Herrschaft und Einsamkeit

Eigentlich sind die vier Hauptpersonen von Verdis Oper „Don Carlo“ sehr einsam. Die Hauptfigur, „Don Carlo“ liebt seine ehemalige Verlobte Elisabeth, die aus Staatsräson seinen Vater geheiratet hat. Elisabeth ist einsam, weil sie fremd in einem fremden Land ist und mit einem Mann verheiratet ist, den sie nicht liebt.



Phillip, Don Carlos Sohn, ist einsam, weil ihn seine Frau nicht liebt. Rodrigo, Marquis von Posa ist einsam, weil er letztendlich nur seine Idee von Freiheit liebt, für die er sogar die Freundschaft mit Don Carlo aufgibt.

Rodrigo ist der Dreh und Angelpunkt in der Oper und auch in der Inszenierung von Jens-Daniel Herzog, die am 29. September 2013 Premiere im Opernhaus Dortmund feierte. Verdis Oper basiert auf Schillers Trauerspiel „Don Karlos“ und wer Schiller kennt, der weiß, dass er ein politischer Schriftsteller war. Das nimmt Herzog auf. Schon die erste Szene im ersten Akt zeigt, wie der Hase läuft: Die trauernde Bevölkerung defiliert an der Leiche von Kaiser Karl V. vorbei. Die Szenerie erinnert bewusst an das Lenin-Mausoleum in Moskau. Wie die Sowjetunion sich auf Lenin berief, berief sich das habsburgische Spanien auf Kaiser Karl. Ein Staat, der sich im Griff der spanischen Inquisition befand, ähnlich wie die Sowjetunion unter Berias NKWD. Beeindruckend inszenierte Herzog dies in der „Abendmahlszene“, als zwölf Gefolgsleute Philipps als „Dissidenten“ freiwillig Selbstmord begingen. Religion trifft auf Herrscherkult.

Gut gewählt waren auch die Kostüme: Nur die drei Vertreter der spanischen Krone (Philipp, Don Carlo und Elisabeth) waren im damaligen spanischen Stil gekleidet. So zum Beispiel mit Halskragen, die sie fast erwürgten. Der Rest, vor allem natürlich Rodrigo, spielten und sangen in moderner Kleidung. Rodrigo, eindrucksvoll gesungen von Gerado Garciacano, ist zweifelsohne die Hauptfigur. Er nutzt die Freundschaft zwischen ihm und Don Carlo für seine politischen Zwecke. So gelangt er näher and en spanischen König. Philipp versteht zwar kein Wort, was im Rodrigo erzählt, gibt ihm aber einen Job als Art Privatdetektiv. Für seine Idee ist er sogar bereit, die Freundschaft zu Don Carlo aufs Spiel zu setzen und geht letztendlich für sie in den Tod.

Der Star des Abends war mit Sicherheit Susanne Braunsteffer als Elisabeth. Ihre Verzweiflung ist in jeder Note zu hören: Allein im fremden Land mit einem Mann, den sie nicht liebt und einen Ex-Verlobten, der jetzt ihr angeheirateter Sohn ist. Wen Wei Zhang bekam zu Recht Sonderapplaus für seine Arie „Ella giammai m’amò“(Sie hat mich nie geliebt), auch sonst sang er einen berührenden Philipp.

Don Carlo wurde von dem Kanadier Luc Robert gesungen. Es war ein gelungenes Dortmund-Debüt. Er gab dem Titelhelden in seinen Seelennöten seine Stimme, die von vergeblicher Liebe bis hin zum (fast) trotzigen Aufbruch nach Flandern.

Der zweite Bass in der Oper sollte nicht unerwähnt bleiben. Christian Sist sang einen Großinquisitor, der in jeder Sekunde wusste, dass er der eigentliche Herrscher Spaniens war. Vor ihm musste sogar Philipp zittern. Eine bemerkenswerte Rolle sang Katharina Peetz als Prinzessin Eboli. Die Prinzessin denkt zuerst, dass Don Carlo sie liebt, dann wird sie zu einer Intrigantin, die zum Schluss bei Elisabeth um Vergebung bettelt. Es gelang ihr, die verschiedenen emotionalen Stimmungen der Eboli glaubhaft und mit starker Stimme auf die Bühne zu bringen.

