Im Sog von Licht und Musik

[fruitful_alert type=“alert-success“]Psychologische Farbenlehre als Teil des Loops. (Andreas Beck im Affenkostüm, Damen und Herren des ChorWerk Ruhr, Raafat Daboul (Hirn)
©Thomas Jauk, Stage Picture.[/fruitful_alert]

„Einstein on the beach“ von Philip Glass ist mehr eine Meditation als eine Oper, wie wir sie gewohnt sind. Wenn noch Kay Voges als Regisseur hinzukommt, bekommt man eine 3 ½-stündige Reise voller akustischer und visueller Eindrücke geschenkt. Ein Geschenk, auf das man sich einlassen muss. Ein Premierenbericht vom 23.04.17.

Philip Glass mit seiner minimal music ist wie geschaffen für Schauspielintendant Kay Voges, der in Vergangenheit und Gegenwart sich ebenfalls mit wiederkehrenden, aber minimal veränderten Loops beschäftigt hat, man denke nur an das „Goldene Zeitalter“. Und wo kann Voges seine Leidenschaft für Videokunst besser zur Geltung bringen, als eben bei dieser Oper. Denn Heldentenöre suchte man vergeblich, auch eine durchgehende Handlung ist schwerlich auszumachen. So lässt man sich am besten fallen, lässt sich von der Musik treiben und genießt die Optik. Zwar war die Bühne zweckmäßig und minimalistisch, dafür boten die Kostüme der Akteure (Schauspieler, Sängerinnen und Chor) einiges fürs Auge: Außerirdische oder eine Sängerin mit „Gehirnfrisur“.

Die „Gehirnfrisur“ erinnerte an die Marsianer aus dem Film „Mars attack! Und auch sonst scheint sich Voges bei seinem Spacetrip bei einigen Science-fiction-Filmen inspiriert zu haben. So wirkt der Chor gleich zu Beginn optisch wie die Kinder aus dem „Dorf der Verdammten“. Vielleicht war auch Schauspieler Andreas Beck, in seinem Affenkostüm, eine kleine Reminiszenz an „Planet der Affen“.

Auch sonst gab es viel zu sehen, eine Videoinstallation vom bekannten Team um Lars Ullrich und Mario Simon vom Schauspiel zauberte meditative Bilder auf die Leinwand. Die Oberbekleidung des Chores war multifunktional, denn sie konnte auch per LED-Lampen den gesang optisch unterstützen.

Einstein selbst tauchte in dem Stück auch auf: Einerseits als Violinist (klasse Önder Baloglu) und im Rollstuhl sitzend (verkörpert durch Kammersänger Hannes Brock). Seine Relativitätstheorie von Raum und Zeit ist ein wichtige Bestandteil der Oper.

Für die Beteiligten war diese Oper kein leichtes Unterfangen. Denn wenn es auch nicht gesanglich anspruchsvoll wie eine Wagner-Oper war, brauchten alle höchste Konzentration bei den winzigen Variationen der sich immer wiederholenden Texte. Die Texte bestanden größtenteils aus Zahlen (one, two, three, four, five, six) oder italienischen Notennamen (do, re, mi). Der Loop, die Wiederholung war der zentrale Kern.

Den größten Teil der Arbeit hatten neben den Musikern der Chor des ChorWerk Ruhr, die auch in verschiedenste Kostüme schlüpfen mussten. Es war grandios, ihre Spielfreude trotz der hohen Konzentration zu erleben. Auch die Sängerinnen und Sänger Hasti Molavian, Ileana Mateescu und eben Hannes Brock führten den schwierigen Job bravourös aus. Da die Oper auch eine Kooperation mit dem Schauspielhaus war, übernahmen die Schauspielerinnen und Schauspieler Bettina Lieder, Eva Verena Müller, Andreas Beck und Raafat Daboul dank ihrer Bühnenpräsenz wichtige Funktionen in der Oper. Das bekam der musikalische Leiter Florian Helgath gut in den Griff.

Wie gesagt, man muss sich auf dieses Stück einlassen. „Einstein on the beach“ ist keine Mozart-Oper. Es ist halt etwas anders. Dazu gehört zum Beispiel, dass die Möglichkeit besteht, während des Stückes hinaus- und wieder hineinzugehen. Ein kleiner Teil nutzte die Gelegenheit, um nicht mehr wiederzukommen. Die, die geblieben sind, belohnten den Mut der Oper Dortmund mit einem donnernden Applaus.

