SPOT ON, NRW! – Die Freie Szene Film Dortmund e.V. präsentiert ein Kaleidoskop lokaler Kurzfilme

Am 02.04.2025 brachte das IFFF Dortmund+Köln mit der Sektion „Spot on, NRW!“ sechs Kurzfilme aus der Region auf die Leinwand. Nach der kürzlichen Gründung des Freie Szene Film Dortmund e.V. rückte der Verein die lokale Filmszene der Stadt in den Fokus und präsentierte ein Kurzfilmprogramm im Spannungsfeld zwischen der Suche nach Schutzräumen und dem Erobern neuer Orte. Mit dabei waren Filme von Nicola Gördes & Stella Rossié, Lilith Gosmann, schubert-stegemann & Mirella Drosten, Linda Verweyen, Gina Wenzel und Artiom Zavadovsky.
Unterschiedlichste Ästhetiken und Erzählweisen trafen in dem von Alissa Larkamp kuratierten Programm aufeinander. So vielfältig die Bildsprachen und Zugriffe auf Themen wie Liebe, Macht, Altern, Diversität und weitere waren, so kreisten alle Filme auf ihre Weise um Formen der Rebellion: ein widerständiger Akt, ein abweichendes Lebenskonzept, ein aufmüpfiges Gemälde oder ein ungehorsamer Gedanke.

Rebellion und Reflexion in sechs filmischen Perspektiven

Die Filme Female Walk und Letzte Nacht zeigen beide auf ihre Weise einen Horror des Sozialen. In Female Walk von Lilith Gosmann ist es eine groteske Tischgesellschaft, die in überspitzter Form patriarchale Typen und Verhaltensweisen abbildet. Unabhängig vom Geschlecht der Anwesenden werden an dieser Tafel patriarchale Gesten, Codes und Bewegungsmuster performt. Wie durch ein Vergrößerungsglas nimmt die Kamera diese Typen in den Blick und lässt die alptraumhafte Atmosphäre der geschlossenen Gesellschaft auf das Publikum wirken. Die Protagonistin versucht, diesem Horror zu entfliehen, begibt sich in einen Raum der inneren Reflexion und des individuellen Kampfes gegen die erlebten Zwänge und schafft es schließlich, sich zu ermächtigen.

Filmstill aus dem Film "Mutterstadt" von Mirella Drosten und schubert-stegemann .
Filmstill aus dem Film „Mutterstadt“ von Mirella Drosten und schubert-stegemann .

Ebenfalls im Setting einer geschlossenen Gesellschaft spielt die Kneipenszenerie in Die letzte Nacht von Nicola Gördes & Stella Rossié. Eine verbrauchte Gesellschaft aus gelangweilten, erschöpften, wütenden und einsamen Gestalten begegnet dem Publikum in einer Kamerafahrt durch die Ecken des Lokals. Unklar, ob es sich bei dieser Szenerie um Dystopie oder Realität, um Vergangenheit, Gegenwart oder Zukunft handelt, zeichnen Gördes und Rossié ein Bild einer absurden, abgekämpften und brutalen Welt, die schließlich in ihrer eigenen Dysfunktionalität zugrunde geht.

Der Kurzfilm Mutterstadt von Mirella Drosten und schubert-stegemann präsentiert den Dortmunder Stadtraum als Spiegel des weiblichen Körpers. Die Zuschauer:innen erleben ein Changieren zwischen Bewusstseinsstrom – in dem die Erzählerin durch die Straßen der Stadt sowie durch Erinnerungen vergangener Zeiten wandelt – und surrealem Traum, der zwei gealterte Frauen bei einem morbiden Kaffeekränzchen zeigt. Im Prozess des Alterns, des Verfalls, aber auch der Veränderung treffen sich Materialitäten wie Haut, Stahl, Stein, Staub und Fleisch. Sie transformieren sich, bekommen Risse und Falten und werden zum Archiv der Erinnerung des Eigenen sowie des Kollektiven. Verzerrte Bilder des Stadtraums treffen auf traumartige Sequenzen, in denen Körper, Zeit, Materie und Erinnerung verschmelzen und das Bekannte bis zur Unkenntlichkeit zerrinnt.

Gina Wenzel fächert in Mosaik einen Blick auf eine diverse und multikulturelle Stadtgesellschaft auf. Sie wirft Schlaglichter auf persönliche Geschichten, Gewohnheiten und Leidenschaften der Bewohner:innen der Stadt Dortmund und untermalt die poetischen Narrative durch charakteristische Bilder des öffentlichen Raums. Ein Blick auf erleuchtete Fenster in der Fassade eines Wohnblocks bei Nacht wird zum Sinnbild der individuellen Vielfalt im kollektiven Ganzen.

Linda Verweyen erzählt dem Publikum in LOVE, AGE, POWER unaufgeregt und doch feinfühlig die Liebesgeschichte von Dagmar und Patrick. So gewöhnlich wie die interracial Beziehung der beiden ist, berichten sie von alltäglichen Herausforderungen, Erfahrungen und der Kraft ihrer Verbindung. Begleitet von Bildern der Leichtigkeit und Weite, gibt Verweyen der Selbstverständlichkeit dieser Beziehung Raum und schenkt dem Publikum einen Moment der Hoffnung.

In Confessions of Pia Antonia rückt Artiom Zavadovsky die mittelalte Pia und ihre Kunst in den Fokus. Er besucht die zurückgezogene Dame in ihrem Zuhause inmitten eines kleinbürgerlichen Wohnviertels und lässt sie über einschneidende Erlebnisse und ihr Selbstverständnis des Lebens erzählen. Währenddessen nimmt die Kamera liebevoll ihre Gemälde in den Blick, die voller Rebellion, Provokation und Kraft strotzen und Pias tiefgehende Reflexion der Gesellschaft widerspiegeln. Dieses intime Porträt macht Pia und ihre hinter den Mauern der Spießbürgerlichkeit verborgene Kunst sichtbar.