Gefallen konnten in ihren Nebenrollen auch Julia Amos als Page Tebaldo zwischen den Hofdamen. John Zuckerman als Graf von Lerma, und Karl-Heinz Lehner als Mönch. Anke Briegel fungierte als angenehme Stimme aus dem Himmel.

Wieder einmal zeigte auch der Dortmunder Chor unter der Leitung von Granville Walker sein Können. Punktgenau und grandios wurde der „Don Carlo“ von der Dortmunder Philharmoniker unter der Leitung des neuen GMD Gabriel Feltz begleitet.

Die Inszenierung mit seinem Mix aus Historie und Moderne hat nicht jedem gefallen, doch die positiven Reaktionen waren deutlich in der Mehrheit. Jens-Daniel Herzog steht seit drei Spielzeiten für eine neue, aufregende Oper mit frischem Blick. Das hat er bei „Don Carlo“ wieder unter Beweis gestellt.

Weitere Aufführungen am 12. Oktober 2013, 20. Oktober 2013, 25. Oktober 2013, 03. November 2013, 08. November 2013, 16. November 2013 und 08. Dezember 2013.

Karten unter www.theaterdo.de oder telefonsich 0231 5027222.




Der richtige Mann am falschen Ort zur falschen Zeit

Die zentrale Person in Verdis „Don Carlo“ ist nicht die Hauptfigur selbst oder Phillip II, sein Vater, sondern Rodrigo, der Marquis von Posa. Sein Drang nach Freiheit kommt 200 Jahre zu früh und am spanischen Königshof ist er auf jeden Fall am falschen Ort. Die Oper Dortmund zeigt am Sonntag, dem 29. September um 18 Uhr Giuseppe Verdis Oper in einer Inszenierung von Jens-Daniel Herzog.



Selbstverständlich gehört in eine ordentliche Oper eine (unglückliche) Liebesbeziehung. Don Carlo, Infant von Spanien und Elisabeth von Valois lieben sich, aber Carlos Vater, Philipp der II, heiratet Elisabeth aus Staatsräson. So nimmt das Unglück seinen Lauf, Philipp ist von der Kaltherzigkeit seiner Ehefrau frustriert, Don Carlo ist von der Aussichtslosigkeit seiner Liebe frustriert und in dieser Konstellation fordert der Marquis von Posa mit seinem Freiheitsdrängen und der Unterstützung des flandrischen Aufständischen vor allem die Macht der Kirche in Form des Großinquisitors heraus. Dass das letztendlich seinen Kopf kosten wird, überrascht wohl niemanden.

Bei den Sängern hat sich Herzog etwas besonderes ausgedacht, die beiden beliebten Bassisten Wen Wei Zhang und Christian Sist werden abwechselnd Philipp und den Großinquisitor singen. In der Premiere singt Zhang den Philipp und Sist den Großinquisitor. Der Franco-Kanadier Luc Robert wird seine Dortmund-Premiere mit der Titelrolle des Don Carlo geben. Ansonsten ist die Besetzung hochkarätig: Susanne Braunsteffer (Elisabeth), Katharina Peetz (Prinzessin Eboli) oder Gerado Graciacano (Marquis von Posa). Dirigieren wird der neue Generalmusikdirektor Gabriel Feltz.

Verdi hat den „Don Carlo“ ursprünglich als Fünfakter für die „Opéra de Paris“ geschrieben, sie für die italienische Fassung um einen Akt gekürzt. Das Libretto entstand nach dem Trauer spiel „Don Karlos“ von Friedrich Schiller. Die Dortmunder Inszenierung dauert inklusive Pause dreieinhalb Stunden.

Neben der Premiere am 29. September 2013 gibt es noch weitere Aufführungen am 12. Oktober 2013, 20. Oktober 2013, 25. Oktober 2013, 03. November 2013, 08. November 2013, 16. November 2013 und 08. Dezember 2013.

Karten unter www.theaterdo.de oder telefonsich 0231 5027222.