelfert, Jost Förster, Niklas Havers hinten v.l.n.r.: Lucca Mitchell, Julia Hartmann, Daria Deuter, Johannes Weber
Betonklotz vorne v.l.n.r.: Lea Sommer, Marie Gelfert, Jost Förster, Niklas Havers hinten v.l.n.r.: Lucca Mitchell, Julia Hartmann, Daria Deuter, Johannes Weber
Foto: © Birgit Hupfeld

Jona Rauschs Debütstück „Betonklotz 2000“, welches für den Hans-Gratzer-Preis nominiert war, kam 2024 in Hannover zur Uraufführung und beschäftigt sich mit dem Leben und Wohnen in so einem Plattenbauareal, dem „Genickschutzviertel“, wie es an einer Stelle im Stück voller Ironie heißt. Aus der Sicht von vier jungen Leuten, die dort ihre Kindheit und Jugend verbringen, erzählt sie Geschichten, die sich nicht nur entlang der bekannten Themen wie Arbeitslosigkeit, Drogenkonsum, Migration und Kriminalität bewegen, sondern auch erzählen von Geborgenheit, Sehnsüchten und Wünschen, von einem Alltag zwischen Aufstiegshoffnung und Abstiegsangst, von Fluchtgedanken und heimatlicher Verbundenheit.

 

Das Dortmunder Jugendclub-Ensemble hat das Personal des Originals um einige Spieler:innen aufgestockt. Diese Vielstimmigkeit kommt der Darstellung zugute, denn so gelingt ein differenzierter, abgewogener Einblick in Lebenswirklichkeit jenseits gängiger Vorurteile.

Die Inszenierung verortet die Geschichte sinnvollerweise in der eigenen Stadt. Der Betonklotz auf der der Bühne erinnert unmissverständlich an den „Hannibal“ in der Dortmunder Nordstadt, die seit Jahren als sogenanntes Problemviertel gilt – zu Unrecht sagen viele.  Denn dieser Betonklotz ist nicht nur kalter Stein für die jugendlichen Bewohner. Er atmet und sie nehmen seinen Rhythmus auf, er erzählt und sie können ihn verstehen, er hört auch zu, er verzeiht und er erzieht, wie es an einer Stelle so schön heißt, „nach dem Laisser-faire-Prinzip“ und lässt sie im Klotz möglicherweise eine Freiheit verspüren, die sie in der Welt draußen nicht haben, weil die ihnen stattdessen oft den Prekariatsstempel aufdrückt und sie die Ungerechtigkeit der sozialen Schere fühlen lässt. Dieser mißtrauischen Welt der Betonköpfe setzen die jungen „Problemkinder“ ihr solidarisches Miteinander entgegen und nehmen sich das Recht von konkreten Utopien zu träumen.
Besonders gelungen wird dieser Gedanke umgesetzt in einer Choreographie, die das Ensemble erarbeitet hat, die fast beginnt wie ein höfischer Tanz, dann aber mündet in ein befreites Tanzen, Momente, in denen man eintaucht in eine Sehnsuchtswelt, die allzu oft umzingelt ist von vielerlei Nöten und Ängsten. Überhaupt ist die Gemeinsamkeit des Zusammenspiels eine große Stärke des Abends.

 

Auch ganz persönliche Geschichten werden gestreift, vom Mädchen, die als einzige die Zulassung zum Gymnasium bekommt und argwöhnisch begutachtet wird, die es aber trotzdem schafft ein Einser-Abitur zu machen, um dann als Studentin auf der Uni mit durchaus gemischten Gefühlen zu bemerken, dass der Klotz noch in ihr steckt.
Von der Frau, die hoffnungsvoll eine Beziehung eingeht zu einem Mathematiker und Philosophen, der als Fremdkörper in der sozialen Architektur des Klotzes aber so seine Probleme bekommt. Vom Jungen, der noch nie in Wien war, dorthin aber den Ort seiner Sehnsucht projiziert. Oder vom Jungen mit dem „Borderline-Dingsda“.

Mit all diesen Lebensblitzlichtern leuchtet die Inszenierung die Spanne aus zwischen Abgrund und Sehnsucht, zwischen Hass und Liebe.