Das Festival, das Seminar heißen musste – The Long Road to the Director’s Chair

Zweihundertzwanzig Frauen, darunter fünfzehn Regisseurinnen, zehn Männer. Um die sechzig Filme. Fünfzig Jahre verschollen.
Erst 2023 fand sich in einem norwegischen Archiv das dokumentarische Bildmaterial zum ersten Frauenfilmfestival, das 1973 in Berlin im „Arsenal“ stattfand, wieder. Die Tonspur tauchte erst später auf. Behutsam wurde das Material aufgearbeitet – von der norwegischen Filmemacherin Vibeke Løkkeberg, die damals drehte, und anderen. Aber das Festival musste ein Seminar sein, denn ein evangelisches Bildungswerk war der Geldgeber. Sei’s drum. Es wurden internationale Filme gezeigt, Regisseurinnen kamen unter anderem aus den USA und Italien, und es wurde diskutiert.
Über Abtreibung und den weiblichen Körper. Über Respekt – und vor allem Respektlosigkeit – in der von Männern dominierten Film- und Fernsehbranche. Über gleiche Bezahlung für gleiche Arbeit. Klingeln die Ohren? Sind das nicht auch heute noch Themen? Es klingt so bekannt. Sind wir also nicht weiter?

Ein Blick zurück – und wie viel Gegenwart darin steckt

Nun, im anschließenden Podiumsgespräch kommt diese Frage auch auf. Christiane Schäfer-Winkelmann, die damals dabei war, damals beim WDR gearbeitet hatte und sich heute vor allem als Produzentin engagiert (z. B. Fliegende Bilder am Dortmunder U), Stefanie Schulte Strathaus, Vorstand im Arsenal – Institut für Film und Videokunst Berlin, die über dieses Festival auch ihre Magisterarbeit in den Achtzigerjahren schrieb, und Dr. Maxa Zoller, künstlerische Leiterin des Internationalen Frauen* Filmfests Dortmund+Köln, reflektieren dieses erste Festival, ergänzen und kommen zu dem Schluss: Wir sind heute durchaus weiter – aber ein Rollback sei spürbar.
Vielleicht darf Frau heute eher zeigen, dass sie etwas kann, und muss ihre Technikkenntnisse nicht mehr verstecken, damit Männer mit ihr zusammenarbeiten. Vielleicht muss Frau auch nicht verheiratet sein, um mehr Respekt zu bekommen. Fräulein Paul wird nicht mehr Paulinchen genannt. Und vielleicht gilt Frau nicht mehr automatisch als aggressiv, hysterisch oder lesbisch, wenn sie weiß, was sie will.
Aber. Jede kennt ein Aber. Ich bin sicher.

Sprachen über das erste Frauenfilmfestival (v.l.n.r.) Christiane Schäfer-Winkemann, Stefanie Schulte Strathaus und die aktuelle Festivalleiterin Maxa Zollen (Foto: (C) Martina bracke)
Sprachen über das erste Frauenfilmfestival (v.l.n.r.) Christiane Schäfer-Winkelmann, Stefanie Schulte Strathaus und die aktuelle Festivalleiterin Maxa Zollen (Foto: (C) Martina bracke)

Warum begehen wir heute immer noch einen Equal Pay Day? Dieses Jahr am 7. März.
Warum sitzen im aktuellen Bundestag wieder anteilig noch weniger Frauen als zuvor? 32,4 % jetzt – 34,8 % zuvor. Der Anteil in den Fraktionen reicht von 61,2 % bis zu 11,8 %.
Warum reden alle immer noch über § 218? „Ein Schwangerschaftsabbruch ist in Deutschland gemäß § 218 Strafgesetzbuch (StGB) grundsätzlich für alle Beteiligten strafbar.“ (BMFSFJ). Es gelten Ausnahmen.

Der Einblick in das damalige Festival, die Arbeit und die Diskussionen als Ausgangspunkt auch für Netzwerkarbeit war sehenswert und hörenswert. Protagonistinnen zu kennen und zu treffen – ebenso.
Im Anschluss konnte die filmische Ebene weiter vertieft werden, denn es folgten vier Kurzfilme, zusammengestellt von Dr. Maxa Zoller, unter anderem mit Werken der Festival-Erfinderinnen Helke Sander und Claudia von Alemann. Experimentell, subjektiv, dokumentarisch. Spannend.

Das Programm lief am Sonntag, 06.04.2025, im Roxy-Kino an der Münsterstraße.




Harvest – eine archaisch-impressionistische Gesellschaftsfabel

In der Schauburg Dortmund stand am 03.04.2025 im Rahmen des IFFF (Dortmund + Köln) der Wettbewerbsfilm Harvest (Ernte) von Athena Rachel Tsangari auf dem Programm. Die Autorenfilmerin gilt als eine der zentralen Figuren des neuen griechischen Kinos, das in den letzten Jahren mit unkonventionellen Erzählweisen und radikalem Bilddenken auf sich aufmerksam gemacht hat.

Mit Harvest entführt sie das Publikum in eine traumhaft-archaische Welt: ein mittelalterliches, abgelegenes Dorf in Schottland, bewohnt von Schäferinnen und Bauern. Dort lebt der Witwer Walter Thirsk, der einst aus der Stadt kam und inzwischen selbst als Bauer arbeitet. Obwohl er nicht vollständig zur Dorfgemeinschaft gehört, ist er auch kein Außenseiter – ein romantischer Antiheld, hin- und hergerissen zwischen seiner Loyalität zu den Bewohnerinnen und seinem Glauben an Fortschritt und Veränderung.

Zwischen Aberglaube, Macht und Moderne

Das abgeschottete Dorf ist tief in seinen Riten und traditionellen Strukturen verwurzelt. Neuem gegenüber herrscht Misstrauen. Nach einem mysteriösen Brandanschlag geraten drei fremde Personen unter Verdacht – sie werden gewaltsam verfolgt und zur Rechenschaft gezogen. Parallel dazu schreitet die Kartografierung des Landes voran, und ein patriarchalischer Aristokrat plant, das Gebiet zu modernisieren und wirtschaftlich auszubeuten.

