Die Stadt Dortmund hat am 24.05.2024 im Rathaus dem langjährigen Ballett-Intendanten Xin Peng Wang feierlich die Ehrennadel für seine besonderen Verdienste verliehen.
Oberbürgermeister Thomas Westphal hob in seiner Laudatio die außergewöhnliche Persönlichkeit Wangs hervor, seine Leidenschaft und Akribie für das Ballett sowie seine Förderung des Nachwuchsbereichs, insbesondere des NRW-Juniorballetts. Der Intendant, der nun schon im einundzwanzigsten Jahr tätig ist, hat die Dortmunder Company nicht nur auf höchstes Niveau gebracht und ihr internationale Anerkennung verschafft, sondern auch seinem Publikum die Faszination der Bewegungsabläufe und Ausdruckskraft des Balletts vermittelt. Dabei ist er stets bescheiden geblieben.
Der Preisträger Xin Peng Wang (2.v.l.) und seine Gratulanten Tobias Ehinger (Direktor Theater Dortmund), Jochen Opländer (Opländer Stiftung) uind Oberbürgermeister Thomas Westphal.
Besonders begeistert haben mich seine verschiedenen Handlungsballette, wie „Der Zauberberg“ und „Traum der roten Kammer“. Innovative Ideen und Offenheit gegenüber modernen Technologien kennzeichnen sein aktuelles Wirken.
Im Laufe der Jahre hat sich bei Xin Peng Wang und seiner Familie eine enge Verbundenheit mit Dortmund und seinen Menschen entwickelt. Darauf wies er auch in seiner Dankesrede hin. Die Verleihung dieser Ehrennadel erfüllt ihn mit Freude und Stolz. Für seine Karriere waren die Jahre in Dortmund von großer Bedeutung, und es war für ihn ein großes Glück, mit dieser großartigen Company arbeiten zu dürfen. Gemeinsam haben sie sich für die Entwicklung des Balletts und dessen Bekanntheit in der Welt eingesetzt.
Herzlichen Glückwunsch, Xin Peng Wang! Wir freuen uns nun auf die letzte Spielzeit mit Ihnen als Ballett-Intendant.
Ausdrucksstarke Verbindung von Musik und Ballett
Am 13.04.2024 feierte der Ballettabend „Dawson“ in der Oper Dortmund seine Premiere. Das Ballett Dortmund – mit Unterstützung des NRW Juniorballetts – hatte die große Ehre und Gelegenheit, dem anwesenden Publikum ihr Können bei gleich zwei Choreografien des renommierten britischen Choreografen David Dawson (*1972) zu präsentieren.
Dawsons Kreationen bestechen mit seinem technisch höchst anspruchsvollen Niveau, Präzision, ausladenden Bewegungen und vor allem durch eine fast symbiotische Verbindung von inniger Musik und Tanz. Die Musik ist hier der Rahmen und Bühne für den Tanz. Was nicht aussprechbar ist, wird hier von den Tanzenden ausdrucksvoll vermittelt. Dabei sorgen die gleichen hellen Kostüme für einen einheitlichen Eindruck. Bunte Kleidung steht hier nicht im Vordergrund oder lenkt von der Dynamik ab.
Daria Suzi, Javier Cacheiro Alemán (Affairs of the Heart) Foto: (c) Leszek Januszewski
Sowohl „Metamorphosis“ wie auch „Affairs of the Heart“ waren beide in unterschiedlicher Weise von der Corona-Pandemie betroffen.
Metamorphosis konnte bei seiner damaligen Premiere nach verschiedenen Entwicklungsphasen zunächst nur digital stattfinden. Spürbar waren der wachsende Wunsch und die Hoffnung, als Metamorphose wieder vom Dunkeln in das Helle zu gelangen.
Die innig-starke Musik von Philip Glass wurde sensibel von der Pianistin Ana-Maria Dafova auf dem Klavier passend zum Geschehen auf der Bühne transportiert.
