„Die Sonne tönt“ – Goethe ganz persönlich. Andreas Weißert im Studio des Schauspielhauses

„Die Sonne tönt“. Ob das die beiden Sonnenblumen, die von Scheinwerfern hervorgehoben die Bühne flankieren, auch wissen? Der Saal ist jedenfalls erfüllt von erwartungsvoller Stille, in die die Stimme des Schauspielers und ehemaligen Dortmunder Theaterdirektors Andreas Weißert tönt.

Goethes Werke erklingen, Lyrik, Prosa, Drama. Eingebettet in Informationen zu Goethes Werdegang und Bezügen zum Leben des Vortragenden. Wir erfahren, dass zu allen Geburtstagen in der Familie Weißert schon vor achtzig Jahren Gedichte und Lieder dazugehörten. Und bei der entsprechend großen Familie gab es im Jahreslauf viel zu feiern, zu rezitieren und zu singen. So entstand beim Vortragenden schon früh eine besondere Beziehung zu Goethes Werken, die bis heute hält.

Und anstatt eines „Dinners for One“ kann sich der Schauspieler an diesem Abend mit einer „Lesung für Hundert“ selbst beschenken. Ein Geschenk, das sich wunderbar teilen lässt. Und so kann das Publikum im ausverkauften Studio des Schauspielhauses dem Sphärenklang des Universums lauschen, den Goethe bei Pythagoras entlehnte, über das Jenseits nachdenken – und wem man dort nicht begegnen möchte, denn der „Langeweile würde kein Ende nehmen“.

Wir erfahren, dass man als Regisseur vor Proben viel beten muss. Und das hat sich in den Jahrhunderten auch nicht geändert. Doch ängstliches Klagen wendet kein Elend. Amüsiert erfahren wir von einem Theaterdirektor, der zu gern selbst einsprang, um die Aufführung zu „retten“, falls jemand erkrankte, aber auch einfach jede Gelegenheit nutzte, wieder auf die Bretter, die die Welt bedeuten, zu kommen.

Und da tobt Andreas Weißert sich an diesem Abend weiter aus. Zwar sind auf der Bühne nur ein Tisch und ein Stuhl vorgesehen, dekoriert mit den beiden weit entfernten Sonnenblumen, doch bei verschiedenen Rezitationen hält es den Schauspieler nicht auf dem Stuhl. Er dirigiert ein Gedicht mit Taktstock, nutzt eine Ukulele als Requisit und springt beinahe auch auf den Stuhl. Ein riskantes Unterfangen, aber wie viel riskanter ist es, wenn der Zauberlehrling die Gewalten entfesselt, die er nicht mehr im Zaum halten kann?

Andreas Weißert  - Geburtstag mit Goethe. (Foto: Martina Bracke)
Andreas Weißert – Geburtstag mit Goethe. (Foto: Martina Bracke)

„Herr, die Not ist groß! Die ich rief, die Geister, wird‘ ich nun nicht los.“

Auf der Bühne geht es glimpflich aus, der Meister kommt und der Flut wird Einhalt geboten. Im wirklichen Leben ist es nicht immer so einfach. Weißert empfindet, dass der Zauberlehrling zum Normalfall geworden sei. Die Frage bleibt offen, wer denn dann die Welt rettet.

Aber an diesem Abend erfreuen wir uns weiterhin an den meisterlich vorgetragenen Werken Goethes, an Sequenzen aus dem Werther, der Harzreise im Winter und aus der Urfassung zum Wilhelm Meister, bevor der Schauspieler auch zu dramatischen Partien aus dem Egmont und der Iphigenie übergeht.

Goethe wird gefeiert von Andreas Weißert an diesem Abend, ebenso wie Andreas Weißert von seinem Publikum gefeiert wird. Darüber hinaus lässt es sich die aktuelle Schauspieldirektorin am Theater Dortmund, Julia Wissert, nicht nehmen, höchstselbst den Jubilar hochleben zu lassen und einen dicken Blumenstrauß mit Dank zu überreichen.

Eine Zugabe rundet den Abend ab. Der Goethe-Abend ist zu Ende, die Geburtstagsfeier auch, die Sonne muss in den Herzen weitertönen. Doch halt, vielleicht nur bis Silvester. Denn dann kommt Andreas Weißert wieder auf die Bühne, lässt seine Stimme zu einem bunten Strauß aus Werken der Literatur er- und das Jahr ausklingen, auf dass die Sonne auch in das kommende Jahr hineintönt. Bis jetzt ist der Silvesterabend noch nicht im Vorverkauf, deshalb muss man die Augen offenhalten, die Karten werden schnell vergeben sein.

 

Mehr unter: www.theaterdo.de




Ausstellung zum antifaschistischen Widerstand in Europa 1922 -1945

Sie hatte schon für großes Aufsehen bei ihren Stationen im Europa-Parlament (Brüssel) und bei der Documenta in Kassel gesorgt. Nun wird die Ausstellung „Antifaschistischer Widerstand in Europa 1922-1945“ vom 7. Juni bis zum 5. Juli 2018 in der Agora im Dietrich-Keunning-Haus (DKH) in unserer Stadt zu sehen sein. Dies geschieht auf Einladung der „Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes Dortmund“ (VVN) und der Steinwache in unserer Stadt.

