Turbulenter Wahnsinn im Schauspielhaus

Im Laufe der Tournee liegen bei den Beteiligten doch die Nerven blank: (v..l.n.r.) Merle Wasmuth, Frank Genser, Andreas Beck und Sebastian Graf. (Foto: © Birgit Hupfeld)
Im Laufe der Tournee liegen bei den Beteiligten doch die Nerven blank: (v..l.n.r.) Merle Wasmuth, Frank Genser, Andreas Beck und Sebastian Graf. (Foto: © Birgit Hupfeld)

Nach „Arsen und Spitzenhäubchen“ hatte am Samstag, den 5. April 2014 der „Der nackte Wahnsinn“ von Michael Frayn als zweiter Komödien-Spaß unter der Regie des Duos Peter Jordan und Leonhard Koppelmann seine Premiere auf die Bühne des Dortmunder Schauspielhauses.

Diese absurd-turbulente britische Komödie hat es wirklich in sich.

 

In dieser abgefahrenen Geschichte rund um das Theater versucht der verzweifelte Regisseur Lloyd Dallas mit seinem Assistenten Poppy Norton-Taylor und dem Inspizienten Tim Allgood kurz vor Mitternacht die am nächsten Tag anstehende Premiere des Stückes „Nackte Tatsachen“ zu retten.

Doch das Chaos hinter der Bühne groß, sondern auch Backstage wüten Eifersucht, Neid und Geltungsdrang. Das Problem ist, alle müssen irgendwie zusammenhalten, denn es steht, wie in England üblich, eine zehnwöchige Tournee an…

 

Ein Stück über Schauspieler, die ein Stück proben, klingt eigentlich mehr nach Insider-Gags. Doch „Der nackte Wahnsinn“ bot als Komödie alle Zutaten, was der Zuschauer an einer Komödie schätzt: Wenn irgendwo eine Tür zugeht, geht woanders eine Tür auf. Belanglose Requisiten wie beispielsweise Sardinen spielen plötzlich eine große Rolle und Schauspieler wechseln urplötzlich ihre Rollen. Schließlich durfte auch eine gewisse Portion Slapstick nicht fehlen.

Dabei zeigte das Dortmunder Ensemble erneut, welch gute Chemie zwischen den Schauspielern herrscht. Denn eine solche Komödie braucht Esprit, sonst funktioniert sie nicht und verkommt zur Nummernrevue.

 

Andreas Beck spielte mit sichtlichem Vergnügen den Regisseur mit langem Pferdeschwanz, mal väterlich mild verständnisvoll, dann wieder bestimmend („wenn Gottvater spricht“ ) und aufbrausend und laut, wenn die Jungschauspielerin Brooke Ashton mal wieder nichts versteht. Peer Oscar Musinowski als Regieassistent Poppy Norton-Taylor steht ihm als etwas „tuntig“ mit blonder Popper-Haarperücke treu zur Seite. Musinowski konnte hier, wie zum Beispiel schon in „Drama Queens“ bewiesen, sein komisches Talent wieder voll ausleben. Sebastian Graf spielt den Inspizienten und Bühnenmeister Tim Allgood, der als „Mädchen für alles“ fungiert. Klemmen Türen muss Tim ran, braucht das Ensemble noch Einbrecherkostüme, muss er sich trotz Schlafdefizit („Tim war 48 Stunden auf den Beinen“) ebenfalls drum kümmern.

 

Regisseur Peter Jordan hatte die Schauspielriege sehr gut besetzt. Fast möchte man niemanden herausheben, doch sehr gut war Friederike Tiefenbacher, die die leicht schusselige „Dotty Otley“ spielte. Dotty hatte darüber hinaus Geld in die Produktion gesteckt und sah im Laufe des Stückes ihre Altersvorsorge davonschwimmen. Auch Merle Wasmuth brillierte mit ihrer Darstellung der äußerst naiven Jung-Schauspielerin „Brooke Ashton“, die leider öfters ihre Kontaktlinsen verlor. Doch auch Frank Genser, Ekkehard Freye, Eva Verena Müller und Uwe Schmieder waren bei der Premiere gut aufgelegt.

