Konfrontiert mit seinen Ängsten

Julia Amos (Lena), Gerardo Garciacano (Leander) ©Björn Hickmann / Stage Picture GmbH
Julia Amos (Lena), Gerardo Garciacano (Leander)
©Björn Hickmann / Stage Picture GmbH

Premiere für eine neue Reihe. Ab der Spielzeit 2014/15 führt die Oper Dortmund jährlich eine Familienoper für kleine und große Besucher auf. Den Startschuss machte am 31.05.2015 das Stück „Vom Mädchen, das nicht schlafen wollte“, eine Familienoper von Marius Felix Lange mit dem Libretto von Martin Baltscheit in einer Inszenierung von Johannes Schmid. Eine Kooperation des Opernhaus Dortmund mit der Deutschen Oper am Rhein und dem Theater Bonn.

Wie es sich für eine Premiere für eine neue Reihe gehört, verzauberte schon das Bühnenbild. Tatjana Ivschina präsentierte zu Beginn eine grandiose verschachtelte Fachwerkhauskulisse, die mit Luken versehen waren, so dass ab und an ein Blick in die Wohnungen dieses verschlafenen Dorfes geworfen werden konnten. Der Orchestergraben – besetzt mit den Dortmunder Philharmonikern unter der Leitung von Philipp Armbruster – wurde per Steg zum Fluss. Durch die Möglichkeit der Bühne verschiedene Ebenen darstellen zu können, erlebten die Zuschauer beispielsweise einen Tauchgang in den Fluss. Ebenfalls ein großes Lob gebürte Ivschina für die fantasievollen, aber durchaus zeitgemäßen Kostüme. Besonders effektvoll und düster war der Totengräber (gesungen von Karl-Heinz Lehner).

Die Geschichte: Das Mädchen Lena und der junge Leander sind gute Freunde. Als Leander für sie einen Apfel vom Baum schießen will um ihr zu imponieren, trifft er aus Versehen einen Vogel. Er behauptet, der Vogel schlafe nur, doch Lena ist sich sicher „wer so schläft, wacht nicht mehr auf“. Aus Angst, selber nicht wieder aufzuwachen, beschießt sie, erst gar nicht zu schlafen. Damit treibt sie nicht nur ihre Eltern und ihren Freund zur Verzweiflung, sondern beschäftigt hilflose Ärzte , Flößer und sogar eine Vogel-Prinzessin und auch die Schützenkapelle , einen Totengräber oder sogar den Mond…..

Der Berliner Komponist Marius Felix Lange vertonte die Familienoper als anspruchsvolle Herausforderung. Die abwechslungsreiche Partitur bot schräg-parodistische Töne, Koloratur-Arien für die Vogel-Königin, aber dazwischen immer wieder romantische Zwischenklänge. Ein schlichtes Gutsnachtlied hatte daneben ebenfalls einen Platz.

Die Akteure meisterten diese schwierigen musikalische und gesanglichen Klippen locker und souverän. Julia Amos als Lena und Gerado Garciacano als Leander waren die Highlights des sehr gut aufgelegten Ensemble. Garciacano, zuvor als „Don Giovanni“ zu sehen, hatte seinen Vollbart für die Rolle des Leander opfern müssen, aber das tat seiner warmen Stimme keinen Abbruch. Amos sang die Lena trotz der hohen Anforderung bezaubernd schön.

Von den anderen Darstellern sind vor allem John Zuckerman als „Mond“ und Karl-Heinz Lehner als düsterer Totengräber hervorzuheben. Der tiefe Bass von Lehner war beeindruckend.

Andrea Rieche als Mutter und Morgen Moody brachten die besorgte Eltern mit einer Priese Humor auf die Bühne . Antje Bitterlich als Vogel-Prinzessin brachte Magie in den Opernsaal.

Das Stück hatte auch noch einen „Running Gag“ in Form einer „schrägen“ Trachten-Schützenkapelle (Yyjin Kang, Henry Lancester, Darius Scheliga, Edward Steele), die das Geschehen humorvoll-ironisch begleiteten.

