Vielfältige Klangfarben im Konzerthaus

Beim 2. Konzert Wiener Klassik am 30.01. 2017 im Konzerthaus verdeutlichte die Dortmunder Philharmoniker unter der engagierten Leitung von Generalmusikdirektor Gabriel Feltz das vielseitige Können des großen Komponisten Ludwig van Beethoven (1770-1827) anhand von drei Werken. Diese sind in ihrer Gegensätzlichkeit beispielhaft für die Vielschichtigkeit seines Gesamtwerkes. Die Ouvertüre für ein Ballett, Kammermusik und große Sinfonik standen auf dem Programm.

Die Ouvertüre für das Ballett „Die Geschöpfe des Prometheus“ (1801) war Beethovens erste Bühnenmusik Basis für das allegorische Ballett war der Mythos von Prometheus. Ein erhabener Geist, der die ignoranten Menschen neu durch Kunst und Wissenschaft definierte und ihnen moralische Gesetze gab.

Der kraftvolle C-Dur Beginn wird bald durch Dissonanzen von Fagotten und Streichern gestört. Im weiteren Verlauf der fünf minütigen Ouvertüre steigert sich die Musik immer wieder wellenartig bis hin zu rasanten Höhepunkten. Stürmisch rasant eilen sowohl die Ouvertüre als auch Prometheus dem Finale entgegen.

Mit einer ganz anderen Klangfarbe erfreuten als zweiter Teil des Abends Generalmusikdirektor Gabriel Feltz höchstpersönlich am Klavier, Shinkyung Kim (Violine) und Franziska Batzdorf (Violoncello) mit Kammermusik von Ludwig van Beethoven das Publikum.

Das Klaviertrio D-Dur op. 70,1 ist auch mit dem populären Beinamen „Geistertrio“ bekannt. Das bezieht sich vor allem auf den düsteren und bizarren zweiten Satz. Ist der erste Satz von heiterer Gemütlichkeit geprägt, ändert sich das im folgenden Satz . Er ist von Kontrasten und gegensätzlichen Klangfarben gekennzeichnet.. Mal lyrisch-ernst und getragen, folgen schnell harsche Passagen als dynamischer Gegensatz. Interessant dabei ist der Tremolo-Effekt mit den zitternden Klängen der Instrumente. Das abschließenden Presto kommt als Sturmwind virtuos daher. Gesteigerte musikalische Dramatik wechselt mit lyrischen Passagen „nach dem Sturm“.

Nach der Pause stand die 2. Sinfonie D-Dur op.36 auf dem Programm. Sie entstand im Spätsommer 1802, als Beethoven langsam sein schwächer werdendes Hörvermögen bewusst wurde. Seine 2. Sinfonie ist von Gegensätzen geprägt. Nach einer feierlichen Einleitung kippt die Musik immer wieder mysteriös nach Moll. Die Themen wechseln vom spielerischen hin zum rhythmischen. Das Musik steigert sich mit schnellen Streicher-Tremoli . Der zweite Satz im 3/8 Takt wird vor allem von den Streichern getragen. Im dritten Satz überrascht Beethoven mit einem rasanten Scherzo anstelle eines üblichen gemächlichen Menuetts. Mit mächtigen Schlägen beginnt der rasante vierte Satz „Allegro molto“. Themen aus der gesamten Sinfonie werden wieder aufgegriffen und in ihrer Wirkung intensiviert und gesteigert. Das Finale bildet dann den absoluten Höhepunkt.

Der Wiener Klassik-Abend war nicht nur ein musikalischer Genuss, sondern zeigte auch klar die Vielschichtigkeit dieses großen Komponisten.




Wenn die Rosen erblühen in Málaga

Mit viel spanischem Temperament begrüßten die Dortmunder Philharmoniker unter der Leitung von GMD Gabriel Feltz das neue Jahr. (Foto: © Anneliese Schürer)

Vielleicht kommt ihnen das irgendwie bekannt vor. Ja genau, das war doch in den 70iger Jahren ein Hit des Schlagerduos „Cindy und Bert“. Ursprünglich stammt die Melodie aber aus der „ Rhapsodie España“, des französischen Komponisten Emmanuel Chabrier (1841-1894). Es war das temperamentvolle Finales des Neujahrskonzerts 2017 aus der im Dortmunder Opernhaus. Zur stimmungsvollen Begrüßung des neuen Jahres luden die Dortmunder Philharmoniker unter der souveränen Leitung von Generalmusikdirektor Gabriel Feltz nach einem Sektempfang im Foyer der Oper das Publikum mit dem Slogan „Viva España“ ein.

