Abschlusstag IFFF Dortmund/Köln 2017 – Selbstfindungsdrama aus Brasilien

[fruitful_alert type=“alert-success“]Naomi Nero (Mitte) spielt den jungen Pierre, der urplötzlich mit seinen leiblichen Eltern konfrontiert wird. (Foto: © Frauenfilmfestival)[/fruitful_alert]

Als letzten Beitrag für den Internationalen Spielfilmwettbewerb für Regisseurinnen ging „Mãe só há uma (Don‘t call me son)“ aus Brasilien (2016) von Anna Muylaert ins Rennen. Eine Coming-of-Age Story um den 17-jährigen Pierre (gespielt von Naomi Nero). Er lebt mit seiner Mutter und Schwester in einem Vorort von São Paulo und befindet sich mitten in seiner sexuellen Orientierungs- und Selbstfindungsphase. Dann stellt sich heraus, dass er und seine Schwester von der Mutter als Kinder gestohlen wurden. Seine gut betuchten biologischen Eltern wollen ihn plötzlich „nach Hause“ holen. Er muss sich in einer ihn vereinnahmenden fremden Welt mit neuen Bruder und Namen zurechtfinden.

Pierre feiert nicht nur gerne Partys, er zieht auch gerne Frauenkleidung an und ist auch sonst experimentierfreudig. Auf der anderen Seite liebt er Musik und spielt als Gitarrist in einer Rock-Band. Sein einziger Wunsch ist es, so akzeptiert zu werden, wie er ist. Es kommt zu Konfrontationen mit seinen leiblichen Eltern, die lieber einen „richtigen Mann“ aus ihm machen würden, der Fußball liebt und Interesse an Bowling hat. Pierre kämpft für seinen eigenen Lebensentwurf und provoziert seine „neuen Eltern“. Am Ende versucht er, seine „beiden Familien“ irgend wie in Einklang zu bringen. Ein witziges Plädoyer für Patchworkfamilien, das auf einer realen Geschichte in Brasilien beruht. Die Regisseurin beleuchtet diese Geschichte aus der Sicht des jungen Mannes.




Tag fünf Internationales Frauenfilmfestival Dortmund/Köln 2017

[fruitful_alert type=“alert-success“]Bild aus dem Film „Tess“ mit Christia Visser. (Foto: © Frauenfilmfestival)[/fruitful_alert]

Der erste Beitrag an diesem Tag im Rahmen des Internationalen Spielfilmwettbewerbs für Regisseurinnen und auch für den Publikumspreis im Rennen war der Ökothriller „Pokot / Spoor“ (Polen , Tschechische R., Schweden, Slowakische R.) von Agniezka Holland frisch aus dem Jahr 2017.

Die pensionierte Bauingenieurin Janina Duszejko lebt mit ihren beiden Hündinnen in einem kleinen Bergdorf an der tschechisch-polnischen Grenze. Als die beiden Hunde der radikalen Tierschutzaktivistin verschwinden, geschehen wenige Monate später grausamen Morde an angesehenen Gemeindemitgliedern. Alle waren Jäger und wie sich heraus stellt , auch brutale Wilderer. Die Polizei und die katholische Kirche haben kein offenes Ohr für die vielen Klagen der Duszejko gegen die Wilderer. Zu den Morden stellt die hartnäckig etwas verschrobene alte Frau ihre eigene Theorie: Die Morde wurden von wilden Tieren als Rache begannen. Die Situation eskaliert und die Wahrheit über der Morde und das Motiv kommt nach und nach ans Licht…

Die Protagonistin des Films ist ehrlich, radikal, mutig und ein wenig verrückt. Sie hat nicht nur Mitgefühl für Tiere, sondern auch ein Herz für Menschen am Rande der Gesellschaft. Sie ist aber eine durchaus ambivalente Persönlichkeit. So weist sie zum Beispiel den Priester aufgeklärt darauf hin, dass alle Lebewesen, auch die Tiere, gleich viel wert sind, glaubt aber aber gleichzeitig an den Einfluss von Horoskopen und Planeten auf uns Menschen. Die Rebellin und ihre extreme Revolte sollen provozieren und zum Nachdenken anregen. Das Ganze mit einer Portion Humor aufgelockert. Die Naturschönheit und Freundschaft werden in Kontrast zu Korruption und Grausamkeit gesetzt. Eingespielte Rückblenden fördern das Verständnis.

