Eine kulinarische Lesung – Erdbeereis und Kichererbsen

Essen und Literatur – zwei zentrale kulturelle Ausdrucksformen, die sich seit jeher gegenseitig würzen. In Romanen, Erzählungen oder Gedichten ist das Mahl mehr als bloße Nahrungsaufnahme: Es wird zur Bühne für Begegnungen, zur Metapher für Beziehungen, zum Symbol für Macht, Begehren oder Verlust – serviert zwischen den Zeilen, garniert mit Emotionen.

Von Marcel Prousts berühmter Madeleine, die ganze Erinnerungskaskaden auslöst, bis zu den liebevoll beschriebenen Nudelschüsseln und Whiskygläsern in Haruki Murakamis Romanen – literarisches Essen ist stets sinnstiftend und bedeutungstragend. Auch in der deutschsprachigen Literatur ist das Motiv weit verbreitet: In Thomas Manns Buddenbrooks spiegeln üppige Tafeln den gesellschaftlichen Status wider, während bei Siegfried Lenz oft das einfache Brot mehr sagt als viele Worte.

Am 17. Mai 2025 servierte das ensemble 17 – bestehend aus Christine Ates, Barbara Müller und Katharina Stillger – im Raum 17 ein literarisches Menü vom Frühstück bis zur Nachspeise. Die ausgesuchten Kurzgeschichten von unter anderem Doris Dörrie, Pablo Neruda, Donna Leon und Steven Paul wurden so wohlschmeckend vorgetragen, dass der literarische Appetit der Zuhörenden reichlich gestillt wurde.

Zwischen Müsli und Buchdeckel: Wenn Worte munden

Und dann war da noch das Erdbeereis mit Kichererbsen – zwei Zutaten, die auf den ersten Blick nicht zusammenpassen wie Öl und Wasser. Doch im tiefen Netz der Rezeptideen fand sich die raffinierte Verbindung: Veganes Erdbeereis mit „Aquafaba“, dem Sud gekochter Kichererbsen. Ein kulinarischer Aha-Moment – man lernt nie aus.

Katharina Stillger, Barbara Müller und Christine Ates präsentierten eine poetische Lesung über Essen. (Foto: (c) Ralf Rottmann)
Katharina Stillger, Barbara Müller und Christine Ates präsentierten eine poetische Lesung über Essen. (Foto: (c) Ralf Rottmann)

Auch wenn mit einem Text über Currywurst bereits ein würziger Akzent gesetzt wurde – ein wenig mehr Pfeffer hätte dem Programm nicht geschadet. Ein Text von Wiglaf Droste vielleicht, scharfzüngig wie eine gut gewürzte Chorizo. Doch das ist Meckern auf Sterne-Niveau – der Abend war rundum gelungen.

Ates, Müller und Stillger kredenzten ein abwechslungsreiches Menü erzählerischer Leckerbissen – von literarischen Brotresten (die im Ruhrgebiet natürlich Knapp heißen) bis hin zu einer raffinierten spanischen Kichererbsensuppe, die mit Worten wie mit Safran verfeinert war.

Wer nun Appetit bekommen hat, kann sich am 5. und 6. Juli 2025 um 20 Uhr erneut im Mönchengang 9 einfinden – und selbst auf den Geschmack kommen.




Wenn Türen zugehen

Wenn eine Tür zugeht, öffnet sich eine andere – so sagt man. Doch stimmt das wirklich? Kann es nicht sein, dass manche Türen sich nie wieder öffnen? In „Tür auf, Tür zu“, dargeboten vom ensemble 17 unter der Regie von Barbara Müller, wird deutlich, dass es für bestimmte Personen schon ein Wunder (deus ex machina in der Theatersprache) braucht, um wieder dazuzugehören.



Das Stück von Ingrid Lausund ist in vielerlei Hinsicht bemerkenswert. Aus technischer Sicht: Es benötigt keine klassische Bühne, sondern nur Türen, keine Requisiten und keine aufwändige Ausstattung. Es braucht jedoch drei gewitzte Schauspielerinnen, die dieses Drama tragen: Christine Ates, Anke Pidun und Katharina Stillger zeigen sich wandlungsfähig, trotz der Vielzahl an Rollen, die sie verkörpern.

