Humorvolle Verbeugung vor dem italienischen Giallo-Genre

Während Kay Voges
uns am Vortag in die Parallelwelt entführte, schmiss Jörg
Buttgereit die Zeitmaschine an und schickte die Besucher ins Italien
der 70er Jahre: Im Studio des Dortmunder Schauspiels hatte am
16.09.2018 das neue Stück „Im Studio hört dich niemand schreien“
von Jörg Buttgereit und Anne-Katthrin Schulz (frei nach Argento und
Strickland) Premiere.

Es war nicht nur
eine respektvoll-humorvolle Verbeugung vor dem italienischen
Giallo-Slasherfilm der 70-iger Jahre (insbesondere auch Peter
Stricklands Giallo-Hommage „Berberian Sound Studio“,
Pychothriller 2012).Zugleich erfährt das Publikum etwas über das
„Making of“ dieser Filme und bekommt auch kleine Einblicke in das
Genre in den 1970-iger Jahren über eingebaute Textpassagen
beispielsweise aus „The Sinful Dwarf (Vidal Raski 1973) oder etwa
Argentos „Vier fliegen auf Grauen Samt“ (1971).

Bühnenbild und
Kostüme im Studio wurde in akribischer Arbeit von der gelernten
Architektin Susanne Priebs dem Interieur im Jugendstil und Art Déco
und der Mode des Italien um 1976 nachempfunden. Jedes Detail sollte
stimmen. Ob es das Telefon mit der Wählscheibe, ein altes Ton-
Aufnahmegerät, das Mobiliar oder die schwarzen Mäntel, Perücken
und Kleidung der Frauen, Koteletten und Schnauzbart des Sohnes und
vieles andere mehr.

Die ZuschauerInnen
und ZuhörerInnen tauchen quasi ein in das Jahr 1976 und dem
Tonstudio (Sound Studio) von Regisseur Dario Winstone( der Vorname
weist natürlich nicht zufällig auf Dario Argento hin) und seiner
Familie sowie Synchronsprecherin und Mitarbeiter im Hintergrund.

In diese spezielle
Welt hinein stößt Geräuschemacher Maximilian Schall, der das
frisch abgedrehte Filmmaterial von Winestone nachvertonen soll. Er
war bisher nur für die Vertonung von harmlosen Naturfilmen mit
Tieren verantwortlich und weiß nicht so recht, was ihn erwartet.

Verliert Maximilian Schall (Uwe Robeck) noch den Verstand? v.l.n.r. (Caroline Hanke, Christian Freund, Uwe Rohbeck, Ekkehard Freye, Alexandra Sinelnikova). Foto: © Birgit Hupfeld.
Verliert Maximilian Schall (Uwe Robeck) noch den Verstand? v.l.n.r. (Caroline Hanke, Christian Freund, Uwe Rohbeck, Ekkehard Freye, Alexandra Sinelnikova). Foto: © Birgit Hupfeld.

Uwe Rohbeck, schon
oft in Buttgereit-Stücken (zum Beispiel „Elefantenmensch“) zu
bewundern, schlüpft wieder einmal meisterhaft in die Rolle des
kleinen, verschüchtert wirkenden Geraüschemachers mit Schiebemütze,
der Briefe von seiner Mutter zugeschickt bekommt.

Man merkt ihm
deutlich an, wie unwohl er sich dabei fühlt, einen gewalttätigen
Horrorfilm nachzuvertonen. Er fühlt sich in dem Genre unwohl, gibt
aber sein Bestes.

Das Publikum sieht
nicht den Film, sondern hört nur die Szenen-Einspielungen mit den
Synchronsprecherinnen und später noch Sprecher. Der Horror spielt
sich im Kopf ab.

Die geben alles, um
das Geschehen mit lautem Schreien, Stöhnen und ihrer Sprache
akustisch glaubhaft darzustellen. Maximilian Schall macht mit
verschiedensten Requisiten, unter anderem Gemüse ( etwa Kohlkopf,
Wirsing, Wassermelone) in das er herzhaft mit einem großen Messer
hinein sticht, einem Handschuh aus Leder, Papiere und Folien zum
Reißen für jede Situation das passende Geräusch. Er steigert sich
nach und nach hinein.

Als „Running Gag“
läuft er immer vergeblich der Erstattung seiner Auslagen für den
Flug von Deutschland nach Italien. Eine kleine Spitze gegen das
Kunstverständnis (Kunst als ehrenvolle Aufgabe, die man eigentlich
nicht mit Geld vergüten muss).

Ekkehard Freye
spielt mit viel Spaß den von sich eingenommenen sexistischen
Macho-Regisseur Dario Winestone, der (wie eben Argento) einen
ästhetisch hohem Niveau und mit stilistischen Anspruch an seinen
spektakulären Inszenierungen voll Gewaltexzessen, qualvollen
Vergewaltigungen bis hin zum Mord.

Während Eva Leone (Marlena Keil) auch so ihre Schwierigkeiten hat, kennen sich die Tochter Asia (Alexandra Sinelnikova) und Dario Winestones zweite Frau Janet Lee Curtis (Caroline Hanke) mit den Giallo-Filmen gut aus. Caroline Hanke spielt die Janet mit schwarzer Langhaar-Perücke als selbstbewusst scheinende Domina, die hinter ihrem Mann steht. Marlena Keil als Eva Leone begehrt nach und nach gegen den sie sexuell ausnutzenden Winestone auf. Bei einen spektakulären Spagetti-Essen während einer Pause werden die verschiedenen Ansichten der einzelnen Familien-Mitglieder deutlich. Die Tochter Asia verachtet ihren sexistischen und Macho-Vater mit seinen Gewaltfantasie-Filmen. Sohn Rock Hamond träumt von zukunftsweisenden Filmen wie etwa Kubricks „2001 – Odysse im Weltraum“ mit dem klügsten Computer der Welt „Hal 9000“.

