Von Karl zu Karl – Musik für Kaiser, Kirche und Krone

Karl der Große und Karl IV. haben beide eine Beziehung zu Dortmund – darauf wies Torsten Mosgraber, der Leiter des Klangvokal Festivals, vor Beginn des Konzerts hin. Karl der Große gab einst den Anstoß zur Gründung Dortmunds, während Kaiser Karl IV. die Stadt später besuchte – und dabei nicht ohne eine Reliquie wieder abzog.

Am 12. Juni 2025 sang das Tiburtina Ensemble in der Marienkirche ein Konzertprogramm mit Musik aus den Epochen dieser beiden Herrscher. Der aus sechs Sängerinnen bestehende tschechische Chor trat an diesem Abend zwar mit einer Stimme weniger auf, doch der musikalischen Ausdruckskraft tat dies keinen Abbruch: Es entstand ein eindrucksvolles, klanglich reiches Erlebnis.

Musikalische Zeitreise vom Frühmittelalter zur Gotik

Das Programm verband Musik aus der Zeit Karls des Großen mit Werken aus der Epoche Karls IV. – zwei Epochen, in denen sich Reichsidee, Frömmigkeit und kulturelle Blüte gegenseitig befruchteten. Die vorgetragenen Gesänge, Tropen, Responsorien und Motetten zeichneten ein vielstimmiges Porträt europäischer Musikgeschichte – von der Strenge karolingischer Liturgie bis hin zur emotional aufgeladenen Mehrstimmigkeit des Spätmittelalters.

das Tiburtina Ensemble in der MArienkirche. (Foto: (c) Céline-Christine Spitzner)
das Tiburtina Ensemble in der MArienkirche. (Foto: (c) Céline-Christine Spitzner)

Neben dem eindringlichen Gesang, der sowohl vielstimmig als auch in solistischen oder Duett-Formationen erklang, bereicherte Ensembleleiterin Barbora Kabátková einige Stücke durch ihr Spiel auf zwei mittelalterlichen Harfen.

Vor allem der erste Konzertteil war geprägt von klösterlicher Schlichtheit und spiritueller Tiefe – eine Einladung zur Kontemplation und inneren Einkehr. Doch das Tiburtina Ensemble verstand es ebenso, die sakrale Musik der Gotik mit ihren Anfängen der Mehrstimmigkeit eindrucksvoll zur Geltung zu bringen – und so den klanglichen Bogen zwischen mystischer Innerlichkeit und geistlicher Pracht wirkungsvoll zu spannen.




Klangvokal 2018 – Mittelalterliche Klänge vom Ensemble Tiburtina

Ein vielseitiges Programm bietet das Klangvokal Festival auch wieder in diesem Jahr. In der Dortmunder Marienkirche gastierte am 29.05.2018 das renommierte Vokalensemble Tiburtina aus Tschechien mit „Ego sum homo“ (Ich bin Mensch) mit musikalischen Kompositionen der Äbtissin, Hildegard von Bingen (1098 – 1179). Eine mutige Frau, die sich mit der „männlich dominierten katholischen Kirche“ gerne einmal anlegte und unbeirrt ihren Weg ging. Sie war zudem als Dichterin, Mystikerin, Naturwissenschaftlerin, Historikerin, Ärztin und Komponistin eine vielseitig begabte Frau.

Als erste Frau überhaupt schaffte Hildegard von Bingen mit 77 überlieferten Kompositionen in die Musikgeschichtsbücher. Für ihre Gesänge hatte sie die Texte und Musik selbst geschrieben.

Im feierlichen Rahmen der Marienkirche sangen sieben der acht Frauen Antiphonen (frei gedichtete Texte, die vor oder nach einem Psalm gesungen werden), Reponsorien (frei gedichtete Texte, die nach der Schriftlesung gesungen werden) sowie Sequenzen ((Dichtungs- und Gesangsform nach dem Prinzip der fortschreitenden Wiederholung) aus dem Kompositionen der Äbtissin.

Das Ensemble schritt mit der 1. Sequentia (O Jerusalem, goldene Stadt) langsam vom hinteren Kirchenbereich nach vorne.

Mittelalterliche Stimmung mit Liedern von Hildegard von Bingen vom Ensemble Tiburtina. (Foto: © Bülent Kirschbaum)
Mittelalterliche Stimmung mit Liedern von Hildegard von Bingen vom Ensemble Tiburtina. (Foto: © Bülent Kirschbaum)

Das Ensemble Tiburtina besteht aus der künstlerischen Leiterin Barbora Kabátkov (Sopran, Harfe), Ivana Brouková, Tereza Havlíková (Sopran), Hana Blažíková (Sopran, Harfe), sowie als Altstimmen Daniela Čermáková, Anna Chadimová Havlíková und Kamila Mazalová.

Margit Übellacker (Psalterium) bereicherte den Gesang als atmosphärische musikalische Begleitung mit einem mittelalterlichen Pantaleon (historisches, mit Schlägeln geschlagenes Saiteninstrument, ähnlich einem Hackbrett). Das Ensemble gilt auf dem Gebiet der frühen Musik als eines der besten in Europa.

Das in lateinischer Sprache gesungen wurden, war nicht die einzige Herausforderung für das Frauen-Ensemble. Das Programm war auch höchst anspruchsvoll für die wunderbar klaren Stimmen. Die Gruppe überzeugte sowohl in den Solo-Sequenzen wie auch in der Harmonie als ganzes Ensemble. Das Publikum wurde in eine mystische, fremde Musikwelt hineingezogen.

Das Ensemble hat sich bewusst für eine improvisierte Begleitung des monophonen Gesangs entschieden. Es werden alte Zupfinstrument wie Harfe und Zither aus der Zeit von Hildegard von Bingen verwendet. Die gesungenen polyphonen Kompositionen, wie Beispielsweise „Conducti Premii dilatio“ stammen etwa aus der selben Zeit wie die monophonen Gesänge von Hildegard von Bingen. Die Komponisten sind allerdings anonym und gehören der sogenannten Notre Dame-Schule an.

Der Großteil des dargebotenen Liedguts waren Lobgesänge und Klagelieder. Themen waren die Stadt Jerusalem, die Jungfrau Maria, Natur und die Schöpfung im allgemeinen. Mit dem Lobgesang Psalm 8 „Herr unser Herr“ begab sich das Ensemble wieder langsam zum hinteren Kirchenbereich.

Es gab natürlich eine Zugabe für das Publikum, dass sich mit viel Applaus für die Darbietung bedankte.