Nach der Pause verbreitete „Affairs of the Heart“ viel positive Energie und Vitalität, pure Lebensfreude über das Ende der Pandemie. Liebe und Nähe in verschiedenen Formen und Konstellationen sin in dem Werk zu spüren.
Wunderbar begleitet wurde die Choreografie musikalisch von der Dortmunder Philharmoniker unter der Leitung von Koji Ishizaka. Shinkyung Kim sorgte an der Solovioline für eine ganz eigenen Zauber bei der Interpretation der Musik von Marjan Mozetich (*1948 Kanada).
Beide Werke zeugen von einer Version, wie wir an Herausforderungen wachsen können. Die starke Leistung aller Beteiligten wurde vom Publikum mit viel Applaus belohnt.
Informationen zu weitere Aufführungsterminen erhalten Sie wie immer unter www.theaterdo.de oder Tel.: 0231/ 50 27 222
Überarbeitetes Handlungsballett voll Dynamik und Esprit
„Der Traum der roten Kammer“ in einer Neufassung von Xin Peng Wang
Ballettintendant Xin Peng Wang hat in seinem zwanzigsten Jahr in Dortmund sein persönlichstes Handlungsballett, „Der Traum der roten Kammer“ (Musik Michael Nyman), nach einem großen historischen chinesischen Roman für das Publikum neu überarbeitet. Aus dem riesigen Werk aus der „Herz seiner Heimat“ mit offenem Schluss hat Xin Peng Wang ein atemberaubendes Ballett mit dem Hintergrund einer unglücklichen Liebesgeschichte und über dreihundert Jahre chinesische Geschichte choreografiert. Ars tremonia war am 16.02.2024 dabei.
Grandios mit der emphatischen und dynamischen Musik von Michael Nyman begleitet wurde das Handlungsballett von der Dortmunder Philharmoniker unter Leitung von Olivia Lee-Gundermann.
Mit modernen technischen Effekten wurde schon der Prolog (Geschichte des Steins) dargestellt. Die Legende vom Stein, der wegen seiner sperrigen Form nicht für die Pfosten des Himmels genutzt wird und enttäuscht in der Welt des roten Staubs das Schicksal eines Menschen wird.
Pao Yü, ein Sprössling einer mächtigen Kia-Dynastie im China des 17. Jahrhunderts, wird der Legende nach mit einem Zauberstein aus Jade im Mund (Symbol für „das Gute im Menschen“) geboren. Eindringlich wird sein Konflikt zwischen der Liebe zu seiner aus dem verarmten Zweig der Familie stammenden Cousine Lin Dai Yü und der vorgesehenen Vernunftehe mit der Cousine Pao Tschai dargestellt. Die Geliebte ist kränklich, sensibel, geistreich und teilt mit ihm seine Träumereien. Nachdem Pao Yü sich tragisch für die falsche Frau entscheidet, stirbt Lin Dai Yü und Pao Yü wendet sich verzweifelt dem Buddhismus zu. Es folgt der Niedergang der Dynastie.
Es folgt ein rasanter emotionaler Ritt durch über dreihundert Jahre chinesische Geschichte. Eindrucksvolle Bilder erzählen von starren Hierarchien, Riten und Mythen, brutalen Machtwechseln (zum Beispiel der Kulturrevolution)) bis zur die Gegenwart Chinas als Wirtschaftsgigant.
Begleitet wird die Zeitreise von einer Art Modeschau mit farbenprächtigen Kostümen.
Im Epilog sehen wir einen armen Obdachlosen (Widergeburt von Pao Yü?) vor einem alten Baum. Der blüht manchmal im Winter. Menschen gehen zumeist achtlos an ihm vorbei. Man sieht ihn durch die Pforte der Leere verschwinden…
Am Ende ist der Traum der roten Kammer eine Art Metapher als letzte Zuflucht für eine kalte und gesichtslose Gesellschaft des 21. Jahrhunderts
Viel Symbolik, wunderbare Kostüme, einer bis in die wichtigen Nebenrollen mit Esprit und starken Gesten begeisternde Ballett-Company zeichneten die Aufführung aus.
