Verdorbene Liebe

Eigentlich eine Schocksituation: Ein Polizist kommt in die Wohnung von Paula Spencer (Sandra Schmitz) und erklärt, dass ihr Mann tot sei. Erschossen von einem Polizisten während er ein krummes Ding gedreht hat. So beginnt das Solostück „Die Frau, die gegen Türen rannte“ von Roddy Doyle im Fletch Bizzel. Doch bei Paula ist keine große Trauer oder gar Freude anzumerken. Im Laufe des Stückes erfahren die Besucher auch wieso.

Paula erzählt ihre
Lebensgeschichte nicht chronologisch. Sie beginnt mit dem
Kennenlernen ihres Mannes Charlo. Unter den Klängen von „Sugar
baby love“ berichtet sie vom ersten Treffen in einer Diskothek.
Schnell wird ihr klar „ich gehörte ihm“.

Doch Paula hatte es
nicht leicht in ihrem Leben. In der Schule kam sie in die letzte
Klasse, sie bezeichnet sich selbst als „dumm“, träumte aber von
einer Karriere als Model oder Schauspielerin. In der Realität hieß
das „Putzfrau“. Sie benutzte früh ihre Sexualität, um sich
durchzusetzen. „Ich war irgendwie, ohne es zu begreifen und ohne
dass ich was dagegen machen konnte, eine dreckige Schlampe geworden,
an der sich alle aufgeilten“, berichtet Paula.

Paula heiratet
Charlo. Für sie ein wichtiger Schritt, der sie zu etwas besseren
macht. „Ich gehörte jetzt Charlo, und dadurch war ich eine
anständige Frau geworden.“ Zunächst läuft alles glatt, dann
beginnt er sie zu schlagen, immer heftiger. Sie versucht die
Verletzungen zu kaschieren mit den Worten „Ich bin gegen die Tür
gelaufen“. Sie gibt sich eine Mitschuld an seinen
Gewaltausbrüchen. „Er war gereizt. Es war meine Schuld.“ Neben
ihrem gewalttätigen Mann hat Paula noch ein anderes Problem. Sie
trinkt seit sie 16 ist und ist mittlerweile Alkoholikerin, was wie
unumwunden zugibt. „Ich hab nie was dagegen gemacht, hab nie
versucht aufzuhören“, sagt sie. Ein wichtiges Element sind ihre
vier Kinder Nicola, John Paul, Leanne und Jack. Die geben ihr Kraft,
denn endgültig Schluss macht Paula erst, als Charlo ihre gemeinsame
Tochter Nicola „komisch ansah“. Sie schmeißt ihn aus der Wohnung
und sieht in erst kurz vor seinem Tod wieder.

Sandra Schmitz zeige als Paula Spencer eine eindrucksvolle Leistung. (© Standout)

„Die Frau, die
gegen Türen rannte“ ist ein Stück, das betroffen macht an manchen
Stellen sogar fassungslos. Warum bleiben Frauen bei ihren
gewalttätigen Männern? Psychologen sprechen von einem Verhalten wie
bei einer Spielsucht. Die Gewalt wird als Pechsträhne gesehen, die
bald wieder vorbei ist. Wenn dann ein Glücksmoment kommt, kann der
so intensiv und erfüllend seien, dass das Opfer die Pechsträhne
vergisst. Frauen trennen sich mit größerer Wahrscheinlichkeit, wenn
sie herausgefunden hatten, dass auch ihre Kinder Opfer ihres Partners
werden könnten, so wie Paula.

Sandra Schmitz spielte die Paula mit großen Engagement. Es gelang ihr, Paula mit all ihren – auch widersprüchlichen – Facetten darzustellen. Die Kraft, die Energie von Paula, trotz aller Widrigkeiten mit Alkohol und gewalttätigem Mann, zeigte Sandra Schmitz in dem Solo-Programm mit viel Leidenschaft.
Das Bühnenbild spiegelte Paulas Zustand: einfacher Tisch, Stühle, an der Seite ein angedeutetes Kinderzimmer. Dann wurden auch noch Paulas Dämonen hineingerollt. Etliche Flaschen zeugten von Paulas vergebenen Kampf gegen den Alkohol.

