Viva Vassileva – Ein Abend für Percussion

Freund:innen von Schlagwerk und Percussion jeder Art hatten am 22. Juni 2023 einen großen Abend im Konzerthaus. Denn die Percussionistin Vivi Vassileva war nicht nur alleine gekommen, sie hatte auch das Extasi Ensemble mit dabei: Jürgen Leitner, Aleksandar Georgiev, Valentin Vötterl und Leon Lorenz sorgten dafür, dass die Bühne des Konzerthaus gefüllt war mit Toms, Becken, Xylophone, Marimbaphone und anderen Dingen, die zur Klangerzeugung nützlich sind. Mit dabei war auch der Pianist Per Rundberg.



Mir als „einfachen“ Schlagzeuger, der schon froh darüber ist, Groove und Tempo zu halten, nötigte das Konzert höchsten Respekt ab. Denn es geht ja nicht nur darum, einen Rhythmus zu spielen, sondern auch die Melodieinstrumente wie Xylophone perfekt zu spielen.

Nach einem kleinen Aufwärmstück ging das Konzert mit dem „Inferno“ von Daniel Bjarnasson weiter. Hier ging es direkt in die Hölle mit Gongs, Becken und anderen unheilvollen Klängen. Zum Einsatz kam auch ein Txalaparta, ein baskisches Schlaginstrument. Insgesamt ein starkes Stück, dass die Dunkelheit und Düsternis feiert.

Nach der Pause ging es mit dem „Oraculum“ von Oriol Cruixent weiter. Ebenfalls ein modernes Stück, geschrieben 2019, mit sieben Sätzen, die den sieben Chakren zugeordnet sind. Gingen wir vor der Pause im letzten Stück in die Hölle, so arbeiteten sich die Künstler langsam in den Himmel, oder zur „Erleuchtung“. Auch hier wurden unzählige Schlagwerke gebraucht und kombiniert, so dass magische Klänge zustande kamen.

Steve Reichs „Drumming“ Part I ist ein Kleinod der minimal music. Im Mittelpunkt stehen Rhythmen, die durch Phasenverschiebung neue Muster bilden. Ein sehr intensives Stück, bei dem vier Musiker gleichzeitig für einen intensiven Sound sorgten.

Ein gelungener Abend, nicht nur für Freund:innen von Percussions. Gut aufgelegte Musiker und moderne Musik, eine tolle Kombination bei den „jungen Wilden“.




Geheimnisse der Natur – Ema Nikolovska

Zusammen mit dem Pianisten Kunal Lahiry präsentierte am 22. März 2023 im Konzerthaus die Mezzosopranistin Ema Nikolovska ein beeindruckendes Repertoire an Liedern und Vokalisen, das von der Schubertschen Romantik bis zur zeitgenössischen Musik reichte.



Der erste Teil des Konzertes war hauptsächlich Franz Schubert und Aaron Copeland gewidmet.  „Twelve Poems of Emily Dickinson“ ist eine Sammlung von Liedern des amerikanischen Komponisten Aaron Copland, die auf Gedichten der amerikanischen Dichterin Emily Dickinson basieren. Die Sammlung wurde erstmals im Jahr 1950 veröffentlicht.

Ema Nikolovska bot mit dem Pianisten Kunal Lahiry ein aufregendes Konzert. (Foto: (c) kaupo Kippas)

Copland hat in diesen Liedern die lyrische Sprache und Stimmung der Gedichte von Dickinson aufgegriffen und in musikalischer Form umgesetzt. Die Musik ist geprägt von klaren, einfachen Melodien und harmonischen Strukturen, die Dickinsons minimalistischem Stil entsprechen.

Die Natur stand in diesen Liedern – wie auch in den von Schubert – im Mittelpunkt. Aber auch Gefühle wie der Verlust und die Einsamkeit („Why do they shut me out of heaven?“) wurden von Ema Nikolovska pointiert gesungen.