Gerade in diesen schwierigen Zeiten sollte das Jahr 2017 mit spanischer Lebensfreude begrüßt werden.

Ausgewählt wurde Musik von Maurice Ravel (Rhapsodie espagnole), Joaquín Rodrigo ((Concierto de Aranjuez für Gitarre und Orchester) und Manuel de Falla El sombrero de tres picos „Der Dreispitz“, Ballettmusik, Suite 1 und 2). Zur Verstärkung der musikalischen emotionalen Stimmungen wurden auf einer Leinwand im Hintergrund jeweils passende Bilder spanischer Landschaften, eine spanischen Arena oder etwa eine spanischen Tanzgruppe projiziert.

Erstaunlich ist, dass wieder ein Franzose sein Herz für spanische Musik entdeckte. Geheimnisvoll fing es mit Maurice Ravels „Prélude à la nuit“ (Rhapsodie espagnole) an und im weiteren Verlauf wurden sowohl die mal melancholische, andererseits wieder temperamentvoll lebensfrohe spanische Lebensart im Konzertsaal lebendig. Zwei Harfen, Streicher, Blasinstrumente und Pauken sorgten für den entsprechenden musikalischen Background.

Ein Höhepunkt war sicherlich der Auftritt des mexikanischen ausgezeichneten Gitarristen Pablo Garibay beim zweiten Teil mit Rodrigos „Concierto de Aranjuez“.

Mit großer Sensibilität und musikalischer Intensität bewies er großes Können mit seiner Gitarre. Das zeigte sich besonders im Mittelteil, dem als Filmmusik und als Coverversion von Carlos Santana bekannten Adagio. Die Kombination Orchester und Gitarre sorgte für eine besondere Atmosphäre.

Mit Manuel de Fallas „El sombrero de tres picos“ kam Flamenco-Stimmung in den Konzertraum.

Mit Urlaubsträumen, spanischer Lebensfreude und nachdenkliche Melancholie wurde das Publikum in den ersten Abend des neuen Jahres entlassen.




Disney im Zauberflötenland

Tamara Weimerich (Papagena) und Morgan Moody (Papageno). (Foto: © Theater Dortmund)
Tamara Weimerich (Papagena) und Morgan Moody (Papageno). (Foto: © Theater Dortmund)

Die Interpretationen zu Mozarts „Zauberflöte“ sind Legion. Mal steht Sarastro für die Aufklärung, mal für die Fürstenmacht, mal für die Vernunft oder auch für eine zweifelhafte Persönlichkeit. Für Regisseur Stefan Huber ist Sarastro Walt Disney und er lässt Karl-Heinz Lehner im goldfarbenen Anzug Disneys Wunderwelten erkunden. Von den drei kleinen Schweinchen (die drei Knaben) über Papageno, der ein wenig Donald Duck ähnelte, bis hin zu Monostatos mit seinen Mickey-Maus-Ohren. Passend dazu kam Tamino in einem Pfadfinder-Outfit, als wäre er Mitglied im Fähnlein Fieselschweif. Ein Premierenbericht vom 26. November 2016.

Die Handlung in aller Kürze: Tamino soll im Auftrag der Königin der Nacht ihre Tochter Pamina aus den Händen von Sarastro befreien. Jedoch wird unser Held durch die Güte von Sarastro überzeugt und lässt sich in die Mysterien einweihen und bekommt am Ende seine geliebte Pamina. Auch Taminos Begleiter Pagageno findet am Ende seine Papagena.

So weit, so gut, der Text von Emanuel Schikaneder vereint drei Elemente: Freimaurertum, die französischer Revolution und die altägyptische Exotik, die damals in Wien Mode war. O Isis und Osiris. Heute würde man ergänzen, dass der Text nicht ganz politisch korrekt ist. Vor allem Sarastros patricharchalische Welt duldet keine Frauen: „Ein Weib tut wenig, plaudert viel“. Seinem schwarzen Diener Monostatos geht es ähnlich. Nichts ist mehr von „Menschenliebe“ zu spüren, wenn ihn Sarastro mit 77 Sohlenhieben bestraft, nur weil er seine Pflicht erfüllt hat und Pamina zurückbringt.