Die Musik spielt eine bedeutende Rolle in diesem Film. Sie untermalt gekonnt jede Stimmung, ob bedrohlich oder heiter.

Der zweite Wettbewerbsfilm „Tess“ (Südafrika 2016) von Meg Rickards ist keine leichte Filmkost. Das Thema Kindesmissbrauch und dessen Folgen für die Betroffenen wird hier in schonungsloser Klarheit offen gelegt. Die junge weiße Tess (Christia Visser) arbeitet als Sexarbeiterin in Kapstadt. Ihr Leben droht vollständig aus den Fugen zu geraten, als sie schwanger wird. In vielen sensibel eingefügten Rückblenden erfahren wir nach und nach etwas über die traurigen und grausamen Kindheitserlebnisse von Tess. Ihr sexueller Missbrauch als Kind, geduldet von der Mutter, macht ihren weiteren Lebensweg verständlich. Sie sieht sich als schmutziges und wertloses Wesen. Das Männer, die sie nach Belieben brutal benutzen, nimmt sie als gegeben hin. Erst als der kleinen Tochter einer Bekannten das gleiche Schicksal wie ihr droht, greift sie mutig ein. Ihr Selbstbewusstsein wächst und findet die Kraft, sich mit ihrer Vergangenheit, speziell mit ihrer Mutter, auseinander zu setzten. Auch im Sinne ihres eigenen Kindes findet sie eine Lösung. Die Stärke diese Filmes liegt nicht nur im gesprochene Wort, sondern besonders darin,was sich in den Gesichtern abspielt und lesen lässt. Auch bei „Tess“ spielt die atmosphärische Verstärkung durch die Hintergrundmusik eine wesentliche Rolle. Ein Spielfilm, der nachwirkt.




Tag vier Internationales Frauenfilmfestival Dortmund/Köln

[fruitful_alert type=“alert-success“]En amont du fleuve(Upstream): Auf einer Flussfahrt kommen sich die beiden Halbbrüder näher. (Foto: ©Figna Sinke)[/fruitful_alert]

Der Beitrag „Voir du pays /The Stopover“ (F 2016) von den Delphine und Muriel Coulin für den Internationalen Spielfilmwettbewerb für Regisseurinnen und dem Publikumspreis packt ein sensibles Thema an.
Die jungen Soldatinnen Aurore (Ariane Labed) und Marine (Soko) verbringen nach Beendigung ihres Afghanistan-Einsatzes zusammen mit ihren Kameraden drei Tage in einem Fünf-Sterne-Hotel im griechischen Teil Zyperns. Sie sollen sich hier nicht nur erholen, sondern mitten unter Touristen das Erlebte hinter sich lassen. Ihre  traumatischen Erlebnisse um Leben und Tod sollen sie mit Unterstützung von Psychologen verarbeiten, um sie auf das „normale“ Leben in ihren Heimatorten vor zu bereiten. Während dieser Dekompression werden sie mit Hilfe der verwendeten Virtuel-Reality-Technologie wieder in die gefährlichen Situationen in Afghanistan hinein versetzt und erzählen dann über ihre Erlebnisse und Gefühle dabei. Das soll für sie eine Art Befreiungsakt sein, der sie befähigt, den Alltag in ihren Familien zu hause zu bewältigen..
Diese Illusion zerplatzt aber schnell wie eine Seifenblase. Aggressionen, Gereiztheit und Empfindlichkeiten unter den SoldatInnen werden schnell deutlich sichtbar. Der Gegensatz der schön luxuriösen Umgebung des Hotels mit seinen Möglichkeiten zu prassen und freizügig zu feiern passt nicht zu den grausamen Gewalterlebnissen der Afghanistan-Heimkehrer. Der Film lässt diese Gegensätze auch in seinen Bildern immer wieder aufeinander prallen. Ein kleiner Funke genügt, um das Fass zum überlaufen zu bringen und der Aggression freien Lauf zu lassen.Wie kann man überhaupt sein Leben bewältigen, wenn man solche Gewalt erlebt hat? Ein beeindruckendes Zeugnis für die Folgen von Krieg, Zerstörung und Brutalität und ein Plädoyer gegen Kriege und deren fatalen Folgen für alle beteiligten Menschen.

