Dunkle Seiten im Märchen

Die Gebrüder Grimm (Ekkehard Freye und Sebastian Kuschmann) legen Hand bzw. die Schere an das Märchen von "Rotkäppchen und dem bösen Wolf". Der Wolf wird von Uwe Schmieder gespielt.
Die Gebrüder Grimm (Ekkehard Freye und Sebastian Kuschmann) legen Hand bzw. die Schere an das Märchen von „Rotkäppchen und dem bösen Wolf“. Der Wolf wird von Uwe Schmieder gespielt. (Foto: © Birgit Hupfeld)

Drehbühne, Live-Musik und Video: Die drei Erfolgszutaten von „Meister und Margarita“ spielten auch beim Stück „Republik der Wölfe“, das am 15. Februar 2014 Premiere feierte, eine zentrale Rolle. Claudia Bauer interpretierte die bekanntesten Märchen der Gebrüder Grimm in ihrer eigentlich rohen und sexualisierten Art und kombinierte sie mit Texten von Anne Sexton. Absolut nichts für Kinder. Ein Premierenbericht.

 

In dieser Spielzeit sind die Gebrüder Grimm und ihre Märchen im Theater Dortmund ja hoch im Kurs. Das Kinder- und Jugendtheater zeigte am 16. Februar zum letzten Mal „Grimm spielen“, die Oper präsentiert ab dem 22. März „Aschenputtel“ von Rossini und das Schauspiel eben „Die Republik der Wölfe“.

 

Acht Märchen von „Schneewittchen“ bis „Dornröschen“ werden nicht durch den Kakao gezogen, sondern in die heutige Zeit transportiert. Sie sind zu „urban legends“ geworden, denn der wahren Schrecken findet heute nicht mehr im finsteren Wald statt, sondern in der Stadt, im Großstadtdschungel.

 

Den Beginn machte „Schneewittchen“. Friederike Tiefenbacher spielte die „böse Königin“, die vom Hofstaat umschwärmt wird. Sie ahnt aber, dass es mit ihrer Schönheit bald vorbei sein wird, und das 13-jährige Schneewittchen (Eva Verena Müller) an ihre Stelle tritt. Schneewittchen flieht zu den sieben Zwergen (Mitglieder des Dortmunder Sprechchors), nimmt aber auch den vergifteten Apfel der Königin an und fällt in einen Tiefschlaf. Am Ende der „Republik der Wölfe“ vermischt sich „Schneewittchen“ mit „Dornröschen“.

 

Nach einer kleinen Drehung ging es weiter mit dem Märchen. „Hänsel und Gretel“ wurde vermischt mit dem Märchen „Der süsse Brei“. Frank Genser rezitierte nach einem Schaumkuss-Massaker einige Zeilen aus dem Märchen. Claudia Bauer stellte in ihrer Sichtweise von „Hänsel und Gretel“ den Aspekt der „zu stopfenden Münder“ in den Vordergrund. Die Mutter (Julia Schubert) schickt zwei ihrer Kinder weg, weil sie „total unproduktiv sind und nichts zur Gesellschaft beitragen“. Daher müssen die beiden (Peer Oscar Musinowski und Carloline Hanke) in den Wald.

 

Sehr beeindruckend war auch die Interpretation von „Rumpelstilzchen“. Ekkehard Freyer spielte einen Müller, der eine Aufstiegsmöglichkeit sucht und seine Tochter (Bettina Lieder) als das „Nonplusultra“ anpreist. Wie es heutzutage Eltern gerne tun, die ihre Kinder als „Wunderkinder“ anpreisen. Das Stroh zu Gold spinnen kann sie natürlich nur mit Hilfe von Rumpelstilzchen (Uwe Schmieder). Erst nachdem sie seinen Namen sagt, wird sie ihn los. Hier brilliert Uwe Genser als König, der nur an dem Gold interessiert ist.

 

Einen sehr stark sexualisierten Aspekt hatte der „Froschkönig“. Hier wird er nicht an die Wand geworfen und mutiert auch nicht zum Prinzen, sondern wird nach der Vergewaltigung der Königstochter (Friederike Tiefenbacher) von ihr ermordet.

 

Den aktuellen „Supermodel“-Hype nahm Bauer beim „Aschenputtel“ auf das Korn. Die Stiefschwestern (Bettina Lieder und Julia Schubert) nahmen sogar Verstümmelungen in Kauf, um dem blasierten reichen König (Oscar Musinowski) zu gefallen. Letztendlich entscheidet er sich doch für Aschenputtel (Caroline Hanke).