Weitere Termine: Sa, 06. Juni 2015, Di, 09. Juni 2015, Di, 16. Juni 2015, So, 21. Juni 2015, Di, 23. Juni 2015 und Mi, 24. Juni 2015




La Cenerentola – Ein bunter Abend voller Regieeinfälle

Aschenputtel soll nicht mit zum Ball. (v.l.n.r.) John Zuckerman (Don Ramiro), Ileana Mateescu (Angelina), Gerardo Garciacano (Dandini), Eugenio Leggiadri Gallani (Don Magnifico). (Foto: ©Björn Hickmann / Stage Picture)
Aschenputtel soll nicht mit zum Ball. (v.l.n.r.) John Zuckerman (Don Ramiro), Ileana Mateescu (Angelina), Gerardo Garciacano (Dandini), Eugenio Leggiadri Gallani (Don Magnifico). (Foto: ©Björn Hickmann / Stage Picture)

Doppelte Premiere am Samstag. Nicht nur Rossinis Oper „Aschenputtel“ (La cenerentola), sondern auch für Erik Petersen war es die erste Produktion auf dem Regiestuhl. Am Ende konnte man feststellen: Das Publikum war begeistert. Das lag nicht nur an den Sängern und den Musikern, sondern auch an den vielen kleinen Regieeinfällen von Petersen.

 

Es war nicht nur der Abend von Petersen, sondern auch von Eugenio Leggaiadri Gallani, der italienische Gastsänger spielte den Don Magnifico, den Vater von Clorinda und Tisbe sowie der Stieftochter Angelina, dem Aschenputtel, mit Bravour. Als Italiener war er natürlich in einer Rossini-Oper in seinem Element und konnte sein komödiantisches Talent voll ausleben. Gallani fühlte sich in der Rolle des „komischen Alten“ sehr wohl und hatte großartige Szenen. Beispielsweise als er davon träumt, dass er als angeheirateter Teil des Königshauses natürlich über Einfluss verfügt, der natürlich in barer Münze oder als Geschenk vergütet werden muss. Mit „Giocato ho un ambo e vincerò l’eletto“ wurde Korruption wohl noch nie so schön besungen.

 

Kommen wir nun zum Aschenputtel. Nach „Carmen“ die zweite große Rolle für Ileana Mateescu kurz hintereinander. Eben noch als Carmen eine stolze, selbstbewusste Frau, singt und spielt Mateescu eine Person, die an den Rand gedrängt wird, kaum über Selbstbewusstsein verfügt, aber dennoch an die Güte glaubt. Die Besucher leiden fast mit, wenn die beiden hochnäsigen Halbschwestern Clorinda und Tisbe sie piesackten und zusätzliche Arbeit verursachen. Mateescu zeigt bei den doch recht anspruchsvollen Koloraturen eine sehr gute gesangliche Leistung, und bringt den Wandel von der gedemütigten und geduckten jungen Frau hin zur strahlend-großmütigen Braut glaubhaft auf die Bühne. Julia Amos als Clorinda und Inga Schäfer als Tisbe hatten sichtlich Spaß in den Rollen der, boshaften und neidisch-arroganten Geschwister.

John Zuckerman und Gerardo Garciacano spielten und sangen den Prinzen Don Ramiro sowie Dandini, seinen Diener. In dieser Oper „Aschenputtel“ gibt es natürlich auch ein Element der Verkleidung. Don Ramiro (Zuckerman) verkleidet sich als Diener Dandini, während der eigentliche Dandini (Garciacano) als Prinz Ramiro den Frauen auf den Zahn fühlt. Das sorgt für Komik, den beide auch leidenschaftlich ausleben.

Publikumsliebling Christian Sist spielten den weisen Strippenzieher und Lehrer des Prinzen Don Ramiro mit Charisma und Humor. Dabei ist schon seine große Gestalt beeindruckend.

 

Das Bühnenbild weckte den Eindruck eines alten verfallenden Städtchens, aufgrund der Architektur der Giebel (Staffel- und Schweifgiebel) könnte man Deutschland vermuten, aber das Stück spielt in keiner bestimmt Zeit und an keinem bestimmten Ort. Daher waren auch die Kostüme zeitlos, aber fanstasievoll. Aschenputtel trug meist eine schmutzige Schürze, während ihre Halbschwestern in hübschen roten Kleidern auftraten. Der Herrenchor des Theaters Dortmund gab ebenfalls ein herrliches Bild ab: Alle Sänger trugen einheitliche Butler-Kleidung inklusive Melone und Schnurrbart.