Eine Besonderheit waren die „Fünf Melodien“ von Sergej Prokofiew. Eigentlich für Klavier und Violine komponiert, übernahm Ema Nikolovska die Stimme der Violine, aber als Vokalise. Typischerweise wird beim Vokalising eine einzige Silbe, wie „ah“ oder „oh“, auf verschiedene Weise wiederholt und variiert. In der Sowjetunion wurde diese Technik auch benutzt, um zensierte Texte zu umgehen und den Text zu „vokalisieren“. Ein bekanntes Beispiel dafür ist Eduard Khil, der mit seiner vokalisierten Version von „Я очень рад, ведь я, наконец, возвращаюсь домой“ zu einem Internet-Phänomen wurde.

Von diesen Vokalise-Liedern gab es im zweiten Teil mehr. Verschiedene Komponist:innen haben derartige Lieder geschrieben, von Olivier Massiaen über Emily Doolittle bis Héloïse Werner. Sie alle forderten die stimmlichen Fähigkeiten von Ema Nikolovska, die zweimal sogar einen Holzblock als Schlaginstrument benutzen durfte.

Ema Nikolovska ist eine Mezzosopranistin aus Nordmazedonien, die in Deutschland lebt und arbeitet. Sie wurde 1992 in Skopje geboren und begann ihre musikalische Ausbildung an der Musikschule von Skopje. Später studierte sie Gesang an der Hochschule für Musik und Theater Felix Mendelssohn Bartholdy in Leipzig und schloss ihr Studium im Jahr 2017 mit Auszeichnung ab.

Als Zugabe durften die Besucher:innen von Robert Schumann ›Mondnacht‹ aus »Liederkreis« 12 Gesänge von Joseph von Eichendorff op. 39 erleben.




Ein Festival der jungen Wilden – Rising stars

Am 25. Februar 2023 gab es einen Marathon im Konzerthaus. Natürlich einen musikalischen Marathon. Sechs SolokünstlerInnen und das Aris Quartett präsentierten ihr Können. Unterschiedliche Musikstile aus über fünf Jahrhunderten konnten die BesucherInnen genießen. Das Konzert hatte den Übertitel Mensch – Natur – Technik. Moderiert wurde der Abend vom Pressesprecher des Konzerthauses Heiko Schmitz.



Den Beginn machte die Violinistin Diana Tishchenko, die vom Pianisten José Gallardo begleitet wurde. Ihr Konzert hatte einen orientalischen Touch, Ravels „Tzigané“ entführte uns in die Welt der Sinti und Roma, während der türkische Komponist Fazil Say die Zerstörung der Natur anprangerte. Ein berührender Moment war als Tishchenko im zweiten Satz den „verletzten Vogel“ auf ihrer Violine wehklagen ließ.

Die Perkussionistin Vanessa Porter war erst vor kurzem im Konzerthaus zu bewundern, denn die gab zusammen mit ihrer Schwester ein Konzert im Rahmen der Zeitinsel Gubaidulina. Vanessa Porters Superkraft ist es, als allen Dingen Klänge und Rhythmen zu erzeugen. Ob es zerknülltes Papier ist oder ihr eigener Körper, alles wird zu Musik. Doch das ist nicht alles: Sie beherrscht das Vibraphon meisterlich wie beim Stück „Shapes“ von Emil Kuyumcuyan. In „Le corps à corps“ für Stimme und Zarb von Georges Aperghis wird auch die Stimme als Rhythmusinstrument eingesetzt.   

Die Stimme stand im Mittelpunkt des dritten Teils. Hier sang James Newby, begleitet von Joseph Middleton einige Lieder die sich mit Flora und Fauna beschäftigten. Selbstverständlich durfte Schuberts „Forelle“ nicht fehlen, aber die Auster von Cole Porter war ebenfalls vertreten wie die Robbe (The seal man“ von Rebecca Clarke oder der Kolibri von Ernest Chausson.Die Welt der Blumen vertrat unter anderem Mozarts „Veilchen“. Die musikalische Bandbreite reichte vom romantischen Kunstlied bis hin zum jazzigen Cole Porter.