Weitere Informationen unter www.theaterdo.de




Sneewitte – Ein Mutter-Tochter-Drama

Auch dieser Apfel der Erkenntnis hat Nebenwirklungen. Hasti Molavian (Sneewitte), Engjellushe Duka (Königin und Stiefmutter)(Foto: © Birgit Hupfeld)
Auch dieser Apfel der Erkenntnis hat Nebenwirklungen. (Foto: © Birgit Hupfeld)

Am 19.03.2015 war Premiere für das Musiktheaterstück „Sneewitte“, ein modernes „Schneewittchen“ nach einer Version der niederländischen Librettistin Sophie Kassies und Musik von Jens Joneleit. Dabei handelt es sich um eine Koproduktion zwischen dem KJT (Kinder-und Jugend theater-) und der Jungen Oper Dortmund. Regisseurin Antje Siebers inszenierte das Stück ohne schwarz-weiß Denkmuster und Disney-Kitsch.

Das Publikum erwartete in der Jungen Oper Dortmund eine pragmatisch-praktisches Bühnenbild mit zwei erhöhte Stellgerüste mit einem Steg in der Mitte und zwei auf Rollen stehende Gestelle mit Liegemöglichkeit.

Die beiden Sängerinnen Hasti Molavian (Sneewitte), Engjellushe Duka (Königin und Stiefmutter),die beiden Schauspieler Steffen Happel vom KJT-Ensemble als Jäger) und Kai Bettermann (König), sowie die kleine Band unter der musikalischen Leitung von Michael Hönes waren zunächst allesamt in schwarz gekleidet.

Das Märchen beginnt mit der Geburt von Sneewitte und den ersten Jahren mit ihrer Stiefmutter.

Zunächst sind Stiefmutter und Tochter eine Herz und eine Seele. Doch irgendwann macht ihr der Spiegel eines Tages schonungslos klar, das ihre Zeit als „schönste im Land“ abgelaufen ist. Sie will sich nicht beiseiteschieben lassen und sieht nur die Möglichkeit, ihre „junge Rivalin“ aus dem Weg zu räumen und vom Jäger ermorden zu lassen. Dieser bringt es nicht übers Herz, Sneewitte zu töten und so kommt das junge Mädchen zu den „sieben Zwergen“, die in einer Höhle leben und eine Haushaltshilfe suchen…

Hasti Moravian spielt die Entwicklung der Sneewitte von einem frechen, munteren kleinem Mädchen mit großen Füssen hin zu einer selbstbewussten jungen Frau mit starker Stimme und komödiantischen Talent. Engjellushe Duka als Stiefmutter schafft es ausgezeichnet, jede Veränderung Stimmungslage und Gemütsverfassung mit ihr Stimme und ihrem Gesang entsprechen auf die Bühne zu bringen.

Für viel Vergnügen sorgten auch die beiden Schauspieler Happel und Bettermann mit humorvollen Einlagen. Als König und Jäger. Zusätzlich fungierten sie auch noch als zwei der witzigen „Zwerge“. Die kleine Band unter Michael Hönes Leitung war voll in das Stück integriert und spielten als „Zwerge“ in skurrilen mintfarbenen Perücken und weißen Röckchen. Ein besonderer Hingucker.

Und wer spielte den Prinzen? In der Inszenierung von Antje Siebers kommt kein Prinz vor. Sneewitte braucht erst einmal keinen externen Helden, um sich zu befreien und zu entwickeln, scheint das Motto zu lauten.

Geschickt genutzt wurden zwei herausziehbare Bodenplatten neben dem Steg,die dann als Öffnungen als „Höhleneingang“ für die „Zwerge“ und Sneewitte dienten.

Die Musik begleitet und charakterisiert die Handlung mit jazzigen oft Tönen in all seinen Facetten. Dies geschieht zum Beispiel durch starke „ermutigende Musik“, die die dann später in Songs mündet.




Eine unglaubliche Transformation

Carlos Moreno Pelizari (Bartolomäus Brummhold), Britta Wille (Prinzessin Asta Basta), James Martin (König Astus Bastus), Hasti Molavian (Einstein) (Foto © Björn Hickmann / Stage Picture)
Carlos Moreno Pelizari (Bartolomäus Brummhold), Britta Wille (Prinzessin Asta Basta), James Martin (König Astus Bastus), Hasti Molavian (Einstein)
(Foto © Björn Hickmann / Stage Picture)

Am 27. Oktober hatte die Kinderoper „Der unglaubliche Spotz“ von Mike Svoboda und dem Libretto von Manfred Weiß Premiere in der Jungen Oper. Inszeniert von Ronny Jakubaschk und der musikalischen Leitung von Michael Hönes, entwickelte sich eine interessante Geschichte, ob Musik nun Geräusch und Krach ist oder nicht.

