Jede Generation braucht eine neue Revolution

Kommen wir in unserer Spaßgesellschaft eigentlich noch zum Rebellieren? (Foto: © Mario Simons)
Kommen wir in unserer Spaßgesellschaft eigentlich noch zum Rebellieren? (Foto: © Mario Simons)

Die Überschrift ist ein Zitat eines Revolutionserfahrenen: Thomas Jefferson, der dritte Präsident der USA. Doch wir befinden uns in einem Dilemma. Einerseits leben wir auf der Seite des Zufriedenen und Satten, andererseits sehen wir auch Dank der Globalisierung das Elend der Verlierer in der dritten und vierten Welt. Das Schauspiel „Dantons Dilemma“, einer Produktion des Theaterkollektivs Sir Gabriel Dellmann unter der Regie von Björn Gabriel widmetet sich dieser Zwickmühle. Die Premiere war am 04. Oktober im Theater im Depot.

Wozu noch Revolution? Wir leben doch auf der Sonnenseite des Lebens, haben eine Art von Demokratie und ein schönes Grundgesetz (u.a. die Würde des Menschen ist unantastbar). Dennoch merken einige Wenige, dass hinter dem schönen Sein etwas anderes versteckt ist. Ändern Wahlen wirklich etwas? Was ist das Grundgesetz wert in Zeiten von NSA und Co.? Leben wir nicht hauptsächlich auf Kosten anderer Menschen, die ausgebeutet werden? Manche wollen diese Problematik nicht annehmen und flüchten sich in eine Art von Hedonismus, während andere resigniert abwinken und von ihren 68er-Erlebnissen berichten, die sie ins Establishment geführt haben. Auch wurde auf die neuen Bewegungen hingewiesen wie Attac. Sollte man sie proto-revolutionär nennen?

 

Die vier Schauspieler Janina Rudenska, Fiona Metscher, Martin Hohner und Matthias Hecht versuchen mit Hilfe von Texten Georg Büchners und Georges Dantons (Experte in angewandter Revolutionswissenschaften) herauszufinden, ob es doch nicht noch etwas Anderes gibt. Auf der Bühne wurde dies sehr gut durch eine Mauer aus Pappmaschee-Blöcken dargestellt, die letztendlich tatsächlich einstürzte.

 

Doch nach anfänglicher Euphorie wartete dahinter neben einem gemütlichen Sessel auch eine Guillotine. „Die Revolution frisst ihre Kinder“, lässt Büchner seinen Titelhelden Danton in seinem „Dantons Tod“ sagen. Selbstverständlich war auch in diesem Raum wieder eine Mauer.

 

Regisseur Björn Gabriel, in seinem ersten Leben Schauspieler in Dortmunder Ensemble, trat in einer Videosequenz als Danton auf und konnte seine Mitstreiter Sebastian Graf (Robespierre) und Ekkehard Freye (St. Just) gewinnen. Überhaupt die Videos: Sie waren sehenswert.

 

Etwas Irritation hinein brachte der Orakel-Automat, der gegen Geld Antworten gab. Er behauptete, die Menschen hätten keinen freien Willen und wären quasi wie er selber, ein Automat. Ob es einen „freien Willen“ gibt, darüber streiten sich die Gelehrten immer noch und ob wir eine endgültige Antwort bekommen, ist ähnlich schwierig wie der Beweis der Stringtheorie.

 

Alles in alle zeigt das Stück, dass eine permanente Revolution, ein Nicht-Anerkennen des Status Quo von großer Bedeutung ist. Solange Menschen gegen die Verhältnisse ankämpfen und sich nicht von Automaten sagen lassen, dass sie keinen freien Willen hätten, wird es Revolutionen geben.

 

SA 05.10.2013 um 20 Uhr
SO 06.10.2013 um 19 Uhr
FR 25.10.2013 um 20 Uhr
SA 26.10.2013 um 20 Uhr
FR 29.11.2013 um 20 Uhr
SA 30.11.2013 um 20 Uhr
Eintritt: VVK 13 € / 8 € ermäßigt
AK 15 € / 10 € ermäßigt
Kinder bis 14 J. VVK + AK 5 €
Ort: Theater im Depot




Wie wollen wir leben?

Das Theaterkollektiv „Sir Gabriel Dellmann“ versucht sich in „Dantons Dilemma“ an einer Bestandsaufnahme der aktuellen gesellschaftlichen Verhältnisse. Sie entwickeln eine Textcollage aus persönlichen Erfahrungsberichten unserer Zeitgenossen (Befürwortern, Gegnern und Opfern des pekuniären Systems), politischen Ereignissen (Euro-Krise, Amokläufen, Revolutionen …) und Analysen (Zizek, Samuelson, …) – welche unsere demokratische Ordnung hinterfragen.