Auch das Aris Quartett im vierten Teil des Programms hatte unterschiedliche musikalische Stile im Angebot. Den beginn machte das zeitgenössische Wer der japanischen Komponistin Misato Mochizuki. In ihrer Auftragsarbeit „in-side“ referiert sie den Schöpfungsmythos der japanischen Urmythologie. In ihrem Stück wird das Götterpaar Izanagi und Izanami durch das Cello repräsentiert, während die anderen Instrumente die Geburten der anderen Götter und Geister symbolisieren.

Der Höhepunkt war aber das Streichquartett Nr. 6 in f-moll von Felix Mendelssohn Bartholdy.

Da die Saxophonistin Jess Gillam erkrankt war, sprangen Lucienne Renaudin Vary an der Trompete sowie Félicien Brut am Akkordeon ein. Und wer Akkordeon sagt, muss auch Piazzolla sagen. Gespielt wurden zwei Stücke des argentinischen Komponisten: „Chau Paris“ und „Maria de Buenos Aires“ dazu „Maria“ aus der West Side Story von Leonard Bernstein. Beide Musiker begeisterten das Publikum durch ihre Virtuosität und Spielfreude und konnten erst nach einer Zugabe von der Bühne.

Die Reise durch mehrere Jahrhunderte klassischer Musik und die unterschiedlichen Künstlerinnen und Künstler faszinierten das Publikum. Ein langer, aber auch musikalisch unterhaltsamer Abend ging zu Ende.




Isata Kanneh-Mason – Emotionen in c-moll

Am 31. Januar 2023 präsentierte die Pianistin Isata Kanneh-Mason, eine der jungen Wilden, bezaubernde Klaviermusik im Konzerthaus. Romantik von Mendelssohn-Bartholdy, spätromantisches von Ernst von Dohnányi und ein modernes Stück der jamaikanischen Komponistin Eleanor Alberga.



Eleanor Albergas Musik schöpft sich aus den unendlichen Quellen von Klassik, Jazz und den Rhythmen ihrer Heimat Jamaika. Das ist beim Klavierquintett „Clouds“ nicht anders. Sehr rhythmisch spielt das Streichquartett im ersten Satz mit Kanneh-Mason zusammen. Der zweite Teil ist ruhiger, fast sphärisch ziehen die „Wolken“ daher, manche Glissandi spielt Kanneh-Mason im Klavierkasten, was einen Klang einer Harfe ähnelt. Der dritte Satz beginnt wieder wild, beruhigt sich aber wieder.

Am Anfang und Ende des Konzertes standen zwei Werke in c-moll. Den beginn machte Felix Mendelssohn-Bartholdy. Das Klaviertrio Nr. 2 c-moll ist ein anspruchsvolles, dramatisches Werk, das seine virtuosen Fähigkeiten im Klavierspiel, seine Meisterschaft im Schreiben für Streicher und seine tiefe emotionale Intensität zeigt. Hier konnte Isata Kanneh-Mason ihre emotionale Spielweise gut unter Beweis stellen.

Das gleiche gilt für das Klavierquintett Nr. 1 von Ernst von Dohnányi. Die musikalische Sprache von Dohnányi ist eine Mischung aus klassischer Tradition und moderner Experimentierfreude. Seine Kompositionen sind melodisch reichhaltig und rhythmisch anspruchsvoll, während sie gleichzeitig eine dichte, expressiv-emotionale Atmosphäre schaffen.

Isata Kanneh-Mason wurde begleitet vom Maxwell Quartett, bestehend aus Colin Scobie (Violine), George Smith (Violine), Elliott Perks (Viola) und Duncan Strachan (Cello). Quartett und Solistin waren gut aufeinander abgestimmt und harmonisierten perfekt.