Unbeeindruckt von allen Interpretationen bleibt Mozarts Musik und der wahrscheinlich ungewöhnlichste Beginn einer Oper: Der heldenhafte Tenor flieht vor einem Untier und muss von drei Frauen gerettet werden. Mozarts Musik wurde meisterhaft dargeboten von den Dortmunder Philharmonikern unter der Leitung von Gabriel Feltz.

Auch die Sänger machten einen guten Job: Joshua Whitener bot als Tamino ebenso eine Klasse Vorstellung wie Lehner (Sarastro), Marie-Pierre Roy (Königin der Nacht), Morgan Moody (Pagageno) oder Hannes Brock (Monostatos). Wobei Moody seine schauspielerischen Fähigkeiten immer wieder aufblitzen ließ. Auch die Nebenrollen waren sehr stark besetzt, für die drei Kaben (Jushua Krahnefeld, Vincent Schwierts und Nick Esser) gab es verdientermaßen großen Applaus. Chor und Statisterie ergänzten auf positive Weise das Gesamtbild.

Vielleicht ist die Kostümierung für den einen oder anderen zu schrill, doch dem Dortmunder Publikum hat es zumeist gefallen. Auch das Bühnenbild mit den europäisch-westlichen Wahrzeichen (u.a. Brandenburger Tor, Schiefer Turm von Pisa, Freiheitsstatue) passte zur Inszenierung.

„Die Zauberflöte“ ist in der Dortmunder Inszenierung von Huber ein schönes buntes Stück geworden zusammen mit der unsterblichen Musik von Mozart.

Weitere Infos unter www.theaterdo.de




Hohe Wellen im Konzerthaus

Am 18. und 19. Oktober 2016 luden die Dortmunder Philharmoniker unter der Leitung von Generalmusikdirektor Gabriel Feltz zum 2. Philharmonischen Konzert unter dem Thema „wasser_spiele“ in das Dortmunder Konzerthaus. Für Teil zwei des Abends mit fünf orchestrierten Schubert-Liedern, konnte der renommierte dänische Bariton Bo Skovhus als Gesangssolist gewonnen werden. Ars tremonia war am 19. Oktober dabei.

Mit der Ouvertüre zu „Der fliegende Holländer“ von Richard Wagner (1813–1883) ging es schon von Anfang an emotional bewegend und dramatisch los. Die Streicher, Bläser und Trommelwirbel übertrugen die gespenstische Stimmung auf dem Schiff des „fliegenden Holländers“ mit den brausenden Emotionen für das Publikum im Konzertraum. Wie bekannt, musste der „Holländer“ nach sieben Jahren auf See zur Erlösung durch die Liebe an Land kommen. Das Englischhorn kündigt den Auftritt von Senta, die die Ankunft eines Erlösers hofft mit leiseren und sanfteren Tönen an. Das traurige Ende der Geschichte ist bekannt. In dieser Ouvertüre steckt schon die ganze Dramatik und emotionalen Höhen und Tiefen dieser Wagner-Oper.

Bo Skovhus überzeugte mit warmen und kraftvollen Bariton danach mit seiner Interpretation der für das Orchester bearbeiteten fünf Lieder von Franz Schubert (1797-1828).

Die von dem Dänen Karl Aage Rasmussen (geb. 1947) für das Orchester instrumentierte Version des „Taucher“ hatte überhaupt erst am 12.März 2012 in Groningen Premiere gehabt.

Bei der Geschichte taucht ein mutiger Jüngling nach einem goldenen Becher, den der König in die tosenden Wellen der See geworfen hat und danach noch ein zweites Mal um einem Ring und die Hand der Königstochter. Da verschlingen ihn die Fluten. Es geht also um emotionale und sprichwörtliche „Wasserwellen“.

Danach folgen der mystische „Prometheus“ (Instr. Carl Nielsen), das an den „Sturm und Drang“ beeinflusste „An Schwager Kronos“,(Intr. Johannes Brahms) sowie das ebenfalls von Brahms instrumentierte „Geheimes“. Hier spielen Horn und Streicher eine besondere Rolle bei der Vermittlung eines pulsierenden Schlagens des verliebten Herzens.

