Wie umgehen mit den Ängsten?

Im Dortmunder Kinder und Jugendtheater (KJT) hatte am 19.04.2024 „Angst oder Hase“ (ab 12 Jahren) von Julia Haenni unter der Regie von Johanna Weißert seine Premiere.



Auf einer ganz in blau gehaltenen Bühnenkonstruktion mit zwei kleinen Leinwänden an den Seiten versuchen die vier Schauspieler*innen (Annika Hauffe, Bianka Lammert, Sar Adina Scheer, Jan Westphal) eine fetzige Mut-Mach-Show auf die Bühne zu bringen. Alle im knalligen Pink gekleidet und mit Perücken versehen. Ein unheimliches Geräusch stört sie und eine Angstspirale wird in Gang gesetzt…

Annika Hauffe, Jan Westphal, Bianka Lammert, Sar Adina Scheer in „Angst oder Hase“. Foto: (c) Florian Dürkopp

Unter den vier Personen entspinnt eine Diskussion darum, wer Angst hat und ein „Schisser“ ist. Nach und nach wird klar. Jeder von ihnen (auch jedes Lebewesen) hat seine Ängste. Viele versuchen sie zu verdrängen und möglichst zu verbergen, da Angst als „Schwäche und Uncool“ vor allem unter jungen Menschen gilt. Die Anzeichen einer Angstattacke, Herzrasen, Zittern Schweißausbrüche und mehr lassen sich jedoch nicht verbergen.

Das ausgestoßene Adrenalin und die Energie sind evolutionär als Überlebens-Alarmsignal vor Gefahren tief verankert. Es bietet die Möglichkeit, diese Situationen schnell einzuschätzen und sich ihnen bei Risikoabwägung entweder mutig zu stellen oder als Rettung zu fliehen. Die Ängste können sich bis zu Neurosen steigern und dazu verleiten, sich den auslösenden Objekten oder Situationen gänzlich zu entziehen. Das führt oft zur Isolation. Die Chance, schwierigen und bedrohlichen Erlebnissen mit Mut zu begegnen und gestärkt daraus heraus zu kommen, wird dann nicht gesehen. Um so wichtiger sind, wie das Stück zeigt – gute Freunde -, mit denen man offen und ehrlich über das Thema sprechen kann. So „outen“ sich auch die vier Protagonisten zu ihren ganz persönlichen „Angstproblemen“.

Mit einer interessanten Technik wird nebenbei die Hasenphobie von dem jungen Mann (Jan Westphal) erzählt. Zwei kleine Pappmodelle (Bad, Küche) wurden auf die Leinwand projiziert und von Sar Adina Scheer bedient.  

Ein links davon angebrachter Bildschirm sowie eine Kamera ermöglichte es dem Schauspieler, sich von der blauen Bühne aus in die Leinwandprojektion handelt und erzählend einzubringen. Da war Präzisionsarbeit nötig.

 Ein besonderer Einfall war der Auftritt eines knuffigen blauen Hasen (wunderbares Kostüm) im Hintergrund.

Das Geschehen wurde musikalisch und mit passender Geräuschkulisse von Peter Kirschke zielgenau begleitet.

Ein wichtiges Theaterstück gerade in diesen unruhigen, bedrohlich wirkenden und schnelllebigen digitalen Zeiten.

Informationen über weitere Aufführungstermine finden Sie wie immer unter www.theaterdo.de oder Tel.: 0231/ 50 27 222




SPAAASS – WER BESTIMMT, WAS LUSTIG IST?

Interaktives Theaterstück von Christian Giese im KJT Dortmund

Sportunterricht. Während des Wartens auf den Sportlehrer bringen sich die Kids (Sekundarsufe2, 11 – 12 Jahre) auf den neusten Stand:

Wer macht gerade was mit wem, welcher Schuh ist angesagt und was kann man jetzt unter keinen Umständen mehr tragen? Die Frisur von Bruno geht jedenfalls gar nicht und trägt er da etwa …!? Bruno hat ein Fernglas und beobachtet gerne Vögel … Strange, für die im Frühpubertierstadium befindlichen Kids. Daraus entwickelt sich eine ausgezeichnet dargestellte Dynamik mit einer Zielscheibe.



Der Buzzer ertönt und Stopp. Das Geschehen auf der Bühne ist eingefroren.

Die Moderation/Sportlehrer unterbrach das Geschehen und befragt konkret die Beteiligten, wieso wer was genau gerade tut oder nicht, um anschließend auch das Publikum zu befragen: Wer mobbt hier wen und warum eigentlich? Und welche Rolle spielt Thilo, welche Jana? Was könnten die verschiedenen Rollen aus der Klassengemeinschaft tun?

Thomas Ehrlichmann, Jan Westphal, Wenja Imlau, Bianka Lammert und Rainer Kleinespel (im Hintergrund). Foto: (c) Birgit Hupfeld

Dabei zeigten die jungen Erwachsenen im Publikum ein ausgesprochen reges Interesse und nahmen beherzt den Mikrowürfel in ihre Hände, um ihre Ansichten und Meinungen zu äußern. Erstaunlich wie sensibel die Kids auf Missstände reagieren und sie benennen können, selbst wenn ihnen die Fachtermini dazu fehlen. Und erhellend, welche Lösungen sie anbieten konnten.