 

Petersen präsentierte „Aschenputtel“ als funkensprühende komische Oper. Toll waren Einfälle, wie beispielsweise der Schlafplatz von Don Magnifico, der wie eine Schublade ein- und ausgezogen werden konnte. Kleine witzige Details wie der Gang von Don Ramiro über Koffer, der kleine Hocker, damit der kleine Ramiro (Zuckerman) überhaupt das große Aschenputtel am Ende küssen konnte und die fliegenden Bestechungsgeschenke für Don Magnifico machten „Aschenputtel“ zum Hingucker. Die große Spielfreude, die alle Beteiligten an den Tag legten, sorgten nach drei Stunden mit der Musik von Rossini für einen gelungenen Abend mit „Standing Ovations“ zum Schluss.

 

Die Musik von Rossini mit ihren Koloraturen war sicher kleine leichte Übung für die Musiker der Dortmunder Philharmoniker unter der Leitung von Motonori Kobayashi noch für die Sängerinnen und Sänger. Bei der Premiere kam es bei den Tempi noch zur einen oder anderen kleinen Unsicherheit, aber ich denke, es wird sich bei den nächsten Aufführungen eingespielt haben.

 

Die Gelegenheit, „Aschenputtel“ zu sehen, haben Sie am: So, 30. März 2014, So, 06. April 2014, Fr, 11. April 2014, Mi, 30. April 2014, Do, 22. Mai 2014, So, 01. Juni 2014, Fr, 06. Juni 2014, So, 15. Juni 2014 und Do, 03. Juli 2014.

Karten und Infos unter www.theaterdo.de oder 0231 50 27222.




Festlich-schwungvolle Operettengala

Die Operette ist tot? Davon konnte am 13. Dezember bei der festlichen Operettengala keine Rede sein oder wie Gastgeber Kammersänger Hannes Brock angesichts des fast ausverkauften Opernhauses zur Begrüßung sagte: „Es sind aber viele zur Trauerfeier gekommen.“ Die Operettengala „Die ganze Welt ist himmelblau“ zeigte, dass die Operette in seinen Facetten sowohl gefühlvoll, temperamentvoll, humorvoll und für die Interpreten äußerst anspruchsvoll ist.

 

Die Bühnendekoration war in einem festlichen rot gehalten. Neben zwei Kronleuchtern, rotem Vorhang waren auf der linken Seite eine riesige Rose aus Stoff zu sehen.

Das Programm gab Einblicke in die Operetten von Robert Stolz (z. B. Die ganze Welt ist Himmelblau), Johann Strauss ( z. B. Fledermaus), Franz Lehár (z.B. Lustige Witwe), Jacques Offenbach (La Grande Duchesse de Gérolstein), Carl Millöcker (Der Bettelstudent) oder Eduard Künneke ( Der Vetter aus Dingsda).

Gleich drei Dirigenten, nämlich der GMD Gabriel Feltz, Motonori Kobayashi und Philipp Armbruster führten die Dortmunder Philharmoniker musikalisch temperamentvoll und engagiert durch den Abend.

Tatkräftig unterstützt wurden die Interpreten ab und zu durch den elegant gekleideten Chor des Theater Dortmund unter der Leitung von Granville Walker.

Als wunderbarer und charmanter Moderator und Interpret zeigte sich einmal mehr Kammersänger Hannes Brock. Er führt mit viel Witz durch das Programm.

Das Programm selbst setzte sich aus verschiedenen Arten der Operette zusammen. Angefangen von den Offenbach-Operetten über die berühmten Wiener Operetten („Die Fledermaus“) oder den eher burschikosen Berliner Operetten („Der Vetter aus Dingsda“)

 

Ein Highlight des Abends war sicherlich das von Eleonore Marguerre wunderbar vorgetragene Vilja-Lied aus Franz Lehárs „LustigenWitwe“. Nicht nur Brock war schwer begeistert: „Das war schon Weltklasse“. Auch wie Marguerre die schwierigen Koloraturen bei „Conduisez-moi vers celui que j’adore“ („Robinson Crusoe“ von Jacques Offenbach) fast mühelos meisterte, war beeindruckend. Im Duett zusammen mit Hannes Brock konnte sie auch mit „Ich bin ein echtes Wiener Blut“ aus der Operette Wiener Blut von Johann Strauss begeistern.

Zu sehen und zu hören war auch das neue Paar aus Franz Lehárs „Der Graf von Luxemburg“ (Premiere ist am 11. Januar 2014): Julia Amos und Lucian Krasznec. Beide boten eine Kostprobe ihres gesanglichen Könnens mit „Wer hat die Liebe uns ins Herz gesenkt“ aus Franz Léhars „Das Land des Lächelns“.