Selbstverständlich
streut Buttgereit auch einige Zitate und Anspielungen aus anderen
Filmen ein. So träumt Winestone von einem Film, in dem die
Verbrechen schon vor der Tat verhindert werden (Minority Report“).
Das Motiv von „Vier Fliegen auf grauem Samt“ , bei der das letzte
vom Opfer gesehene Bild den Mörder überführt und Janet spricht in
ihrer Rolle als Hexe die Wörter „Klaatu Verata Nektu“ richtig
aus, anders als Ash im zweiten Teil von „Tanz der Teufel“.

Am Ende verschwimmen
die grenzen zwischen der Schattenwelt des Film-Kunstwerks zwischen
Leben und Tod und der Realität.

Ein aufregender
Theaterabend mit dem Dreamteam Buttgereit und Rohbeck und eine
gelungene Hommage an das Filmgenre „Giallo“.

Bedeutend für die
atmosphärische Begleitung des Stückes war das ausgezeichnete Sound
Design von Frank Behnke und die Dramaturgie von Anne-Kathrin Schulz
und Michael Eickhoff.

Weiter
Aufführungstermine: 20.09.2018 um 20.00 Uhr, 06.10.2018 (20:00 Uhr),
und 28.10.2018 um 18:30 Uhr. (15,- Euro).

Weitere
Informationen und Karten unter www.theaterdo.de
oder Tel. 0231/ 50 27 222




Giallo-Slasherfilm-Hommage im Studio des Schauspiels Dortmund

Arthouse-Horrorspezialist Jörg Buttgereit (mit Dramaturgin Anne-Kathrin Schulz) entführt das Publikum in seinem sechstem Stück „Im Studio hört dich niemand schreien“ am 16.09.2018 um 18:00 Uhr im Studio des Dortmunder Schauspiels in die ganz eigene Welt des italienischen Giallo-Slasherfilms der 1970iger Jahre. Grundlage für die Inszenierung bildet das Stück „Berberian Sound Studio“ aus dem Jahr 1976 vom Regisseur Peter Strickland und freien Anleihen nach Filmen des Genre-Regisseurs Dario Argento. Typisch für Argentos Arbeiten sind vor allem formal stilistisch extravagante Inszenierung mit -Traum- ähnlichen , surrealem Charakter des Plots.

Buttgereit nimmt mit seiner Inszenierung die Zuschauer und Zuhörer nicht nur in das Making-of eines Giallo-Genre-Films mit, sondern sie erfahren darüber hinaus auch etwas über die Familie Argento. Einiges erinnert an eine italienische Oper, so der Regisseur.

Wie indem Film „Berberian Sound Studio“ wird der Bühnenraum des Studios im Schauspielhaus durch Susanne Priebs (Bühne und Kostüme) in ein Tonstudio der 1970iger Jahre gestaltet. Dabei stammen alle Requisiten bis hin zum Aufnahmegerät in spannender und aufwendiger Suche aus dem Fundus der 70iger Jahre. Wie Priebs beim Pressegespräch erklärte, war die etwas knifflige Aufgabe, bei der Gestaltung des Bühnenbilds und der Kostüme die 1970iger Jahre und die italienische Komponente zu berücksichtigen. So werden von ihr etwa Säulen und Art déco -Elemente eingefügt. Wichtig für die atmosphärische Spannung ist insbesondere das Sounddesign (Frank Behnke) und das spezielle Licht.

Maximilian Schall (Uwe Rohbeck) beim Vertonen des Films: (v.l.n.r.) Christian Freund, Uwe Rohbeck, Alexandra Sinelnikova, Marlena Keil, Caroline Hanke und Ekkehard Freye. (Foto: © Birgit Hupfeld)
Maximilian Schall (Uwe Rohbeck) beim Vertonen des Films: (v.l.n.r.) Christian Freund, Uwe Rohbeck, Alexandra Sinelnikova, Marlena Keil, Caroline Hanke und
Ekkehard Freye. (Foto: © Birgit Hupfeld)

Zum Plot: Maximilian Schall (Uwe Rohbeck), der sensible Geräuschemacher für Tierfilm-Nachvertonungen, bekommt von dem visionären Schmuddelfilmer Dario Winestone (Ekkehard Freye) den Auftrag, dessen frisches abgedrehtes Filmmaterial nach zu vertonen. Die Katastrophe für Schall. Winestone zeigt – auf einem ästhetisch höchsten Niveau – Menschen, die foltern, töten und grauenvoll sterben.

Um einen blutigen Mord klanglich zum Höhepunkt zu treiben, wird schon mal herzhaft ein Messer in einen Kohlkopf gebohrt. Ihm zur Seite stehen sechs sechs SchauspielerInnen (teils Familie) für die Synchronstimmen. Diese haben mehr oder weniger Erfahrungen in dem Giallo-Horror-Genre. Daraus entsteht eine reizvolle Spannung, wie die Dramaturgin Anne-Kathrin Schulz erklärte.