Der Film arbeitet mit kraftvollen, atmosphärischen Bildern, aufgenommen auf grobkörnigem 16-mm-Material, und eindringlichen Nahaufnahmen. Im ständigen Wechsel zwischen idyllischer Natur und brutalen Ausbrüchen tastet sich Harvest oft an psychische und physische Schmerzgrenzen heran – nichts für zartbesaitete Gemüter. Ambivalente Figuren und starke, widerständige Frauen prägen die Erzählung und verleihen ihr Tiefe.

Harvest ist ein zeitloses, allegorisches Gesellschaftsdrama über Fremdenfeindlichkeit, Machtstrukturen und einen entfesselten, rücksichtslosen Kapitalismus – mit gelegentlichen Längen. Gerade in Zeiten gesellschaftlicher Polarisierung, wachsender sozialer Ungleichheit und einer erneuten Radikalisierung rechter Ideologien wirkt der Stoff erstaunlich aktuell. Die Parabel über das „Fremde“ und seine willkürliche Ausgrenzung lässt sich unmittelbar in unsere Gegenwart übertragen – ob in Bezug auf Migration, Umweltkonflikte oder den Kampf um kulturelle Deutungshoheit.

Auch im Kontext von Athena Rachel Tsangaris Werk zeigt sich eine inhaltliche und formale Linie: Nach Arbeiten wie Attenberg (2010) oder der Ko-Produktion Chevalier (2015), in denen sie soziale Machtverhältnisse, Geschlechterrollen und das Verhältnis von Körper und Raum untersucht, schlägt sie mit Harvest eine ernstere, politischere Tonlage an. Der Film bleibt dabei aber ihrem unverwechselbaren Stil treu: fragmentarisch erzählt, visuell kraftvoll und offen für Mehrdeutigkeiten. Es ist ein Film, der mehr fragt als beantwortet – und genau darin liegt seine Stärke.

Englischkenntnisse sind übrigens von Vorteil, da der Film ausschließlich in dieser Sprache untertitelt ist.




Zurück im Dorf: Rima Das erzählt Dhunus Geschichte weiter

Nach dem Erfolg von „Village Rockstars“ aus dem Jahr 2017 kehrt die Regisseurin Rima Das zurück in ein kleines Dorf im indischen Assam und verfolgt in „Village Rockstars 2“ das Schicksal der mittlerweile 17-jährigen Dhunu – erneut gespielt von Bhanita Das, der Nichte der Regisseurin.

Im ersten Teil wird die Geschichte der zehnjährigen Dhunu erzählt, die davon träumt, eine eigene Rockband zu gründen und eine echte Gitarre zu besitzen. Trotz finanzieller Schwierigkeiten und gesellschaftlicher Erwartungen verfolgt sie entschlossen ihren Traum.

Ein Dorf zwischen Naturgewalt und Zivilisationsdruck

Im zweiten, aktuellen Teil stehen die Herausforderungen der Dorfgemeinschaft im Mittelpunkt. Einerseits ist da die unberechenbare Naturgewalt: Überschwemmungen zerstören Ernten und setzen das Dorf regelmäßig unter Wasser. Andererseits droht Gefahr durch den „Fortschritt“ – Bulldozer verwüsten das Land, alte Bäume werden gefällt, und die Spuren der Zivilisation hinterlassen sichtbare Wunden.

Dhunu (Bhanita Das) spielt den Kinder ihres Dorfes auf ihrer Gitarre. (Foto: (c) IFFF)
Village Rockstars 2: Dhunu (Bhanita Das) spielt den Kinder ihres Dorfes auf ihrer Gitarre etwas vor. (Foto: (c) IFFF)

Auffällig ist die zentrale Rolle der Frauen in diesem Film. Nicht nur Dhunu und ihre Mutter, sondern auch viele andere Frauen im Dorf übernehmen die Verantwortung – sei es auf den Feldern oder im Alltag. Sie wirken stark, selbstbewusst und bestimmen maßgeblich das Geschehen. Die Männer dagegen treten meist als Randfiguren auf: passiv, orientierungslos oder sogar schädlich. Der Makler, der den Dorfbewohnern das Land abspenstig machen will, wirkt schmierig und berechnend. Auch Dhunus Bruder reiht sich in diese wenig schmeichelhafte Darstellung ein: Er wird zum Trinker und verkauft schließlich das Land seiner Mutter.

Dass die Mutter-Tochter-Beziehung ein tragisches Ende findet, zeichnet sich leider recht früh ab. Doch dieser kleine Wermutstropfen schmälert kaum die Wirkung eines ansonsten poetischen, malerischen Films, der durch seinen dokumentarischen Stil besticht. Rima Das lässt uns über 90 Minuten hinweg intensiv am Leben im Dorf und an Dhunus Schicksal teilhaben – mit großer Nähe, Wärme und einem feinen Gespür für die leisen Töne des Alltags.




Tag 4 – Internationales Frauenfilmfestival Dortmund / Köln 2019

Das
Internationale Frauenfilmfestival präsentierte am vierten Tag das
Flüchtlingsdrama „Sempra mio figlio“, das auch über das
Schicksal der Volksgruppe der Hazara in Afghanistan informiert.
Danach wurde es Zeit für den Zombiethriller „Endzeit“, der sich
im zweiten Teil als Film mit Ökobotschaft wandelte. Greta Thunberg
würde der Film und seine Botschaft sicher gefallen.

Sembra
mio figlio

Ismail
und sein Bruder Hassan sind als Kinder aus Afghanistan vor dem Krieg
und den Taliban geflohen und leben jetzt in Italien. Eine kleine
Schneiderei sichert den Lebensunterhalt, Ismail verdient mit
Übersetzungen in einem Flüchtlingsheim noch etwas dazu. Nach vielen
vergeblichen Versuchen und zwanzig Jahre später, erreicht er endlich
telefonisch seine Mutter, doch diese erkennt ihn nicht mehr. Seine
Mutter wurde wieder verheiratet und der Stiefvater will, dass die
Söhne nach Pakistan kommen. Ismail hegt große Sympathien für eine
Kollegin bei der Flüchtlingshilfe, sein Stiefvater will ihn aber in
Pakistan verheiraten, das lehnt er kategorisch ab.