Für einen gelungenen Abend trugen auch John Zuckerman, Morgan Moody, Anke Briegel und Ileana Mateescu bei. Mateescu verzauberte bei ihrem Lied „Ah, que j’aime les militaires“ aus „La Grande-Duchesse de Gerolstein“ von Jacques Offenbach, nicht nur mit ihrer Stimme, sondern auch mit einem Kleid mit tiefen Rückenausschnitt.

Ein großes Kompliment für die wunderbare Choreographie von Adriana Naldoni für den „Batavia-Fox aus dem „Vetter aus Dingsda“ von Eduard Künneke.

 

Geplant war eigentlich, dass Christian Sist das Lied „Ach , ich hab sie ja nur auf die Schulter geküsst“ aus dem Bettelstudent von Carl Millöcker Lied singen sollte. Sist kam aber erst zum Finale und zur Zugabe auf die Bühne. Als Ersatz beeindruckte Morgan Moody mit „Wenn auch die Jahre enteilen…es war einmal“ aus „Im Reich des Indra“ von Paul Lincke.

 

Die Besucher der Operettengala verlangten eine Zugabe und bekamen sie: Das gesamte Ensemble sang das Finale des zweiten Aktes der „Fledermaus“. Diese Zugabe wurde zur Freude des Publikums wiederholt.




Bilderflut beim Tannhäuser

Elisabeth setzt sich für Tannhäuser ein. v. l.: Gerardo Garciacano (Wolfram), Morgan Moody (Biterolf), Fritz Steinbacher (Heinrich d. Schreiber), Christian Sist (Landgraf), Martin Js. Ohu (Reinmar), John Zuckerman (Walther), Chor, Daniel Brenna (Tannhäuser, v.) (Foto: ©Thomas M. Jauk / Stage Picture)
Elisabeth setzt sich für Tannhäuser ein. v. l.: Gerardo Garciacano (Wolfram), Morgan Moody (Biterolf), Fritz Steinbacher (Heinrich d. Schreiber), Christian Sist (Landgraf), Martin Js. Ohu (Reinmar), John Zuckerman (Walther), Chor, Daniel Brenna (Tannhäuser, v.)
(Foto: ©Thomas M. Jauk / Stage Picture)

Radikal neu interpretierte Schauspieldirektor Kay Voges am 01. Dezember in der Oper Dortmund den „Tannhäuser“ von Richard Wagner. Mit dem Videokünstler Daniel Hengst an seiner Seite fügte Voges dem Tannhäuser eine weitere Dimension hinzu. Sprachgewaltige Bilder mischten sich mit dramatischer Musik und Sängerinnen und Sängern, die auch ihr Schauspieltalent in die Waagschale warfen.

Ein entscheidender Kniff von Kay Voges war die Verknüpfung der Geschichte von Tannhäuser mit dem Roman von Nikos Kazantzakis „Die letzte Versuchung“. In Kazantzakis Roman bekommt Jesus Christus die Chance, von seinem Kreuz hinabzusteigen und ein „normales“ Leben mit Maria Magdalena zu führen. Doch am Ende sieht Jesus ein, dass es seine Bestimmung war als Erlöser zu sterben.

Ähnlich geht es Tannhäuser. Er ist Gefangen im Reich der Lüste, im Venusberg. Doch er spürt, da muss noch mehr sein. Tannhäuser verlässt die Göttin Venus, und das Reich der Wollust, um sein Heil in Maria zu suchen. Diese Frauengestalt, die natürlich komplett im Gegensatz zur Göttin Venus steht, wird bei Wagner von Elisabeth, der Nichte des Landgrafen repräsentiert. Tannhäuser trifft wieder auf seine Sangeskollegen und der Sängerkrieg auf der Wartburg beginnt. Es kommt heraus, dass Tannhäuser im Venusberg war und er wird daraufhin verurteilt, als Büßer nach Rom zu pilgern, um dort Vergebung zu finden. Doch der hartherzige Papst schenkt Tannhäuser keine Vergebung: „Erst wenn ein Wanderstab frisches Grün treibt, wird dir erst vergeben“. Tannhäuser kehrt zurück, um festzustellen, dass Elisabeth gestorben ist, um im Himmel Erlösung für Tannhäuser zu erbitten. Die wird ihm im Tode gewährt, ein Pilgerstab eines Priesters zeigt frisches Grün.