Die Kunst und schwierige Aufgabe ist“, so Frank Behnke, „Klangwelten mittels Tönen entstehen zu lassen und Gedankenräume zu öffnen.“ Das Publikum blickt sozusagen „in den Kopf“ des Geräuschmachers Schall.

Nicht nur für Horrorfilm-Experten mit interessanten Einblicken. Die Aufführungsdauer liegt bei ca. zwei Stunden. Zur eigenen Absicherung wurde die Altersempfehlung auf ab 18 Jahren gesetzt.

Die Premiere am 16.09.2018 ist schon ausverkauft.

Für die weiteren Aufführungstermine am 20.09.2018 (20.00 Uhr), 06.10.2019 (20:00 Uhr) und den 28.10.2018 (20:00 Uhr) gibt es noch (Rest)-Karten.

Informationen und Karten unter: 02317 50 27 222 oder www.theaterdo.de




Gorillawood – Männer im Affenkostüm

Charles Gemora, Ray Corrigan, Emil Van Horn – Helden einer untergegangenen zeit. Sie und einige andere verdienten ihren Lebensunterhalt als Schauspieler in Gorillakostümen. Jörg Buttgereit lud zum zweiten „Nackt und zerfleischt“ am 09. März im Studio des Dortmunder Schauspiels. Als Gast hatte er Ingo Strecker mitgebracht, der das Buch „Gorilla-Wood“ verfasst hat, das sich den tapferen Männern in den Kostümen annahm.

Da wir uns ja in einem Theater befanden, las Frank Genser das Vorwort zu „Gorilla-Wood“, natürlich stilecht im Affenkostüm. Und Jörg Buttgreit? Hat er auch mal was mit Affen gemacht? Nicht direkt, aber zu Beginn zeigte er das Video zu Klaus Beyers Version von „Shaolin Affen“ der Band Osaka Popstar, zu dem er Regie geführt hat.

Filmanekdoten der besonderen Art. Jörg Buttgereit (links) im Gespräch mit Autor Ingo Strecker.
Filmanekdoten der besonderen Art. Jörg Buttgereit (links) im Gespräch mit Autor Ingo Strecker.

Die Blütezeit der „Gorilla-Männer“ waren die 20er bis 50er Jahre. Danach wurden andere Special Effects verwendet, um wilde Gorillas auf Film zu bannen. Und in der heutigen Zeit regiert das Digitale. Das stand damals nicht zur Verfügung und so mussten sich Germora, Corrigan und Co. auch bei heißen Temperaturen in ihre schweren Kostüme zwängen. Die Kostüme hatten die jeweiligen Schauspieler selber gebaut und ihnen sogar Namen gegeben. Anhand dieses Kostüms konnte der kundige Zuschauer auch erkennen, welcher Schauspieler im Kostüm steckt.

Der 2 ½-stündige Abend wurde durch Fotos und vor allem Filmszenen aufgelockert, die die Helden in den Affenkostümen zeigte. Vom melancholischen Gorilla über den lustigen bis hin zum aggressiven Killer war in den Filmbeispielen alles dabei. Der Abend war eine große Verbeugung vor diesen tapferen Schauspielern.




Nackt und zerfleischt: Turksploitation oder Rambo mit Zombies

Jörg Buttgereit ist zurück im Schauspiel Dortmund mit der neuen Gesprächsreihe Nackt und zerfleischt. In der ersten Folge am 13. Januar wurde zwar niemand zerfleischt und es gab wenig Nacktes, dennoch war der Abend ein großer Erfolg. Denn das Thema der ersten Folge war „Turksploitation“. Dazu hatte Buttgereit als Experten den Regisseur Cem Kaya eingeladen, der zum Thema den Film „ Remake, Remix, Rip off“ gemacht hat.

In den 70er und 80er Jahren war das Schauen von Videofilmen ein großes Freizeitvergnügen in den türkischen Familien in Deutschland. Die Heimat war weit weg und so boten die Kassetten immerhin Unterhaltung in der eigenen Sprache. Bis zu zehn Filme wurden ausgeliehen, die quasi pausenlos über die Bildschirm flimmerten. Die Stoffe orientierten sich an den großen Hollywoodstreifen, deren Drehbücher manchmal minimal verändert oder aber völlig umgearbeitet wurden.

Es waren Massenwaren, die möglichst billig heruntergekurbelt wurden mit Kameras auf dem technischen Stand der 40er Jahre und mit nur einer Tonspur. Schauspieler drehten oft mehrere Filme gleichzeitig auf dem Set.

Aus der riesigen Auswahl an Filmen entschied sich Buttgereit zu „Rambo“. Wer anders als Uwe Rohbeck als Louis Cypher aus Buttgereits letzter Dortmunder Produktion „Besessen“ las Auszüge aus den Beurteilungen der Bundesprüfstelle zu den Rambo-Filmen. Der erste der Reihe „First Blood“ bekam seinerzeit das Prädikat „besonders wertvoll“.

Danach ging es ans Videogucken, wobei Kaya den Film auf eine DVD gebrannt hatte. „First blood“ wurde als „Vashi Kan“ (Wildes Blut) – sagen wir mal – neu interpretiert. Man hielt sich überwiegend an das Originaldrehbuch und die Musik wurde auch vom Original genommen. Dabei hatten die türkischen Regisseure noch ein weiteres Problem: Sie mussten sich mit der Zensur herumschlagen. Dennoch wirkte Vashi Kanan vielen Stellen einfach nur unfreiwillig komisch.und wirkte von seiner Machart ein wenig wie Ed Woods „Plan 9 from outer space“. Hier versuchte Wood mit extrem bescheidenen Mitteln einen spannenden Film zu produzieren und scheiterte.