 

Die beiden Regisseure Jordan und Koppelmann haben sich beim Bühnenbild nicht lumpen lassen und nutzten den Vorteil, den eine Drehbühne sich bietet. Im ersten Teil sah das Publikum ein ganz normales Bühnenbild, den Eingangsbereich eines typischen englischen Herrenhauses. Denn es war Generalprobe.Im zweiten Teil wechselt die Perspektive. Dann sehen wir das Bühnenbild von hinten. Und es wird deutlich: Aus dem Zusammenhalt am Anfang ist Neid, Missgunst und Eifersucht geworden. Im dritten Teil ist das Chaos dann perfekt. Zu sehen ist wieder das Bühnenbild vom Beginn, nur hat es durch die lange Reise und die vielen Aufführungen ordentlich was abbekommen. Die Treppe zum ersten Stock besteht nur noch zur Hälfte aus dem Original, manche Türen sind verschwunden. Der pompöse Elchkopf verliert auch noch sein Geweih.

 

Die Aufführung war ein augenzwinkernder Blick hinter die Kulissen des Theaters mit viel Spaß und Selbstironie der beteiligten Schauspieler/innen am Spiel.Sie verlangte den beteiligten Schauspieler/innen in den drei Stunden sowohl physisch als auch vom genauen Timing alles ab.

 

Kurz gesagt: Bei „Der nackte Wahnsinn“ ist der Titel Programm. Und ehrlich gesagt: Das ist auch gut so!

 

Weitere Vorstellungen: 9., 19., 25., 27. April und 8. Mai. Infos und Karten gibt es unter www.theaterdo.de oder 0231 5027222.




Familiärer Abend mit Musik

Nein, es waren nicht die „Hits aus den 80ern, 90ern und das Beste von heute“, sondern die Mischung, an Songs die Andreas Beck und Thorsten Bihegue bei der Spielbar am 14. März spielten, war deutlich bekömmlicher. „Die Welt ist eine Scheibe“ hieß es und man konnte das schwarze Vinyl spüren.

 

Tja, PVC hat ja einen nicht ganz so guten Ruf, aber in schwarze Scheiben gepresst, sorgt es für Extase und die glühendsten Erinnerungen. Doch die Spielbar wäre nicht die Spielbar, wenn sie einfach Platten abspielen würde. Zumal es nicht die Möglichkeit gab, einen Plattenspieler anzuschließen. So kam der Musikgenuss in elektronischer Form.

 

Zuerst mussten die Gäste wählen (oder ‚voten‘ wie es jetzt heißt). Zehn Lieder aus verschiedenen Epochen standen zur Wahl und daraus entstand eine Hitparade. Erwartungsgemäß kam James Blunt „You’re beautyful“ auf den letzten Platz. Dass Kraftwerk mit „Autobahn“ so schlecht abschnitt und auf den hinteren Plätzen kam, fand ich persönlich schade. Am Ende gab es zwei Sieger: Marvin Gaye mit „Sexual healing“ und die Eagles mit „Hotel California“.

 

Dazwischen gab es noch Textkunde, manche Songs wurden ins Deutsche übersetzt. Bihegue spielte zwei Lieder auf seiner Ukulele und es gab zwei Raterunden, bei denen die Besucher Schallplatten gewinnen konnten.

Das Texte für Mißinterpretationen sorgen können, ist bekannt. Andreas Beck erzählte die Geschichte von Pink Floyds „Another brick in the wall“, in der angeblich der Kinderchor die deutschen Worte „hol ihn, hol ihn unters Dach“ singt. Danach gab es noch weitere Kostprobem von „Verhörungen“.

 

Da wir ja in einem Theater waren, durfte die hohe Kultur nicht fehlen. So trugen Ekkehard Freye und Uwe Schmieder (ost-)deutsche Lyrik vor wie etwa „Ein bißchen Frieden“, „Ich steh auf Berlin“ oder „Hey, junge Mutti“.

 

So eine Spielbar sollte auf alle Fälle wiederholt werden, denn es gibt bestimmt noch genug Geschichten aus der „Scheibenwelt“.




Diese Spielbar legt auf

Von Schlager bis Prog-Rock. Songs udn die Geschichten dahinter beleuchten Dramaturg Thorsten Bihegue (links) und Schauspieler Andreas Beck.
Von Schlager bis Prog-Rock. Songs und die Geschichten dahinter beleuchten Dramaturg Thorsten Bihegue (links) und Schauspieler Andreas Beck.