 

Ein Jesus, der sich nach einem weltlichen Leben sehnt, ein Tannhäuser, der nach Erlösung strebt. Zwei Personen, quasi spiegelbildlich vereint, erweckt Voges zum Leben. Daniel Brenna, im Jesusgewand und mit Dornenkrone, sitzt im Fernsehsessel mit einer Dose Bier, während Venus (Hermine May) in einem Haushalt mit 60-er Jahre Ambiente zugange ist. „Ist das alles gewesen“, scheint sich Tannhäuser zu fragen, denn dieses hedonistische Leben bietet ihm plötzlich nichts mehr.

Auch ungewohnt für die Zuschauer sind die Sänger wie Walther von der Vogelweide oder Wolfram von Eschinbach. Keine frommen Minnesänger, sondern Gerado Garciano, John Zuckermann, Morgan Moody und Kollegen sahen eher aus wie „Die Wartburg sucht den Superstar“ im Gangsta-Rap-Format. Gold, Glitzer und typische Posen, wobei auch die Waffen locker sitzen, wie Tannhäuser feststellen musste.

Der absolute Star, auch gesanglich, war an diesem Abend Christiane Kohl als „Elisabeth“. Sie verkörperte die reine sinnliche Liebe, die die Minnesänger besangen. Eine Liebe, die aber nur von ferne gelebt werden durfte, wer sich dem Fleisch zuwandte wie Tannhäuser, der wird ausgeschlossen. Ähnlich entrückt sang Kohl ihre Elisabeth.

Daniel Brenna sang den wohl ungewöhnlichsten Tannhäuser im Jesuslook. Bei der Anfangsarie schien sich noch ein Frosch in Brennas Kehle versteckt zu haben, der sich erst nach einigen Takten löste. Danach fand er zu einer guten Form. Gesanglich war sein Wechsel zwischen Langeweile im Venusberg, Streitlust auf der Wartburg und die Sehnsucht nach Erlösung spürbar. Dennoch war es Wolfram (Gerado Garciano), dem mit seinem Lied an den Abendstern, einen der emotionalen Höhepunkte der Oper gelang. Nicht nur durch seine Körpergröße war Christian Sist, als Landgraf Hermann und Chef der Sängergang präsent auf der Bühne.

 

Apropos Bühne: War der Venusberg noch die Wohnhölle für Spießer, stand das Kreuz aus Videobildschirmen im Mittelpunkt der Bühne. Vom ihm kam Jesus/Tannhäuser zu ihm ging er wieder zurück. Die meiste Zeit diente es als Art Wegekreuz. Auch die Kuppel des Venusberges kehrte als Dornenkrone zurück.

 

Voges und Hengst fügten mit ihren Videos der Oper neben der Musik, der Bühne und dem Gesang eine weitere Ebene hinzu. Zu sehen gab es beispielsweise Reminiszenzen an religiöse Bilder der Kunstgeschichte, die verfremdet waren wie „Das letzte Abendmahl“ von Da Vinci oder die Papstbilder von Francis Bacon. Komische Elemente waren ebenfalls zu sehen. Beispielsweise beim Sängerkrieg, als neben Angela Merkel auch das Dortmunder U auftauchte. Dafür gab es spontanen Applaus. Sehr emotional und anrührend war die Videoszene, in der Elisabeth nach ihrer letzten Arie in den Tod ging.

 

Ein großes Lob gehört auch der Musik. Die Dortmunder Philharmoniker unter der Leitung von Gabriel Feltz erschlugen die Sängerinnen und Sänger nicht mit der Wucht, die Wagner entfachen kann, sondern sorgten für einen Klangteppich, auf dem die Beteiligten nicht versanken. Zu der gelungenen Aufführung gehörten auch die Chöre und die Statisterie.

 

Wenn Schauspieldirektor Kay Voges in der Oper „fremdgeht“, folgen ihm einige Schauspielkollegen. In den Videos waren Merle Wasmuth, Frank Genser, Carlos Lobo , Uwe Rohbeck und Uwe Schmieder zu sehen. Sogar die Bedienung Uschi Bienek war zu sehen.

 

Was bleibt von der Premiere? Eine ungewöhnliche, aufregende und radikale Tannhäuser-Inszenierung. Sie ist ebenso radikal wie Wagner damals radikal war. „Kinder, schafft Neues“, soll Wagner gesagt haben. Voges hat es gewagt und gewonnen. Sicher, das Stück wird und soll nicht jedem gefallen. Es ist Kunst und darüber kann und muss man streiten. Aber, dass trotz der Kampagne gegen Kay Voges, der überwiegende Teil der Zuschauer die Inszenierung mit Bravo-Rufen und Standing Ovation gefeiert hat, ist ein sehr positives Signal.