Nackt und zerfleischt - Jörg Buttgereits neue Gesprächsreihe sorgte beim ersten Mal für tolle Stimmung. (Foto: © Schauspiel Dortmund)
Nackt und zerfleischt – Jörg Buttgereits neue Gesprächsreihe sorgte beim ersten Mal für tolle Stimmung. (Foto: © Schauspiel Dortmund)

Gescheitert sind seine türkischen Nachfolger keinesfalls, denn zumindest bis zum Aufkommen der Satellitenschüsseln, waren sie aus dem Leben der türkischen Familien nicht wegzudenken. Was man bei allem Lachen über den Trashfaktor (warum tauchen plötzlich Zombies in einem Rambo-Film auf): man spürt als Zuschauer die Liebe und Leidenschaft aller Beteiligten zum Medium Film. Und da ist wieder die Brücke zu Ed Wood.

Der erste Abend war ein äußerst vergnüglicher. Nackt und zerfleischt ist eine wirklich sehr schöne Reihe, um Interessierten einige Subgenres zu präsentieren, die man aus eigenem Antrieb wohl nicht entdeckt hätte. Zum Spaßfaktor konnte man am Samstag noch eine Menge lernen. Daher gebührt Cem Kaya auch ein großes Dankeschön. Ihm hätte ich stundenlang zuhören können. Ich bin schon gespannt auf das nächste Mal, wenn es um „Gorillawood“ geht.




Pazuzu was here

Tja, wo ist das Buch "Exorzismus für Dummies" wenn man es mal braucht? (v.l.n.r.) Björn Gabriel, Sarah Sandeh und Ekkehard Freye. (Foto: © Birgit Hupfeld)
Tja, wo ist das Buch „Exorzismus für Dummies“ wenn man es mal braucht? (v.l.n.r.) Björn Gabriel, Sarah Sandeh und Ekkehard Freye. (Foto: © Birgit Hupfeld)

„Besessen“ ist eindeutig zweideutig. In dem Stück von Jörg Buttgereit geht es nicht nur um den Film „Der Exorzist“, sondern auch um die Besessenheit nach allem, was mit Horrorfilmen zu tun hat. So ist Hauptperson Gerd Friedekind wahrscheinlich nicht nur eine Anspielung an den Exorzist-Regisseur William Friedkin, sondern ist auch sicherlich autobiografisch gefärbt. Ein Premierenbericht.

Ob wohl so die erste eigene Bude von Jörg Buttgereit aussah? Kaum Möbel, aber dafür einen großen Schrank mit Videokassetten von allerlei Horrorfilmen samt Kuriositäten und Relikten wie Kurzfassungen auf Super8 oder seltene Filmplakate. Eben, was so ein Horrorfilm-Nerd so braucht. Natürlich auch einen Kühlschrank mit Bier und einen Freund, der das Abendessen (Pizza, was sonst!) mitbringt. Den Horrorfilm-Freak Gerd Friedekind spielt Ekkehard Freye mit ungewohnter Langhaarperücke, seinen Freund Marian Karras Björn Gabriel. Fans vom „Exorzisten“ haben es sicher erkannt: Marian Karras ist die Verknüpfung von Lankaster Merrin und Damian Karras, die beiden Priester, die den Exorzismus durchführen.

„Besessen“ ist nicht nur eine Hommage an den „Exorzist“, sondern im Laufe des Stückes tauchen weitere Anspielungen an Horrorfilme auf wie „Rosemarys Baby“, „Wiege des Bösen“, „Angel Heart“ oder Cronenbergs „Videodrome“. Aber echte Fans werden sicher noch viele weitere Anspielungen gefunden haben.

Das ist auch der Knackpzunkt an Buttgereits Stück. Stellten seine vorherigen Produktion wie „Kannibale und Liebe“ oder „Elefantenmensch“ das sogenannte Monster in den Mittelpunkt oder sind eine Hommage an Horrorfilmtraditionen wie bei „Nosferatu lebt“, feiert in „Besessen“ die Horrofilmkultur sich selbst. Wer kaum oder kein Interesse an Horrorfilmen hat, wird eher irritiert sein.

Doch für Freunde des Genres ist „Besessen“ ein Riesenspaß. Das liegt neben Gabriel und Freye auch an den Gast Sarah Sandeh als „Linda“ und natürlich an Uwe Rohbeck. Kein Buttgereit in Dortmund ohne Rohbeck und „Besessen“ macht keine Ausnahme. Rohbeck spielt das „Böse“ wie Robert De Niro „Louis Cyphre“ in „Angel Heart“. Auch die berühmte „Ei-Pell-Szene“ aus dem Film wird zitiert. Auch Sandeh gibt in ihrer Rolle der Besessenen (und weiterer Horrorfilmfiguren) alles.