Vor allem Simon Jones als Pao Yü und Samuel Bassler vom NRW Juniorballett als „sein Stein“ überzeugten bei ihrem dynamischen, fast symbiotischen Ballett-Zusammenspiel. Großen Respekt vor dem öfter akrobatisch anmutenden modernen Balletttanz voll Präzision. Das traf auch auf die Rollen der beiden Kontrahentinnen Nin Dai Yü (Amanda Vieira) und Pao Tschai (Daria Suzi) zu.
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Romeo und Julia – eine unvermeidbare Tragödie?!
Am 15.10.2022 hatte im Opernhaus Dortmund das Ballett „Romeo und Julia“ (Musik von Sergej Prokofjew) unter der Choreografie von Jean-Christophe Maillot mit der hiesigen Ballett-Compagnie seine eindrucksvolle Premiere. Musikalisch begleitet wurde die Aufführung von der Dortmunder Philharmoniker unter der sensiblen Leitung der neuen Kapellmeisterin Olivia Lee Gundermann. Der genaue historische Hintergrund stand bei der Inszenierung im Hintergrund.
Das Bühnenbild wurde puristisch einfach gehalten. Weiße Schiebewände und eine Rampe bildeten den multifunktional nutzbaren Hintergrund für die Handlung. Auch die Farben der Kostüme waren in hellen (Montague-Clan) und dunklen Farben (Capulet-Clan) gehalten. Pater Lorenzo (Simon Jones) in schwarz-weiß gekleidet führte emotional als „roter Faden“ die Tragödie. Wegen des tragischen Ausgangs für Romeo und Julia plagt ihn sein Gewissen und er versucht verzweifelt, einen Moment zu finden, um das Unheil zu verhindern. Ihm zur Seite standen oft seine zwei Messdiener (Matheus Vaz, Alessandro Clotta).
Im Mittelpunkt stand das sich trotz ihrer verfeindeten Familien verliebende Teenager-Paar Romeo (Filip Kvačák) und Julia (Sae Tamura). Anrührend stark, mal jugendlich verspielt dann wieder gefühlvoll intensiv, brachten beide tänzerisch den Charakter ihrer Figuren glaubwürdig auf die Bühne. Es ging aber auch um die verschiedenen Formen von Liebe. So die starke Freundschaft von Romeo, Mercutio (Márcio Barros Mora) und Benvolio (Joshua Green), oder die verschmähte Liebe von Rosalinde (Amanda Vieira) und Paris (Maksym Palamarchuk).
Isabelle Maia glänzte als strenge Mutter Lady Capulet, die ihre Tochter mit einem einflussreichen reichen Mann (Graf Paris) verkuppeln wollte Eine lustige Komponente kam durch die Figur der quirligen Amme (Giuditta Vitiello) auf die Bühne. Cousin Tybalt (Javier Cacheiro Alemán) vom Capulet-Clan starb in einem dramatischen Zeitlupen-Kampf mit Romeo (Montague) als einer der Opfer des Hasse und Streites der Familien-Clans. Die Vertreter vom Dortmunder Ballett zeigten virtuos ihr Können.
Alle beteiligten Tänzerinnen und Tänzer dieser Aufführung mussten nicht nur die technischen, teils akrobatischen Herausforderungen meistern, sondern mit viel Gestik die unterschiedlichen Gefühlslagen ihrer Figur darstellen und dem Publikum nahebringen. Das Ganze musste auch noch passgenau zur eruptiven Musik von Prokofjew geschehen.
Ihre starke Leistung wurde Standing Ovations honoriert.