Die
Brüder sind sich nicht einig, ob sie dem neuen Vater trauen können.
Tagelang schwelt der Konflikt. Eines Morgens ist Hassan abgereist.
Ismail erinnert sich an den Rat seines Vaters: Reise immer einzeln,
dann stirbt nur einer, die anderen überleben. Auch Ismail macht sich
dann allein auf den Weg. Im Film versinnbildlicht durch die
Verwandlung des Gesichts seiner Freundin Nina in das einer Hazara
Frau. Dann beginnt eine Reise auf verschlungenen Wegen nach Pakistan.
Die Zeitebenen verschwimmen, die Fahrt ist verwirrend und
konspirativ. Der Zuschauer bekommt eine Ahnung davon, welchen
Strapazen die Flüchtlinge auf ihrem Weg aus den Kriegsgebieten
ausgesetzt sind.

Die Flüchtlinge geben ihrer Hoffnung nach Frieden Ausdruck. Sembra mio figlio (R: Costanza Quatriglio, IT/HR/BE 2018)

Auf
der Tour trifft Ismail eine Flüchtlingsgruppe seines Volkes der
Hazara, die mit Kerzen das Wort „Peace“ vor sich aufgebaut hat.
Am Morgen, als Schleuser die Flüchtlinge abtransportiert haben,
bleibt nur das in Wachs geschriebene Peace als kleine Spur der
Menschen zurück. Ihr Schicksal ist ungewiss.

Das
Volk der Hazara erlebte 1890 einen Genozid durch die paschtunische
Mehrheit im neu gegründeten Afghanistan. Ihr mongolisches Aussehen
und ihre Religion macht sie auch heute noch zu Opfern der Taliban und
dem Islamischen Staat.

Ismail
findet den am Telefon ausgemachten Treffpunkt. In einem kleinen
dunklen Raum stehen mehrerer Frauen zusammen und starren ihn an. Er
erzählt leise mit welchen Worten seine Mutter ihn und seinen Bruder
damals weggeschickt hat. Dann schauen sich Ismail und die Frauen
minutenlang intensiv in die Augen. Tränen fließen da jede von ihnen
Kinder verloren hat. Endlich gibt sich die richtige Mutter zu
erkennen. Das Ziel der Reise ist erreicht, was weiter geschieht,
bleibt am Ende ungewiss.

Regisseurin
Constanza Quatriglio berichtet, dass der Film mit zahlreichen
Laiendarstellern gedreht wurde, die alle einen Flüchtlingshintergrund
hatten. Dies ermöglichte ihnen die Rollen authentisch auszufüllen.
Unter den Frauen die das Wiedersehen spielten, war auch die Mutter
des Schauspielers Bashir Anhang (Ismail)

(Anja
Cord)

Zombie-Thriller
mit Ökobotschaft

Der
Film „Endzeit“ (D, 2018) von Carolina Hellsgård ist nur auf den
ersten Blick ein typischer Zombiefilm. Denn er trägt eine Botschaft
vor sich her, die im zweiten Teil des Films endgültig zum Tragen
kommt.

„Endzeit“
beginnt genretypisch, im Jahre 2 nach einer Zombieapokalypse, die
durch eine Seuche entstanden ist, gibt es nur noch zwei Städte:
Weimar und Jena. Während Jena nach einem Gegenmittel forscht, ist
Weimar unerbittlich und tötet jeden Infizierten. Vivi und Eva
fliehen aus unterschiedlichen Gründen von Weimar und wollen mit
einem selbstfahrenden Zug nach Jena. Wie es in solchen Filme so
kommt: Der Zug bleibt auf freier Strecke stehen und die beiden Frauen
müssen sich durch die Natur nach Jena durchschlagen.

Danach
beginnt sich der Film stärker auf die Dämonen der beiden
Hauptdarstellerinnen zu konzentrieren. Vivi trägt Schuldgefühle,
weil sie ihre kleine Schwester im Stich gelassen hat und Eva, die
taffe Frau, flieht vor den Menschen, die sie getötet hat.

Anders als bei vielen Filmen sind die Zombies in "Endzeit" ziemlich gut zu Fuß. Daher müssen Vivi und Eva ordentlich Fersengeld geben.  Endzeit (R: Carolina Hellsgård, DE 2018) © Grown Up Films ZDF - Anke Neugebauer
Anders als bei vielen Filmen sind die Zombies in „Endzeit“ ziemlich gut zu Fuß. Daher müssen Vivi und Eva ordentlich Fersengeld geben. Endzeit (R: Carolina Hellsgård, DE 2018) © Grown Up Films ZDF – Anke Neugebauer

Hellsgård
bringt im zweiten teil des Films noch eine weitere Komponente ein.
Nicht umsonst sind viele grandiose Naturaufnahmen zu sehen, einmal
entdecken die beiden Frauen sogar Giraffen, die aus dem Erfurter Zoo
geflohen sind. Flüsse, Wälder, Felder, all das wird in seiner
Pracht als Alternative zu den beiden Städten präsentiert. Das
geschieht mit Absicht. Denn es taucht die Figur „Die Gärtnerin“
auf, die offensichtlich eine Mischform zwischen Mensch und
Pflanzenwesen darstellt. Sie ist die Personifikation von „Mutter
Natur“ oder Gaia und enthüllt, dass die Natur den Menschen durch
die Seuche auslöschen wollte. Diese Symbiose sei nicht das Ende,
sondern der neue Anfang.

In
„Endzeit“ sind die Zombies keine Manifestation einer
unterprivilegierten Bevölkerung, die sich erhebt, sondern
letztendlich die Konsequenz des menschlichen Fehlverhaltens wider die
Natur. Durch die Zunahme von multiresistenten Keimen ist es durchaus
vorstellbar, dass sich die Menschheit in nicht allzu langer Zeit
einem Virus oder einem Bakterium gegenübersieht, das den großteils
der Bevölkerung ausrottet. Ähnlich wie es die Pest im 14.
Jahrhundert getan hat.