Die bekannte Ballade von Johann Wolfgang von Goethe, der „Erlkönig“ in der dramatischen Bearbeitung von Hector Bérlioz bildeten den stimmungsvollen Abschluss.

Nach der Pause führten die Philharmoniker und ihr Dirigent das Publikum durch das musikalisch emotionale Wechselbad der Sinfonie Nr.7 von Antonin Dvořák.

Der kämpferische 1. Satz: Allegro maestoso beginnt musikalisch eher ruhig aber bedrohlich-düster. Das zweite Thema des Satzes ist klanglich optimistischer, jedoch immer im Kampf mit dem düsteren Motto-Thema. Das verlangt vom Orchester und Dirigent vollen (körperlichen) Einsatz.

Die kraftvolle und kämpferische Stimmung kennzeichnet auch den 2. Satz: Poco adagio.

Das sanfte, von den Holzbläsern dominierte Hauptthema wird immer wieder unterbrochen und sich als kraftvolle Eruption des gesamten Orchesters steigert.

Der 3. Satz: Scherzo Vivace ist von folkloristisch-böhmisch mit tänzerischen Klangelement geprägt und im kämpferischen Moll gehalten.

Der 4. Satz: Finale Allegro führt nach einer emotionalen Achterbahn zu einer fulminanten Coda, einer dramatischen ausklingenden musikalischen Bedeutungseinheit.

Steht am Anfang ein rhythmisches, starkes Streicher-Motiv, folgt danach immer drängender und optimistischer werdende Hauptthema. Doch die düstere Grundstimmung versucht sich immer wieder mit geballter Kraft bis zu leicht zuversichtlichem Ende durchzusetzen.

Ein bewegender Konzertabend.




Romantische Komödie mit Livemusik

Was gibt es Schöneres als den Schalttag mit dem absoluten Filmklassiker „Lichter der Großstadt“ zu begehen, der live begleitet wird von den Dortmunder Philharmoniker unter der Leitung von Gabriel Feltz? 90 Minuten Kino- und Konzerterlebnis im Konzerthaus Dortmund. Der lang anhaltende Schlussapplaus galt nicht nur den Musikern, sondern auch dem Schauspieler und Humanisten Charles Chaplin, der sogar die Musik zum Film geschrieben hatte.

Vielleicht lag die besondere Magie genau darin, dass sich die beiden Hauptdarsteller Chaplin und Virginia Cherill (Blumenmädchen) angeblich nicht ausstehen konnten. So blieb eine gewisse Distanz übrig, die den Film vor dem Kitsch rettet. Die romantische Komödie von 1931 vom Tramp (Chaplin), der sich in ein blindes Blumenmädchen verliebt und durch die temporäre Freundschaft zu einem Millionär (Marry Myers) in der Lage kommt, ihr zu einer Operation zu verhelfen, ist ein Stummfilm, trotz der aufstrebenden Tonfilms. Das Ende bleibt im Film offen, auch das ist das Schöne, ohne Hollywoodeskes Happy-End.

Die Musiker und ihr Dirigent mussten bei dem Film auf Zack sein, denn die vielen Slapstick-Einlagen wurden auf die Sekunde genau von entsprechenden Klangeffekten begleitet. Für die übrigen Musik ist Chaplin überwiegend verantwortlich, bis auf das Leitmotiv für das Blumenmädchen, das stammt von José Padilla. Chaplins Musik ist passender weise romantisch beeinflusst mit verschiedenen Leitmotiven für die Hauptcharaktere. Ein Heimspiel für die Philharmoniker.

Ein lustiger, berührender, auf jeden Fall emotionaler Filmabend ging endete und man darf gespannt sein, welcher Film in der nächsten Spielzeit gezeigt wird.




Zwischen Traum und Trauma

Das 6. Philharmonische Konzert im Konzerthaus Dortmund am 23. und 24. Februar 2016 stand unter dem Motto „traum_welten“. Das bedeutet nicht nur die traumhaft-ekstatische positiven Seite, sondern auch die dunkle Seite, der Albtraum dahinter.