Informationen zu weiteren Aufführungen erhalten Sie wie immer unter www.theaterdo.de oder Tel.:0231/50 27 222.
Matinee New London Moves
Spannende Einblicke in die zeitgenössische britische Tanzkunst ermöglicht Ballettintendant Xin Peng Wang mit seiner aktuellen Stückauswahl. Unter dem Titel „New London Moves“ tanzt das Ensemble Choreografien von Wayne McGregor, Douglas Lee und Akram Khan. Kleine Ausschnitte der Stücke Eden/Eden (McGregor), Dust (Akram Khan) und Marquette (Douglas Lee) zeigten die Dortmunder Tänzerinnen und Tänzer in einer Matinee im Ballettzentrum Westfalen.
In Eden/Eden setzt sich McGregor mit den Möglichkeiten und Verirrungen des Clones auseinander. Ausgehend von Steve Reichs Komposition Dolly aus dem Werk „Three Tales“ beleuchtet der Choreograf das Verhältnis zwischen Wissenschaft und Menschlichkeit beleuchtet. Eine Fragestellung lautet : Gibt es mehr als einen Garten Eden? Was ist Original, was eine Kopie? In der gezeigten Szene bilden sich aus anfänglich androgyn erscheinenden Wesen viele Individuen heraus.
Zum Stück „Marquette“ von Douglas Lee komponierte Nicolas Savva seine erste komplett elektronische Partitur. Die Einschränkungen durch die Coronaepidemie zwangen den Musiker ausschließlich im Homeoffice zu komponieren. Er begann die Instrumente, die er vor Ort hatte, einzuspielen. Er verlangsamte den Rhythmus, zog die Akkorde auseinander und drehte die einzelnen Musikschnipsel so lange durch die elektronische Mangel bis etwas völlig Neues entstand.
Tänzer und Choreograf Akran Khan bearbeitet in seinem Stück „Dust“ die schrecklichen Auswirkungen der Materialschlacht im 1. Weltkrieg und ihre Folgen für die Soldaten, die dieser entmenschlichten Kriegstechnik ausgesetzt waren. Die Verletzungen und Traumata, sowie die sozialen Auswirkungen, wenn die Heimkehrer auf die eigenen Familien trafen. Dieses Thema setzen Alisa Uzunova und Márcio Barros Mota in einer ergreifenden tänzerischen Erzählung um. Sie nehmen die Zuschauer mit in eine Auseinandersetzung eines Paares, das seine Rollen neu definieren muss. Die Emanzipation der zurückgelassenen Frau und eine traditionelle Rollenzuschreibung prallen aufeinander. Die Beziehung muss neu ausgehandelt werden.
Die Premiere der „New London Moves“ ist am 19. Februar im Opernhaus.
Rauschender Ballettabend mit Strawinsky
Zwei beeindruckende Interpretationen von „Petruschka“ und „Le Sacre du Printemps“ von Igor Strawinsky zeigt das Dortmunder Ballett im Opernhaus.
In der Inszenierung von Xing Pen Wang begibt sich das Ballett auf eine Zeitreise durch das 20. Jahrhundert bis heute. Ein weißer riesiger Stoffzylinder in der Mitte der Bühne dient als Projektionsfläche für gefilmte und gezeichnete Bildikonen. Die Zeitreise beginnt im Entstehungsjahr des Stückes 1911, im Zusammenspiel mit den Tänzern ist man an Fritz Langs Metropolis erinnert. Die zahlreichen Filmzitate enden in einer digital animierten futuristischen Szenerie.