Bevor jedoch das Stopp Signal buzzt werden die entscheidenden Szenen wiederholt, die dann zurückgespult wurden … was das Ensemble hervorragend im Rückwärtsgang zur Belustigung aller zurückspulte, um dann die entscheiden 4 Stellen zu kommen, bei denen dann das Publikum interagieren durfte, konnte, sollte … erfrischend. Auch wenn sich das Stück zuerst an die jüngeren Erwachsenen richtet, auch die älteren Erwachsenen spürten einen Drang, sich zu Wort zu melden. Aber die Kids sind in diesem Stück die Gefragten.

Ausgehend von Christian Gieses Text `Spaaaß – Wer bestimmt, was lustig ist? ´ geht Johanna Weißert, Ensemblemitglied des KJT und Regisseurin Gruppendynamiken im Umfeld der Schule auf den Grund. Schon in ihrer erfolgreichen Inszenierung `Kein leichter Fall´ beschäftigte sie sich mit dem gesellschaftlichen Miteinander und der Frage nach Verbrechen und Täter*innenschaft. Denn auch Mobbing ist ein Verbrechen!

Mindestens eine*n in der Klasse trifft es immer. Viel öfter ist es ein wechselseitiger Prozess, der mehreren der Schüler*innen gleichermaßen begegnet: Mobbing. Fühlt sich eine Gruppe erst durch Aus- bzw. Abgrenzung als Gemeinschaft? Was ist schlimmer, aktive Provokation oder die passive Rolle der Mitlaufenden? Wo verläuft die Grenze hin zur Straftat? Und vor allem: Wie kann Courage aussehen?

Gemeinsam mit den Spielenden und dem Publikum geht dieses interaktive Theaterstück auf die Suche nach Antworten, Motiven und Handlungsoptionen.

Und jeder von uns hat Mobbing in den verschiedensten Stationen erlebt oder miterlebt. Der eine oder andere fand sich in Bruno wieder, andere in Jana, wieder andere in Sophie oder gar auch dem Thilo … Was oder wer er war entgegen seinem Selbstbild, wurde in dem Stück auch sehr deutlich … Der Bully ist der eigentliche Loser in der ganzen Mobbing Geschichte. Und das zu erkennen kann ganz schön weh tun.

Das Stück bietet auch allen Brunos, Janas und Sophies einen Rettungsring, um aus bestimmten Mobbingsituation heraus zu kommen, und gegen zu steuern. Dem Opfer zu helfen.

Das Ensemble des KJT hat wieder einmal ein perfekt professionelles und doch leichtes Spiel geboten, dass ein sehr ernstes, ja sogar lebensbedrohliches Problem thematisiert und zum Nachdenken und Lösungen finden spielerisch anregt.

Gedankt wurde es dem Ensemble mit Standing Ovations der Kids die mit den Füßen trampelnd applaudierten.

In einem Interview antwortet mir Bianka Lammert einmal, auf die Frage welches Publikum das schwierigste sei: die Kinder! entweder Du begeisterst sie vom ersten Moment oder du bist verloren.

Hier hat das Ensemble wieder vom ersten Moment an gewonnen.

Das Stück ist sehenswert und sollte man wirklich ansehen. Ich würde sagen ein Must See.

Jana                                        – Bianka Lammert

Moderator/Sportlehrer            – Rainer Kleinespel

Thilo                                       – Thomas Ehrlichmann

Bruno                                     – Jan Westphal

Sophie                                    – Wenja Imlau




Silber Tripel oder Mathildes Tauchgang in die Welt der Zahlen

Mathilde, wunderbar gespielt von Ann-Kathrin Hinz, die Heroine des Silber Tripel, unternimmt eine Zeitreise in die Geschichte der Mathematik. Ein amüsantes Stück von Anna Siegrot.

Junge Erwachsene ab 10 erleben im KJT (Kinder- und Jugendtheater) in der Sckellstraße eine unterhaltsame, teilweise herrlich überzeichnete Mathematik Geschichtslehrstunde … Mathematik in den Läufen der Geschichte.

Von Isaacars-tremo Newton, dem ein Apfel, der Erkenntnis?, auf den Kopf fällt, zu mittelalterlichen Mathematikern im Banne eines Allgegenwärtigen, den Römern und ihrem Pragmatismus, den Griechen und ihrem Pytagoras, das ist der mit dem a² plus b² gleich c² … zu den Ägyptern und ihren Pyramiden und einem simplen Seiltrick hin zu den Babyloniern, die immer nur bis 60 zählten … darum auch die 60 Minuten und die 12 Stunden, usw.

Im Bann der Zahlen: Ann-Kathrin Hinz, Bianka Lammert, Max Ranft und Thomas Ehrlichmann (Foto: Birgit Hupfeld)
Im Bann der Zahlen: Ann-Kathrin Hinz, Bianka Lammert, Max Ranft und Thomas Ehrlichmann (Foto: Birgit Hupfeld)

So erfährt man am Ende dann auch warum „1-4=9“richtig ist. Mathematik kann unterhaltsam sein, und es bedarf nicht unbedingt eines Balles von 1,2 kg der Mathilde auf den Kopf fällt, während sie sich für ihr Seepferdchen vorbereitet. Victoria, gespielt von Bianka Lammert, die sich auf ihr Sportabzeichen vorbereitet und die Klassenkameraden, Max Ranft und Thomas Ehrlichmann, wovon einem der Ball vom Dreimeterturm aus der Hand fällt und Mathilde im Becken am Kopf trifft. Wir lernen im Stück, warum das von Bedeutung ist, bei Herrn Newton, der mit dem Apfel.