Besonders deutlich wird das bei Maurice Ravel (1879 – 1937) bei seinem „La Valse, Poème choréographique zu Beginn des Abends. Im Jahr 1916 als Hommage Johann Strauß von Ravel zunächst unter dem Titel „Wien“ konzipiert, wurde der Name nach seinen Erlebnissen im Ersten Weltkrieg in „La Valse“ geändert.

Was bei Thomas Manns „Zauberberg“ eine literarische Auseinandersetzung mit dem „Fin de Siècle“ ist, gelingt Ravel beeindruckend auf musikalischer Ebene.

Der Dortmunder Philharmoniker unter der sensiblen und energischen Leitung von Generalmusikdirektor Gabriel Feltz gelang es hervorragend, die unterschiedlichen Stimmungen des Stücks bis in die feinen Nuancen für das Publikum lebendig werden zu lassen.

Am Anfang die wie durch einen Nebel gesehenen ausgelassenen Walzerklänge eines höfischen Balls, die immer ekstatischer werden. Zwischendurch sind aber schon bedrohliche Paukenschläge zu hören. Am Ende steigert wie bei einen „Tanz auf dem Vulkan“ in einen hysterischen Taumel bis zur Katastrophe hinter dem Abgrund.

Es folgte das technisch anspruchsvolle 2. Klavierkonzert g-Moll op. 13 von Camille Saint-Saëns ( 1835 – 1921). Die junge Schweizer Pianistin Beatrice Berrut meisterte die Herausforderung der Melange verschiedener stilistischer Einflüsse mit einer scheinbar spielerischen Leichtigkeit. So zum Beispiel in den Solopartien mit der formalen Strenge J.S. Bach, oder dann im plötzlichen Wechsel leicht mit einem romantischen Anklang an Schuhmann im erste Satz „Andante sostenuto“. Das Zusammenspiel mit dem begleitenden Orchester war von großer Harmonie geprägt.

Der zweite. Satz, das „Allegro scherzando“ war melodiös und von beschwingter Leichtigkeit gekennzeichnet.

Der dritte Satz mit dem Finale:Presto (alla breve) nimmt mit einer schwungvollen Tarantella noch einmal gehörig an Fahrt auf hin bis zu den fulminanten Orchesterakkorden am Ende.

Für das begeisterte Publikum gab es von der Pianistin noch eine Zugabe von J.S. Bach.

Nach der Pause folgte das Trauma des russischen Komponisten Sergej Rachmaninow (1873-1943), die 1. Sinfonie d.Moll op. 13.

Nach der Uraufführung am 27. März 1897 wurde sie zunächst gnadenlos von der Presse verrissen. Das führte bei Rachmaninow zu einer Depression. Hinzu kam noch seine unglückliche Liebe zu Anna Lodyzhenska, der Frau eines Moskauer Kaufmanns. Ihr hatte Rachmaninow die Sinfonie gewidmet und von diesem Schmerz ist sie geprägt. Düster, wuchtig, melancholisch und kraftvoll. Nur kurz heiter beim Volksfest der Zigeuner.. Das Mottothema wie das gesamte Werk von Rachmaninow basiert auf der Tonfolge des „Dies Irae“-Chorals der lateinischen Totenmesse.

Einen persönlichen Bezug zu seiner unglücklichen Liebe zeigen auch die an die Zigeunermusik anklingende musikalischen Elemente. Die Eltern von Anna waren Zigeuner (Roma -Sinti ?).

Temperamentvolle Tarantella und Volksfeststimmung wechselt mit ruhigeren Passagen bis zum gewaltigen Höhepunkt mit dem Schlag eines Tamtams, um dann wieder zum umfassenden Motto des ersten Satzes zurück zu finden.




Eine emotionale musikalische Reise

Mit dem 2. Konzert für junge Leute unter dem Titel „Hollywood Hits – Love. Space. Hell“ entführten die Dortmunder Philharmoniker unter der Leitung von GMD Gabriel Feltz am 14.12.2015 das junge und jung gebliebene Publikum im Dortmunder Konzerthaus durch die fantastische Welt der Hollywoodfilm-Hits. Ihm zur Seite stand als Moderator an diesem Abend kein geringerer als BVB-Spieler Neven Subotić.