Unter aus dem Off eingespieltem wahnsinnigen Gekicher erscheint Petruschka (Javier Cacheiro Alemán) auf der Bühne. Selbstverliebt und selbstbewusst tanzt er durch die Zeiten, spielt mit den Frauen, stellt sich zur Schau und genießt das Leben. Nachdem er während einer seiner Eskapaden niedergeschlagen wird, rettet ihn ein Mädchen, in das er sich sofort verliebt. Nach einigen koketten Annäherungen, wendet diese sich jedoch einem reicheren, besser situierten Geschäftsmann zu. Petruschka gerät in eine Abwärtsspirale, sein Glück schwindet, sein Selbstvertrauen ist dahin. Das Ensemble tanzt als Straßengang und zeigt ihm, dass er nicht mehr dazu gehört. Er ist allein. Mit einem letzten Aufbäumen in pinkfarbenen und gelben Outfit, geschminkt als Joker, versucht er sich noch einmal zu etablieren, schafft dies aber nicht. Als letzten Ausweg geht er in den Tod. Das gleiche gruselige Gekicher vom Beginn des Stückes erschallt zum Ausklang erneut.
Javier Cacheiro Alemán (Petruschka), Ensemble; Foto: (c) Leszek Januszewski
Spektakuläre Tanzszenen im Dauerregen zeichnen die Inszenierung von Strawinskys „Le Sacre du Printemps“ aus. In Kaskaden stürzte immer wieder Wasser auf die Bühne herab. Zeitweilig meinte man das Wasser am Boden müsse in den Orchestergraben überlaufen. Eine Meisterleistung vollbrachten die Tänzer und Tänzerinnen auf dem spiegelglatten Tanzboden. Sehr deutlich veränderten sie ihre Haltung. Sie tanzten mit tiefer gebeugten Knien, um besseren Halt zu finden, was einen erdverbundenen Eindruck verstärkte. Mit wirbelnden Figuren und rutschenden Bewegungen entstehen völlig ungewohnte Bilder. Das Dortmunder Ballett studierte die Choreografie des „Bewegungspoeten“ Edward Clug mit Tänzer und Choreograf Gaj Zmavc ein, der das Ensemble mit den Vorstellungen von Clug vertraut machte.
Zu Beginn sind sechs Männer und Frauen isoliert auf einer dunkelblauen Bühne zu sehen. Sie tanzen für sich, sind dann aber auf der Suche nach dem zukünftigen Frühlingsopfer. In einer archaisch wirkenden Tanzszene erwählen sie schließlich das Opfer aus ihrer Mitte, brillant verkörpert von Sae Tamura. Sie wird eingekreist, versucht zu fliehen, erkennt nach einigen Kämpfen mit der Gruppe die Aussichtslosigkeit ihrer Lage und nimmt sie an. In einem atemberaubenden Finale wird Sae Tamura vom hellen Licht, in dem sich die Gruppe befindet ins Dunkel und in die Ausweglosigkeit geworfen. Das Publikum war wie gebannt und applaudierte dann mit langanhaltenden Standing Ovations für dieses wundervolle Tanzerlebnis.
Wenn bei „Paradiso“ das Licht tanzt
Nach dem Höllen-„Inferno“ und „Purgatorio“ (der Läuterung) stand mit der Premiere von „Paradiso“ am 29.10.2021 im Dortmunder Opernhaus der dritte Teil von Xin Peng Wangs Ballettmonument nach Dantes „Göttlicher Komödie“ auf dem Programm. Die hiesige Ballett-Compagnie war bestens aufgelegt und die Dortmunder Philharmoniker unter der Leitung von Philipp Armbruster setzten die Musik des Künstlerkollektivs 48nord präzise zum Geschehen um.
Denn waren die beiden ersten Teile eher atmosphärisch düster gehalten, führt uns „Paradiso“ in helle kosmische Sphären. Hier sind die Tänzer*innen alle hell gekleidet. Die rhythmisch-psychedelische Musik von 48nord (Ulrich Müller und der erst kürzlich verstorbene Siegfried Rössert) lässt den lockenden Sirenengesang der Sterne in den unendlichen Weiten des Weltalls, das Knistern und Zirpen der Sternschnuppen sowie Dröhnen und Rauschen der vorbeiziehenden Kometen für das Publikum hörbar werden.