Mathilde taucht nun buchstäblich in die Welt der von ihr so verabscheuten und körperlich abgeblockten, Mathematik ein … Und das Publikum erlebt die Zeitreise, wie in einer TV Spielshow des BungaBunga Televisionista, in die Zivilisations- und Mathematikgeschichte der Menschheit.

Der Tauchgang von Mathilde endet naturgemäß und man findet sich im Klassenzimmer wieder ein, der Lehrer wie immer etwas vergesslich, gespielt von Rainer Kleyefeldt, wird, nachdem mit den vergessenen Unterlagen wieder im Klassenzimmer, von Mathilde darauf aufmerksam gemacht, dass Viktoria ihr Abzeichen aber doch geschafft habe, weil … und nun kommt der ägyptische Seiltrick und der Herr Pytargoras, der Mönch Stifel und die anderen ins Spiel … Mathilde beweist ihre Behauptung mit Pytargoras zum Erstaunen, des Lehrers, Viktoria und den Klassenkameraden …

Mathematik muss nicht zu Spastiken führen, wie vor dem Mathildeschen Tauchgang in die Welt der Zahlen, sondern kann unterhaltsam sein und im KJT Dortmund recht lehrsam … oder war es jetzt leersam???

Die Premiere war ein „stomping“ Erfolg … die Zuschauer brachten die Sitzreihen zum Tanzen, wie der Popometer feststellte so mitreißend, kurzweilig, und hervorragend gespielt war das Stück. Und es begeisterte auch die jungen Erwachsenen. Wie sagte mir einmal Bianka Lammert in einem Interview: „Kinder sind das schwierigste Publikum!“ Nun das Ensemble der KJT Mathematiktauchreise hat sie alle mitgerissen.

Sie sollten sich das Stück im KJT nei nächster Gelegenheit unbedingt ansehen!

Regie – Johanna Weißert

Ausstattung – Anna Siegrot

Video – Pter Kirschke

Dramaturgie – Milena Noemi Kowalski

Regieassistenz – Alina Baranowski




Liebe ist immer anders

Ich Lieb Dich – Theaterstück von Kristo Sagor für Erwachsene ab 8 Jahren

„Ich lieb Dich“, gesteht Julian seiner besten Freundin Lia, die ihm keck und selbstbewusst antwortet: „Ich Dich nicht!“ Daraus entspinnt sich ein Reigen über Liebe, lieben und Vorlieben, deren Bedeutung, in verschiedensten Ebenen.

Nur die Antwort bleibt Lia für Julian offenbar nicht begründet, denn er will das warum „nicht“ wissen. Für Menschen im Pubertieralter durchaus ein zur Beantwortung stehendes Problem. Ich lieb/e Dich, Du nicht? Warum?

Lia (Bianka Lammert) und Julian (Thomas Ehrlichmann) und die Rätsel der Liebe. (Foto: © Birgit Hupfeld)
Lia (Bianka Lammert) und Julian (Thomas Ehrlichmann) und die Rätsel der Liebe. (Foto: © Birgit Hupfeld)

Um dieses warum entspinnt sich der Reigen von Ebenen, Zeiten und Personen. Bianka Lammert und Thomas Ehrlichmann schlüpfen dabei ohne Pause, Absatz, Punkt oder Komma in Ebenen, Zeiten und Personen, um das Thema Liebe zu ergründen.

Da sind die Großeltern von Lia, von denen wir im Stück lernen, dass der Opa lange vor der Oma von Lia starb. Oder die Eltern von Julian, die, wie wir erfahren müssen sich das Scheitern ihrer Ehe und Liebe eingestehen und sich zur Scheidung entschlossen haben. In dem Zusammenhang lernen wir auch den Unterschied von „Ich liebe Dich“ und „Ich lieb´ Dich“ kennen.

Wir lernen alte Lieben und Vorlieben von Julian kennen, wie Zitroneneis und Kastanien, eigentlich das Sammeln, einen Geruch, oder klebrige Hände vom Eis, ein quiekendes Meerschweinchen mit Namen Moppi … aber auch einen Blick in die Zukunft, eine zukünftige Liebe, die Julian an Lia erinnert. Dass er jetzt doch lieber Cola-Eis mag.

Was ist Liebe? Wo kommt sie her? Wann beginnt sie? Ist sie Verlustangst? Hass? Alle Gefühle auf ein Mal? Wann hört Liebe auf?

Am Ende ist eines klar: Liebe ist immer anders, bei jedem, und sie verändert sich, einen selbst, den anderen, und alles um einen herum. Julian wird eines am Ende klar … er hat Lia auch als Freundin verloren, weil sie bei einem Unfall starb, aber es gibt für ihn eine Liebe, die immer da ist.