„Ich habe dich vermisst“, sagt eine irgendwann zum Klotz. Und das klingt wie ein Signal, eine Aufforderung, fast sogar ein Aufbruch. Am Ende legen sie die Maskerade ab, die bunten Klamotten, die was hermachen sollen, was sie nicht sein wollen im schillernden Outfit, mit denen sie sich getarnt haben. Unter den gefakten Markenartikeln tragen alle die gleichen T-Shirts. Jetzt kommt der graue gewöhnliche Mensch zum Vorschein in all seiner mutigen Ehrlichkeit, sie raufen sich zusammen, schmiegen sich aneinander, blicken nach vorn, demonstrieren ihr Miteinander und stellen sich solidarisch der Zukunft.

Mit diesem eher hoffnungsvollen, gelungenen Schlusspunkt endet die Inszenierung, die die neun Schauspieler vom Jugendclub mit viel Engagement und Leidenschaft auf die Bühne gebracht haben.




Viele Möglichkeiten und Potenziale durch Vernichtung genommen

Der 8. Mai 2025 ist ein denkwürdiges Datum: Zum 80. Mal jährt sich an diesem Tag das Ende der nationalsozialistischen Herrschaft mit ihrer grausamen Vernichtungsmaschinerie – gegen jüdische Mitmenschen ebenso wie gegen all jene, die als Gegner*innen oder „lebensunwert“ galten.

Anlässlich dieses historischen Tages feierte das Stück Ohne Titel (194418) (ab 16 Jahren) von den israelischen Autorinnen Elinor Milchan und Sharon Burstein Bichachi seine Uraufführung im Kinder- und Jugendtheater Dortmund (KJT). Regie führte KJT-Intendant Andreas Gruhn. Das Stück zeigt eindrücklich, wie durch die Ermordung von Millionen jüdischer Künstlerinnen – ebenso wie von Intellektuellen und Wissenschaftlerinnen – nicht nur individuelle Lebensentwürfe ausgelöscht, sondern auch menschliche Potenziale unwiederbringlich vernichtet wurden.

Erinnerung in eindrucksvollen Bildern

Die Bühne war mit bronzefarbenen, stelenartigen Konstruktionen gestaltet, in deren Mitte ein flacher Sockel platziert war – eine Anspielung auf das Holocaust-Mahnmal. Die rückseitige Wand, mit fensterrahmenähnlichen Elementen versehen, diente als Projektionsfläche für jeweils passende Hintergrundbilder, die Szenen visuell einbetteten.

Beatrice Sclicon, Annika Hauffe, Jan Westphal
(c) Birgit Hupfeld

Im Zentrum des Geschehens steht die junge Künstlerin Nelly – beeindruckend dargestellt von Annika Hauffe. Als 18-jährige Jüdin wird sie 1944 im Ghetto Theresienstadt festgehalten. In episodenhaften Zeitsprüngen über mehrere Jahrzehnte entfaltet sich eine Geschichte, die nur fiktiv sein kann – denn das tatsächliche Leben wurde Nelly verwehrt. Menschen, Erinnerungen, Geräusche – all das webt sich in die Erzählung ein. Über der Projektionsfläche werden jeweils Jahreszahlen und Orte eingeblendet. Doch immer wieder bricht die Realität, der Nelly zu entfliehen versucht, gewaltsam über sie herein. Eine zentrale Rolle übernimmt das „Mädchen“ – ihr stummes Alter Ego, eindrucksvoll verkörpert von Paula Wegener.

Zu Beginn betritt Annika Hauffe als über 90-jährige Nelly die Bühne, um den Preis für ihr Lebenswerk entgegenzunehmen – ein berührender Einstieg. Auch das übrige Ensemble (Jan Westphal, Rainer Kleinespel, Thomas Ehrlichmann und Sar Adina Scheer) überzeugte durch starke schauspielerische Präsenz und große Wandlungsfähigkeit in den verschiedenen Rollen.

Musik und Sounddesign von Manuel Loos unterstreichen atmosphärisch die dramatischen Szenen, ohne sie zu überfrachten – ein fein abgestimmter akustischer Rahmen.

Kunst als Widerstand – und als Erinnerung

Nelly steht stellvertretend für viele jüdische Künstler*innen, die selbst in der Gefangenschaft weiter schöpferisch tätig waren – oft im Verborgenen, als mutiger Akt des Widerstands. Ob sie überlebten oder nicht, bleibt in vielen Fällen offen. Das Stück verneigt sich vor diesen Menschen und ihrem unbeugsamen Geist.