Wer
auf viel Blut und menschliche Innereien steht, der wird sicher
enttäuscht sein, wer intelligenten Horror mit einer eindringlichen
Botschaft mag, sollte sich diesen Film unbedingt ansehen.

(Michael
Lemken)




Tag 3 – Internationales Frauenfilmfestival Dortmund / Köln

Ins
Rennen um den internationalen Spielfilmwettbewerb für Regisseurinnen
ging am 3. Tag des IFFF Dortmund / Köln der brasilianische Film „Los
Silencios“ der Regisseurin Beatriz Seigner. Es ist in verschiedener
Hinsicht ein bemerkenswerter Film. Für unsere westlich geprägte
europäische Sichtweise etwas befremdlich anmutend, lotet er
unterschiedliche Grenzerfahrungen aus. Abends wurde der Film „Der
Boden unter den Füßen“ von Marie Kreutzer gezeigt. Es ist eine
Geschichte zweier unterschiedlicher Schwestern.

Magischer
Realismus aus dem Amazonasgebiet.

Es
sind zum einen die Grenzen zwischen Brasilien, Kolumbien Peru, aber
auch die Übergänge zwischen Lebenden und den Toten sowie Land und
Fluss. „Los Silencios“ bewegt sich zwischen Dokumentation und
Fiktion, Geistern und Realismus.

Den
politisch-gesellschaftlichen Hintergrund bildet der Bürgerkrieg in
Kolumbien. Konflikt zwischen Paramilitärs und Guerilla machen die
Situation für die Bevölkerung lebensgefährlich und zwingen viele
Menschen zur Flucht.

"Los Silencios" (R: Beatriz Seigner, BR 2018) spielt nicht nur im politischen Zwischenreich, sondern auch in dem zwischen Lebenden und Toten.  (© Trigon-Film)
„Los Silencios“ (R: Beatriz Seigner, BR 2018) spielt nicht nur im politischen Zwischenreich, sondern auch in dem zwischen Lebenden und Toten. (© Trigon-Film)

Der
erste Zufluchtsort für die Protagonistin Ampora (neben ihrem Ehemann
im Film die einzige professionelle Schauspielerin) und ihre Kinder
Nuria und Fabio vor den bewaffneten Konflikt ist die auch real
existierende Insel „Isla de la Fantasía“. Diese befindet sich
mitten im Amazonas im Grenzgebiet von Brasilien, Kolumbien und Peru.

Bis
auf die Mutter Ampora und dem Vater in der Geschichte wurden alle
anderen Personen von Menschen (Laien) dargestellt, die wirklich auf
der Insel wohnen. Sie bekamen erstmals Gelegenheit, „Ihre
Geschichte“ zu erzählen. Das sorgte neben den Naturgeräuschen des
Amazonas für eine besondere Authentizität.

Der
harte Kampf ums Überleben, gegen den Ausverkauf und für
Entschädigungen wird lebendig vor Augen geführt. So muss Ampora,
die ihren Mann und Tochter im Bürgerkrieg verloren hat, nicht nur um
eine Aufenthaltserlaubnis kämpfen, sondern auch darf hoffen, dass
die beiden Toten gefunden werden und sie Reparationszahlungen
bekommt. Die Ölgesellschaft möchte ihr mit wenig Geld die
Klagerechte abkaufen.

Das
Publikum erfährt nicht nur aus erster Hand von der Situation der
Dorfbewohner, sondern auch über ihr besonderes Verhältnis zu ihren
Toten und Geistern. Sie sind in der Gemeinschaft weiter
allgegenwärtig. Es gibt neben der wöchentlichen Dorfversammlung
auch eine „Versammlung der Geister der Toten“ statt. Hier
bekommen sie eine Stimme und ihren Platz in der Gesellschaft zurück.

Auch
Ampora geht in ihrem Alltag zunächst so um, als würden die Tochter
und ihr Mann noch unter ihnen Leben. Sie spricht zu ihnen und wäscht
sogar ihre Tochter. Erst ein Paket mit den gefundenen Überresten der
beiden Familienangehörigen bringt die erschütternde Realität ins
Haus.

Einiges
erfährt man über Riten der Bewohner. Die Totengeister werden mit
fluoreszierenden Farben gekennzeichnet, die sich zum Ende hin immer
mehr verstärken. (Lisa Lemken)

Eindringliches
Geschwisterdrama

Mit
„Der Boden unter den Füßen“ gelang der österreichischen
Regisseurin Marie Kreutzer ein starker Film. In 109 Minuten erzählt
sie die Geschichte zweier Schwestern. Lola ist Unternehmensberaterin
und steckt ihre ganze Kraft in ihre Karriere. Sie pendelt zwischen
Konferenzen, Büro und anonymen Hotelzimmern. Ihre ältere Schwester
Conny leidet an paranoider Schizophrenie, einmal im Jahr geht es ihr
besonders schlecht. Dieses Mal begeht sie einen Selbstmordversuch.
Hier nimmt die Geschichte Fahrt auf. Conny wird vorübergehend in die
Psychiatrie eingewiesen. Jetzt ist Lola mehr gefordert als sie
geplant hat. Sie versucht in ihrem streng getakteten Alltag mit den
unberechenbaren Anforderungen durch die Krankheit ihrer Schwester
klarzukommen, steht kurz vor einem Burn-out. Es zeigt sich wie dicht
Aufstieg und Chaos beieinander liegen. Nach mehreren Verwicklungen
und Schwierigkeiten nimmt Lola ihre Schwester mit nach Hause. Sie
organisiert deren Alltag, sodass sie wieder ihrer Arbeit nachgehen
kann. Doch die leichte Entspannung hält nicht lange vor, Conny
stürzt sich vom Balkon der Wohnung in den Tod. Lola erleidet einen
Nervenzusammenbruch und wird ins Krankenhaus eingeliefert. Sie erhält
Antidepressiva verschrieben und ist bei der Beisetzung ihrer
Schwester die einzige Hinterbliebene.

