Tradition trifft Moderne

Noch ist das Gespenst Sir Simon (Rainer Kleinespel) guter Dinge. (Foto: © Birgit Hupfeld)
Noch ist das Gespenst Sir Simon (Rainer Kleinespel) guter Dinge. (Foto: © Birgit Hupfeld)

Wie jedes Jahr gastiert das Ensemble des Kinder-und Jugendtheaters auch 2015 mit einem Weihnachtsmärchen für die ganze Familie im Schauspiel Dortmund. Diesmal hat sich der Leiter des KJT, Andreas Gruhn, das „Gespenst von Canterville“ nach einer Erzählung von Oscar Wilde (1856 -1900) vorgenommen und bearbeitet. Am 26.11.2015 war die Premiere im Schauspielhaus.

Zur Geschichte: In den 60iger Jahren kauft der New Yorker Geschäftsmann Hiram Otis das englische Schloss Canterville. Als er dort mit seiner Frau Lucretia (Lucy) Otis, seinen jugendlichen Söhnen Washington und Buddy sowie der elfjährigen Virginia ankommt, erwartet sie die Verwalterin Mrs. Umney und warnt vor dem Geist von Sir Simon von Canterville, der dort nach seinem Tod vor 350 Jahren sein Unwesen treibt. Doch die rationalen, von der Fortschrittlichkeit ihrer Nation und materialistisch denkenden Amerikaner reagieren anders als erwartet. Ohne Angst bieten sie dem Geist die „Errungenschaften der neuen Zeit“ an, um zum Beispiel seine quietschenden Ketten mit einem speziellen Öl zu schmieren. Die Söhne attackieren ihn mit Wasserpistolen.

Mr. Otis plant, das alte Schloss und das Gespenst in einer Art „Disneyland“ zu verwandeln und zu vermarkten. Das Gespenst, versteht nicht, warum diese Menschen keine Angst vor ihm haben.

Nur die elfjährige Virginia begegnet ihm mit Empathie und kindlicher Offenheit. Ihr verrät er seinen sehnlichen Wunsch, nur zu „schlafen“ und in den „Garten des Todes“ hinüber zu gehen. Das kann er aber nur mit Hilfe des Mädchens…

Die Bühnenausstattung von Oliver Kostecka bot all das, wie sich viele Zuschauer/innen ein altes englisches Schloss vorstellen. Kronleuchter, dunkle Fassaden, alte Wendeltreppe, eine Ritterrüstung und einen ausgestopften Eisbären mit um Mitternacht rot funkelnden Augen. An der linken Seite eine schwarze Truhe. Nebel und Donnereffekte sorgten für eine schaurige Atmosphäre.

Mrs. Omney war bieder hochgeschlossen angezogen, während die Familie Otis in bunten Outfit der 60iger Jahre auftrat. Lustige Idee, dass alle in den gleichen leuchtend blauen Pyjama mit Aufdrucken auf die Bühne kamen.

Das Gespenst war weiß geschminkt und trug Halskrause und Pluderhosen aus der Renaissance-Zeit.

Es erinnerte ein wenig an den Poltergeist „Beetlejuice“ (Betelgeuse) aus dem gleichnamigen Film (1988) mit einer ähnlichen Thematik.

Wie bei einem Musical gab es eine Mischung aus Musik (Songs: unter anderem Swing, Rock und aus der Renaissance), Tanz und Schauspiel mit Slapstikelementen.

Im Stück prallen zwei Welten aufeinander. Die britisch-konservative, mit einer fast paranoiden Panik vor übernatürlichen Phänomene und dem materialistischen, rationalen Fortschrittsglaubens des amerikanischen Kapitalismus der 60iger Jahre des letzten Jahrhunderts. Oscar Wilde hat beides in seiner Erzählung ironisch Charakterisiert.

Die Schauspieler brachten die verschiedenen Typen sehr plastisch und gelungen auf die Bühne.

Bettina Zobel als spröde Mrs. Umney, die bei der kleinsten Störung in Ohnmacht fällt, aber dann kurz „auftaut“ und ein flottes Tänzchen mit Mr. Otis und den anderen auf der Bühne wagt. Joeri Burger (bekannt aus einem früheren Weihnachtsmärchen als „Pinocchio“) steuerte für das Stück einige schöne Choreographien bei. Johanna Weißert und Andreas Ksienzyk als Mr. Und Mrs. Otis spielen die fortschrittsgläubigen, geschäftstüchtigen Amerikaner mit großer Lust und Engagement. Mit Akribie preisen sie die Produkte der neuen Welt wie Fleckenentferner,Tropfen gegen Verdauungsprobleme oder gar Coca-Cola bei Ohnmacht an.

Die beiden Söhne Washington (Thosten Schmidt) und Buddy (Philip Pelzer) sind typische „New Yorker Boys“ ihrer Zeit. Sie spielen gerne Rockabilly-Musik und lieben die Annehmlichkeiten ihrer Zeit. Talisa Lara spielte die die Tochter Virginia, die mit ihren elf Jahren noch ein Kind ist und als einzige sensibel, offen und ohne Vorbehalte auf das Gespenst zugeht und ihm hilft. In der Sorge um ihr Kind, überdenken die Eltern ihre Pläne schließlich noch einmal. Talisa Lara meisterte die schwierige Aufgabe, eine Elfjährige zu spielen mit viel Einfühlungsvermögen.

Rainer Kleinespel spielt das Gespenst von Canterville in all seinen komischen und tragischen Facetten.