Trotz der ernsten Thematik verliert die Inszenierung nicht den Blick für Menschlichkeit und Überlebenswillen – gelegentlich blitzen sogar humorvoll-ironische Momente auf.

Für Schulklassen und interessierte Besucher*innen gibt es weitere Vorstellungen. Informationen zu den Terminen sind wie immer unter www.theaterdo.de oder telefonisch unter 0231 / 50 27 222 erhältlich.




Wie viele Zähne hat eine Schnecke? – Das Gewicht der Ameisen

Wie viele Zähne hat eine Schnecke?
Aber halt – geht es nicht um Ameisen? Sagt ja schon der Titel des Theaterstücks, das am Sonntag Premiere im KJT, dem Kinder- und Jugendtheater an der Sckellstraße, hatte. Und was hat es mit der Pizza auf sich?

Aber erst einmal sehen wir ein minimalistisches Bühnenbild, das sich in so ziemlich alles verwandeln kann. Ein weißer Kreis bedeckt den Boden, ein weiterer Kreis bildet den Hintergrund. Lichteffekte und wenige Möbel auf Rollen sind Werbeplakat und Schrank oder Schreibtisch und Krankenbett zugleich. Die fünf Schauspielerinnen und Schauspieler stehen außerhalb der Kreise, in ihrer Nähe einige Requisiten – vor allem Perücken.

Wo wir uns gerade befinden in dem Stück des kanadischen Autors David Paquet, ergibt sich aus den Texten der Darstellenden, die fast alle mehrere Rollen spielen, und aus einem beschreibenden Off-Text, den meistens Thomas Ehrlichmann spricht.
Das harmoniert im gesamten Stück ausgezeichnet als Teil der Inszenierung (Regie: Annette Müller) und ermöglicht sowohl einem sehenden als auch einem nichtsehenden Publikum, der Handlung zu folgen.

Turbulent geht es bereits los: Der Direktor (Harald Schwaiger) erklärt über ein Mikrofon seiner Schule, man habe es unter die letzten zehn der schlechtesten Schuleinrichtungen geschafft. Ihm sei das egal, er gehe in einem Jahr in Rente.
Aber vielleicht ist es ihm doch nicht so egal, denn er ruft die „Woche der Zukunft“ aus. In dieser Woche soll auch eine Schülersprecherin oder ein Schülersprecher gewählt werden. Die erste Kandidatin wird zwangsverpflichtet. Nachdem sie mit einem Werbeplakat auf der Schultoilette gekämpft hat, soll Jeanne (Sar Adina Scheer) antreten. Die hat erst wenig Lust, doch dann nimmt sie die Herausforderung an.
Ihr Gegner ist Olivier (Jan Westphal), ein belesener Junge, der auf der Suche nach Fakten ein Buch über unnützes Wissen erhält.

Bianka Lammert, Harald Schwaiger, Jan Westphal, Sar Adina Scheer, Thomas EhrlichmannFoto: (c) Birgit Hupfeld
Bianka Lammert, Harald Schwaiger, Jan Westphal, Sar Adina Scheer, Thomas Ehrlichmann
Foto: (c) Birgit Hupfeld

Beide suchen sich Unterstützung – mal mehr, mal weniger erfolgreich –, müssen sich mit (Alb-)Träumen und Realitäten auseinandersetzen, mit Gerechtigkeiten und Ungerechtigkeiten und mit unerwarteter Konkurrenz.

Zwischen Lachen und Lebensfragen

Schon zu Beginn reizen Text und Darstellung zu den ersten Lachern. Die Inszenierung zeigt eine Leichtigkeit, und die Schauspielerinnen (in vielen kuriosen Rollen: Bianka Lammert) und Schauspieler sind extrem gut aufgelegt. Dabei geht es um schwergewichtige Themen: Umwelt und Politik, das Erwachsenwerden, die eigene Haltung, die Ohnmacht, selbst etwas ändern zu können.
Jede und jeder trägt sein eigenes Päckchen. Aber verzagen? Und dann ist neben dem Ich auch noch das Wir. Da geht noch was. „Nichtstun hat Konsequenzen. Wer nichts sagt, sagt ja.“

Die Figuren erleben Rückschläge und Motivation, kommen zu (be)merkenswerten Erkenntnissen: „Optimismus ist ein Muskel, den musst du trainieren, sonst verkümmert er.“
Es wird gesungen, gelacht – und noch ist offenbar nicht alles verloren.
Am Ende schwappt der Text ein wenig zu deutlich noch einmal viele Botschaften ins Publikum. Das ist aber auch der einzige kleine Kritikpunkt.