Ein Schwesterndrama aus Österreich. "Der Boden unter den Füßen" (R: Marie Kreutzer, AT 2019) © Novotnyfilm - Juhani Zebra
Ein Schwesterndrama aus Österreich. „Der Boden unter den Füßen“ (R: Marie Kreutzer, AT 2019) © Novotnyfilm – Juhani Zebra

Im
Interview erzählt Marie Kreutzer, dass der Film autobiografische
Züge trägt. Ihre Tante litt ebenfalls an Schizophrenie und als
Jugendliche hat sie diese regelmäßig in der Psychiatrie besucht.
Sie konnte so auf einige ihr bekannte Gesprächsverläufe
zurückgreifen. Zwei extreme Rollenentwürfe stehen sich hier
gegenüber. Im Verlauf des Films verschwimmen immer wieder die
Grenzen und man fragt sich, welcher der Schwestern eher geholfen
werden müsste. Am Ende war die Ältere, Conny an vielen Stellen die
Stärkere. Sie setzte die Akzente, während Lola mit der Furcht vor
den Auswirkungen der Krankheit auf ihr eigenes Leben kämpfte.

Die Regisseurin Marie Kreutzer im Interview mit Stefanie Görtz (IFFF). (Foto: Anja Cord)
Die Regisseurin Marie Kreutzer im Interview mit Stefanie Görtz (IFFF). (Foto: Anja Cord)

Die
schauspielerische Leistung von Pia Hierzegger, die die Conny
verkörperte, war beeindruckend. (Anja Cord)




Tag 1 – Internationales Frauenfilmfestival Dortmund / Köln 2019

Der erste Tag des
Internationalen Frauenfilmfestival Dortmund / Köln 2019 bot in der
Kategorie des Spielfilmwettbewerbs für Regisseurinnen am 10.04.2019
im Dortmunder Kino Schauburg um 20:00 Uhr mit „Wajib“
(Verpflichtung) einen Film der Regisseurin Annemarie Jacir ein
familiäres Kaleidoskop der palästinensisch-israelischen
Problematik. Die Regisseurin lebt wieder in Palästina, hat aber
einen US-Pass. Das erlaubt ihr, ohne Probleme nach Israel ein- und
ausreisen zu können.

Die Stadt Nazareth
ist die größte palästinensische Stadt auf dem Staatsgebiet
Israels. Die jüngere Stadt Nazrat-Illit wird hauptsächlich von
Juden, während Nazareth in erster Linie von Muslimen und Christen
bewohnt ist. In „Wajib“ geht es um die Tradition, die Einladungen
zur Hochzeit der Tochter persönlich zu überbringen. Der in Rom
lebende Architekt Shadi kommt ohne Begeisterung wegen der
Hochzeitsvorbereitungen für seine Schwester Amal für kurze Zeit in
seine Heimatstadt Nazareth zurück. Diese hatte er wegen der
Schwierigkeiten mit den Israelis und seinem Vater verlassen und lebt
zusammen mit seiner der PLO nahestehenden Freundin in Rom. Sein Vater
Abu Shadi arangiert sich dagegen mit den Israelis , da er gerne
Rektor werden möchte. Nun begleitet er ihn in einem humorvollem
urbanen Roadmovie bei der Abgabe der Einladungen.

Interessant ist,
dass die beiden von Saleh und Mohammad Bakri gespielt werden, die
auch im wahren Leben Sohn und Vater sind. Während der Fahrt brechen
zwischen ihnen Konflikt auf politischen, gesellschaftlichen aber auch
persönlichen Ebene auf.

Szene aus "Wajib": Vater und Sohn bringen persönlich Einladungen vorbei. Bei den kleinen Geschichten lernt man sehr viel über das tägliche Leben in Nazareth. (Foto: Wajib (R: Annemarie Jacir, PS/FR/DE/CO/NO/QA/AE 2017) © Pyramide Films)
Szene aus „Wajib“: Vater und Sohn bringen persönlich Einladungen vorbei. Bei den kleinen Geschichten lernt man sehr viel über das tägliche Leben in Nazareth. (Foto: Wajib (R: Annemarie Jacir, PS/FR/DE/CO/NO/QA/AE 2017) © Pyramide Films)

Die Mutter, die nur
über Telefonate mit ihrem Sohn Shadi im Film vorkommt, spielt eine
wichtige Rolle. Sie hatte die Familie früh, vor allem wegen der
politischen Verhältnisse, verlassen. Das hat der Vater nicht
vergessen und nimmt es ihr immer noch sehr übel. Der Sohn wiederum
ist sauer auf seinen Vater, der sich nach seiner Meinung zu sehr
anpasst und verbiegt. Das er sehr viel Wert auf die Meinung von
Familie und Freunden in seinem Heimatort legt, zeigt sich vor allem,
als er seinen Sohn auch einmal als „Arzt“ ausgegeben hat. Aber
auch andere Figuren, die nicht im Film zu sehen sind, haben eine
wichtige Rolle. Shadis Freundin Nada wird von seinem Vater mehr oder
weniger ignoriert, vermutlich weil er Angst vor politischen
Repressalien hat. Auch der israelische Freund des Vaters ist nicht im
Bild zu sehen. Es bleibt unklar, ob er eine Einladung bekommt oder ob
sich Shadi durchgesetzt hat.

Bespitzelung, die
fehlende Müllentsorgung und oft Benachteiligung der Palästinenser
durch die Israelis wird von Shadi in Nebensätzen oder Seitenblicken
angesprochen und gestreift. Das Verhältnis von Israel und Palästina
wird mit viel Empathie beschrieben, sowie gleichzeitig das
Vater-Sohn-Verhältnis ausgelotet.

Auf der Reise werden
kleine Geschichten erzählt. Cousinen wollen den Architekten aus Rom
zur Heimkehr „verführen“. Man bekommt kleine humorvolle
Einblicke in die verschiedenen Welten der zur Hochzeit eingeladenen
Muslime, Christen und Atheisten.