Ob das Stück für kleine Kinder zu gruselig ist? Ich denke nicht, denn Kleinespel bringt trotz unheimlicher Montur immer ein gewisses Augenzwinkern mit, selbst beim fürchterlichsten Kettenrasseln. Wer hat eigentlich Angst vor wem? Schnell bekommen die Zuschauer Mitleid mit Sir Simon, denn er will eigentlich nur seine Ruhe.

Fazit: Ein Besuch auf Schloss Canterville lohnt sich auf jeden Fall.

Karten und weitere Infos  unter www.theaterdo.de

 




Pinocchios Traum von der Menschwerdung

Gepetto (Andreas Ksienzyk) hat endlich seinen Sohn (Joeri Burger). Foto: © Birgit Hupfeld.
Gepetto (Andreas Ksienzyk) hat endlich seinen Sohn (Joeri Burger). Foto: © Birgit Hupfeld.

Es ist kaum zu glauben. Das Dortmunder Kinder-und Jugendtheater feiert in diesem Jahr schon sein 60-jähriges Bestehen. Die Premiere des diesjährigen Weihnachtsmärchens „Pinocchio“ am 14. November 2013 nach einer weltweit bekannten Erzählung von Carlo Collodi in der Bearbeitung vom Leiter des KJT Andreas Gruhn, bildete einen wunderbaren Rahmen zum Feiern im Dortmunder Schauspielhaus.

Nach einer Dankesrede von Bürgermeister Manfred Sauer ging das Märchen als ein Theater im Theater für kleine und große Menschen ab 6 Jahren dann los.

 

Als Bühne in der Bühne diente ein wunderbarer altmodischer, mit Putten verzierter, Theaterrahmen.

Die Schauspielerin Bettina Zobel führte humorvoll als Erzählerin mit italienischem Akzent von außen durch die märchenhafte Geschichte vom armen , alten Holzschnitzer Geppetto, der sich sehnlichst einen Sohn wünscht. Eine gute Fee verzaubert ein Holzstück, an dem Geppetto gerade arbeitet. Das Holzstück kann nun sprechen und Geppetto schnitzt daraus eine Holzpuppe, die er Pinocchio nennt.

 

Der Holzjunge ist wie ein kleines Kind neugierig und stellt viele Fragen. Während der Holzschnitzer eine Schulfibel für „seinen Sohn“ beschaffen will, erlebt der ungeduldige Pinocchio einige Abenteuer bei einer Theatergruppe, im Spielzeugland und mit listigen Tieren. Nach seinen Erfahrungen wächst seine Nase bei jeder Notlüge seine Nase ein Stückchen. Sein größter Wunsch ist es ein Mensch aus Fleisch und Blut zu werden. Bis es soweit ist, muss er sein größtes Abenteuer bestehen und Mut beweisen, um seinen „Papa Geppetto“ zu retten…

 

Den traurigen Geppetto spielte Andreas Ksienzyk von Anfang an mit viel Gefühl. Mit dem passenden melancholische Musiktitel „Allein“ wurde er dabei von Michael Kessler gut unterstützt. Ein großes Kompliment für die Musikauswahl.

 

Eine besondere Herausforderung war die Rolle des Pinocchio. Der Gastschauspieler und gelernte Tänzer Joeri Burger wurde dieser schweren Aufgabe mehr als gerecht. Wie er es schaffte, die Entwicklung von Pinocchio von seinen Anfängen als Holzpuppe hin zu einem menschlichen Jungen glaubhaft darzustellen, ist aller Achtung wert. Das er tänzerisch gut ausgebildet ist war unverkennbar.

 

Außer Pinocchio mussten die anderen Schauspieler/innen vom Ensemble des KJT wieder einmal ihre Vielseitigkeit beweisen. So spielte, um nur ein Beispiel zu nennen, Bianka Lammert neben der guten Fee auch noch die Rosa, eine Schülerin und Kind.

 

Die Inszenierung war Aufgebaut wie das italienische Stegreiftheater „Commedia dell’arte“aus dem 16. Jahrhundert.

 

Eine besondere Herausforderung für das Schauspielensemble dabei war sicherlich die Situation als Pinocchio bei der Theatergruppe begegnet. Sie mussten mit Bewegungen wie Marionetten an Strippen im Puppentheater spielen. Bei aller Melancholie, viel Humor , schöner Musik und Tanz kamen auch die moderne Medien gezielt zum Einsatz. Es wurde per Video mal ein Waldhintergrund, ein eindrucksvolles Meer oder effektvoll ein Walmaul oder Walbauch als Hintergrund erzeugt.

 

Die gelungen Kostümauswahl von Oliver Kostecka bot auch ein optisches Festival.

 

Weitere Termine 15. November 2013, 01. Dezember 2013, 02. Dezember 2013, 03. Dezember 2013, 04. Dezember 2013, 05. Dezember 2013, 06. Dezember 2013, 07. Dezember 2013, 08. Dezember 2013, 09. Dezember 2013, 10. Dezember 2013, 12. Dezember 2013, 13. Dezember 2013, 16. Dezember 2013, 17. Dezember 2013, 18. Dezember 2013, 19. Dezember 2013, 22. Dezember 2013, 25. Dezember 2013, 26. Dezember 2013, 13. Januar 2014, 14. Januar 2014 und 15. Januar 2014.

 

Infos unter www.theaterdo.de oder 0231 50 27222.