Bianka Lammert als Lia fantastisch und überzeugend. Mit ihrem ersten Auftritt auf der Bühne, einem Erscheinen gleich, während Julian Gitarre spielt, kündigt sie in ihrer unnachahmlichen Art ein Ereignis aus der Zukunft des Stückes an, das man am Beginn weder kennt noch erahnt.

Thomas Ehrlichmann als Julian ist der 14-jährige in Lia verliebte Julian, der par tout wissen will, warum Lia ihn nicht liebt, wodurch er mit Lia auf die Reise zur Ergründung von der Liebe geht … Dass diese Reise seine Gedanken sind, erfährt der Zuschauer erst zum Ende …

Das Stück ist vielschichtig, anregend, erklärend und durch die Sprünge in Zeiten und Räumen, zwischen und zu Personen zur Aufmerksamkeit zwingend. Der Aufbau hat etwas von einem modernen TV Stück seh gerecht für junge und junge gebliebene Erwachsene.

Regie – Bert Geurkink

Julian – Thomas Ehrlichmann

Lia – Bianka Lammert

Ausstattung – Gus van Geffen, Anneloes van Assem

Musik – Wiebe Gotink

Dramaturgie Milena Noëmi  Kowalski

Regieassistenz – Jana Radowski




Kein leichter Fall im Kinder und Jugendtheater Dortmund

Das Dortmunder KJT befasst sich in seinem Stück für Jugendliche ab 14 Jahren „Kein leichter Fall“ ( David S. Craig, aus dem Englischen von Anke Ehlers) unter der Regie von Johanna Weissert mit einem kontroversen und komplexen Thema. Es geht um den sogenannte „Täter Opfer Ausgleich (TOA)“ bei jugendlichen Straftätern.

Ziel ist es, eine Art außergerichtliche Konfliktbewältigung zwischen den Beschuldigten und Geschädigten zu erreichen. Die TOA ist freiwillig und wird von einer neutralen Person (Mediator*in) vermittelnd begleitet. Die Vereinbarung am Ende muss von beiden Seiten unterschrieben werden. Die Hoffnung dabei ist, rechtzeitig den jugendlichen Straftätern die Folgen ihres Handels vor Augen zu führen, und wenn möglich, ihre Empathie gegenüber dem Opfer zu fördern. Ein frühzeitiges regulatives Eingreifen zum Nutzen für die Gesellschaft.

Eine harte Nummer ist dieser „Täter Opfer Ausgleich“. Zusehen ist das Ensemble: Andreas Ksienzyk, Ann-Kathrin Hinz, Bettina Zobel, Bianka Lammert und Thomas Ehrlichmann (Foto: © Birgit Hupfeld)
Eine harte Nummer ist dieser „Täter Opfer Ausgleich“. Zusehen ist das Ensemble: Andreas Ksienzyk, Ann-Kathrin Hinz, Bettina Zobel, Bianka Lammert und Thomas Ehrlichmann (Foto: © Birgit Hupfeld)

Die Premiere des Stücks war am 01.10. 2021:

Daniel „Didi“ Timmermann (Thomas Ehrlichmann) ist mit zwei anderen Jugendlichen bei der alten und alleinstehenden Gerda Ross (Bettina Zobel) eingebrochen, hat die Einrichtung verwüstet, beschmiert sowie Medaillen des verstorbenen Mannes gestohlen.

Die Mediatorin Vanessa (Nessa) Kallmann (Ann-Kathrin Hinz) hofft und tut alles dafür, dass sich Daniel zu einem TOA bereit erklärt. Er ist zunächst abweisend und tut so, als würde ihn das ganze nicht wirklich berühren. Seine Mutter Yvonne Timmermann, geb. Maier hat nicht nur Wut auf den von ihr getrennt lebenden, oft gewalttätigen Ex-Mann, sondern vermutet sofort ein Komplott gegen ihren Sohn und führt das Wort bei dem Gespräch mit der Mediatorin.

Nicht nur bei Daniel und seiner Mutter hat Vanessa Kallmann ein „schweres Brett zu bohren“, sondern auch bei Thomas Ross (Andreas Ksienzyk), selbstständig mit eigenem Betrieb, dem Sohn des Opfers.

Da seine Mutter wegen starker Verängstigung nicht mehr in ihrer Wohnung leben kann, ist sie im Augenblick bei ihm und seiner Familie untergebracht.

Er hat Aggressionen und Hassgefühle gegenüber Daniel. Der Täter sollte doch härter bestraft werden. Das sei das einzige, was helfen würde und gerecht wäre.

Letztendlich kommt es zum Täter Opfer Ausgleichs-Treffen und einer ganz langsamen, behutsamen Annäherung zwischen Täter und Opfer, während Daniels Mutter und Ernas Sohn, der klare Worte spricht, sich zunächst noch anschreien.

Eine Vereinbarung wird vor allem durch Gerda Ross, die Empathie und Stärke zeigt herbeigeführt.

Die Schauspieler*innen überzeugten mit ihrer sensiblen Darstellung der unterschiedlichen Personen und deren subjektiven Befindlichkeit.

Am Ende bleiben Fragen: Wann ist eine Strafe oder etwa ein TOA gerecht? Was bedeutet Gerechtigkeit bei oft ungerechten gesellschaftlichen Bedingungen?