Der Hauptteil der Handlung wirkt surreal: Plötzlich entsteigt aus dem Fernseher „Linda“ (ist das nicht eigentlich ein Markenzeichen von japanischen Horrorfilmen wie beispielsweise „The Grudge“?) und schon sind wir in einer Welt zwischen Realität und Fiktion. Im Laufe von Lindas Besessenheit mit dem Dämon Pazuzu vermengen sich „Der Exorzist“ mit „Rosemarys Baby“ und „Die Wiege des Bösen“. Es wird also auch etwas kunstblutig. Ein Höhepunkt ist auf alle Fälle der Auftritt von Uwe Rohbeck als „Das Böse“, der Heiner Müllers „Engel der Verzweiflung“ aus der Hamletmaschine rezitiert.

Klarer Fall: Wer Fan von Horrorfilmen ist, insbesondere die der 70er Jahre, sollte auf jeden Fall der Bude von Gerd Friedekind einen Besuch abstatten. Wer mit dem Horrorgenre überhaupt nichts anzufangen weiß und eventuell religiös empfindlich ist, sucht sich besser ein anderes Stück aus. Alle anderen erleben vier Schauspieler in Hochform.

Weitere Termine unter www.theaterdo.de.

 




Dämonbesuch bei Horrorfilmfans

Was auf diesem Streigen wohl drauf ist? Marian Karras (Björn Gabriel) und Gerd Friedeking (Ekkehard Freye) wollen es herausfinden. (Foto: © Birgit Hupfeld)
Was auf diesem Streigen wohl drauf ist? Marian Karras (Björn Gabriel) und Gerd Friedeking (Ekkehard Freye) wollen es herausfinden. (Foto: © Birgit Hupfeld)

Wenn der Geist von Linda Blair sich auf der Bühne materialisiert, geht dem Horrorfan das Herz auf. Dies wünscht sich zumindest Regisseur Jörg Buttgereit. Er lädt die Zuschauer in das Wohnzimmer von Horrorfan Gerd Friedeking (gespielt von Ekkehard Freye) ein, der sich mit seinem Freund Marian Karras (Björn Gabriel) zu einem Videoabend verabredet hat. Im Laufe des Abends, der Videofilm gerät komplett in den Hintergrund, befinden sich die beiden Nerds in ihrem eigenen Horrorfilm. Können sie ihrem eigenen Drama Dank ihres Detailwissens, das sich sich durch den stundenlangen Konsum diverser Horrorfilme erworben haben, in letzter Minute entkommen?

Als 1973 „Der Exorzist“ in die Kinos kam verstörte der Kampf von Gut und Böse, ausgetragen im Körper eines 12-jährigen Mädchens die Zuschauer extrem. Ohnmachtsanfälle, Herzattacken, das Gefühl selbst von einem Dämon besessen zu sein waren häufig auftretenden Reaktionen. In den 80iger Jahren beginnt die VHS Kassette ihren Siegeszug und ermöglicht Kinokassenschlager ins eigene Wohnzimmer zu holen, inklusive Horror, Splatter und Suspense, auch jenseits der Altersfreigaben. Die Trashfilme der 70iger und 80iger Jahre entstanden nach Meinung von Buttgereit aus einer Mischung aus Naivität, wenigen Mitteln und Unfähigkeit der Beteiligten: „Sie wollten etwas ganz Großes erschaffen, sind aber oft grandios gescheitert.“ Diese Unperfektheit versucht er auch in „Besessen“ zu zelebrieren.

„Besessen“ ist mittlerweile die fünfte Produktion von Buttgereit am Schauspiel Dortmund. Nach „Sexmonster/Green Frankenstein“, „Kannibale und Liebe“, „Der Elefantenmensch“ und „Nosferatu“ geht es hier um die Mutter aller Exorzistenfilme.

Türme von VHS Kassetten, ein originaler Super-8-Film mit der ersten Verkaufskopie des „Exorzisten“ aus dem Jahr 1980, das Titelbild des Spiegel zum Thema von 1974 und ein Filmplakat der deutschen Erstaufführung verdichten die „Besessenheit“ des Filmnerds Friedekind. Auch wenn der „Exorzist“ von damals fast ohne Blut auskommt, ganz ohne Splatteranleihen geht es wohl auch nicht, ungefähr ein Eimer Kunstblut wird pro Aufführung Verwendung finden.

Die Premiere am Freitag, den 23. Oktober ist ausverkauft. Weitere Vorstellungen gibt es am 30.Oktober, am 11. und 22. November.

Für die letzte Vorstellung von „Nosferatu“ am 13.November gibt es noch Karten.




Perfekte Hommage an Nosferatu

Hutter (Ekkehard Freye) voller Schreck vor Nosferatu (Uwe Rohbeck). Foto: © Edi Szekely.
Hutter (Ekkehard Freye) voller Schreck vor Nosferatu (Uwe Rohbeck). Foto: © Edi Szekely.

Wenn Jörg Buttgereit am Dortmunder Schauspielhaus inszeniert, dann immer mit einem liebevollen Blick auf die Protagonisten. Ob es nun Serienmörder Ed Gein war, der bedauernswerte Merrick in „Der Elefantenmensch“ oder jetzt Nosferatu im gleichnamigen Stück „Nosferatu lebt“. Selbstverständliche wieder mit Uwe Rohbeck in der Hauptrolle. Die Premiere am 29. November sah sich Anja Cord an.