Die Collage wird abgeglichen mit „Lenz“, der die Konstitution des Individuums im kollektiven Dilemma formuliert (Ansatz) und „Der Hessische Landbote“ und Büchners Briefen – woraus sie Material zur gesellschaftlichen Veränderung generieren (Handeln). Durch den Bezug auf „Dantons Tod“ entsteht ein Pessimismus gegenüber den revolutionären Ansätzen. Die daraus folgende Resignation findet ihre Parallelen in der Stagnation einer angeblichen Demokratie, die nicht mehr in der Lage ist, ihre Probleme zu lösen (Scheitern). Ziel ist die Entwicklung von Diskursen zur Lage der Nation.

Vier faule Vögel, beiderlei Geschlechts, gefangen im Brachland einer zivilisatorischen Ordnung, die längst keine Orientierung mehr bietet. Also machen sie sich auf die Socken – die, der guten alten Erkenntnisgewinnerei – und es entwickelt sich ein wilder Trip durch Lichtinstallationen und Beat. Sie rauschen durch die sagenumwobenen Sümpfe der Pseudodemokratie, passieren das Spukschloss der Feingeisterei, finden Unterschlupf in einer Höhle des Lustgebirges und robben ihre trägen Leiber über den Gipfel der Unterhaltung bis ins Einmachglas der Sinnstiftung.
Unterwegs ziehen sie mehrere Altmeister zu Rate – einer von jenen schließt sich ihnen an: George Danton – Experte für angewandte Revolutionswissenschaften auf Lehramt.
Ferner kocht Dr. Ape Stevens ein Süppchen für alle, Lenz springt um die Ecke und knotet Robespierre die Schürsenkel zusammen, Slavoj Zizek belegt einen Häkelkurs bei P. A. Samuelson, Lena macht wilde Verrenkungen mit ihrem Idealkörper und streckt St. Just doch tatsächlich die Zunge raus und Marion ist sooo begabt, hat aber leider, leider, leider einen gewissen großen Unbekannten sehr, ja, sehr lieb.

PREMIERE
FR 04.10.2013 um 20 Uhr
Vorstellungen:
SA 05.10.2013 um 20 Uhr
SO 06.10.2013 um 19 Uhr
FR 25.10.2013 um 20 Uhr
SA 26.10.2013 um 20 Uhr
FR 29.11.2013 um 20 Uhr
SA 30.11.2013 um 20 Uhr
Eintritt: VVK 13 € / 8 € erm.
AK 15 € / 10 € erm.
Kinder bis 14 J. VVK + AK 5 €
Ort: Theater im Depot
Spiel: Janina Rudenska, Fiona Metscher, Martin Hohner, Matthias Hecht
Konzept & Produktion: Sir Gabriel Dellmann
Regie: Björn Gabriel
Bühne: Steffi Dellmann
Vision & Sound: Philipp Mattner, Mario Simon
Kostüm: Steffi Dellmann, Nejla Kalk
Assistenz: Lena Gudrian

Der im April 2012 gegründete ‚Sir Gabriel Dellmann e.V.‘ ist ein freies Theaterkollektiv mit Sitz in Dortmund und Köln. Im Herbst 2012 wurde die erste Produktion „Kampf des Negers und der Hunde – eine intermedialen Empörung nach Koltès“ realisiert – in Koproduktion mit dem
Theater im Depot – Dortmund, dem Theater der Keller – Köln, dem Theaterdiscounter – Berlin und dem Theater Rottstraße 5 – Bochum – und für den Kölner Theaterpreis nominiert.
Aktuelle Spieltermine findet man auf der Homepage: www.sir-gabriel-dellmann.de
Ensemble: Björn Gabriel arbeitet seit 2009 als Regisseur, u.a. am Staatsschauspiel Dresden, Theater Oberhausen und am Schauspiel Dortmund. Stefanie Dellmann ist seit 2009 freie Bühnenbildnerin u.a am Theater Oberhausen, Schauspiel Dortmund und am Ringlokschuppen Mülheim.
Die Videokünstler Mario Simon und Nikolai Neugebauer haben ihren Schwerpunkt in verschiedenen Bereichen der Bildenden Kunst.
Fiona Metscher, Annika Meier, Janina Rudenska, Kaspar Kaeser, Martin Hohner und Matthias Hecht arbeiten als freie Schauspieler an Freien-, Stadt – und Staatstheatern Theatern
(z.B.: Volksbühne Berlin, Theater Oberhausen, Theater Bremen, Schauspiel Dortmund, HAU Berlin, Gessner Allee Zürich …)