Im Mittelpunkt von „Paradiso“ steht der Tanz selbst als Symbol für den Herzschlag des ewigen Kosmos. Der wird von der Liebe in Bewegung gehalten.
Aus dem Bühnenboden erhebt sich hier ein gewaltiges rundes Lichtradgerüst mit vielen Strahlern, um zur Umlaufbahn der Gestirne und am Ende zur Himmelsrose zu werden, wo sich die Liebenden verbinden.
Dante (Javier Cacheiro Alemán) und seine Jugendliebe Beatrice (Amanda Vieira) treffen in „Paradiso“ aufeinander und stehen hier als sinnbildliche Achse im Zentrum, um die sich aus drei geometrischen Grundformationen (Rechteck, Dreieck, Kreis) der choreografische Prozess des ewigen Tanzes aus der himmlischen Freude an der Bewegung selbst in immer neuen Variationen und Facetten spiegelt.
Diese Spiegelungen werden durch eine runde Leinwand-Projektionsfläche, die aus dem großen Lichtrad herausgefahren werden kann, für das Publikum eindrucksvoll sichtbar gemacht.
Wang lässt nicht nur „Himmelkörper“ tanzen, sondern seine Visualisierung der paradiesischen Harmonie greift weiter. Dabei spielt die ausgefeilte Bühnen und Beleuchtungstechnik (Stefan Schmidt) eine bedeutende Rolle. Die Elenden sollen bei Dante von ihren Leiden erlöst und zu ihrem Glück geführt werden. Für den Dortmunder Ballettintendant geht es in Paradiso darum, das Unglaubliche zu glauben und zu tun.
Es ist für ihn der Tanz der Planeten, der Tanz in die Freiheit. Ein mit viel Applaus belohnter eindringlicher Ballett-Abend.
Informationen zu weiteren Vorstellungsterminen finden sie wie immer unter www.thwaterdo.de oder Tel. 0231/5027222
Fordlandia – zwischenmenschliches Zauberballett von Lucia Lacarra und Matthew Golding
Der Lockdown und die Grenzsperrungen führten dazu, dass manche Paare für eine lange Zeit getrennt blieben. Besonders dramatisch war diese Zeit für ein Ballettpaar wie Lucia Lacarra und Matthew Golding, die nicht zusammen arbeiten konnten. Die Lehren aus dieser Zeit verarbeiteten beide zu einem emotionalen Programm, das den Titel „Fordlandia“ trägt. Ein Premierenbericht vom 19.09.2020.
Fordlandia ist eine Mischung zwischen Ballettfilm und realer Aktion auf der Bühne. Zunächst werden einige Zeit Bilder von Matthew Golding und Lucia Lacarra auf der großen Leinwand im Hintergrund gezeigt, während die beiden parallel auf der Bühne beinahe synchron die Choreographie „Stillness“von Anna Hop zur Musik von Chopin tanzten. Dieses doppelte Paar tanzen zu sehen, der Kontrast und die Gleichheit mit den Kinobildern war eine spannende neue Sichtweise.
Leider war das folgende Stück „Close“ dem vorangegangenen zu ähnlich. Die gleiche Choreografin und der gleiche Komponist. Glücklicherweise änderte es sich mit „Snow Strom“, das Programm nahm Fahrt auf. Hier begannen Lucia Lacarra und Matthew Golding im Film zwischen Bäumen zu tanzen. Auf der Bühne tanzte Golding ein wenig parodistisch nach der Musik von Georgi Swiridov einen klassisches Pas de deux.
Der Höhepunkt des Abends war mit Sicherheit das Stück „Fordlandia“ nach der Choreographie von Juanjo Arqués. Während die Kinobilder das Meer zeigen und Lucia Lacarra auf einer Klippe, verwandelte sich die Bühne dank eines riesigen Stoffbandes, blauem Licht und Wind zu einem wilden Meer in dem die Beiden tanzten. Sehr beeindruckend für die Zuschauer.