Der zweite Film an diesem Tag im selben Wettbewerb war „En amont du fleuve (Upstream)“ (B/NL/KRO 2016) von der bekannten belgischen Regisseurin Marion Hänsel.
Diese Film ist ein einfühlsame, meist ruhige Auseinandersetzung mit der behutsamen Annäherung zweier Halbbrüder um die 50, die nach dem Tod ihres gemeinsamen Vaters von ihrer Existenz erfahren und mit einem Motorboot in Kroatien zum Ort des mutmaßlichen Selbstmords ihres Vaters fahren. Sie wollen hinter das Geheimnis diese Unglücks und ihrem Vater als Person näher kommen. Homer, Besitzer eine Lastkraftwagen-Unternehmens und Joé der Schriftsteller sind stille, eigenbrötlerische und verschlossene Typen. Homer wurde von seinem Vater zeitlebens ignoriert, und Joé von seinem gewalttätigen Vater öfter misshandelt. Sie fahren den Fluss hinauf Richtung Wasserfälle und treffen auf den mysteriösen Iren Sean. Er soll sie zum Kloster führen, wo ihr Vater zu Tode kam. Es folgt ein psychologisches Abenteuer inmitten der schönen schroffen Felsenstrukturen Kroatiens. Wie bei einem Puzzle-Spiel fügt sich das Bild des Vaters für die beiden unterschiedlichen Brüder zusammen. Am Ende zeigt sich, dass sie mehr verbindet als sie dachten. Ein psychologisch gut erzähltes Abenteuer mit vielen Nahaufnahmen und den wunderbaren Schauspielern Olivier Gourmet und Sergi López.




Tag 3: Internationales Frauenfilmfestival Dortmund/Köln 2017

[fruitful_alert type=“alert-success“]Lina (Manal Issa) muss ihr Leben selbst gestalten. (Foto: © Frauenfilmfestival)[/fruitful_alert]

Der französische Beitrag „Peur de rien“ aus dem Jahr 2015 von Danielle Arbid für den Internationalen Wettbewerb für Regisseurinnen und dem Publikumspreis zeigt den ganz persönlichen Blickwinkel einer jungen Libanesin, die in den 1990er Jahren mit einem Studienvisum nach Paris reist.

Lina (Manal Issa) kommt mit gerade mal 18 Jahren in eine ihr fremde Welt nach Paris. Dort stellen sich ihr viele Herausforderungen, die sie alleine meistern muss. Ob sie vor den sexuellen Belästigungen ihres Onkels flieht, Freunde und Hilfe sucht, die Enttäuschung mit ihrem verheirateten Liebhaber verarbeitet, das richtige Studium für sich findet, oder am Ende mit Hilfe eines Anwaltes den Verlust ihrer Aufenthaltsgenehmigung verhindern muss.

Auf ihrem Weg zu einem selbstbestimmten Leben wird sie auch mit Rassismus und Drogen konfrontiert. Nach und nach wird sie immer selbstsicherer und kämpft für ihre Rechte. Eine beeindruckende Protagonistin und ein von der Musik getragenes Zeitporträt mit auch berührenden Momenten. In Zeiten zunehmender Migration ein Beitrag für ein wenig mehr Verständnis.




Tag zwei beim IFFF Dortmund/Köln 2017 – Klippenspringer aus Marseille

[fruitful_alert type=“alert-success“]Nicht nur in Acapulco, sondern auch in Marseille gibt es Klippenspringer. (Foto: © Frauenfilmfestival)[/fruitful_alert]

Als zweiter Beitrag für den Internationalen Spielfilmwettbewerb für Regisseurinnen ging „Corniche Kennedy“ (2016) der französischen Regisseurin Dominique Cabrera ins Rennen.

Corniche Kennedy“ ist die eindrucksvolle Küstenstraße in Marseille. Der Film zeigt eindrucksvolle sonnendurchflutete Bilder dieser Landschaft am Meer. Es ist aber auch ein Ort vieler Widersprüche. Auf der einen Seite die schönen Villen und Clubs einer gut betuchten Schicht, auf der anderen Seite die sozial abgehängten, oft aus Algerien oder Tunesien stammenden, Armen. Diese leben in den prekären Vierteln der Stadt. Im Sommer springen Jugendliche und junge Erwachsene unter ihnen von den hohen Felsenklippen in die Tiefe des Meeres. Sie gehen das bewusst das tödliche Risiko ein. Neben dem Adrenalinschub treibt sie der Wunsch an, ihre Grenzen und Möglichkeiten in einer für sie gefährlichen und schwierigen Welt auszuloten.