Informationen und Karten für die weiteren Vorstellungen unter www.theaterdo.de oder 0231/ 50 27 222

Auch Schulklassen können sich gerne anmelden.




Ein lebensbejahender Monolog um das ernste Thema Depression

Mit „All das Schöne“ (von Duncan Macmillan mit Jonny Donahoe ab 14 Jahren) unter der Regie von Peter Kirschke stand ein Theaterstück um ein brisantes und immer aktuelles Thema auf dem Spielplan. Die Premiere im Dortmunder Kinder und Jugendtheater (KJT) war am 01.10.2020.

Trotz vermehrter medialen Aufmerksamkeit etwa nach dem Suizid von Torwart Robert Enke wird die Problematik von den Betroffenen und ihren Angehörigen nicht offensiv in den Blickpunkt gerückt. Es ist ja nichts, was man in einer Gesellschaft, wo offiziell alle „erfolgreich, stark und selbstbewusst“ erscheinen möchten, gerne öffentlich macht. Sich früh Hilfe zu suchen, ist aber besonders wichtig.

Das Publikum bekam vor der Vorstellung eine Theatertasche mit Saft, etwas Schokolade, einem Taschenbuch und einige ein weißes Blatt mit nummeriert aufgeführten Dingen, die in dieser Welt schön sind. So wurden sie sofort in das Geschehen mit einbezogen. Die texte auf den Blättern wurden jeweils nach Aufruf vorgelesen.

Bianka Lammert überzeugte in den Solo-Stück "All das Schöne". (Foto: © Birgit Hupfeld)
Bianka Lammert überzeugte in den Solo-Stück „All das Schöne“. (Foto: © Birgit Hupfeld)

Neben den Plätzen auf den Zuschauerbänken waren die beiden Seiten auf der Bühne mit Stühlen für die Zuschauer*innen bestückt. Personen aus dem Theaterumfeld wurden als „Vater“, „Schulpsychologin“ oder späterer Ehemann in das Geschehen eingebracht.

Schauspielerin Bianka Lammert erzählte die Geschichte einer Frau, die schon als siebenjähriges Kind mit der Depression und dem ersten Suizidversuch ihrer Mutter konfrontiert wird. Eindringlich und mit viel Empathie brachte die Schauspielerin die hoffnungsvollen, fast schon verzweifelten Versuche des Kindes, ihre Mutter mit ihrer nummerierten, stetig wachsenden Liste von den schönen Dingen des Lebens auf die Bühne. Auch die Rat und Hilflosigkeit des Vaters wird deutlich.

Die unterschiedlichen Stimmungen wurden jeweils mit eingespielten Musikausschnitten untermalt. Vorwiegend steht die von der Mutter geliebte Soul-Musik von Ray Charles im Mittelpunkt, aber bei Konflikten schräge (Free) Jazz-Klänge.

Auch Tanz und Humor sowie komische Momente spielten zwischendurch immer wieder ein wichtige Rolle.

Auf den zweiten Suizidversuch der Mutter zehn Jahre später reagiert die Erzählerin als Teenager mit Wut und setzt ihre Liste mit Vehemenz auch während des Studiums fort. Sie heiratet ihre Studium-Liebe, der sie drängt, sich professionelle Hilfe zu suchen.

Klar ist, es geht nicht nur um ihre Mutter, sondern um den eigenen Kampf gegen die Traurigkeit und Depression. Außerdem geht es darum , mit dem Gefühl des Versagens auseinander zu setzen, als ihre Mutter sich letztendlich das Leben nimmt.

Erst Jahre nachdem ihr Mann sich getrennt hat , findet sie die Kraft, sich über eine Selbsthilfegruppe und ihrer früheren Schulpsychologin Unterstützung zu holen und ihr Ziel, die Nr. 1.000 000 auf der Liste zu erreichen.

Eine starke Schauspielleistung und wichtiger lebensbejahender Monolog zu diesem sehr ernsten Thema.

Informationen zu weiteren Vorstellungsterminen erhalten Sie wie immer unter www.theaterdo.de oder Tel.: 0231/ 50 27 222.




Wenn eine Giraffe einen Pinguin besucht oder Neugier kann sich lohnen

Mit der Premiere von „Viele Grüße, Deine Giraffe“ in der Bühnenfassung von Nadine Schwitter (nach einem Bilderbuch von Megumi Iwasa) startete am Freitag, dem 11.09.2020 das Dortmunder Kinder und Jugendtheater (KJT) in die neue Spielzeit 2020/2021.

In Corona-Zeiten galt es, viele Auflagen zu erfüllen. So wurde das Publikum nur einzeln eingelassen und zu den Plätzen geführt. Vorher musste jeder einen Bogen mit persönlichen Daten ausfüllen. Die Anzahl der Zuschauer*innen war reduziert.

Auf der Bühne erwartete das junge (und jung gebliebene) Publikum eine durch eine hellblaue Wand geteilte Drehbühne. Gemalte Wolken und eine Tür am Horizont ließ sich je nach Bedarf öffnen.