Der Stummfilm „Nosferatu“ aus dem Jahre 1922 von F.W. Murnau ist eine Film-Legende und Max Schreck als Darsteller des Grafen Orloks/Nosferatu bleibt den meisten Zuschauern in gruseliger Erinnerung. Die Geschichte in Kürze: Hutter wird vom Häusermakler Knock nach Transsylvanien geschickt, um dem Grafen Orlok ein Haus zu verkaufen. Zufällig verliebt sich Orlok in Hutters Frau Ellen und das Unglück nimmt seinen Lauf…

Jörg Buttgereit hat es nicht nur geschafft, den Stummfilm auf die Bühne zu übertragen, sondern er schuf auf noch eine übergeordnete Ebene. Der Erzähler, gespielt von Andreas Beck, setzte den Film in seine historische Dimension. Der Film ist eine Art Menetekel für die kommende Zeit. Denn die junge Weimarer Republik musste sich vieler Feinde erwehren und am Ende wird der Altraum wahr: ein Tyrann herrscht über Deutschland. 1933 hatte auch Folgen für die Filmindustrie. Viele Filmschaffende emigrierten. Duplizität der Premieren-Ereignisse: Am gleichen Tag hatte in der Oper die Jazz-Operette „Roxy und ihr Wunderteam“ Premiere. Auch hier musste der Komponist Paul Abraham fliehen und die moderne Operette wurde in Deutschland und später in Österreich zerstört.

Daher ist das Ende auch nicht so wie im Stummfilm. Hutter, zum Vampir geworden, zitiert aus Paul Celans „Todesfuge“: „Der Tod ist ein Meister aus Deutschland.“

Buttgereit benutzt expressionistische Stilelemente wie das Schattenspiel, ähnlich wie bei dem „Cabinet des Dr. Caligari“, dazu kommt die übertriebene schauspielerische Art und Weise wie sie in Stummfilmen üblich war. Natürlich durften auch die typischen Texttafeln nicht fehlen.

Alle Schauspieler haben toll gespielt und waren sehr überzeugend. Wobei Uwe Rohbeck einfach ein Glücksgriff in den Stücken mit Jörg Buttgereit ist. Ob als Serienmörder, Elefantenmensch oder als Vampir. Max Schreck wäre sicherlich sehr stolz gewesen, wenn Rohbeck sich mit seinen langen schwarzen Fingernägeln und seinen weißen Händen, die wie Spinnenbeine wirkten, Ellens Hals näherte.

Pianist Kornelius Heidebrecht hat den Film nicht nur mit seiner Musik begleitet, sondern auch die passenden Effekte dazu geschaffen, das natürlich alles live.

Neben Uwe Rohbeck standen noch Ekkehard Freye als Hutter, Annika Meier als Ellen und Andreas Beck als diabolischer Hausmakler Knock auf der Bühne.

Es war ein Erlebnis, man wird sofort in das Stück gezogen, und bleibt von der Atmosphäre des Stummfilms im Theater fasziniert. Ein absolut sehen wertes Stück. Es bleibt zu hoffen, dass es noch weitere Termine gibt, denn die bisher bekannten sind ausverkauft.




Nosferatu lebt im Schauspielhaus

Der entscheidene Moment: Annika Meier (Ellen) und Uwe Rohbeck (Orlok/Nosferatu). Foto: © Edi Szekely
Der entscheidene Moment: Annika Meier (Ellen) und Uwe Rohbeck (Orlok/Nosferatu). Foto: © Edi Szekely

„Nosferatu“ von Friedrich Wilhelm Murnau aus dem Jahre 1922 gehört neben dem „Cabinet des Dr. Caligari“ von Robert Wiene sowie „Der Golem“ von Paul Wegener (beide aus dem Jahre 1920) zu den Meilensteinen des expressionistischen und naturalistischen Horrorfilms. Jörg Buttgereit bringt einen der berühmtesten Vampire jetzt auf die Dortmunder Bühne. Die Premiere ist am 29. November 2014.

Zur Geschichte: Thomas Hutter fährt nach Transsylvanien, um dem Grafen Orlock ein Haus zu verkaufen. Der Graf verliebt sich in das Bild von Hutters Frau und folgt ihm in die Heimatstadt und bringt die Pest mit.

Regisseur Jörg Buttgereit, der schon in Dortmund „Green Frankenstein & Sexmonster“, „Ed Gein“ und den „Elefantenmensch“ inszeniert hat, fasziniert vor allem die expressionistische Ästhetik der deutschen Horrorfilme der 20er Jahre. „Stilistisch bin ich näher an Caligari, erzählerisch an Nosferatu“, so Buttgereit. Murnau hatte seinen „Nosferatu“ sehr stark naturalistisch aufgebaut. Es gibt sehr viele Außenszenen der Natur, auch der Vampir wird in die Natur integriert.

Doch Buttgereit erzählt nicht nur den Film nach. „Ich habe einen Drang, die Bedeutung des Nosferatu-Films für die deutsche Geschichte“ zu erklären“, erzählt der Regisseur. Denn es gibt durchaus weitere Ebenen. Nicht nur, das Nosferatu auch in den USA stilbildend war, das Schreckensbild eines Tyrannen, der eine Gesellschaft unterwirft, wird in Deutschland einige Jahre nach der Uraufführung von „Nosferatu“ bittere Realität.

Da „Nosferatu“ ein Stummfilm und in Schwarz-Weiß gedreht wurde, werden auch die Bühne und das Ensemble in schwarz-weiß gehalten sein. „Ich arbeite viel mit Licht und Schatten“, so Buttgereit. Auch die Schauspieler verhalten sich stummfilmgerecht. Gibt es denn wenigstens Musik? Ja, der Pianist Kornelius Heidwebrecht wird das Stück begleiten. Neben Geräuschen wird er auch einige Lieder aus den 80er Jahren wie beispielsweise „Bela Lugosi’s dead“ im Stil der 30er Jahre verfremden.