Tja, der König Astus Bastus hat’s nicht leicht, ausgerechnet bei der Uraufführung der ersten allyrischen Oper, empfindet er alle Musik als lauten Krach. Später empfindet er alle Geräusche als Krach und schafft es nur mit einem Kopfhörer ins Reich der Träume. Da er den Kopfhörer auch bei den Nationalhymnen der befreundeten Nationen aufhaben muss, kommt es zu staatspolitischen Komplikationen. Nur die Erfinderin Einstein hat die Lösung: Ein Gerät, dass alle Geräusche in wohlklingende Musik verwandelt, soll den König heilen: Der Spotz. Zwar zeigt der Spotz, der Geräusche in Musik umwandelt, zunächst Nebenwirkungen, denn der König macht „Spotz-Geräusche“, die so klingen, als gäbe es Unterbrechungen auf einer Leitung. Doch am Ende kann die Oper aufgeführt werden.

 

Die Musik: Sie kann etwas sehr schönes sein, vor allem, wenn man selber aktiv mitmacht. Sie kann aber auch nerven. Wer hat sich schon nicht einmal über die Musik aus der Nachbarwohnung beschwert, wo man doch eigentlich schlafen wollte. Das ist eine Kernidee der Kinderoper „Der unglaubliche Spotz“. Nämlich Verständnis für beide Seiten aufzubringen: Diejenigen, die von Musik genervt sind und diejenigen, die Musik machen wollen. „Daneben geht es auch um das nicht immer ganz einfache Verhältnis zwischen Kinderwelt und Erwachsenenwelt. Der König, als Repräsentant der Erwachsenen hat die Macht, Dinge zu verbieten. Was Astus Bastus auch macht: „Die Oper wird verboten.“ Doch so einfach lassen sich die Kinder, repräsentiert durch Prinzessin Asta Basta und Komponist Bartholomäus Brummhold, nicht unterkriegen. Sie nehmen mit Hilfe von Erfinderin Einstein die Sache selbst in die Hand.

 

Inszeniert wurde das Stück von Ronny Jakubaschk routiniert, doch hatte es ein klein wenig Überlänge. Ein Beispiel Staatsbesuch von Funien – König geht schlafen – Staatsbesuch von Wansibar – König geht schlafen. Vielleicht hätten ein paar Straffungen hie und da, dem Stück besser getan, denn die Kinder (es ist ab 6 Jahre) wurden nach 60 Minuten doch recht unruhig.

 

Den vier Sängerinnen und Sängern kann man von dieser Stelle nur ein großes Lob aussprechen, denn alle vier Partien waren prima besetzt. James Martin überzeugte als imposanter König, der von Musik und Geräuschen genervt wurde. Hasti Molavian als herrlich überdrehte Erfinderin Einstein, Britta Wille als Prinzessin Asta Basta und Carlos Moreno Pelizari als verzweifelter Komponist Bartholomäus Brummhold waren ebenfalls mit großer Spiel- und Singlaune dabei.

 

Die musikalische Leitung hatte wie gewohnt Michael Hönes, der mit seinen Mitstreitern der Dortmunder Philharmoniker einen außergewöhnlichen Klangteppich webte. Mit Spielzeugklavier und Kuhglocken kamen ungewohnte Instrumente und Klangfarben ins Spiel, ohne dass die Musik in irgendeiner Form zu avantgardistisch wurde.

 

Ebenfalls klasse waren die Kostüme von Matthias Koch: Der König majestätisch in schwarz und grau. Im bewusstem Gegensatz dazu Brummhold und Asta Basta in herrlichen bunten Fantasiekostümen, die man als Barockpunk bezeichnen könnte. Selbst das Kostüm von Einstein war zwar eher „wissenschaftlich schlicht“, aber dennoch ein Hingucker. Die Bühne (ebenfalls von Koch) war schlicht , aber zweckmäßig. Im Schwarz-Weiß gehalten stand ein Bett, das aber auch als Thron diente. Auch die „Uhr“ im Hintergrund wurde im Laufe des Stückes in eine Laboreinrichtung integriert.

 

Die weiteren Termine sind: 2, 3., 6. 10., 17., 22., 24., 28.November.
1., 6., 10., 12., 17., 18., 19., 22.Dezember.2013

 

Tickets (11,- Euro, ermäßigt 6,- Euro) an der Kasse im Opernhaus, telefonisch unter 0231/50-27 222 oder unter www.theaterdo.de.