Die in gutbürgerlichen Verhältnissen aufgewachsene Suzanne lässt sich kurz vor dem Abitur in diese sie faszinierende Welt hineinziehen. Besonders mit Marco und Mehdi freundet sie sich an.

Marco jobbt nebenbei als Chauffeur für eine lokale Drogenbande. Die Polizei ist ihnen auf der Spur. Die ständige Gefahr, geschnappt zu werden und die Zukunft endgültig zu vermasseln, liegt wie ein Damoklesschwert über allem. Die dunkelhäutige Kommissarin versucht in einer Art Sisyphusarbeit, die Jugendlichen aus diesem Drogensumpf und dem Teufelskreis heraus zu bekommen. Gibt es einen Weg der Befreiung?

Dieser Film arbeitet mit sensiblen längeren Kameraeinstallungen und bietet neben stimmungsvollen Landschaftsbildern einen Einblick in eine tief gespaltene Gesellschaft.




Gesellschaftssatire voll britischem Humor

[fruitful_alert type=“alert-success“]Nach hält der äußere Schein. Szenenfoto aus „The Party“. (Foto zur Verfügung gestellt vom Frauenfilmfestival 2017)[/fruitful_alert]

Endlich war es so weit. Das 30. Internationale Frauenfilmfestival Dortmund/Köln (Alles unter Kontrolle) hat seit gestern begonnen.

Mit dem Eröffnungsfilm „The Party“ von Sally Potter, auch im Internationalem Spielfilmwettbewerb für Regisseurinnen im Rennen, wurde die Messlatte schon gleich hoch angelegt. Der schwarz-weiß Film ist eine witzige Gesellschaftskomödie mit einigen nachdenklichen, melancholischen und grotesken Momenten. Sally Potters „The Party“ ist „very british“ im besten Sinne.

Worum es geht: Janet (Kristin), eine ambitioniere Politikerin aus dem linksliberalem Spektrum, möchte ihre Ernennung als Minister mit Mann und Freunden feiern. Schon bald brodelt es gewaltig unter der oberflächlichen schönen Fassade. Alle beteiligten Personen haben so ihre Geheimnisse. Nach und Nach bröckelt die Fassade und alle Personen müssen mit der neuen Situation umgehen.

Es ist ein Vergnügen, den geschliffenen Dialogen voll trockener Pragmatik zuzuhören. Die vielen Nahaufnahmen geben einen wunderbaren Einblick in das Gefühlsleben der Personen. Ein Kompliment an die gut zusammengestellte Schauspielcrew. Mit dabei auch der wunderbare, international bekannte Schauspieler Bruno Ganz. Die Story punktet durch viele Wendungen bis zum Schluss und spannende Charaktere. Gelungen ist auch, die Spannung und Neugierde durch die Anfangsszene, die gleichzeitig auch die Endszene ist beim Publikum zu wecken.

Mehr sei nicht verraten. Selber anschauen lohnt sich!




30 Jahre Internationales Frauenfilmfestival

[fruitful_alert type=“alert-success“]Mehr als 50 Veranstaltungen präsentiert das Internationale Frauenfilmfestival 2017. Es hoffen auf viele Besucher (v.l.n.r.) Uwe Samulewicz (Sparkasse Dortmund) Bürgermeisterin Birgit Jörder und Festivalleiterin Silke J. Räbiger.[/fruitful_alert]

Kaum zu glauben! Das Internationale Frauenfilmfestival Dortmund/Köln findet nun schon zum dreißigsten Mal statt. In der Woche vom 4. bis zum 9. April 2017 werden an drei Spielorten, der Schauburg, dem „sweetSixteen“ und dem Kino im Dortmunder U rund 120 Filme quer durch die Filmgeschichte und verschiedenste Genres gezeigt. Im Programm sind nationale und internationale Spielfilme, Dokumentarfilme, Kurzfilme, Experimentalfilme, Stummfilme sowie Musikvideos.

Außerdem finden dazu zahlreiche Performances, Diskussionen, Workshops und zum erstmals auch eine Filmfahrradtour „Shorts on Wheels“ quer durch Dortmund statt.

Zahlreiche Kooperationspartner unterstützen das Festival organisatorisch und finanziell. Langjährige finanzielle Unterstützung gibt es von der Sparkasse Dortmund. „Uns liegt das Internationale Frauenfilmfestival sehr am Herzen, und wir freuen uns, es finanziell unterstützen zu können,“ so Uwe Samulewicz, der Leiter der Dortmunder Sparkasse.