Ob Nosferatu wie im Film stirbt? „Wir gönnen ihm ein kleines Happy End“, wollte der Regisseur mehr nicht verraten.

Die Premiere ist jedenfalls ausverkauft, auch für die Vorstellungen am 04. und 25. Dezember 2014 gibt es nur noch sehr wenige Karten. Eine weitere Vorstellung findet noch am 25. Januar 2015 statt.




Zum Objekt degradiert

Uwe Rohbeck als John Merrick. (Foto: © Edi Szekely)
Uwe Rohbeck als John Merrick. (Foto: © Edi Szekely)

Am 29. November hatte im Studio des Schauspielhauses das Stück „Der Elefantenmensch“ von Bernard Pomerance in der Inszenierung von Jörg Buttgereit Premiere. Ähnlich wie bei „Kannibale und Liebe“ basiert das Stück auf eine wahre Geschichte.

 

Wer Jörg Buttgereit nur von seinen Arthouse-Horrorfilmen kennt, wird von seinen Theaterarbeiten überrascht sein. Widmete er seine erste Arbeit „Green Frankenstein / Sexmonster“ noch dem typischen Schmuddelkino der 70er Jahre, entlockte er dem „Monster“ und Serienkiller Ed Gein, dem Urvater aller Slasherfilme, mit „Kannibale und Liebe“ ein menschliches Gesicht. Zusammen mit Schauspieler Uwe Rohbeck erzeugte er ein beklemmendes, aber auch menschliches Theaterstück vom Grauen, das nebenan wohnt.

 

Auch „Der Elefantenmensch“ hat ein sogenanntes Monster zum Thema und auch wie bei Ed Gein ist es im Prinzip eine wahre Geschichte. John Merrick, der in Wirklichkeit Joseph hieß, wird mit einer äußerst seltenen Krankheit geboren, die seinen Körper bis zur Groteske deformiert. Die einzige Möglichkeit zu überleben ist, als „Der Elefantenmensch“ aufzutreten, bis ihn der Arzt Dr. Treves in das London Hospital aufnimmt. Doch wird er dort wirklich glücklich?

 

Jörg Buttgereit nimmt das Theaterstück von Bernard Pomerance von 1977 als Basis, das auch David Lynch für seinen gleichnamigen Film benutzte. Buttgereit entfernt sich aber von der Schwarz-Weiß-Ästhetik von Lynch und setzt stärker auf die Bühnenfassung.

 

Im Mittelpunkt des Stückes steht nicht nur die Frage: Wer ist dass Monster? Der Begaffer oder der Begaffte? Sondern schnell wird dem Zuschauer deutlich, dass Merrick von den meisten Personen nur als Objekt, aber nicht als Subjekt gesehen wird. Jeder will etwas von Merrick oder durch ihn erreichen. Bischof How will Merrick zu einem guten Christen erziehen, Ross will sein bestes Zugpferd wieder zurück und mit ihm Geld verdienen, Carl Gomm als Klinikdirektor will möglichst viele Spenden und Dr. Frederick Treves will wissenschaftlichen Ruhm. Aber alle wollen angeblich „nur das Beste“ für Merrick und alle wissen, was gut für ihn ist. Einzig die Schauspielerin Mrs. Kendall sieht John Marrick als Subjekt, als einen Menschen an.

 

Trotz der Jahrmarktatmosphäre auf der Bühne (es gab auch Zuckerwatte) schafft es Buttgereit ein berührendes Stück über einen Menschen zu machen, dem es nicht gestattet wird ein Mensch zu werden, weil er anderen Zwecken dienen soll. Andere Menschen bestimmen die Spielregeln und Merrick muss sich auch noch dafür bedanken, weil er ein Dach über den Kopf hat und dreimal am Tag Essen bekommt. Doch von Selbstbestimmung keine Spur. Geld, Glaube, Wissenschaft und Ruhm sind wichtiger.

 

Frank Genser spielt mit einen für heutige Verhältnisse recht modernen Dr. Treves. Er wettert im viktorianischen Zeitalter gegen Korsetts bei Frauen und andere ungesunde Dinge. Dr. Treves wäre heute sicher einer der stärksten Verfechter des Rauchverbots oder des „Veggie Days“. Bei all seiner Wissenschaftlichkeit kommt ihm aber das Menschliche abhanden und er degradiert Merrick vielleicht sogar unabsichtlich zum Labortier. In einer wunderbaren Alptraum-Szene wird Treves bewusst, dass er vielleicht zu weit geht.

 

Christoph Jöde, einer der beiden Rückkehrer, spielt mehrere Rollen, von denen die des Bischofs How und die des Schaustellers Ross, die wichtigsten sind. How und Ross sehen Merrick nicht als eigenständigen Menschen, sondern nur als Projektionsfläche für ihre Wünsche (Geld, Glaube). Jöde singt als Ross auch ein schönes Lied über Geldgier und Kapitalismus.

 

Uwe Schmieder als Carl Gomm sieht in Merrick natürlich nur das Vehikel, um für barmherzige Spenden einzutreiben, was natürlich seinem Krankenhaus zu Gute kommt.

 

Bettina Lieder spielt ebenso wie Jöde mehrere (Neben-)Rollen, unter anderem Frauen aus der britischen High-Society, die sich als karitativen Gnadenakt mit dem „Elefantenmensch“ zeigen und ihm Geschenke überreichen.