Die Giraffe (Bianka Lammert) wird vom Pinguin (Johanna Weißert) herzlich begrüßt. (Foto: © Birgit Hupfeld)
Die Giraffe (Bianka Lammert) wird vom Pinguin (Johanna Weißert) herzlich begrüßt. (Foto: © Birgit Hupfeld)

Die Geschichte ist eine Erzählung (ab 4 Jahre) über eine besondere Begegnung, übers Briefschreiben und darüber, wie aus Langeweile ein Abenteuer werden kann.

Es ist einer Ermutigung, sich mit Mut, Neugier und ohne Ängste auf den oder das Unbekannte einzulassen. Es kann sich lohnen.

Ein Kompliment an die Ausstattung von Eugenia Leis. Die Kostüme waren mit Humor und Liebe zu kleinen Details ausgewählt.

Mit viel Engagement, witzigen Grimassen und Spiellaune füllten die Schauspieler*innen Bianka Lammert (Giraffe), Johanna Weißert (Pinguin), Rainer Kleinespel (Pelikan / Walprofessor) sowie Maria Trautmann (Musikerin / Robbe) ihre Rollen aus.

Die musikalische Livebegleitung mit Posaunenklängen und Einspielungen begleiteten die Geschichte atmosphärisch und zu den jeweiligen Tieren passend.

Ein gelungener Start trotz aller Widrigkeiten.

Karten und Informationen zu weiteren Aufführungsterminen erhalten Sie unter:

Tel.: 0231 / 50 27 222 oder www.theaterdo.de




Ein besonderer Pinguin auf der Suche nach Freundschaft und Glück

Im Dortmunder Kinder- und Jugendtheater (KJT) hatte am Freitag, den
20.09.2019, das Stück „Ginpuin“ (ab 4 Jahre) Premiere. Die durch
viele schöne Produktionen bekannte KJT-Regisseurin Antje Siebers hat
die Bühnenfassung von Winnie Karnofka nach einem Bilderbuch (Barbara
van den Speulhof und Henrike Wilson) fantasievoll und mit viel Humor
inszeniert. Es ist eine Geschichte vom anders ein und dem starken
Wunsch nach Akzeptanz, Zugehörigkeit, Freundschaft.

In einer arktischen
Landschaft mit Eisschollen und Eisberg (dargestellt mit beleuchteten
hellen Holzplatten) auf der Südhalbkugel unseres Planeten erscheint
ein neuer Pinguin. Er ist anders als die anderen Pinguin, obwohl er
äußerlich genauso aussieht. „Ginpuin“ verdreht die Buchstaben.
Aus „dankeschön“ wird so etwa „schankedön“. Die anderen
Pinguine lachen (zunächst) über ihn und geben ihn seinen
Spitznamen. Traurig macht sich Ginpuin auf eine lange Reise bis zum
anderen Ende der Welt, um sein Glück zu finden und ein Held zu
werden. Er begegnet anderen Tieren und einer freundlichen Fischerin,
die ihn mitnimmt. Auf einer grünen Insel wird er sogar sehr
glücklich. Das ist aber noch nicht das Ende der Geschichte…

Ein großes
Kompliment für die wunderbaren humorvoll-fantasievollen Kostüme und
Ausstattung von Julia Schiller. Für die atmosphärischen
Videoprojektionen im Hintergrund mit zum Beispiel einem schönen
Nachthimmel oder Sonnenuntergang sorgte Peter Kirschke. Mit Humor,
Spielfreude, kleinen Tanz- sowie Gesangseinlagen überzeugten die
KJT-Schauspieler: Bianka Lammert als cooler, sprechender „Eisberg“
und relaxt-entspannte, an die Hippie-Zeit erinnernde „grüne
Insel“.

Auf einer grünen Insel wird Ginpuin (Bettina Zobel, rechts) glücklich. Mit auf dem Bild: Die Ensemblemitglieder Thorsten Schmidt; Jan Westphal und Bianka Lammert  (v.l.n.r.). Foto: © Edi Szekely)
Auf einer grünen Insel wird Ginpuin (Bettina Zobel, rechts) glücklich. Mit auf dem Bild: Die Ensemblemitglieder Thorsten Schmidt; Jan Westphal und Bianka Lammert (v.l.n.r.). Foto: © Edi Szekely)

Mit viel Spaß an
der Verwandlung schlüpften auch Thorsten Schmidt und Jan Westphal
gleich in mehrere Rollen als Pinguine und andere Tiere. Bettina Zobel
hatte in ihrer Rolle als Ginpuin die große Herausforderung, die
Sprachverdrehungen unfallfrei vorzutragen. Sie tat es mit einer
lockeren Selbstverständlichkeit.

Neben den vier
Schauspielern stand auch noch die Musikerin Maria Trautmann. Mit
passenden Hintergrundklängen und Songs sorgte sie nicht nur live auf
der Bühne mit verschiedenen Instrumenten (z.B. Posaune oder
Synthesizer) für eine besondere Stimmung, sondern überzeugte auch
als Fischerin.

Am Ende kommt auch
die drohende Eisschmelze durch den Klimawandel zur Sprache.

Rührend und etwas
naiv, wie am Ende alle gemeinsam versuchen, durch das Aussprechen von
Begriffen, die Kälte assoziieren („Eis am Stil“ u.a.) das
drohende Schmelzen des Eisbergs zu verhindern.

Informationen zu
weiteren Aufführungsterminen erhalten Sie wie immer unter
www.theaterdo.de oder Tel:
0231/ 50 27 222.