Wie wichtig dieses IFFF in Zeiten mit wachsendem rechten Populismus, Rassismus, und Frauenfeindlichkeit sowie Gewalt und Flüchtlingsdrama ist, betonte die Silke J. Räbiger (Festivalleitung). „Sich für Frauenrechte einzusetzen ist bittere Notwendigkeit, gerade in der heutigen Zeit, wo frauenfeindliche , rassistische und nationalistische Töne vermehrt zu hören sind. Rechte Populisten wollen die Frauen wieder in ihre althergebrachten Schranken weisen. Es geht hier nicht nur um die Frauen, sondern um Demokratie,“ so Räbiger.

Das Motto in diesem Jahr ist „IN CONTROL…of the situation /Alles unter Kontrolle.

Es geht um Themen wie Migration, Flucht, Vertreibung, Gewalt, Beziehungen und Leben im Alter, sowie den übertriebenen Kontrollwahn in unserer Gesellschaft. Jeder unserer Schritte, was wir essen und vieles andere kann kontrolliert werden.

Auf eine besondere Kooperation mit dem Museum Ostwall im Dortmunder U wies Räbiger noch hin. Am 05.04.2017 findet im Kino im U um 10.00 Uhr ein Symposium im Rahmen der Ausstellung zu Niki de Saint Phalle unter dem Titel „Trauma, Subjekt- und Körperkonzepte“ statt.

Traditionell wird auch in diesem Jahr wieder ein mit 15.000 Euro dotierte Preis im Rahmen des Internationalen Spielfilmwettbewerbes für Regisseurinnen von einer international renommierten Jury ausgelobt.. „Zum ersten Mal ist auch ein Film aus Südafrika vertreten,“ verriet die für den Wettbewerb zuständige Stefanie Görtz (Leitung).

Das Festival wird mit der Gesellschaftskomödie von Sally Potter „The Party“am 04.04.2017 um 19.30 Uhr im CineStar eröffnet.

Das Publikum darf auch in diesem Jahr wieder über den „Preisträger Publikumspreis“ entscheiden.

Das IFFF endet wie schon vor zwei Jahren mit der Preisverleihung „Internationaler Spielfilmpreis“ und „Internationaler Spielfilmpreis, Publikumspreis“ feierlich ab 19.00 Uhr im Kino im U. Ab 21.00 Uhr wird dann der Preisträger Publikumspreis in dem Kino auch noch gezeigt.

Informationen über das umfangreiche Programm erhalten sie an den ab jetzt an den beteiligten Kinos aus liegenden Festival-Broschüren oder anderen bekanntenVorverkaufsstellen. Im Internet informiert die Seite www.frauenfilmfestival.eu über das Programm.




Auf der Suche nach Würde

Der kolumbianische Beitrag „Ella“ beim Regiewettbewerb des Internationalen Frauenfilmfestivals 2015 in Dortmund von Libia Stella Gómez zeigt ein ungeschminktes Bild der Welt in Bogota in Kolumbien. Beim Ansehen des Filmes wird einem deutlich, dass wir hier mit unserem Sozialsystem durchaus im Komfort leben, angesichts der Situation der Protagonisten. Das Baby hat Fieber und soll im Krankenhaus untersucht werden? Erst einmal 40.000 Pesos (etwa 15 €) auf den Tisch legen. Geld, das viele Arme nicht haben.

Im Film „Ella“ geht es um zwei alte Menschen Alcides und Georgina, die in einem Armenviertel in Bogota leben. Eines Tages stirbt Georgina und Alcides muss alleine zurechtkommen. Er will seiner toten Frau ein würdiges Begräbnis verschaffen, muss aber dafür lernen, sein eigenes Leben zu leben. Dabei hilft ihm die 12-jährige Guiselle, die von ihrem Vater misshandelt wird.

Gómez arbeitet mit schwarz-weiß Bildern, so dass der Film wirkt, als käme er aus den 50igern. Ein besonderes Verdienst der Regisseurin ist es, dass die Protagonisten ihre Würde behalten. Denn allzuleicht können Szenen wie der Transport der Leiche durch Alcides auf einem Karren ins Lächerliche abgleiten. Mit Humberto Arango hat Gómez auch eine gute Wahl getroffen, genauso wie die bezaubernde Deisy Marulanda als Guiselle.