 

Rotkäppchen ist in „Republik der Wölfe“ sehr nahe an der ursprünglichen Fassung des Märchens. Denn Charles Perraults Fassung sollte jungen Mädchen vor Sittenstrolchen warnen. In seiner Fassung wird auch das Rotkäppchen nicht befreit. Die Brüder Grimm (Sebastian Kuschmann und Ekkehard Freye) kämpfen um das „Märchen-Ende“. Letztendlich wird Rotkäppchen mit der Schere aus dem Bauch des Wolfes geschnitten. Der Wolf (Uwe Schmieder) ist hier kein Tier, sondern ein skrupelloser (Serien-)Mörder.

 

Beeindruckend war an diesem Abend die Bühne. Doppelstöckig drehte sie sich und bot die Möglichkeit, die Märchen ohne Unterbrechung hintereinander weg zu spielen. Sie gingen quasi ineinander über. Neben der Aktion auf der Bühne gab es Live-Videos, die vom Sohn des Schauspieldirektor Jan Voges aufgenommen wurden. Zu sehen waren sie auf der linken Seite der Bühne.

 

Neben den Schauspielern, die eine engagierte Leistung boten, war auch der Dortmunder Sprechchor zu sehen: Bei „Schneewittchen“ spielten sie die sieben Zwerge und bei „Die 12 tanzenden Prinzessinnen“ durften die Damen passenderweise im Prinzessinnen-Kostüm auf die Drehbühne.

 

Eine wichtige Rolle spielte die Musik. Paul Wallfisch, Alexander Hacke, Mick Harvey und Danielle de Picciotto standen auf der rechten Seite als „Ministry of Wolves“ auf der Mühne. Verkleidet waren sie als Art Geistliche mit Beffchen dazu eine Wolfsmaske. Eine kleine Doppeldeutigkeit, denn ministry kann „Ministerium“ oder aber „geistliches Amt“ bedeuten.

 

Ihre Musik war nicht nur Soundtrack, sondern mehr mit den Märchen verwoben. Musikalisch eine Mischung zwischen „Botanica“ (Wallfisch) und Einstürzende Neubauten (Hacke). Bei der Premiere gab es noch einige Abstimmungsprobleme mit dem Ton, so dass sich manchmal Schauspieler gegen die Musik nicht durchsetzen konnte (beispielsweise die Mutter von „Hänsel und Gretel“).

 

Ein gelungener Abend, an dem alles passte: Schauspieler, Dortmunder Sprechchor, Musik, Bühne, Regie. Wer seine Kindheitsmärchen gerne mal sehen möchte, wie sie „gegen den Strich“ gebürstet und in die heutige Zeit transponiert werden, sollte sich unbedingt eine Karte für die kommenden Aufführungen besorgen.

 

Für die weiteren Termine gibt es noch Karten: 05., 06., 07., 08.,09. März sowie 11., 12., 13. April und 09., 10. und 11. Mai 2014. Weitere Infos: www.theaterdo.de




Small Beast weckte das Wolfsrudel

Paul Wallfisch und Alexander Hacke beim "Small beast".
Paul Wallfisch und Alexander Hacke beim „Small beast“.

Am Freitag, dem 22. November gab es beim Musik-Club „Small Beast“ im Studio des Schauspielhauses schon einmal einen Vorgeschmack auf die kommende Produktion „Republik der Wölfe“. Drei der vier aus dem „Ministerium der Wölfe“ waren zu Gast: Neben Gastgeber Paul Wallfisch, spielten auch Alexander Hacke und Danielle de Picciotto. Am Schluss war noch Martin Bisi zu hören.

 

Volles Programm beim Small Beats. Zuerst begann wie immer Paul Wallfisch mit einem kleinen Set. Er spielte unter anderem Stücke aus seinem früheren Programm „Meister und Margarita“, eine Hommage an Lou Reed „Turning time around“ aus Reeds Album „Ecstasy“ und „Waterloo Sunset“ von den „Kinks“.

Dann gesellte sich Alex Hacke dazu und nach einem launigen „Für mich soll’s rote Rosen regnen“ gab es zwei Lieder aus dem neuen Programm „Republik der Wölfe“. Die Musik lässt auf ein interessantes und spannendes Projekt hoffen.

 

Dann war es Zeit für die beiden „Wölfe“ Alexander Hacke und Danielle de Picciotto. Ihr Auftritt war eine Mischung aus Musik, Video und Lesung. Die Musik war durchaus rockig, aber auch experimentell, teilweise sphärisch. De Picciottos Texte drehten sich um das Leben als „Zigeuner“, Beide gaben ihren festen Wohnsitz auf, um als tourende Musiker durch die Welt zu reisen. Es fing gut an, danach wurden die Texte aber etwas zu esoterisch und es ging um „Energielinien“ und Nostradamus, den „Seher“, Tore zum Himmel und zur Hölle.

 

Martin Bisi kam nach der Pause mit seiner Band und präsentierte psychedelische Musik, die von Gesangsstil aber durchaus auch ins Metal-Gefilde gehören könnten. Neben den obligatorischen Loops (ist das eigentlich mittlerweile ein Muss?), erzeugten die vier Musiker eine enorme Wall of Sound.