Ansonsten eine beeindruckende Inszenierung eines topaktuellen Stücks mit hervorragenden Schauspielerinnen und Schauspielern.

Und wie viele Zähne hat nun eine Schnecke? Das kann man in Büchern oder im Netz herausfinden. Man kann aber auch einfach in das Stück gehen und sich die Antworten auf weitere Fragen holen:
Ist der Direktor auch nur ein Mensch?
Was ist mit dem Gewicht der Ameisen?
Und was ist nun mit der Pizza?

Für Jugendliche ab zwölf – und auf jeden Fall auch für alle Erwachsenen! Das altersgemischte Premierenpublikum war begeistert.

Nächste Vorstellungen:
01., 08., 09. April und weitere
im KJT – Kinder- und Jugendtheater an der Sckellstraße, Dortmund
www.theaterdo.de

 




Zwischen Nordpol und Südpol: Ein Kind zwischen Fürsorge und Vernachlässigung

Mit dem Stück Südpol.Windstill von Armelia Madreiter unter der Regie von Franz Maria Hoffmann hat sich das Dortmunder Kinder- und Jugendtheater (KJT) einem brisanten, oft schamhaft verdrängten Thema angenommen: dem Leben von Kindern in dysfunktionalen Familienstrukturen und prekären Wohnverhältnissen. Die Premiere fand am 14. Februar 2025 im Skelly (KJT) statt.

Eindrucksvoll war die Bühnenausstattung mit einer hellen Kachelwand im Hintergrund und einem vollständig in weißes Glitzertuch gehüllten Innenraum. Links stand ein dreistufiges Treppengestell mit einer Mikrowelle ganz oben, rechts ein Kühlschrank.

Sensibel und ernsthaft, zugleich humorvoll und voller Lebenskraft, stellte die Inszenierung das zehnjährige Mädchen Ida (stark gespielt von Annika Hauffe) in den Mittelpunkt. Ida ist fasziniert vom Nord- und Südpol und träumt davon, Polarforscherin zu werden. Sie liebt die Ruhe und Weite der Polarregionen. Das Publikum erfährt, dass dieses Interesse auch mit Idas Mutter zusammenhängt, mit der sie in einem riesigen Wohnkomplex lebt. Diese liegt oft depressiv auf dem Sofa und trinkt viel Alkohol. An diesen „Nordpol-Tagen“ ihrer Mutter kümmert sich Ida um Haushalt und Mutter, wobei sie aus Rücksicht auf deren psychische Erkrankung absolut leise sein muss. Damit die schwierige Situation zu Hause nicht auffällt, verheimlicht das Kind seine Lage. Halt und Unterstützung findet Ida nur bei ihrem imaginierten besten Freund, dem Polarforscher Robert Falcon Scott (humorvoll dargestellt von Rainer Kleinespel). Gemeinsam planen sie Expeditionen und lösen Kreuzworträtsel, wobei Kleinespel eine gute Portion Humor ins Geschehen bringt.

Ein Alltag zwischen Extremen

Doch es gibt auch die „Südpol-Tage“: Dann ist die Mutter gut gelaunt, interessiert sich für ihre Tochter und übernimmt Verantwortung – so, wie es eigentlich sein sollte. Für Ida fühlt es sich an, als hätte sie zwei völlig verschiedene Mütter. Es wird angedeutet, dass es sich um eine bipolare Störung handelt, begleitet von Alkoholmissbrauch.

Südpol.windstill: Rainer Kleinespel (Robert Falcon Scott), Annika Hauffe (Ida)(c) Birgit Hupfeld
Südpol.windstill: Rainer Kleinespel (Robert Falcon Scott), Annika Hauffe (Ida)
(c) Birgit Hupfeld

Als Ida den zwölfjährigen Ari kennenlernt, der aus einer großen Familie stammt und einen ruhigen Platz für seine astronomischen Forschungen sucht, gewinnt sie einen echten Freund. Ari (kongenial gespielt von Thomas Ehrlichmann) gibt Ida nicht nur Lebenskraft, sondern auch neue Einsichten und Hoffnung.