Dieser freute sich darüber, bei dieser Gelegenheit auf seine humanitäre Stiftung aufmerksam machen zu können und bat auch charmant um eine Spende für die multikulturelle Straßenfußballliga „buntkicktgut“ in der Nordstadt mit ihren 35 Teams. Feltz und Subotić führten mit Humor und kleinen Anekdoten durch das Programm.

Im Mittelpunkt des Abends stand zum großen Teil der „unendliche Weltraum“ mit Musik aus „Star Wars“ (John Williams), „Alien 1 und 2 , „Star Trek“ (Jerry Goldsmith) oder aber „Back to the future“ (Alan Sivestri).Schnell wurde klar, dass der emotionale Zauber der Musik ein essentieller Bestandteil des Erfolges und Wirkung der Filme bis heute ist.

Das selbe gilt natürlich auch für das folgende schwungvolle Medley der Musik von Monty Norman aus den James Bond 007-Filmen. Ein Höhepunkt war sicherlich die von Konzertmeister Alexander Prushinsky auf seiner Violine gefühlvoll vorgetragene Tango-Musik (Calos Gardel) aus „Der Duft der Frauen“. Das Konzert endete mit Musik aus der tragisch-rührenden Liebesgeschichte „Love Story“ (Francis Lai) aus dem Jahr 1970.

Als Zugabe für das begeisterte Publikum gab es als Zugabe noch Musik aus Spielbergs „E.T.“ von John Williams, womit man vom Komponisten wieder am Anfang des Konzertes angelangt war.




Tschaikowsky und Shakespeare

Das erste Philharmonische Konzert am 15. und 16. September 2015 stand unter dem Titel „freuden_tränen“. Waren es nun mehr Freunden als Tränen? Alban Bergs „Dem Andenken eines Engels“ handelt vom Tod der jungen Manon Gropius und wie die Geschichte von Romeo und Julia ausgeht, brauche ich Ihnen nicht zu erzählen. Dennoch (oder gerade deshalb) war es ein bewegender Abend am 15. September.

Tschaikowsky und Shakespeare. Der russische Komponist des 19. Jahrhunderts verehrte den englischen Dichter und Autor aus dem 16. Jahrhundert. Neben dem „Sturm“ und „Romeo und Julia“ komponierte Tschaikowsky auch die Fantasie-Ouvertüre zu „Hamlet“. „Der Sturm“ und „Romeo und Julia“ bildeten die Klammer beim ersten Philharmonischen Konzert.

Gleich schwungvoll kräftig, aber auch liebevoll zärtlich ließ Gabriel Feltz seine Musiker den Sturm bezwingen und die Liebesgeschichte zwischen Ferdinand und Miranda besingen. Ein Kleinod der russischen Musik, die gerne häufiger auf dem Spielplan stehen könnte.

Mit Tschaikowsky endete auch der Konzertabend. „Romeo und Julia“. Auch wenn die ersten Takte eher an Russland als an Verona erinnern, zaubert Tschaikowsky in seinem Liebesmotiv mit Englischhorn und Bratsche eine zärtliche Stimmung bis Pauken und Schlagwerk die Kämpfe und das bittere Ende der beiden Liebenden symbolisieren.

Neben Tschaikowsky stand das Violinkonzert „Dem Andenken eines Engels“ von Alban Berg im Mittelpunkt. Die Solovioline spielte der 1. Konzertmeister Alexander Prushinskiy. Trotz der Zwölftonmusik hat Bergs Werk etwas tragisches Zerbrechliches an sich. Prushinskiy gelang es, dieses Zarte auch in ein Spiel zu integrieren, im zweiten Teil, dem „Andante“ wird die Stimmung düsterer und die Katastrophe scheint sich anzubahnen. Auch hier zeigte Prushinskiy seine Klasse.

Ebenfalls mit im Programm war Schuberts 7. Sinfonie, die „Unvollendete“. Schubert, dessen Liederzyklen ja bekannter sind als seine Sinfonien, bleibt auch hier ein Meister der Melodien. Auch wenn sich Musikwissenschaftler darüber streiten, warum Schubert seine Siebte unvollendet ließ – er starb zwar jung, aber er legte die Sinfonie bereits fünf Jahre vor seinem Tod beiseite – vielleicht brauchte Schubert nicht mehr als zwei Sätze um seine musikalischen Ideen auf den Punkt zu bekommen.