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Rastlose Wölfe im Schauspielhaus

Das Ministerium der Wölfe: Mick Harvey, Paul Wallfisch, Alexander Hacke und Danielle de Picciotto. (Foto: ©Thomas Ecke)
Das Ministerium der Wölfe: Mick Harvey, Paul Wallfisch, Alexander Hacke und Danielle de Picciotto. (Foto: ©Thomas Ecke)

Die Uraufführung von „Republik der Wölfe“ wird ein Märchenmassaker mit Live-Musik nach den Gebrüdern Grimm und der amerikanischen Literatin Anne Sexton (1927 bis 1974). Die Premiere findet am 15. Februar 2014 im Schauspiel Dortmund statt. Dann rufen die Regisseurin Claudia Bauer (inszenierte zuletzt in Dortmund „Welt am Draht“) und der Musikalische Leiter des Schauspiel Dortmund Paul Wallfisch und und seine Freunde von der neuen Band „The Ministry of Wolves“ zusammen mit dem Schauspielensemble die „Republik der Wölfe“ aus.

 

Sie katapultieren die von ungeheuerlichen Verbrechen vollen Märchen der Brüder in die Gegenwart und umrahmen sie musikalisch. Dabei spielen die Verstrickungen der Glück suchenden Menschen mit dem Dunklen und Bösen eine wesentliche Rolle. „ Mit ihrer gesellschaftskritischen Metamorphose dieser Märchen (Transformations) von 1971 passt Anne Sexton da sehr gut mit rein“, so Dramaturg Alexander Kerlin.

 

Sexton unternahm mehrere Selbstmordversuche und war mehrfach in psychiatrischer Behandlung. Als eine Art Therapie und Befreiung begann sie, Gedichte zu schreiben und wurde neben Sylvia Plath zur bekanntesten Vertreterin der „Confessional Poetry“.

 

Für die große musikalische Produktion „Republik der Wölfe“ haben sich vier hochkarätige Musiker zusammengefunden und die Band „The Ministry of Wolves“ gegründet. Zu ihnen gehören neben Paul Wallfisch (Botanica), Alexander Hacke (Einstürzende Neubauten), Multi-Instrumentalist Mick Harvey (Mitbegründer von Nick Cave and the bad Seeds) sowie die Mitbegründerin der Loveparade

Danielle de Picciotto. Der Soundtrack für die große musikalische Produktion sind gerade abgeschlossen. Da passt es gut, dass Hacke und de Picciotto gerade für einen Auftritt beim „Small Beast“, dem monatliche Musikclub von Paul Wallfisch zur Zeit in Dortmund für ein erstes Pressegespräch zur Verfügung stehen.

 

Zunächst einmal, warum der der Bandname „The Ministry of Wolves“?

„Wenn es eine Republik der Wölfe gibt, dann sind wir eben das Ministerium der Wölfe“, erläuterte Wallfisch. .„Wölfe spielen in den Märchen eine wesentliche Rolle. Sie sind kraftvoll, klug und rastlos. Wir vier Musiker sind ebenfalls rastlose Reisende in der Welt“, fügte de Picciotto hinzu.

 

Sowohl Paul Wallfisch wie auch Danielle de Picciotto mögen die Gedichte von Anne Sexton.

„ Ich liebe vor allem ihre frechen und zumeist zynischen Texte. Sie hält nicht viel von einem verlogenen „Happy End“ und ist dabei nicht so depressiv wie Sylvia Plath. Beide waren unzufrieden mit ihrer Situation als Frau in der damaligen Zeit“, so de Picciotto.

 

Was erwartet das Publikum musikalisch? Einen Beschreibungsversuch macht Dramaturg Alexander Kerlin: „ Es ist eine Synergie von verschiedenen musikalischen Einflüsse wie beispielsweise Tom Waits, Botanica und Einstürzende Neubauten. Eine dynamische, dramatische, mal ruhigere Musik, die in kein Schema gepresst ist“.

 

Es werden viele Instrumente zum Einsatz kommen. So wird etwa Danielle de Picciotto zum Beispiel an der Autoharp, einem der Zither ähnlichem Instrument, einer Drehleier oder etwa mit der Geige zu hören sein. Hintergrundgeräusche werden mit Hilfe verschiedener Gegenständen erzeugt.

Ab jetzt gehen die Proben mit den Schauspielern los. Dann wird es weitere Infos geben.

 

Neben der Premiere am 15. Februar gibt es das Wolfsrudel auch am 16. Februar, 05., 06., 07., 08., 09. März, 11., 12. und 13. April und am 09., 10. und 11. Mai 2014.

 

Karten unter www.theaterdo.de oder 0231 50 27222.