Lange trägt Ida einen Brief der Schule mit sich herum, aus Angst, er könne schlechte Nachrichten enthalten und ihre Mutter beunruhigen. Die Mutter braucht schließlich oft Stille. Doch irgendwann muss der Brief geöffnet werden …

Erstaunlich ist, welche Ausdruckskraft die fantasievolle Nutzung einfacher Gegenstände wie Blechdosen oder Kacheln in dieser Inszenierung entwickelt. Annika Hauffe als Ida gewährt dem Publikum tiefe Einblicke in das Seelenleben eines Kindes, das trotz widriger Umstände Willenskraft, Fantasie und Mut zeigt – und die Bedeutung von Freundschaften, in denen man sich öffnen kann.

Atmosphärisch und mit viel Feingefühl wurde die Aufführung musikalisch von Murphy Martyna Baginski begleitet.

Weitere Aufführungstermine finden Sie unter www.theaterdo.de oder telefonisch unter 0231/5027222




Dornröschen und seine spannenden Traum-Erlebnisse

Mit „Dornröschen – Hundert Jahre im Land der Träume“ bringt Andreas Gruhn, der langjährige Intendant des Dortmunder Kinder- und Jugendtheaters (KJT), ein modernes Familienstück in der Vorweihnachtszeit auf die Bühne des Schauspielhauses. Am 22. November 2024 feierte diese frische Inszenierung des Märchenklassikers der Gebrüder Grimm ihre Uraufführung.

Eine opulente Ausstattung (Oliver Kostecka), fantasievoll gestaltete Kostüme, beeindruckende Hintergrundprojektionen und die atmosphärisch stimmige Musik von Michael Kessler machen das Stück zu einem Fest für Augen und Ohren. Im Gegensatz zur traditionellen Geschichte führt das Publikum hier eine Reise in die Welt der Träume.

Ein modernes Dornröschen für unsere Zeit

Andreas Ksienzyk begleitet als charmanter Erzähler durch die Handlung, während das Ensemble mit Spielfreude und Flexibilität in zahlreichen Rollen überzeugt. Sar Adina Scheer (u. a. als Königin), Jan Westphal (u. a. als König), Bianka Lammert, Johanna Weißert (als Fee Gunella), Rainer Kleinespel, Annika Hauffe (als Rosalinde/Dornröschen) und Thomas Ehrlichmann (u. a. als Prinz) zeigen Einfühlungsvermögen und Engagement. Besonders Annika Hauffe glänzt in der Hauptrolle und verleiht Dornröschen eine völlig neue Dimension.

Sar Adina Scheer, Johanna Weißert, Bianka Lammert und Jan Westphal in "Dornröschen" (Foto: (c) Birgit Hupfeld)
Sar Adina Scheer, Johanna Weißert, Bianka Lammert und Jan Westphal in „Dornröschen“ (Foto: (c) Birgit Hupfeld)

Diese Inszenierung interpretiert die bekannte Märchenfigur neu: Dornröschen, hier Rosalinde genannt, ist keine passive Prinzessin im schönen Kleid, die auf ihren Retter wartet. Stattdessen wird sie als kluges, selbstbewusstes und neugieriges Mädchen dargestellt, das sich für Naturwissenschaften und Astronomie begeistert. Rosalinde trägt kurze blonde Haare und Kleidung, die eher Jungen zugeordnet wird, wodurch stereotype Geschlechterrollen humorvoll aufgebrochen und in die Gegenwart übertragen werden.

Zudem thematisiert das Stück sensibel den verantwortungsvollen Umgang mit der Natur und unseren Lebensgrundlagen. Diese zeitgemäße Interpretation macht Dornröschen zu einer mutigen Identifikationsfigur für junge Mädchen, die zeigt, wie wichtig es ist, seine Träume zu verfolgen – auch gegen Widerstände.

Ein Theatererlebnis für die ganze Familie, das nicht nur unterhält, sondern auch zum Nachdenken anregt. Weitere Informationen und Termine finden Sie auf www.theaterdo.de oder telefonisch unter 0231/50 27 222.




