Klangvokal 2019 – Tiefbewegende Chormusik

Einen großen Bogen von zeitgenössischer Chormusik bis hin zur Musik
der russischen Romantik präsentierte der Chor des Lettischen
Rundfunks unter der Leitung von Sigvards Kļava
zum Abschluss des Klangvokal Festivals am 16. Juni 2019 in der
Reinoldikirche.

Schon 2017 gab der Chor ein großes Konzert mit Rachmaninows „Abend- und Morgenlob“, 2019 präsentierte er wieder russische geistliche Musik kombiniert mit Stücken von Arvo Pärt, Ēriks Ešenwalds, Gustav Mahler und Peter Tschaikowsky.

Den Beginn machte
Ešenwalds‘
Arbeit „A drop in the ocean“ von 2006. Moderne Chormusik vom
feinsten. Man spürte beinahe den Wind rauschen und die sanfte
spirituelle Arbeit des Komponisten wurde durch den Chor wunderbar
umgesetzt.

Danach
war es Zeit für die minimalistischen Klänge des Arvo Pärt. Seine
“Sieben Magnifikat-Antiphonen“ wecken Erinnerungen an die
gregorianische oder mittelalterliche Musik, werden aber durch die
minimalistischen Strukturen zu einem gesanglichen Gesamtkunstwerk
verwoben.

Präsentierte geistliche Musik der Sonderklasse: Der Chor des Lettischen Rundfunks. (Foto: © Bülent Kirschbaum)
Präsentierte geistliche Musik der Sonderklasse: Der Chor des Lettischen Rundfunks. (Foto: © Bülent Kirschbaum)

Zum
Adagietto der 5. Sinfonie von Gustav Mahler gibt es auch Fassungen
für Chor. Dieser Satz
ist berühmt geworden durch den Film „Tod in Venedig“. Der
Chor des Lettischen Rundfunks sang ein Arrangement von Gérard
Pession mit dem Titel
„Kein deutscher
Himmel“.

Nach
der Pause wurde es Zeit für den liturgischen Teil. Schließlich
waren wir ja in einer Kirche, wenn auch nicht in einer
russisch-orthodoxen. Doch das Gefühl stellte sich bereits bei den
ersten gesungenen Worten der „Liturgie des Heiligen Chrysostomos“
von Peter Tschaikowsky ein. Tschaikowsky setzt hier ganz auf den
Klang der orthodoxen Liturgie. Wie schon vor zwei Jahren überzeugt
der Chor bei diesem Stück vollkommen.




Chorabend aus den Tiefen der russischen Seele

[fruitful_alert type=“alert-success“]Große Sangeskunst aus dem Baltikum: Der Lettische Rundfunkchor. (Foto: © Bülent Kirschbaum)[/fruitful_alert]

Rachmaninoff stieß bei seinen Zeitgenossen auf geteiltes Echo. Die einen liebten ihn und seine spätromantische Musik, die anderen hielten es mehr mit moderneren Klangkünstlern wie Skrjabin. Doch wenn es darum geht, die Seele des russischen orthodoxen Liturgie in Noten zu setzen, war Rachmaninoff unbestritten die optimale Wahl. Am 04. Juni 2017 präsentierte der Chor des Lettischen Rundfunks unter der Leitung von Sigvards Kļava im Rahmen von „Klangvokal“ „Das große Abend- und Morgenlob“ (op.37) neben kleinen Stücken von skandinavischen und baltischen Komponisten.

„Das große Abend- und Morgenlob“ ist dem Lettischen Rundfunkorchester nicht ganz unbekannt, denn sie haben das Stück 2012 bereits auf CD eingespielt. Rachmaninoffs Kunst ist es, den gregorianischen Gesang mit dem slawischen Klang seiner Heimat zu verbinden. Heraus kamen 15 kleine Meisterwerke mit hohen gesanglichen Ansprüchen, die die Sängerinnen und Sänger famos bewältigten. Leise, schwermütige Klänge wie bei der „Seligpreisung“ wechselten sich mit fröhlichen, rhythmischen Stücken wie bei „Lobet den Namen des Herrn“.

Den Anfang machte Arvo Pärt, dessen kurzes „Virgencita“ mit seiner Klarheit und Einfachheit bestach. Doch danach folgten zwei außergewöhnliche Stücke. „Mouyayoum“ des Schwedischen Komponisten Anders Hillborg ist vielleicht mit dem Begriff Lautmalerei zu beschrieben. Bei dem zutiefst menschlichen Versuch, aus dem gesungenen etwas Verständliches zu interpretieren, wird der Zuhörer auf eine psychedelische Reise mitgenommen, falls er dazu bereit ist. Ein tolles Werk, ein absolutes Highlight.

Naturalistischer gab sich das Stück Mūsu māšu vārdi“ des lettischen Komponisten Pēteris Vasks. Sehr harmonisch geprägte Musik, die ihr nord-osteuropäisches Erbe nie verleugnet, prägt diese Arbeit. Das Vogelgezwitscher an Ende ist ein witziger Einfall von Vasks.

Alles in allem bleibt der Eindruck von starken Stimmen in der Nikolaikirche. Der Lettische Rundfunkchor brachte die Klänge Russland und den Baltikums nach Dortmund und sorgte für einen gelungenen Abend. Eine Entdeckungsreise die sich gelohnt hat.