Und zwar Schallplatten. Gut, kein Vinyl, aber wenn es am 14. März 2014 um 22:30 Uhr heißt „Die Welt ist eine Scheibe“ haben die Musikjunkies Andreas Beck (Schauspieler) und Thorsten Bihegue (Dramaturg) ihre Plattenregale durchstöbert.

 

Es geht am Freitagabend auch um Geschichten hinter den Songs, es wird ein Ratespiel geben und Freunde des (ost)deutschen Liedgutes werden von den Schauspielern Uwe Schmieder und Ekkehard Freye bedient.

 

Absurditäten und Skurriles werden sich auf dem mittlerweile elektronischen Plattenspieler ein Stelldichein geben. Thorsten Bihegue möchte auf seiner Ukulele das Lied „Das Leben eines Dramaturgen ist nicht einfach“ zum Besten geben.

 

Das Ende ist offen.  Ob ab 02:00 Uhr Stockhausen auf dem Programm stehen wird? Der Abend scheint für viele Überraschungen offen zu sein.

 

Die Karten kosten nur 5 €.




Kafkas „Prozess“ als Kammerspiel

Kurz vor der Hinrichtung scheint Josef K. (Björn Gabriel) das Unheil zu ahnen. Im Hintergrund: Andreas Beck und Sebastian Graf. (Foto: © Birgit Hupfeld)
Kurz vor der Hinrichtung scheint Josef K. (Björn Gabriel) das Unheil zu ahnen. Im Hintergrund: Andreas Beck (links) und Sebastian Graf. (Foto: © Birgit Hupfeld)

Nach „Peer Gynt“ von Henrik Ibsen zeigte das Schauspielhaus Dortmund Franz Kafkas „Der Prozess“ in einer konzentrierten Form. Die Premiere am 14. Februar im Studio dauerte etwa 90 Minuten. Regisseur Carlos Manuel präsentierte das Stück vor allem zu Beginn auch mit einer guten Prise Humor.

 

Zum Stück: Die Hauptfigur, Josef K., wird an seinem 30. Geburtstag verhaftet. Im Verlauf einer immer bizarrer werdenden Handlung versucht Josef K. herauszufinden, wer und vor allem weswegen er angeklagt wird. Trotz anwaltlicher Hilfe bekommt er keine Antworten. Nach einem Jahr wird er unvermittelt hingerichtet.

 

Die bis dahin allgemeine Lesart des Stückes war der aussichtslose Kampf des Individuum gegen eine übermächtige Bürokratie. Die Bilder des Films von Orson Welles aus dem Jahre 1962 verstärken diese Sichtweise noch. Carlos Manuel hat einen anderen Zugang gewählt. Zum einen betont er die durchaus komischen Aspekte des Stückes. Beispielsweise als Josef K. in der Vorstadt geht und die Frau des Gerichtsdieners beim Wäscheaufhängen antrifft. Manuel geht es im „Prozess“ auch darum , dass mit dem „Gesetz“ Spielregeln gemeint sind. Auch von Josef K, der ein Teil dieses Systems ist wird erwartet, dass er sich daran hält. Schon in der Anfangsszene wird dies deutlich: Die beiden Wächter (Uwe Rohbeck und Andreas Beck) sind nach ihrer Ansicht überaus freundlich zu dem Verhafteten, während Josef K. (Björn Gabriel) das Verhalten der beiden Beamten anmaßend findet. Er begreift nicht, dass er nicht die Spielregeln gestaltet. Im weiteren Verlauf des Stückes versucht Josef K. immer wieder, sich kleine Vorteile zu verschaffen, macht dabei aber den Fehler, den sirenenhaften Frauen wie Leni, der Frau des Gerichtsdieners oder Frau Bürstner (alle Merle Wasmuth) zu vertrauen.