Kleine Schummeleien,
doppeldeutige Bemerkungen oder Sticheleien beleben und befeuern
dieses bemerkenswerte Roadmovie. Am Ende sitzen Vater und Sohn
einträchtig zusammen auf dem Balkon.




Bewegender Animationsfilm bei der Eröffnung des 36. Frauenfilmfestivals

Mit dem
beeindruckenden Animationsfilm „THE MAN WOMAN CASE“ von
Anaïs
Caura wurde das Internationale Frauenfilmfestival 2019 in
Dortmund eröffnet. Das diesjährige Motto lautet „Bilderfallen:
Täuschung, Tarnung, Maskerade“. Zur
Eröffnung am Abend
im Dortmunder Cinestar sprachen
Festivalleiterin Dr. Maxa Zoller, Birgit Jörder (Bürgermeisterin
der Stadt Dortmund und Schirmherrin des Festivals), Dr. Martina
Gräfin von Bassewitz (Referatsleiterin Bundesministerium für
Familie, Senioren, Frauen und Jugend) und Klaus Kaiser
(Parlamentarischer Staatssekretär im Ministerium für Kultur und
Wissenschaft des Landes NRW) ihre Grußworte.

Bei der Eröffnungspressekonferenz des Internationalen Frauenfilmfestivals waren zugegen (v.l.n.r.) Festivalleiterin Dr. Maxa Zoller, Regisseurin Anaïs Caura (THE MAN WOMAN CASE), Stefanie Görtz (Pressearbeit), Edima Otoukon (Jurymitglied), Bürgermeisterin Birgit Jörder und Jurymitglied Sheri Hagen. (Foto: © Anja Cord)
Bei der Eröffnungspressekonferenz des Internationalen Frauenfilmfestivals waren zugegen (v.l.n.r.) Festivalleiterin Dr. Maxa Zoller, Regisseurin Anaïs Caura (THE MAN WOMAN CASE), Stefanie Görtz (Pressearbeit), Edima Otoukon (Jurymitglied), Bürgermeisterin Birgit Jörder und Jurymitglied Sheri Hagen. (Foto: © Anja Cord)

Doch
zurück zum Hauptfilm „THE MAN WOMAN CASE“. Es ist die wahre
Geschichte von Eugene/Eugenia Falleni.
Falleni wurde 1875 in Italien als Euginia geboren, wanderte mit ihrer
Familie mit zwei Jahren nach Australien. Als Teenager wurde die
männliche Seite immer dominanter und sie verwandelte sich in Eugene.
Falleni
arbeitete als Seemann, dabei wurde ihre Identität entdeckt, sie
wurde vergewaltigt und bekam ein Kind, das sie zur Adoption freigab.
Später heiratete sie die Witwe Annie Birkitt, die einen Sohn in die
Ehe brachte. Als Birkitt
entdeckte, dass Falleni ebenfalls eine Frau war, kam es – je nach
Lesart – zu einem tödlichen Unfall oder zu einem Mord. Jedenfalls
wurde Falleni erst zum Tode verurteilt, dann zu lebenslänglich. 1931
wurde sie freigelassen.

Der
Animationsfilm ist frei von digitalen 3-D-Bildern. Er ist
hauptsächlich in Schwarz-Weiß, mit wenigen Farbtupfern in Rot oder
Blau. Die Machart, die an alte Animationsfilme erinnert, macht vor
allem in den surrealen Zwischensequenzen die
Zerrissenheit
und das Zerfließende
im Charakter von Eugene/Euginia deutlich. Dafür
bot sich Tinte als Medium besonders gut an.




Frischer Wind beim Internationalen Frauenfilmfestival 2019 in Dortmund

Turnusmäßig hat
das Internationale Frauenfilmfestival Dortmund /Köln (09. –
14.04.2019) in diesem Jahr seinen Hauptsitz in unserer Stadt. Einiges
hat sich seit dem Herbst 2018 getan.

Die langjährige engagierte künstlerische Leiterin des IFFF Silke Räbiger, hat den Staffelstab an Dr. Maxa Zoller, die als freie Filmkuratorin, Dozentin für Experimentalfilmgeschichte und Dozentin für zeitgenössische Kunst das Filmprogramm vor allem auch dem jungen Publikum nahe bringen will. Dr. Zoller war zuletzt Lehrbeauftragte an der American University in Kairo, wo sie sechs Jahre lebte.

So wird zum Beispiel
auch Musik, tanzbarer Rap, Hiphop und Reggae der aufstrebenden
Dortmunder Musikerin TriXstar im Jazzclub domicil mit einem Konzert
zu hören sein.

Das Motto des IFFF
„Bilderfallen: Täuschung, Tarnung, Maskerade“ ist Programm.

Die Festivalleitung
und das Team wollen das Publikum anregen, genauer hinzusehen „Das
Trugbild hat eine enorme Kraft“, so Zoller. Für Momente wird das,
was wir als Wahrheit bezeichnen, aus den Angeln gehoben. Eine
Bilderfalle wird zu einer Störung der Bezüge zu den Dingen an sich.
Sie schafft so Raum und Zeit zwischen den Dingen und Körpern, die
sich auf einmal frei bewegen können. Doppelungen von Bildern sollen
irritieren und schaffen eine surreale Atmosphäre.