Worum geht es? Kurz gesagt, um eine mittelalte Frau (erkennbar an ihrem roten Jackett), die plötzlich nicht mehr dazugehört, weil „die Tür zu ist“. Das Stück entwickelt sich mit der Zeit zu einer kafkaesken Episode, in der die Frau verschiedene Stadien der Problembewältigung durchläuft. Von Überheblichkeit über Angst bis hin zur Panik ist alles dabei. Bestechungsversuche und sexuelle Avancen eingeschlossen. Nützen tut es nichts. Das „Wunder“ trifft eine Leidensgenossin, aber nicht sie.

Man kann das Stück durchaus als Analogie zum Arbeitsmarkt interpretieren, in dem ältere Arbeitnehmer*innen vor die Tür gesetzt werden und verzweifelt versuchen, wieder dazuzugehören. Ihre Kenntnisse sind verblasst und ihre Kontakte sind auch nichts mehr wert. Da bleibt die Tür dann zu.

Dass das Stück in seiner Gesamtheit so gut funktioniert, liegt vor allem an den drei Schauspielerinnen Ates, Pidun und Stillger, die es meisterhaft verstanden haben, die unterschiedlichsten Charaktere glaubhaft darzustellen und damit das Publikum zu begeistern.

Wer neugierig geworden ist, kann sich das Stück am 21. und 22. Juni 2024 im raum17 – Ausbildungs- und Produktionszentrum, Mönchengang 9, 44135 Dortmund ansehen. Kartenreservierung: ticket@theatervolk.de




Archipel – Inseln zwischen Ebbe und Flut

Mit dem Stück „Archipel – ein Kaleidoskop menschlicher Beziehungen“ präsentierte das ensemble 17 am 09. und 10. Juni 2023 im Theater im Depot ein tiefsinniges Stück über unterschiedliche Gefühllagen.



Das Bühnenbild von Matthias Schubert zeigte eine Landschaft zwischen Wohnzimmer und Strand. Ein Bild an der Wand, fliegende Möwen und andere Gegenstände komplettierten die Ausstattung.

Der Mensch als Insel. Das kann verschieden Interpretiert werden. Individualität und Einzigartigkeit: Jeder Mensch ist auf seine Weise einzigartig und unterscheidet sich von anderen. Isolation und Selbstständigkeit: Jeder Mensch hat seine eigenen Bedürfnisse, Ziele und Verantwortlichkeiten und muss lernen, auf eigenen Beinen zu stehen. Einsamkeit und Abgrenzung: Jeder Mensch hat eine innere Welt, die für andere Menschen nicht vollständig zugänglich ist, was zu einem Gefühl der Isolation führen kann. Unabhängigkeit und Autonomie: Jeder Mensch hat die Fähigkeit und die Verantwortung, Entscheidungen unabhängig zu treffen und sein eigenes Leben zu gestalten, ohne von anderen abhängig zu sein.

Ähnlich war das Theaterstück aufgebaut. Als Szenencollage  mit Fremdtexten und eigenen Texten erarbeiteten sich Philipp Böddecker, Jeanette Kindas, Klara Noack, Anastasia Papoutsoglou, Anke Pidun, Katharina Stillger und Bettina zeuch unter der Leitung von Barabara Müller verschiedene Szenen, die komische, nachdenkliche, aber auch traurige Elemente beinhaltete. Vor allem das Thema Einsamkeit versus Lust auf Menschen wurde häufiger thematisiert („Ich bin kein wir“). Das ensemble 17 ist aus der damaligen Theaterwerkstatt im Depot entsatnden, die vor Corona in aller Regelmäßigkeit Stücke im Depot aufgeführt hat. Schön zu sehen, dass es jetzt weitergeht. Das „Archipel“ lässt auf alle Fälle hoffen, dass es in Zukunft weitere Stücke zu sehen gibt.