Eine wichtige Rolle spielen die Begriffe wie Scham, Dominanz und Erniedrigung als Mittel der (Selbst-)Kontrolle und. Besonders deutlich wird es, wenn Sebastian Graf als kaufmann Brock die Hände des Advokaten (Uwe Rohbeck) die Hände küsst und sich wie ein Hund benehmen muss. Dazu passt der letzte Satz, der in der Inszenierung vom sterbenden Josef K. gesprochen wird. „Wie ein Hund! Als sollte mich die Scham überleben.“

 

Die Bühnenwand ist auf der rechten Seite eingerissen, und es schaut nur ein Augenpaar neugierig als Symbol für „Kontrolle“ heraus. Auf der gegenüberliegenden Seite ist die Wand mit einigen Postern beklebt, die eine leicht bekleidete Frau zeigen, deren Augen abgeschnittenen sind. Für den Maler Titorelli (Andreas Beck) die Vorlage für die „Justitia“. Inder Mitte der Bühne ist eine gutbürgerliche Tapetenwand zu sehen. Die Bühne ändert sich nicht, wenn der Ort der Handlung wechselt. Es hat eher den Eindruck, die Orte kämen auf Josef K. zu.

 

Björn Gabriel spielt den Josef K. in all seinen Facetten. Erst belustigt, weil er es für einen Scherz hält, dann immer fassungsloser werdend. Er bleibt fast immer beherrscht, auch wenn um ihn herum der Wahnsinn tobt. Eine beeindruckende Vorstellung von Gabriel.

Andreas Beck, Sebastian Graf und Uwe Rohbeck spielen mehrere Rollen. So spielt Graf unter anderem den arrogant wirkenden Direktor-Stellvertreter und den devoten Kaufmann Block. Uwe Rohbeck hat als Aufseher Franz einen komischen Auftritt und zeigt als Advokat die kalte, abweisende Seite eines Menschen, der über Macht verfügt und sie huldvoll gewährt oder nicht.

Andreas Beck spielt bis auf die Rolle des Gerichtsdieners Personen, die es eher gut mit Josef K. meinen wie seinen Onkel oder den Maler Titorelli.

Merle Wasmuth spielt ebenfalls mehrere Rollen: Sie ist sehr oft als verführerische Frau zu sehen (Frau Bürstner, Leni), aber auch das Sadomaso-Domina in der Rolle der Prüglerin.

Wenn sie dem „Prozess“ beiwohnen möchten, haben Sie ab April wieder die Möglichkeit dazu. Mehr Infos unter www.theaterdo.de




Kampf um Bewahrung der Menschlichkeit

Kurzer Moment der Glückseligkeit. Die junge Nawal (Friederike Tiefenbacher) und Wahab (Peer Oscar Musinowski). (Foto: © Birgit Hupfeld)
Kurzer Moment der Glückseligkeit. Die junge Nawal (Friederike Tiefenbacher) und Wahab (Peer Oscar Musinowski). (Foto: © Birgit Hupfeld)

Am 30. November 2013 war Premiere für „Verbrennungen“, nach dem Thriller des im Libanon aufgewachsenen kanadischen Autoren Wajdi Mouawad. Das Buch wurde 2010 unter dem Titel „Die Frau die singt“ verfilmt.Die niederländische Regisseurin Liesbeth Coltof unterstützt schon seit vielen Jahren junge Schauspieler/innen im Gaza-Gebiet und hat dort auch schon verschieden Inszenierungen aufgeführt.Diese besondere Beziehung zum Nahen Osten merkt man auch in ihrer sensiblen Inszenierung von „Verbrennungen“.

 

Zur Geschichte: Die im Nahen Osten aufgewachsene Nawal hinterlässt ihren in Kanada ohne Vater aufgewachsenen 22 Jahre alten Zwillingen Jeanne und Simon nach ihrem Tot durch die befreundete Notarin Hermile (im Film ein Notar) ein verstörendes Testament. Jeanne soll ihren tot geglaubten Vater suchen und Simon den ihm völlig unbekannten Bruder. Vorsichtig nähern sich zunächst Jeanne, dann auch ihrer Simon dem unfassbaren Geheimnis der Mutter, die zuvor fünf Jahre geschwiegen hatte. Langsam setzen sich die einzelnen Mosaiksteine zu einem erschütterndem Ganzen zusammen… Der Ort im Nahen Osten ist bewusst nicht genau lokalisiert. Der Libanon dient nur als ein Muster für Bürgerkriegskonflikte, die zu einem Teufelskreis der Gewalt führen.