 

Die zweite Rückkehrerin Luise Heyer spielt die Schauspielerin Mrs. Kendall. Sie sieht als einzige in Merrick einen Menschen und behandelt ihn auch wie einen. Zwischen der desillusionierten Schauspielerin und Merrick, der ein ganz normaler Mensch sein will, entfaltet sich eine innige Freundschaft. Diese endet, als Kendall einer der starren Regeln von Treves bricht.

 

John Merrick wird von Uwe Rohbeck in einer warmherzigen Weise dargestellt, dass alle Zuschauer vom „Elefantenmenschen“ eingenommen werden, trotz seiner Deformierungen. Respekt auch an Rohbeck, die Tortur mit dem Bodysuit auf sich zu nehmen. Merrick, der einfach nur ein Mensch sein will, scheitert daran, dass andere ihn nur als Mittel zum Zweck sehen, mit Ausnahme von Mrs. Kandell. Rohbeck spielt Merrick wie einen deformierten Kasper Hauser, der einfach nur ein normales Leben führen möchte, aber genau weiß, dass dies unmöglich ist. Daher stammt auch Merricks Wunsch, in ein Blindenheim zu gehen. Es sind die berührendsten Momente, wenn Rohbeck als Merrick Vertrauen zu Mrs. Kandell findet oder er die starren Regeln von Dr. Treves in Frage stellt.

 

Eine allzu schrille Jahrmarktatmosphäre braucht es vielleicht nicht, denn das Stück lebt vom Zusammenspiel der starken Charaktere (vor allem Treves, Kandell und Merrick) und hat seine Stärken in den kleinen, zarten und leisen Momenten.

 

Für die Vorstellungen am 14. und 27. Dezember gibt es noch Karten.

 

Infos und Karten unter www.theaterdo.de oder 0231 5027222.




Wer ist eigentlich das Monster?

Jörg Buttgereit präsentiert in "Der Elefantenmensch" die Lebensgeschichte von John (Joseph) Merrick.
Jörg Buttgereit präsentiert in „Der Elefantenmensch“ die Lebensgeschichte von John (Joseph) Merrick.

Am 29. November 2013 ist wieder Premiere für ein Jörg-Buttgereit-Stück. Nach „Green Frankenstein/Sexmonster“, „Kannibale und Liebe“ beschäftigt sich der bekannte Arthouse-Horrorfilmer mit dem Schicksal von John Merrick, der als „Elefantenmensch“ im viktorianischen England auf Jahrmärkten ausgestellt wurde. Wer ist eigentlich das Monster? Merrick oder die Betrachter?

John (eigentlich Joseph) Merrick ist eine historische Figur. Geboren 1862, litt er unter einem seltenen genetischen Defekt, der eine seiner Körperhälften sowie den Kopf stark deformierten. Dadurch zu einer „Monstrosität“ geworden, wurde er auf Jahrmärkten dem Publikum als „Elefantenmensch“ präsentiert. Doch der Zeitgeist ändert sich: Kuriositätenkabinette werden immer mehr abgelehnt. Der Arzt Dr. Treves, der von Merrick fasziniert ist,bringt ihn ins London Hospital. 1890 stirbt Merrick mit 27 Jahren. Vermutlich ist er erstickt, weil er sich zum Schlafen hingelegt hatte. Wegen des Gewichts seines Kopfes konnte er nur aufrecht schlafen.

 

„Ein Mensch, der von Geburt an aus der Welt gefallen ist“, beschreibt Regisseur Jörg Buttgereit John Merrick. Bekannt geworden ist „Der Elefantenmensch“ durch den Film von David Lynch, doch Buttgereit will mehr an der Bühnenfassung von 1977 von Bernhard Pomerance bleiben.

 

Im Mittelpunkt steht die Frage: wer ist das eigentliche Monster. Begaffer oder Begaffter? Oder stecken wir da nicht in einem Dilemma, denn „Merrick konnte nur als ‚Monster‘ Geld verdienen“, konstatiert Buttgereit. So wird die Welt der Schausteller nicht so schwarz und bedrohlich gezeigt, sondern auch als eine Art Familie. Konsequenterweise wird die Bühne auch zu einem Jahrmarkt.

 

Schauspieler Uwe Rohbeck und Jörg Buttgereit waren schon bei „Kannibale und Liebe“ ein exzellentes Duo. Auch beim „Elefantenmensch“ spielt Rohbeck wieder die Titelrolle. Und für ihn steht ein Mammutprogramm auf dem Plan. Denn Rohbeck wird stundenlang in der Maske sein, um seinen Bodysuit anzuziehen und sich in John Merrick zu verwandeln.

 

Neben Frank Genser, Uwe Schmieder und Bettina Lieder gibt es beim „Elefantenmensch“ ein Wiedersehen mit zwei alten Bekannten: Christoph Jöde und Louise Heyer.

 

Ars tremonia drehte ein Interview mit Regisseur Jörg Buttgereit: [vsw id=“duJNfyiGLoY“ source=“youtube“ width=“600″ height=“480″ autoplay=“no“]

 

Die Premiere am 29. November und die Vorstellung am 05. Dezember sind schon ausverkauft, für den 14. und 27. Dezember hingegen gibt es noch Karten.

 

Infos und Karten unter www.theaterdo.de oder 0231 5027222.