In „Pile of Dust“ ebenfalls von Juanjo Arqués konnten wir weder Meer noch Wald erblicken, sondern die beiden Tänzer erschienen uns in Spektralfarben wie tanzende Geister. Romantisch wurde es am Ende bei „After the Rain“. Bei ruhiger Musik von Arvo Pärt und einem Hintergrundbild mit lila Wolken, zeigen die Lucia Lacarra und Matthew Golding, dass es nach der schweren Zeit auch wieder Zeichen der Hoffnung gibt und das ein neuer Morgen kommt.
Lucia Lacarra und Matthew Golding zeigten ein beeindruckendes Ballettprogramm. Sehr emotional, technisch sehr hochstehend, der Hoffnung macht auf eine Zeit ohne Beschränkungen und Lockdowns.
Der Titel „Fordlandia“ ist nach dem gescheiterten Projekt von Henry Ford benannt. Die Stadt in Brasilien sollte eine große Kautschukplantage beherbergen. Doch ökologische Probleme und kulturelle Unterschiede zwischen US-Amerikanern und Brasilianern führte zum Niedergang. Jetzt leben nur noch 2.000 Einwohner dort.
Mehr Informationen zu Terminen und Karten unter www.theaterdo.de
Ein Auftakt mit kleinen Schritten
Am Dienstag, dem 01. September 2020 war es soweit: Das Theater Dortmund spielte wieder live. Die Philharmoniker, die Oper und das Ballett präsentierten vor Publikum Musik und Tanz. Gewöhnen muss man sich daran, dass 286 Besucher „ausverkauft“ bedeutet.
Maskenpflicht im Foyer und reichlich Abstand im Saal. Das Theater Dortmund hatte ihr Sicherheitskonzept perfekt umgesetzt. Es war sicherlich ungewöhnlich, so viel Platz zwischen den einzelnen Zuschauern zu erleben, aber es kam am Dienstag schon ein wenig Stimmung auf.
Dafür sorgten die Akteure und die Verantwortlichen. Der geschäftsführende Direktor Tobias Ehinger zeigte seine Erleichterung über den Start ebenso wie Ballettdirektor Xin Peng Wang, Opernintendant Heribert Germeshausen und Generalmusikdirektor Gabriel Feltz.
Doch das Wichtigste an der Eröffnungsgala waren die SängerInnen, MusikerInnen und TänzerInnen. Zu hören waren Ausschnitte aus kommenden Produktionen wie Mozarts „Entführung aus dem Serail“ mit der neuen Sopranistin Sooyeon Lee, oder einfach nur schöne Musik und Choreografien. Vor allem für Xin Peng Wang und sein Ballett werden die Abstandsregeln zu einer neuen Herausforderung, ebenso wie für die Philharmoniker, die nicht mehr mit „voller Kapelle“ agieren dürfen. So muss das Spielzeit-Programm den Gegebenheiten angepasst werden.
Das Beruhigendste ist aber: Das Theater Dortmund tut alles in seiner Macht stehende, damit die Zuschauer einen sicheren Abend genießen können. Damit kann sich der Vorhang für die kommende Spielzeit wieder öffnen.
Wer Lust hat, die Eröffnungsgala zu erleben, kann sie am 05. September um 16 Uhr und um 20 Uhr genießen.
Zwei starke Tanzarchitekturen zu 100 Jahre Bauhaus
Mit der Premiere von „Bauhaus 100“ am 24.11.2019 wurde den
Besuchern der Oper Dortmund ein besonderer, zweigeteilter
Ballett-Abend geboten. Hundert Jahre Bauhaus waren ein guter Anlass,
um zunächst Oskar Schlemmers berühmtes „Triadisches Ballett“
von dreizehn Mitglieder der Compagnie des Bayerischen Junior Balletts
München in Neuproduktion von 2014, einstudiert von Ivan Liška,
in unserer Stadt aufzuführen.