 

Wie bewahrt man sich Menschlichkeit in einer Welt des Hasses? Wie durchbricht man den Teufelskreis von Hass und Rache und noch mehr Hass und noch mehr Rache? Diese Fragen tauchen häufiger im Stück auf. Auf den Rat der Großmutter hin lernt Nawal Lesen, Schreiben und selbstständig zu Denken. Das macht sie selbstbewusst und aktiv. Es macht zunächst Mut, Nawal mit all ihrer Hoffnung auf diesem Weg der Menschlichkeit zu begleiten. Trotz Rückschläge will sie sich ihre Menschlichkeit bewahren. Nawal steht für die Millionen von Frauen in den Kriegen der Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft. Sie werden vergewaltigt, getötet und ihrer Kinder beraubt. Die Schrecken, die sie miterlebt haben, machten manche stumm. Wie Nawal. Denn das Schweigen ist für sie besser als dem Hass freien Lauf zu lassen.

 

Die erste Überraschung präsentierte Coltof gleich zu Beginn: Die Bühnenbild ist als Symbol für die Unwissenheit der Kinder ganz in weiß gehalten. Weiße Holzplatten und Stühle und ein heller , flexibel benutzbarer ein und ausfahrbarer Vorhang prägen das Bild.

 

Im Stück werden die verschiedenen Zeitebenen öfter gewechselt. Ausgangspunkt ist das gegenwärtige Wissen der Kinder. Nach und nach erfährt das Publikum durch ihren Blickwinkel mehr von Nawals vom Bürgerkrieg geprägte Biographie. Der Wechsel der Zeitebenen wird hauptsächlich durch Änderung der Beleuchtung verdeutlicht. Die Geschichte von Nawal (Friederike Tiefenbacher), beginnt,als sie im Alter von 14 Jahren von ihrem Geliebten Wahab (Peer Oscar Musinowski) schwanger wird. Das Kind wird ihr weggenommen und verschwindet in einem Waisenhaus. Nach einem weisen Rat ihrer Großmutter „lerne lesen, schreiben, denken“schaffte die die verzweifelte Nawal es, das Land zu verlassen und schreiben zu lernen. Als sie nach drei Jahren in ihr Heimatdorf zurückkommt um nach ihrem Kind zu suchen, schreibt sie stolz den Namen ihrer Großmutter auf deren Grab. Sawda , eine Freundin, eindringlich gespielt von Caroline Hanke , hat den starken Wunsch, ihr zu folgen und ebenfalls lesen zu lernen. Bildung als Mittel zur Befreiung ist ein zentraler Punkt in dem Stück. Eine große Herausforderung stellt sich Friederike Tiefenbacher. Sie spielt die Nawal im Alter von 14 Jahren, dann 17-jährig, 40-jährig im Gefängnis und dann am Ende als über 60-jährige. Sie macht das mit Hilfe kleiner Veränderungen an ihren Haaren, aber vor allem durch ihre Verhalten.

 

Die beiden Zwillinge Jeanne und Simon sind völlig verschieden angelegt. Jeanne (gespielt von Julia Schubert), Mathematik-Dozentin versucht mit Rationalität an die Geschichte heranzugehen. Sie ist sofort bereit, ihren Vater zu suchen und bereist das Land ihrer Mutter. Simon (Sebastian Graf) ist sehr emotional und aggressiv. Er verzeiht ihr ihr langes Schweigen nicht. Simon kompensiert seine Aggressivität dadurch, dass er Amateur-Boxer ist. Erst spät fährt auch er ins Land seiner Mutter, um seinen Bruder zu suchen und erfährt die schreckliche Wahrheit.

 

Andreas Beck und Carlos Lobo spielen mehrere Rollen und haben in dem Stück die Funktion, die Geschichte weiter zu bringen. Sei es als Fremdenführer, Gefängniswärter oder Hausmeister. Oscar Musinowski spielt ebenfalls mehrere Rollen unter anderem Wahab, den Vater des ersten Kindes von Nawal. Die verschiedenen Persönlichkeiten glaubhaft darzustellen ist ihm gelungen.