Diese Ausstellung ist unter Beteiligung der Internationalen Föderation der Widerstandskämpfer (FIR) – Bund der Antifaschisten und das nationale belgische Institut der Veteranen und Opfer des Krieges (IV-INIG) und Unterstützung einiger Musen und Institutionen aus Belgien, Frankreich, Italien und den Niederlanden entstanden.

Auf 50 Stellwänden sind Berichte zu lesen und Bilder zu sehen, die Zeugnis ablegen über den Widerstand und mutigen Kampf um Menschenwürde von einzelnen Menschen oder Gruppen in dieser Zeit. Es geht darum darzustellen, wer hat wie, wo und aus welchen Beweggründen Widerstand geleistet. Dabei wird gezeigt, das der Kampf gegen den Faschismus in Europa unabhängig vom Alter, Geschlecht oder Weltanschauung stattfand und von notwendiger Solidarität getragen war. Es gibt ein umfangreiches Begleitprogramm aus Führungen für Schulen und sonstige interessierte sowie kulturelle und politische Bildungsveranstaltungen. Unterrichtsmaterialien für Schulen und ein viersprachiger Katalog in deutscher, französischer, englischer und flämischer Sprache stehen zur Verfügung.

Kontakt per E-Mail: vvndo@gmx.de

Levent Arslan, kommissarischer Leiter des DKH freut sich, diese Ausstellung in diesem soziokulturellen Begegnungszentrum die Ausstellung zeigen zu können.

Bürgermeisterin Birgit Jörder hat die Schirmherrschaft übernommen und wird die Ausstellung am Donnerstag, den 7. Juni 2018 um 18:00 Uhr vor Ort eröffnen.

Über den Widerstand gegen den Faschismus informiert die Ausstellung im Dietrich-Keuning-Haus. Dazu gibt es ein umfangreiches Begleitprogramm.
Über den europäischen Widerstand gegen den Faschismus informiert die Ausstellung im Dietrich-Keuning-Haus. Dazu gibt es ein umfangreiches Begleitprogramm.

Ab 19:00 Uhr wird dann die Rapper-Band gegen Rechts „Microphone Mafia“ aus Köln für einen musikalischen Einstieg sorgen. Sie werden von der Esther und Joram Bejarano auf der Bühne begleitet. Deren Mutter , die 92-jährigen Esther Bejarano, reist als Zeitzeugin als eine der wenigen Überlebenden des KZ Auschwitz-Birkenau durch das Land. Sie überlebte als Teil des „Mädchenorchester“ im Todeslager und singt mit ihren Kindern in der Gruppe „Coincidente“ antifaschistische und jüdische Lieder.

Die Rapper Kutlu Yurtseven, Signore Rossi und DJ Öner haben ihre Musik gesampelt. Daraus sind zwei CD‘s entstanden und sie hatten schon bei einige Auftritte mit ihnen für Aufsehen gesorgt.

Das Motto „Preserving Memories – Bewahrung der Erinnerungen“ zeigt deutlich, wie wichtig gerade auch in unserer Zeit da erinnern, die Wachsamkeit und Mut zum Widerstand und „nein“ Sagen ist.

Der in Dortmund bekannte Schauspieler Andreas Weißert wies beim Pressegespräch auf die Bedrohung rechtspopulistische Parteien hin. Die Gefahr bestehe aber heute vor allem auch auf deren Sogwirkung auf die bürgerliche Mitte hin.

Am 27. Juni 2018 wird Weißert zusammen mit seinem Schauspielkollegen Carsten Bülow um 19:30 Uhr im DKH eine Lesungen mit deutschen antifaschistischen Texten halten. Besonders beeindruckt hat ihn, wie er sagt, von Hans Fallada „Jeder stirbt für sich allein“ (1947).

Die Zeitzeugen sterben so langsam aus. Um so wichtiger ist es, durch die Nachfahren, deren Vermächtnis und Mahnung wach zu halten. Traute Sander (VVN) erzählte von ihrer Gruppe „Kinder des Widerstands“. Sie ist Tochter eines jungen Widerständlers, der der von den Nazis ermordet wurde.




Kammerspiel mit ungeheurer Dichte

Jürgen Mikol und Andreas Weißert. (Foto: © Djamak Homayoun)
Jürgen Mikol und Andreas Weißert. (Foto: © Djamak Homayoun)

Die Zahl aller Flüchtlinge unter UNHCR-Mandat hat Mitte letzten Jahres 13 Millionen erreicht. Das ist die höchste Zahl seit 1996. So steht es im Bericht des UNHCR (Hoher Flüchtlingskommissar der Vereinten Nationen). In Deutschland ist das Thema Flüchtlinge durch die Situation in Syrien und durch die Bootsflüchtlinge im Mittelmeer wieder in den Mittelpunkt gerückt.