Dr. Maxa Zoller ist die neue künstlerische Leiterin des Internationalen Frauenfilmfestivals Dortmund/Köln. Hier in einer der Spielstätten des Festivals, dem Jazzclub domicil. Das Kassenhäuschen aus den 50iger Jahren zeugt von der ehemaligen Kinogeschichte des Ortes. Das Festival läuft in diesem Jahr vom 9. - 14. April 2019. (Foto: © Anja Cord)
Dr. Maxa Zoller ist die neue künstlerische Leiterin des Internationalen Frauenfilmfestivals Dortmund/Köln. Hier in einer der Spielstätten des Festivals, dem Jazzclub domicil. Das Kassenhäuschen aus den 50iger Jahren zeugt von der ehemaligen Kinogeschichte des Ortes. Das Festival läuft in diesem Jahr vom 9. – 14. April 2019. (Foto: © Anja Cord)

Neben den über 100
Filmen aus 32 Ländern, Sonderveranstaltungen wie Radtouren zu
verschieden Filmen auf den Fassaden der Stadt, einem trotz der
politischen Probleme aufbauend optimistischen Dokumentarfilm über
die sudanesische Frauennationalmannschaft (porträtiert von Marwa
Zein) im Deutschen Fußballmuseum, Konzerten und mehr auch diesmal
wieder 8 Wettbewerbsfilme von nationalen und internationalen
Regisseurinnen gezeigt in der Schauburg gezeigt. Das Publikum kann
per Stimmabgabe mit entscheiden, wer das ausgelobte Preisgeld als
bester Regisseurinnen-Film erhält.

Im Jahr 2019 sind
zur Freude der Festivalleitung gleich zwei deutschsprachige Filme im
Rennen.

Zum umfangreichen
Themenbereichen gehören bei den Filmen die Genader-Problematik,
Genitalverstümmlung bei Frauen, deutsche und internationale
Geschichte aus verschieden Blickwinkeln oder auch ein religions-
kritischer Film aus Mazedonien. Wer dem Horror-Genre zugeneigt ist,
kommt zum Beispiel bei dem Film „Endzeit“ auf seine Kosten.

Für Kinder ab 4
Jahren und ihre Familien wird auch am Wochenende ein spezielles
Programm angeboten.

Die Vernetzung
gewinnt immer mehr an Bedeutung. So ist es erfreulich, das sich neben
den zahlreichen Sponsoren und Förderern, immer mehr Spielstätten am
IFFF beteiligen. Neu sind neben dem CineStar, der Schauburg, Innogy
Forum und dem Kino im U jetzt das Fußballmuseum sowie das domicil
dabei.

Das Festival wird
programmatisch am 09.04.2019 um 19:00 Uhr im CineStar mit einem
ungewöhnlichen, eindringlichen Animationsfilm eröffnet. THE MAN
WOMAN CASE von Anaïs
Caura erzählt den Gerichtsfall von Eugene/Eugenia Falleni aus Sydney
– eine der ersten
dokumentierten Transgender-Personen aus dem Jahr 1920. Ein Film von
wegweisender künstlerischer Qualität.

Über
das umfangreiche Angebot, Termine, Orte und Preise können sie sich
schon jetzt über die Webseite: www.frauenfilmfestival.eu
einen kleinen vorläufigen Überblick verschaffen.

Nach
Ostern können sie dann das aktualisierte Programm abfragen.

Übrigens:
Schon vor dem Beginn des Festivals wird man in der Dortmunder
Innenstadt auf eigenartige Körperwesen in einem gestrickten Kokon
stoßen.

Lassen
Sie sich überraschen. Das IFFF kommt so auf alle Fälle mitten in
unsere Stadtgesellschaft.




Soldatinnendrama gewinnt Jurypreis beim diesjährigen Frauenfilmfestival

[fruitful_alert type=“alert-success“]Aurore (Ariane Labed) und Marine (Soko) versuchen vergeblich, den Kriegsalltag zu vergessen. (Foto: © Jerome Prébois)[/fruitful_alert]

Ab 19:00 Uhr wurde im Kino im Dortmunder U nach einem humorvoll-feierlichen Festival- Rückblick durch die Organisationsleitung zunächst der durch die Kinobesucher mit ihren Stimmkarten während der Woche vergebene Publikumspreis verkündet. Er ging an die britische Gesellschaftssatire „The Party“ von der Regisseurin Sally Potter. Er überzeugte mit seinem schwarzen Humor, den geschliffenen Dialogen und der starken Gesamtleistung aller beteiligten SchauspielerInnen.

Der Film fand auch eine lobende Erwähnung bei der Wettbewerbs-Jury Marnie Blok (NL), Pecha Lo (Thailand) und und der deutschen Filmeditorin und Dramaturgin Gesa Marten.

Acht Filme waren um den mit 15.000 Euro ausgelobten Preis für den „Internationalen Spielfilmwettbewerb für Regisseurinnen“ angetreten. Der Preis wird zwischen der Regisseurin (5.000 Euro) und dem deutschen Verleih (10.000 Euro) aufgeteilt. Neben der Würdigung der Regisseurin soll so auch der Vertrieb der Filme in Deutschland gefördert werden.

Die Wettbewerbsjury verkündete den Gewinner des Preises: Es ist der französische Afghanistan-Heimkehrer Film „Voir du pays (The Stopover)“ von Delphine und Muriel Coulin. Er zeigte eindrucksvoll und eindringlich, das ein „normales Leben“ nach einem grausamen Kriegseinsatz auch für die beteiligten schwer traumatisierten Soldaten schwer möglich ist. Er wirkt nachhaltig auf ihr „Leben danach“ und äußert sich unter anderem in Aggression oder Zurückgezogenheit. Der Thematik von unterschwellig vorhandener sexuelle Gewalt, die ins besondere die weiblichen Soldatinnen betrifft, wird in diesem Film Raum gegeben.

Wie es sich gehört, wurde im Anschluss das gelungene IFFF Dortmund/Köln 2017 gebührend gefeiert.

Hier ein Rückblick über die Wettbewerbsfilme:

[fruitful_tabs type=“accordion“ width=“100%“ fit=“false“]
[fruitful_tab title=“Tag 1″] The Party [/fruitful_tab]
[fruitful_tab title=“Tag 2″] Corniche Kennedy  [/fruitful_tab]
[fruitful_tab title=“Tag 3″] Peur de rien [/fruitful_tab]
[fruitful_tab title=“Tag 4″] Voir du pays und En amont du fleuve [/fruitful_tab]
[fruitful_tab title=“Tag 5″] Pokot und Tess [/fruitful_tab]
[fruitful_tab title=“Tag 6″] Mãe só há uma [/fruitful_tab]
[/fruitful_tabs]