Auf der anderen Seite zeigt Gómez ungeschminkt die Gewalt in ihrem Land. In Gegenden, wo ein Menschenleben nicht viel zählt, sind Ermordete keine Schlagzeile wert. Erschütternd die Szene, als eine Mutter ihren Sohn sucht und der Polizist ihr beiläufig sagt, schauen sie mal bei den gefundenen Leichen der vergangenen Nacht, ob er darunter ist.




Der ewige Kreislauf

Der zweite Beitrag im Rennen um den RWE Filmpreis war die japanische Produktion „Still The Water“ von der renommierten Regisseurin Naomi Kawase. Im Gegensatz zu „Eden“ ist „Still The Water“ ein poetisch-philosophischer ruhigerer Spielfilm um den Kreislauf von Leben, Tod und Energie. Wunderschöne Naturaufnahmen und eine sich Zeit nehmende Kameraführung mit sensiblen Nahaufnahmen kennzeichnen diesen Beitrag.

Die Story um den 16-jährige Kaito und seiner Freundin Kyoko, die auf einer Japanischen Insel leben. Kaito wohnt alleine bei seiner Mutter und kann seinen Vater nur ab und zu in Tokyo besuchen. Kyoko lebt dagegen in geordneten Verhältnissen bei ihren beiden Eltern. Ein Schock ist, das ihre Mutter, eine Schamanin, schwer krank ist und bald sterben muss. Für ihren Freud ist dagegen eine große Belastung, dass seine Mutter wechselnde Liebhaber hat. Eine wichtige Rolle für die beiden Jugendlichen, zwischen denen sich eine Liebesgeschichte entwickelt, spielt ein weiser alter Viehzüchter. Zimperlich ist die japanische Produktion nicht. So wird bereit am Anfang (und später noch einmal) in aller Ausführlichkeit das Töten und langsame Ausbluten einer weißen Ziege gezeigt. Nichts für empfindliche Gemüter. Untermalt wird die Geschichte von ruhiger, meditativer Musik.

Der Film gibt einen guten Einblick in die asiatische Mentalität und ist voller Symbolkraft.

Ein nachdenklicher Beitrag über das Leben, Vergänglichkeit und der bleibenden Energie.




Sex, Koks und Techno

Der erste Film, der in diesem Jahr ins Rennen um den mit 15.000 Euro dotierten RWE Filmpreis des Internationalen Frauenfilmfestivals in Dortmund ging, war eine französische Produktion aus dem Jahr 2014 der Regisseurin Mia Hansen-Løve. „Eden“ taucht ein in die Zeit Anfang der 90er Jahre, als die elektronische Musik in Frankreich einen ganz besonderen Boom erlebte.

Das junge DJ-Duo „Cheers“ mit Paul und sein Freund erlangen zunächst einige Erfolge mit ihren Auftritten. Es ist eine wilde Zeit mit Sex, Koks und Techno-Musik. Als Vorbilder dienen ihnen die zwei Freunde, die als „Daft Punk“ eine gewisse Berühmtheit erlangt haben. Der Weg führt bis nach New York. Im Laufe der nächsten Jahre gehen nicht nur Beziehungen in die Brüche, sondern die Einnahmen aus dem Musikgeschäft halten nicht mit dem aufwendigen und teuren Lebenswandel stand. Am Ende erkennt Paul spät, das er nicht nur pleite ist, sondern auch in einer Scheinwelt gelebt hat.

Ein großartiger Soundtrack zieht sich durch den gesamten Film und zieht den Zuhörer mit in die Zeit-Stimmung hinein. Getragen wird „Eden“ auch von dem natürlichen , offenen Spiel der Schauspieler, allen voran Félix de Givry (Paul) und Greta Gerwig (Louise).

Leider hat der Film mit seinen über zwei Stunden Dauer einige Längen (und vorhersehbare Wiederholungen). Ein wenig mehr Tiefgang wäre wünschenswert gewesen. Einige Szenen mit einer gewissen Situationskomik lockerten die Geschichte etwas auf.

Mit dem Film „Inside Llewyn Davis“der Coen-Brüder aus dem Jahr 2012 um den Folk-Musiker Llewyn Davis in den 60er Jahren kommt er sicherlich nicht heran. Trotzdem ist dieser Film ein beeindruckendes Zeitdokument der 90er Jahre.