Zur Zeit der Bauhaus-Bewegung gab es eine Aufbruchstimmung in ganz Europa. Oskar Schlemmer wollte Kunst und Handwerk wieder zusammenführen und sie für den Lebensalltag nützlich zu machen…Möbel und Design wurden praktisch, funktional und dabei schön für den Alltag der Menschen gestaltet.
In dem Wort
„Triadisch“ steckt das griechische Wort für „Dreiklang“.
Dieser Dreiklang begleitet den Zuschauer auf allen Ebenen. Ob in
Bezug auf Raum-Form-Farbe Kreis-Quadrat-Dreieck,
Kostüm-Bewegung-Musik, Höhe-Breite-Tiefe
oder etwa die drei maßgeblichen Grundfarben .
In verschiedenen Szenen schlüpften die insgesamt dreizehn
Tänzer*innen des München Juniorballetts in die fantasievollen
Figuren des „Triadischen Balletts“ von Oskar Schlemmer“.
Allein, als Paar oder zu Dritt ertanzten sie sich in bunten Kostümen den Raum. In fantasievollen bunten Kostümen, in den Grundfarben lackierten Reifröcken, verschiedenfarbige Kugeln an Händen oder Kopf, Kostümen aus Wollbommeln sowie Drähten (auch mal mit Gegenständen in der Hand) wurden die Bauhaus) Figuren und Charaktere auf der Bühne lebendig.
Die
Musik, oder sollte man besser Geräusche sagen,
war exakt
auf jede einzelne kleine Bewegung und
Geste abgestellt waren.
Annäherungen,
Zusammenspiel und Abwehr spielten im Raum eine Rolle und es gab
grotesk-komische Momente.
Eine großartige Leistung aller Beteiligten, wenn die etwas schrillen
Geräusche manchmal auch etwas gewöhnungsbedürftig waren, und
gewisse Längen in der Aufführung zu spüren waren.
Oskar Schlemmers Ballett war schon einmal zu Gast in Dortmund: Das Theater im Depot präsentierte bereits 2015 eine Neuinterpretation des triadischen Balletts mit den Tänzerinnen und Tänzern des „Theaters der Klänge“.
Nach der Pause folgte die Uraufführung der Auftragsarbeit „Fluid
Housing“ („flexibler Wohnungsbau“) für das Ballett Dortmund.
Die von der Choreografin Wubkje Kuindersma (Niederlande) und der
Animatorin Nicole Aebersold (Schweiz) geschaffenen digitalen
architektonischen Welten, können als eine Erweiterung des
Bauhaus-Geistes gesehen werden. Kunst wird nicht nur als beiläufige
Selbstverwirklichung gesehen, sondern auch als Verpflichtung,
gesellschaftliche Verantwortung zu übernehmen.
Die Aufführung geht von der Utopie aus, den in unserer Zeit immer
knapper werdenden Wohnraum digital als analoge Realität und
virtuelle animierter Wirklichkeit zu postulieren. Mensch und Raum
bedingen sich Wechselseitig und hängen voneinander ab. Als
atmosphärische Verstärkung wurde die passende Musik (Valgeir
Sigurðsson) und dem Lichtdesign
(Ralph Jürgens) geschickt eingesetzt.
Die nahtlose Verschränkung der
verschiedenen Ausdrucksebenen und Interaktionen erfüllen aber nicht
nur den Zweck, das Publikum optisch zu überwältigen.Es geht viel
mehr um das existenzielle Verhältnis von Mensch
und Raum.
Diese halbe Stunde mit einer
ganz eigenen Dynamik verflog viel zu schnell.
Eine innovative Uraufführung
und schönes Beispiel für ein gelungenes Zusammenwirken von analoger
Ballettkunst und moderner digitalen Technik.