Der rechte Auserwählte – rassistische Klischees satirisch seziert

Im Dortmunder
Theater Fletch Bizzel hatte am13.04.2019 das Stück „Der rechte
Auserwählte“ vom französischen Drehbuchautor Eric Assous unter
der Regie von Thomas Holländer seine Premiere.

Das Ensemble Fletch
Bizzel bot mit Bianka Lammert (bekannt vom Kinder- und
Jugendtheater), Sandra Schmitz (bekannt vom Geierabend), Heinz-Peter
Lengkeit (seit 2017 im Fletch Bizzel aktiv), Hans-Peter Krüger
(Geierabend, Fletch Bizzel) sowie Thomas Kemper (Theater im Depot,
Artsenico, Fletch Bizzel) eine engagierte und spielfreudige
Schauspieler-Gruppe.

Ort der Handlung ist
ein gutbürgerliches Viertel in Paris, wo Melanie (Bianka Lammert)
und ihr Mann Greg (Hans-Peter Krüger), ein Sportjournalist mit ihren
zwei Kindern wohnen.

Sie sind natürlich humanistisch eingestellt, genießen aber auch ihren Luxus. Gegen das schlechte soziale Gewissen engagiert man sich im Wohltätigkeitsbereich.

Die Bühne ist mit
einer langen türkisfarbenen Couch und Wänden passend gestaltet.

Noel (rechts, Thomas Kemper) bringt die heile bürgerliche Fassade durch seinen Rassismus ins Bröckeln. Irritiert sind Jeff (Heinz-Peter Lengkeit), Melanie (Bianka Lammert) und Greg (Hans-Peter Krüger). Foto: Fletch Bizzel
Noel (rechts, Thomas Kemper) bringt die heile bürgerliche Fassade durch seinen Rassismus ins Bröckeln. Irritiert sind Jeff (Heinz-Peter Lengkeit), Melanie (Bianka Lammert) und Greg (Hans-Peter Krüger). Foto: Fletch Bizzel

Eingeladen von ihnen
ist der alte Freund von Greg, der arbeitslose Jeff, der aber durch
eine große Erbschaft ebenfalls gut betucht ist. Heinz-Peter Lengkeit
spielt den einsamen, sich selbst bemitleidenden gutherzigen Jeff mit
viel Humor. Pikant wird die Situation, als sich auch noch seine Ex
Charline (Sandra Schmitz) und ihr Verlobter Noel (Thomas Kemper)
auftauchen, den sie in New York unter besonderen Umständen
kennengelernt hat. Melanie ist nach Paris gekommen, um dort zu
heiraten. Freundin Melanie soll ihre Trauzeugin werden.

Jeff ist immer noch
unheilbar in Charline verliebt. Nicht genug, es stellt sich auch noch
heraus, das Noel ein Antisemit und Rassist ist. Er stellt nur bei
„Seinesgleichen“ den beschützenden Retter dar, ansonsten pflegt
er seine verallgemeinernden Vorurteile gegen Juden und ausländische
Migranten.

Da Noel sie aus
einer gefährlichen Situation gerettet hat, fühlt sich Charline ihm
trotz seiner Ansichten irgendwie verbunden und befindet sich dadurch
in einem Konflikt. Wegen der Bedenken ihrer Freunde verlässt sie die
Runde und verschwindet. Sie ist nicht zu Hause oder bei den Eltern
aufzufinden. Im Streit darüber, was zu tun ist, kommt Gregs früheres
Verhältnis zu Charline ans Licht, aber auch andere Enthüllungen.
Man ist gezwungen, sich damit auseinanderzusetzen und miteinander
offen zu reden. Die Frage, was mit Charlene geschehen ist, löst sich
am Ende ebenfalls auf.

Eine Stärke der
Inszenierung war sicherlich, dass die Schauspielerinnen und
Schauspieler das Publikum zwischendurch immer direkt ansprachen, um
ihnen ihre Gedanken auf amüsante Weise zu vermitteln.

Eric Assous
behandelt in dieser scharfzüngigen Komödie ein höchst aktuelles
Thema. Ist rechtsradikales Gedankengut längst wieder salonfähig?
Der Kuschelkurs der Bildungsbürger mit dem neuen Faschismus wird
nicht nur vorgeführt, auch der schwierige Umgang damit wird
deutlich. Freundschaften können da vor eine harte Probe gestellt
werden.

Ein Theaterabend mit
vielen humorvoll-witzigen Momenten und zum Nachdenken anregend.

Informationen über
weiteren Aufführungen erhalten Sie unter Telefon: 0231/ 142525 oder
www.theaterfletchbizzel.de.




Der Sandmann – und die düsteren Dämonen

Die Uraufführung
von E.T.A. Hoffmanns „Der Sandmann“ (ab 16 Jahren) in der
Inszenierung von Andreas Gruhn (Direktor des Kinder und Jugendtheater
Dortmund) im KJT am Freitag, den 22.02.2019 war ein eindringliches
Erlebnis für das Publikum. Die schaurige Erzählung um den
traumatisierten jungen Studenten Nathanael, der immer mehr in den
Wahnsinn driftet, wurde mit den modernen Mittel aber eng an der
Textvorlage vermittelt. Ein exemplarisches Stück aus dem Zeitalter
der der schwarzen Romantik.