Der Zauber von Oz als modern-fantasievolles Abenteuer

Wer kennt nicht die Geschichte vom „Zauberer von Oz“ (Lyman Frank Baum) aus dem Jahr 1900 und die berühmte Filmversion (1939) mit Judy Garland?
Die Inszenierung des Stücks „Der Zauber von Oz“ (Regie: Johanna Weißert) basiert auf der frisch-modernen Fassung des Autors Sergej Gössner.
Die Premiere fand am 02.09.2024 im Kinder- und Jugendtheater (KJT) Dortmund statt.

Doro, wunderbar gespielt von Anna Reizbikh (im Rollstuhl), lebt hier mit ihrer alleinerziehenden, berufstätigen Mutter (Bianka Lammert) in der sechsten Etage eines schäbigen alten Wohnblocks Nr. 39. Um dem Alleinsein zu entfliehen, taucht Doro in die (Traum-)Welt des neuen Handyspiels SMARAGDCITY ein oder singt. Plötzlich stürmt es draußen, und ein Heißluftballon schlägt an ihr Fenster. Unvermittelt landet sie im Land Oz.

Annika Hauffe, Anna Reizbikh, Sar Adina Scheer, Andreas Ksienzyk, Thomas Ehrlichmann, Bianka Lammert. Foto: (c) Birgit Hupfeld
Annika Hauffe, Anna Reizbikh, Sar Adina Scheer, Andreas Ksienzyk, Thomas Ehrlichmann, Bianka Lammert. Foto: (c) Birgit Hupfeld

Ein fantasievolles Abenteuer im Land Oz

Zurück kommt sie nur mit der Hilfe des Zauberers. Dafür muss sie sechs Smaragde gewinnen und begegnet dabei der Hexe (Bianka Lammert), dem zerstreuten Strohmann (Thomas Ehrlichmann), der Blechfrau (Sar Adina Scheer) mit Liebeskummer, dem mutlosen Löwen (Andreas Ksienzyk) sowie der Porzellanprinzessin (Annika Hauffe). Gemeinsam stürzen sie sich in das Abenteuer.

Fantasievoll gestaltet waren nicht nur das Bühnenbild (Julia Schiller), sondern auch die Kostüme. Für die sensible musikalische Begleitung sorgte Michael Kessler.
Wie so oft gelang es dem engagierten KJT-Ensemble, sich mit viel Spielfreude und Empathie in ihre verschiedenen Rollen hineinzuversetzen.

Klischees und Vorurteile werden mit Humor begegnet. Gemeinsam kann man viel schaffen. Trotz persönlicher Schwächen setzen die Figuren ihre individuellen Stärken ein, um ein gemeinsames Ziel (zum Wohl aller) zu erreichen.

Weitere Aufführungstermine erfahren Sie wie immer unter www.theaterde.de oder Tel.: 02321/ 50 27 222.




Monsta-Grusel im Dortmunder Kinder- und Jugendtheater

Zu Beginn der neuen Theatersaison stand am 12.09.2024 im Dortmunder Kinder- und Jugendtheater die Premiere von „Monsta“ (ab 4 Jahren) nach dem Bilderbuch von Dita Zipfel und Mateo Dineen unter der Regie von Antje Siebers auf dem Programm.
Julia Schiller sorgte bereits mit ihrem liebevoll gestalteten Bühnenbild für eine besondere Atmosphäre.
KJT-Schauspieler Jan Westphal schlüpfte mit viel Engagement in seine Rolle als Monsta (eigentlich Harald) und trug ein haariges Kostüm. Musikalisch kongenial begleitet wurde er von Max Wehner.
Monsta kann hervorragend „monstern“.