Neben Sandra Schmitz
sorgte DJ Joey Porner mit Pop-Songs von den Rubettes bis Rammstein
für einem musikalischen Soundteppich. Im Mittelpunkt standen aber
„Sugar Baby Love“ von den Rubettes und „Vincent“ von Don
McLean, die für Paula eine große Bedeutung hatten.

„Die Frau, die
gegen Türen rannte“ wird noch am 18. und 19. Oktober sowie am 29.
November im Theater Fletch Bizzel gezeigt. Nähere Informationen
unter www.fletch-bizzel.de




Verrückt nach Liebe

Intensives Solostück mit Sandra Schmitz im Fletch Bizzel

Diese Frau hat einiges durchgemacht. Paula Spencer war schon mit zwölf für alle die Schlampe. Jetzt ist sie 39, fünffache Mutter, vom Leben gezeichnet durch die Übergriffe des Vaters, abgestumpfte Lehrer, verrohte Mitschüler, ein Prügel-Opfer der verkorksten Verhältnisse und ihres brutalen Ehemanns Charlo. Paula ist „Die Frau, die gegen Türen rannte“, ihre Geschichte ist ausführlich nachzulesen in einem Roman des irischen Booker-Preisträgers Roddy Doyle. Der brisante Stoff wurde von Oliver Reese für die Bühne bearbeitet, der packende Monolog wurde seitdem von zahlreichen Bühnen sehr erfolgreich nachgespielt. Ab dem 4. Oktober ist das Stück in Dortmund im Theater Fletch Bizzel zu sehen. In einer Inszenierung von Hans-Peter Krüger spielt Sandra Schmitz die Paula Spencer als innerlich zerrissene Frau, die dennoch nie aufgibt und sich am Ende als bärenstarke Kämpferin in Stellung bringt.

Sandra Schmitz spielt die Figur der Paula Spencer in "Die Frau, die gegen Türen rannte" im Fletch Bizzel. (Foto: © Standout)
Sandra Schmitz spielt die Figur der Paula Spencer in „Die Frau, die gegen Türen rannte“ im Fletch Bizzel. (Foto: © Standout)

Auf
verstörende Weise ist Paula fasziniert, von dem Mann, der sie grün
und blau prügelt. Im Krankenhaus erklärt sie ihre Verletzungen
stets damit, sie sei gegen eine Tür gelaufen. Nun ist Charlo tot,
ein Opfer seiner kriminellen Seitensprünge, und seine Witwe beginnt
zu sprechen. Auf der Probe geht es mitunter
laut zu, weil DJ Joey Porner das dramatische Geschehen mit Pop-Songs
von den Rubettes bis Rammstein mit einem musikalischen Soundteppich
unterlegt, den er je nach der Situation durch verschiedene Effekte
verfremdet. Dabei agiert er mit seinen Geräten live auf offener
Bühne und ist auf diese Weise ein sprachloser und doch nicht stummer
Dialogpartner von Paula Spencer. Zwischendurch wird er deshalb von
ihr auch schon mal angeschnauzt, muss Requisiten anreichen und dient
ihr so des Öfteren als kongenialer Punching-Ball. „Ich habe nicht
geheiratet, um meinem Vater eins auszuwischen. Und ich war auch nicht
schwanger. Es war Liebe“ , schreit Paula im Stück, „wir liebten
uns. Ich war verrückt nach ihm, er war verrückt nach mir!“ Und
der Sound korrespondiert mit diesem Wutausbruch, indem er der Frau
auf irritierende Weise einen Loop des Rubettes-Hits „Sugar baby
love“ immer wieder auf die Ohren knallt. So wird das
Geschehen eben nicht nur untermalt, sondern geradezu kommentiert,
wodurch, so die Idee des Regisseurs, eine zweite spannende
Erzähl-Ebene entsteht.

Der
Text ist pures Schauspielerfutter, er lotet alle emotionalen Höhen
und Tiefen einer Frau wie Paula Spencer aus, einer Alkoholikerin, die
inmitten der Trümmer ihres Lebens aufbegehrt und sich verrückt nach
Liebe ihre Qual von der schwer verletzten Seele redet.

Termine:
4. Oktober (Premiere),

5., 18. Und 19. Oktober

29. November

Weitere Infos und Karten unter www.fletchbizzel.de