Liebe gegen das System

Ein kurzer Moment des Glückes für Tristan (Lance Ryan) und Isolde (Allison Oakes). Foto: © Thomas Jauk.
Ein kurzer Moment des Glückes für Tristan (Lance Ryan) und Isolde (Allison Oakes). Foto: © Thomas Jauk.

Mit der Inszenierung von Wagners „Tristan und Isolde“ befördert Regisseur und Opernintendant Jens-Daniel Herzog das romantische Mittelalterdrama in eine DDR der 80er Jahre. Für Romantik ist kein Platz mehr, selbst nicht für Isoldes Liebestod. Ein Premierenbericht vom 06. September 2015.

Romantik trifft auf ein kaltes, durchorganisiertes Regime. Kühler Beton, eine nüchterne Schreibstube und ein Porträt des Staatsoberhauptes, König Marke. So empfing der erste Akt von „Tristan und Isolde“ die Zuschauer. Jens-Daniel Herzog entführt uns nicht die die mittelalterliche Märchenwelt, sondern in die kalte Atmosphäre eines totalitären Systems. Von den Uniformen könnte es in der DDR der 80er Jahre Spiegeln oder in einem der unzähligen Militärdiktaturen. Welches Schicksal Systemfeinden droht, zeigt gleich eine Hinrichtung zu Beginn des ersten Aktes. Wer kann, der flüchtet. Auch dieses hochaktuelle Thema behandelt Herzog und sein Team Bühnenbildner Mathis Neidhardt und Sibylle Gädeke (Kostüme).

Tristan (Lance Ryan) ist in der Inszenierung treuer Gefolgsmann von Kornwalls König Marke (Karl-Heinz Lehner). Für den Erhalt des Staatswesens überredet Tristan Marke, eine Frau zu nehmen. Die Wahl fällt auf die Irenprinzessin Isolde (Allison Oakes), die von Tristan als eine Art Rosenkavalier nach Kornwall eskortiert wird. Pikant: Tristan hatte Isoldes Verlobten im Kampf umgebracht. Isolde will Rache, vertauscht aber die Zaubertränke und nimmt den Liebestrank. Die beiden verlieben sich ineinander, sehr zum Unwillen von König Marke und seinen Begleitern. Schnell wird die Liaison entdeckt und Tristan vom Ziehkind zum Verräter.

Herzogs Inszenierung wusste vor allem in den ersten beiden Akten zu gefallen. Es beginnt mit einem Schockmoment der Hinrichtung eines Gefangenen und der Abfertigung von Isolde und ihrer Begleiterin Brangäne (Martina Dike). Alles erinnert an die deutsch-deutsche Grenze und gleichzeitig an die aktuelle Flüchtlingssituation. Gegen Ende des ersten Aktes legt Herzog auch Wagners Humor frei, als Tristan den Liebestrank zu sich genommen hat. Lustig und beschwingt lässt er sich auch von Kurwenal (Sangmin Lee) kaum bändigen.

Auch im zweiten Satz ist das Bild perfekt. Tristan und Isolde scheinen es zu spüren, dass ihre Affäre nicht unentdeckt geblieben ist. Schon gar nicht in einem solchen Staat wie ihn Herzog zeigt. Tristan und Isolde gehen von einem Raum zum anderen, überall sitzt jemand, der Akten anlegt, überwacht und aufzeichnet. Im letzten Raum dann die dramatische Auflösung. Kurwenal sitzt blutüberströmt auf einen Stuhl, Tristan wird mit Melot, dem neuen Ziehsohn von Marke gefoltert.

Der dritte Akt bringt die Entscheidung: Kurwenal wird von Melot erschossen (im original ist es andersherum), Tristan stirbt, bekommt aber ein ehrenvolles Begräbnis, obwohl in autoritären Regimes die Abweichler gerne aus der Geschichte getilgt werden wie beispielösweise bei Stalin und Trotzki. Isolde bleibt der Liebestod erspart. Vielleicht ist in dieser kalten Gesellschaft auch kein Platz für solche Romantik.

