Täuschung im Chat: „Cyber Cyrano“ am KJT Dortmund
Mit „Cyber Cyrano“ von István Tasnádi in der Regie von Johanna Weißert präsentierte das Kinder- und Jugendtheater Dortmund am 27. September 2025 ein Stück, das Motive des bekannten Dramas „Cyrano de Bergerac“ von Edmond Rostand aufgreift. In Rostands Stück verliebt sich der Titelheld Cyrano in seine Cousine Roxane. Cyrano ist ein Meister der Worte, leidet jedoch unter seiner großen Nase. Roxane wiederum schwärmt für Christian, den Cyrano heimlich mit seiner Sprachgewandtheit unterstützt.
Tasnádi stellt diese Grundidee auf den Kopf. Hier ist es nicht der „hässliche“ Mann, der dem hübschen, aber einfältigen Rivalen hilft, sondern die Schülerin Zoe (Sar Adina Scheer), die sich in ihren langjährigen Klassenkameraden Mats (Jan Westphal) verliebt hat. Dieser wiederum scheint Gefühle für die neue Mitschülerin Lina (Annika Hauffe) zu entwickeln. Aus Eifersucht erfindet Zoe ein wohlhabendes Geschwisterpaar, Viktor und Moira, mit denen sie angeblich befreundet ist. In Wahrheit steckt jedoch sie selbst hinter deren Chatnachrichten: Viktor schreibt mit Lina, Moira mit Mats.
(Foto: ©Birgit Hupfeld)
Schon das Bühnenbild macht die Szenerie klar: Wir befinden uns in einer Schule. Rechts stehen zwei Schulbänke mit Tafel, links deutet sich eine Aula an, in der Lina und Mats eine Choreografie zu einem Song von Taylor Swift proben – sehr zum Missfallen von Zoe. Wenn sie über ihre Intrigen nachdenkt, nimmt sie Platz in einem Ball Chair.
Das Stück, das sowohl komische als auch nachdenkliche Momente bietet, wirft die Frage auf: Sind junge Menschen tatsächlich so leichtgläubig, dass sie jede Nachricht auf dem Smartphone unhinterfragt akzeptieren? Selbst Menschen mit Lebenserfahrung haben sich schon von angeblichen „Prinzen“ aus Nigeria täuschen lassen, die ihnen Millionen versprachen. Ähnlich überzogen wirken die Geschichten des angehenden Diplomaten Viktor, der mit eigenem Segelboot und angeblicher Fähigkeit in die Zukunft zu blicken daherkommt – oder Moira, die angeblich schon mit 14 als Model um die Welt reiste. Erst sehr spät überprüft Mats die Erzählungen und entlarvt Zoe, was schließlich zu ihrem Rauswurf aus der Schule führt.
„Cyber Cyrano“ ist somit keine Liebesgeschichte und auch keine Tragödie, sondern vielmehr ein Appell an die Medienkompetenz: Glaubt nicht alles, was in Chats oder sozialen Medien steht, und überprüft Informationen kritisch – vor allem dann, wenn sie zu schön klingen, um wahr zu sein.
Die Inszenierung richtet sich sprachlich klar an ein jugendliches Publikum, ohne dabei in künstlichen Jugendslang zu verfallen. Zudem hatte das Stück durchaus poetische Momente. Sar Adina Scheer, Jan Westphal und Annika Hauffe überzeugten durch lebendiges Spiel und wurden vom fast ausverkauften Saal mit großem Applaus belohnt.
So zeigt „Cyber Cyrano“, dass es nicht nur pädagogisch relevant, sondern auch als Theatererlebnis sehenswert ist.