Es ist nicht all zulange her, dass auch Menschen aus Deutschland flüchten mussten. Bertolt Brecht war so jemand. Brecht floh bereits 1933, lebte erst in Frankreich, dann in Dänemark, Schweden und kam 1940 nach Finnland, wo er die „Flüchtlingsgespräche“ schreib. Am 20. Februar um 20 Uhr war die Gastspielpremiere im Studio des Schauspielhauses.

In den Flüchtlingsgesprächen geht es um zwei Flüchtlinge, den Physiker Ziffel und den Arbeiter Kalle, die sich regelmäßig im Bahnhofscafé in Helsinki treffen und ihre Gedanken austauschen. Jürgen Mikol (ehemaliger Schauspieler im Ensemble Dortmund) und Andreas Weißert (Leiter des Schauspielhauses 1975–1980) übernahmen die Rollen und fügten zu Brechts Texten auch einige andere hinzu.

Das Bühnenbild war ebenso schlicht wie passend: Ein Tisch, zwei Stühle, ein Koffer. Ein klein wenig erinnerte das Ambiente an die 40er Jahre. Im Hintergrund projiziert die bekannte Karikatur „Dienst am Volk“ von Ehrich Ohser alias e.o.plauen: Der Betrunkene, der ein Hakenkreuz in den Schnee pinkelt.

Auch wenn Mikol (Kalle) und Weißert (Ziffel) nicht die gesamten Flüchtlingsgespräche lesen, der Text von Brecht hat nach 75 Jahren immer noch eine ungeheure Aktualität. Nicht nur durch das berühmte Zitat „Der Pass ist der edelste Teil eines Menschen“, sondern auch durch andere Bezüge. „Die stupende Fähigkeit unseres Zeitalters, aus nichts etwas zu machen, ist es, die eine so ungeheure Anzahl bedeutender Menschen erzeugt hat“, erklärt Ziffel. Diesen Satz könnte man auch auf die heutige Zeit übertragen, die auch aus dem Nichts eine ungeheure Anzahl von B- oder C-Prominenten erzeugt.

Immer wenn ein kleines Gespräch beendet wurde, lasen Mikol oder Weißert einen anderen Text. Beispielsweise einen Text der Sozialdemokratin Lily Braun, die 1915 das Massensterben auf den Schlachtfeldern des Ersten Weltkrieges aus Frauensicht glorifizierte bis hin zu einer Satire aus der „Frankfurter Rundschau“ über die marode Bundeswehr.

Mikol und Weißert sind im alte Haudegen auf dem Schauspielparkett und sie lassen ihre ganze Erfahrung durch ihre Mimik und Gestik einfließen. Selbst vor kleinen Gesangs- und Tanzeinlagen schrecken die beiden nicht zurück. Trotz des ernsten Themas wurde es dennoch zu einem unterhaltsamen Abend, dank des immer noch aktuellen Textes von Brecht und der Spielfreude der beiden Akteure. Absolut lohnenswert.

Für den 08. März gibt es noch Restkarten.

[fruitful_dbox] Das schreiben die anderen:

Westfälischer Anzeiger (WA) [/fruitful_dbox]




Aktuell wie nie

Der Physiker Ziffel und der Arbeiter Kalle treffen sich in den späten 30er Jahren mehrmals in einem Bahnhofsrestaurant in Helsinki. Beide sind im Exil und unterhalten sich über politische Ansichten und private Geschichten. Der Text von Bertolt Brecht ist stark autobiografisch geprägt. Brecht floh 1940 vor den Nazis nach Finnland. In der heutigen Zeit, wo viele Menschen auf der Flucht sind, ist dieser Text aktuell wie nie. Zwei erfahrende Schauspieler wollen aus diesem Text etwas Spannendes machen. Jürgen Mikol (von 1974-1982 und 1985 bis 1992 Schauspieler am Theater Dortmund) und Andreas Weißert (von 1975-1980 Leiter des Schauspiels) übernehmen die Rollen und Kalle und Ziffel. Premiere ist am 20. Februar 2015.

Es gibt Texte, der einen weniger ansprechen, andere Texte lassen einem mit sich selbst konfrontieren“, lobt Weißert den Text von Brecht. „Brecht hat die Dinge immer sehr klar benannt.“

Doch neben Brecht werden weitere Texte in die „Flüchtlingsgespräche“ integriert. So beispielsweise von Lily Braun, die, obwohl sie Sozialistin und Frauenrechtlerin war, die Kriegspolitik des Kaiserreiches im Ersten Weltkrieg vorbehaltlos unterstützte. Ein modernerer Text stammt aus der „Frankfurter Rundschau“, die die marode Bundeswehr auf die Schippe nimmt. Aber immer wieder wird deutlich, wie stark der Text von Brecht immer noch in die Gegenwart wirkt.

Für das Gastspiel am 20. Februar 2015 sind alle Plätze ausverkauft, für den Termin am 08. März gibt es noch Karten.