Lance Ryan und Allison Oakes sind routinierte Wagner-Interpreten und sangen ihren Part ebenso gekonnt. Doch den größten Applaus gab es für die Lokalmatadoren Karl-Heinz Lehnert und Sangmin Lee. Lehnert spielte einen eiskalten Marke, der für den Machterhalt ohne mit der Wimper zu zucken auch seinen Ziehsohn fallen lässt. Lee spielte Kurwenal als treuen Adlatus, der seinem Freund Tristan auf Gedeih und Verderb folgt und konsequenterweise in dieser Inszenierung dessen Schicksal teilen muss.

Ein großes Lob verdienten sich die Dortmunder Philharmoniker unter der Leitung von Gabriel Feltz, der gekonnt die Feinheiten von Wagners Partitur ausarbeitete.

Die Inszenierung stieß nicht auf ungeteilten Beifall des Dortmunder Publikums. Waren die beiden Hinrichtungen (Gefangener, Kurwenal) zu viel? Auch wenn Herzogs Regiearbeit im dritten Akt nicht mehr die wunderbaren Bilder produzierte wie in den beiden ersten Akten, war die Gesamtkonzeption stimmig: Menschlichkeit (die Liebe als intensive menschliche Regung) dringt in ein bürokratisch-autoritäres System ein und muss scheitern. Es ist wie fast immer bei Herzogs Arbeiten: Man muss sich schon trauen, aber es lohnt sich.




Wagners Superheld im Konzerthaus

Krönender Abschluss der Spielzeit. Die Dortmunder Philharmoniker sowie die Solisten Petra Lang (Brünnhilde) und Andreas Schager (Siegfried). (Foto: © Anneliese Schürer)
Krönender Abschluss der Spielzeit. Die Dortmunder Philharmoniker sowie die Solisten Petra Lang (Brünnhilde) und Andreas Schager (Siegfried). (Foto: © Anneliese Schürer)

Das 10. Philharmonische Konzert am 02. und 03. Juni 2015 im Konzerthaus präsentierte wohl den Helden der klassischen Musik: Siegfried. Schlau wie Frodo (auch bei dem geht es um einen Ring) und ähnlich unverwundbar wie Achill. Mit dem Siegfried-Idyll und dem dritten Akt aus der Oper „Siegfried“ näherten sich Gabriel Feltz und seine Dortmunder Philharmoniker dem Helden, dessen Taten Richard Wagner in Musik packte.

Zunächst stand das Siegfried-Idyll auf dem Programm. Richard Wagner komponierte es als Geburtstags-Gruß für seine Frau Cosima und nahm schon einige Elemente der späteren Oper „Siegfried“ vorweg. Die Besetzung ist für Wagnerianische Verhältnisse spärlich, denn ursprünglich wurde es für ein Kammerorchester geschrieben.

Wer beim Siegfried-Idyll dramatische Musik, ähnlich wie beim Walküren-Ritt, erwartet, liegt völlig falsch. Das Stück ist zärtlich, warm und wie sein Name schon sagt, es weckt Gedanken an eine imaginäre idyllische Landschaft. Das Stück passt sehr gut zu Feltz und seinem Orchester, da der Dirigent ein Meister der Zwischentöne ist, der Pausen zwischen den Noten, die für die Musik ebenso wichtig sind wie die gespielten Noten selbst.

Der zweite Teil des Abends gehörte dem dritten Akt von „Siegfried“. Dem Ort geschuldet, wurde es natürlich konzertant aufgeführt. Das heißt, Sänger vorne und die Musiker, die in „wagnerianischer Stärke“ angetreten waren, im Hintergrund. Ich vermute mal, dass es daran lag, dass die Solisten, vor allem Olafur Sigurdarson (Wotan) bei lauten Stellen etwas schwer zu verstehen sind. Denn in einer „normalen“ Aufführung sind die Musiker ja in einem Orchestergraben.

Ansonsten gab es überhaupt nichts zu meckern. Denn alle Solisten machten einen hervorragenden Eindruck, sei es der erwähnte Sigurdarson, Ewa Wolak (Erda), Petra Lang (Brünnhilde) oder Andreas Schager (Tenor). Schager sah man seine Spielfreude sofort an, er hätte wohl gerne etwas szenischer gespielt, zumindest was im Rahmen einer konzertanten Aufführung möglich ist.

Insgesamt war das 10. Philharmonische Konzert ein fulminanter Abschluss einer überaus gelungenen Spielzeit. Die Zuhörer dankten den Beteiligten verdientermaßen mit lang anhaltendem Applaus.