Es war ein
gelungenes Zusammenspiel von atmosphärisch verstärkenden
Videoinstallationen, Musik und Klangbegleitung, gezieltem Einsatz der
Beleuchtung sowie dem eindrucksvollen Spiel der Schauspielerinnen und
Schauspieler des KJT-Ensembles.

Die Bühne wurde zu
einer dunklen, klaustrophobischen Umgebung mit dunklem Mobiliar und
geheimnisvoll verschlossener Doppeltür gestaltet. Hitchcock, Murnau
oder wahrscheinlich auch E.T.A. Hoffmann hätten ihre wahre Freude
gehabt.

Das Publikum sieht
die Geschichte zunächst mit den Augen des Nathanael. Die Rolle des
Protagonisten war eine große Herausforderung für den Schauspieler
Thorsten Schmidt, die er mit Bravour meisterte. Zur Vermittlung
seines Traumas aus der Kindheit, wurde ihm eine Kinderpuppe zur Seite
gestellt und symbolisiert auch die Macht dieses Traumas auf den
Protagonisten. Seine Mutter (Bettina Zobel) nutzt das Schauermärchen
vom ominösen „Sandmann“, um ihn zum einschlafen zu bringen.
Selbst verabscheut sie eigentlich das Märchen. Sensibel wurde sie
von Bettina Zobel gespielt. Dieser böse Mann kommt angeblich zu
Kindern, die nicht schlafen wollen, und streut ihnen eine große
Menge Sand in die Augen, um sie ihnen heraus zu reißen und für
seine Kinder zu klauen. Neugierig beobachtet Nathanael, dass eine
Eltern Besuch von einem ekeligen, windigen, bedrohlichen Advokaten
Coppelius bekommen, und sich offensichtlich ängstlich und
unterwürfig verhalten. Ist das der Sandmann? Was für seltsame
alchemistische Experimente finden statt und was für ein Geheimnis
hat sein Vater? Ein Jahr später kommt dieser bei einer chemischen
Explosion mysteriös ums Leben und Coppelius verschwindet.

Claras Bruder Lothar (in der Mitte, gespielt von Jan Westphal) versucht Nathanael (Thorsten Schmidt) vor Olympia (Bianka Lammert) zu warnen. (Foto: © Birgit Hupfeld)
Claras Bruder Lothar (in der Mitte, gespielt von Jan Westphal) versucht Nathanael (Thorsten Schmidt) vor Olympia (Bianka Lammert) zu warnen. (Foto: © Birgit Hupfeld)

Als Student glaubt
er nach Jahren, in dem italienischen Wetterglashändler Coppola,
jenen Coppelius wieder zu erkennen. Coppelius und Coppola wurden
wunderbar gruselig in einer Doppelrolle von Andrea Ksienzyk gespielt.
Als geduldig um das Seelenheil des Studenten kämpfende Verlobte
Clara und ihr Bruder Lothar, überzeugten Ann-Kathrin Hinz und Jan
Westphal. Der Blickwinkel wechselt nach und nach auch auf die
Sichtweise des Umfeldes des „seltsamen Studenten“. Der verliebt
sich bei einem vom Physikprofessor Spalanzani (ebenfalls von Rainer
Kleinespel gespielt) initiierten Ball unsterblich in eine leblose
Holzpuppe, die der Professor als seine maßgebliche Tochter Olympia
ausgibt. Er hatte sie heimlich zusammen mit Coppola erschaffen.
Bianka Lammert verkörpert die schwierige Rolle einer „leblosen
Hohlpuppe“ mit roboterhaften Bewegungen und Kontaktlinsen als tote
Augen beeindruckend. Sie bringt als einziges Wort „ach“ heraus.

Nathanael ist von
deren zurückhalten, widerspruchslosen seltsamen Schönheit
magnetisch angezogen, und fühlt sich nur durch sie richtig
verstanden. Nur durch seinen Blick wird sie lebendig.

Als er sieht, wie
sich in Spalanzanis Zimmer dieser mit Coppola um die Figur Olympias
streitet, erkennt er, dass sie nur eine leblose Puppe ist, der jetzt
die Augen fehlen.

Das sich Realität
und Fantasie ständig vermischen, zieht sich wie ein roter Faden
durch das Stück.

So erwacht Nathanael
zwei mal im Stück aus einem „langen Krankheitsschlaf“ und
befindet sich im Kreise der Familie. Scheinbar genesen, will er nun
zur Freude seiner Mutter endlich Clara heiraten. Durch den Blick
durch sein Fernglas auf Clara auf dem städtischen Rathausturm,
verfällt er wieder in seine Wahnwelt und stürzt in den Tod, während
die kritisch-realistische und lebensbejahende Clara letztendlich ihr
Glück findet.

Die Inszenierung ist
nicht nur als Gesamtkonzeption gelungen, sondern lässt dem Publikum
viel Raum für freie Assoziationen und Beurteilungen. Es wäre auch
ein gutes Stück für das Schauspielhaus.

Informationen über
die weitere Aufführungstermine erhalten Sie wie immer unter:

Tel. 0231/ 50 27 222
oder www.theaterdo.de