Jan Westphal ist "Monsta" (c) Birgit Hupfeld
Jan Westphal ist „Monsta“ (c) Birgit Hupfeld

Er hat sich ein spezielles Kind ausgesucht, um es zum Erzittern zu bringen, und hat sich unter dem Bett des Kindes niedergelassen. Monsta zieht alle Register, doch alle Versuche scheitern, da das Kind ungerührt weiterschläft. Vielleicht muss es erst noch wachsen…

„Monsta“: Ein humorvolles Gruselerlebnis für Kinder

Das Stück „Monsta“ arbeitet geschickt mit Geräuschen und unheimlichen Elementen wie Leuchtlampen, weißen Laken, Mini-Monstern und Luftballons.
Die zahlreichen Kita-Kinder machten sich oft lautstark durch Zwischenrufe bemerkbar.
Mit seinem zunehmenden Bewegungsdrang, Situationskomik und gezielt eingesetzten Grimassen gelang es Westphal, einen Kontakt zum jungen Publikum aufzubauen. So entstand eine spannende, nicht planbare Interaktion.
„Monsta“ ist ein humorvolles Stück über das Anziehende und gleichzeitig Furchteinflößende des Gruseligen.
Infos über weitere Aufführungstermine erhalten Sie wie immer unter www.theaterdo.de oder telefonisch unter 0231/50 27 222.




Ausbreitungszone – Könnten wir zurück in den Wald?

Der Wald gilt ja in Deutschland seit der Romantik als eine Art Sehnsuchtsort. Der Wald erfuhr als Sinnbild der malerischen Natur, aber auch der unergründlichen und gegensätzlichen Welt große Verehrung. In den Werken der Maler Caspar David Friedrich und Moritz von Schwind oder des Dichters Joseph von Eichendorff ist der Wald allgegenwärtig.



Doch in dem Theaterstück „Ausbreitungszone“ der französischen Autorin Mariette Navarro geht es nicht nur um den Wald als Rückzugsort, sondern um Themen wie Identität oder Isolation. In „Ausbreitungszone“ gehen 12 junge Menschen in einen Wald hinein, der sich mysteriöserweise ausgebreitet hat. Die Grenze zwischen Stadt und Wald ist kaum erkennbar. Doch alle haben nicht die gleichen Gründe. Für die einen ist aus Ausbruch aus den alltäglichen Leben in der Großstadt, andere erhoffen, aus ihrer Isolation zu fliehen.

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Dieser Weg wird kein leichter sein:  Jugendclubproduktion "Ausbreitungszone" mit Johannes Weber, Charlie Lutomski, Lea Sommer, Stelle Hanke, Niklas Havers, Nessa Cofala, Marie Gelfert, Rebecca Poersch, Jost Förster, Julia Hartmann, Daria Deuter und Ariana Paktin. Foto: (c) Birgit Hupfeld
Dieser Weg wird kein leichter sein: Jugendclubproduktion „Ausbreitungszone“ mit Johannes Weber, Charlie Lutomski, Lea Sommer, Stelle Hanke, Niklas Havers, Nessa Cofala, Marie Gelfert, Rebecca Poersch, Jost Förster, Julia Hartmann, Daria Deuter und Ariana Paktin. Foto: (c) Birgit Hupfeld

Die Mitglieder des Jugendclubs unter der Leitung von Christine Appelbaum und Franz Marie Hoffmann zeigten am 04. Mai 2024 im KJT , dass die romantische Sicht auf den Wald oder das Unbekannte durchaus nicht immer ganz einfach ist. Wie reagiere ich, verhalte ich mich falsch, was will ich überhaupt da? In einer Spielszene erzählen sich die Teilnehmenden, was sie an der Stadt fasziniert wie Geräusche und ähnliches.

Dennoch ist der Wunsch nach einer Gegengesellschaft bei allen spürbar. „So kann es nicht weitergehen“ scheint das gemeinsame Motto zu sein. Diese Gefühle sind nicht neu. Die frühe Naturschutz- und Umweltbewegung, die Jugendbewegung, sozialdemokratische Naturfreunde, Wandervögel und Wandervereine haben bereits Ende des 19. Jahrhunderts ein Gegenmodell zum Großstadtleben propagiert.

Das Ende von „Ausbreitungszone“ besitzt Anspielungen auf die Besetzung des „Hambacher Forsts“ und schlägt eine Brücke zu den aktuellen Umweltschutzgruppen wie Fridays for Future oder Letzte Generation. Ein großes Lob an die jungen Schauspielenden. Mit dabei waren: Nessa Cofala, Daria Deuter, Jost Förster, Marie Gelfert, Stella Hanke, Julia Hartmann, Niklas Havers, Charlie Lutomski, Ariana Paktin, Rebecca Poersch, Lea Sommer und Johannes Weber