 

Einen besonderen Kniff hatte sich Coltof noch ausgedacht: Sechs Frauen aus unterschiedlichen nicht-europäischen Ländern waren teilweise mit auf der Bühne (Jeannie Marianna Dressman, Sila Ekiztas, Emine Turhan, Yasemin Ucar, Fatma Ulutopcu und Jing Wu). Sie kamen auf Afrika, China, der Türkei und hatten keinerlei Bühnenerfahrung. Ihre Präsenz machte aber deutlich, dass Vertreibung, Mord und Vergewaltigung noch in weiten Teilen der Welt gang und gäbe sind. Der Teufelskreis Hass und Rache dreht sich immer noch und vor allem die Frauen müssen darunter leiden. Oftmals ohne Bildung müssen sie dem jeweiligen Sieger zu Willen sein. Bildung und selbstständiges Denken sind sind jedoch sicherlich wichtige Grundlagen zur Durchbrechung dieses Teufelskreises.

 

Musik und Bilder wurden bei der Inszenierung dezent aber wirkungsvoll eingesetzt.  Ein großes Kompliment an das gesamte Ensemble. Es ist ihnen gelungen, das Publikum tief zu berühren. Da flossen bei einigen auch ein paar Tränen.  „Verbrennungen“ berührt durch seine sparsame Inszenierung, durch das Spiel der Schauspieler und der sechs Frauen. Das Stück fängt an wie ein geschichtlicher Familienkrimi an, wo am Ende nur das Schweigen bleibt, um die Menschlichkeit zu bewahren.  So soll Theater sein!

 

Weitere Termine am 5., 14. und 27. Dezember sowie am 08. und 24. Januar 2014.

Karten und Infos unter www.theaterdo.de oder 0231 50 27222.

 




Drama Queens im Liebestaumel

Schafft es Romeo seine Juklia noch einmal runzukriegen? (v.l.n.r.) Andreas Beck, Eva Verena Müller, Peer Oscar Musinowski, Sebastian Graf, Merle Wasmuth und Bettina Lieder. (Foto: © Birgit Hupfeld)
Schafft es Romeo seine Julia noch einmal runzukriegen? (v.l.n.r.) Andreas Beck, Eva Verena Müller, Peer Oscar Musinowski, Sebastian Graf, Merle Wasmuth und Bettina Lieder. (Foto: © Birgit Hupfeld)

Bei der Premiere des Lieder-abends mit Live-Musik „Drama Queens“- neue Songs aus der Kantine“, nach einer Idee von Christian Quitschke am 6. Oktober 2013 stand die Musik voll im Mittelpunkt. Gesprochen wurde von den drei Weiblichen und drei männlichen Schauspielern „Drama Queens“ noch weniger als bei „La Cantina Adrenalina“ aus der letzten Spielzeit.

Regisseur und Schauspieler Andreas Beck gelang es zusammen mit Quitschke, Dramaturg Thorsten Bihegue und der musikalischen Leitung von Paul Wallfisch hervorragend, dem Publikum das Geschehen auch ohne viel Worte mit einer gelungenen und passenden Musikauswahl nahe zu bringen.

Paul Wallfisch wurde mit seinen Kollegen Gregor Kerkmann am Bass, Martell Beigang am Schlagzeug und Marcus Scheltinga gleich am Anfang live und „unplugged“ mitten auf der Bühne in die Handlung eingebunden. Später begleiteten die Musiker das Geschehen professionell und gekonnt wie schon bei „La Cantina“ auf einer erhöhten Plattform links.

Nach der Premierenfeier von „Hamlet“ aus „La Cantina“ stehen sofort die neuen Proben für „Romeo und Julia“ von Shakespeare an. Natürlich wegen Schwierigkeiten wieder in der Kantine.

Kantinenwirtin ist immer noch Bettina Lieder, die noch ein wenig ihrer alten Liebe, dem ehemaligen Regieassistenten nachtrauert, aber gleich für den neuen, gut gebauten und zunächst etwas tollpatschigen Assistenten (Oscar Musinowski) entbrennt. Mit viel Sexappeal und erotischen Spielchen umgarnt die Kellnerin nach allen Regel der Kunst den neuen Regieassistenten. Das führt zu wunderbar komischen Situationen. Musinowki entwickelt in seiner Rolle im Laufe des Abends ein immer größeres Selbstbewusstsein.

In den Stück wird gleich klar, die weiblichen „Drama Queens“ ziehen die Fäden. Das gilt zunächst für die neue Regisseurin aus den USA, gespielt von Eva Verena Müller. Musikalisch hinterließ sie innerhalb des musikalischen Ensembles als Soul-Queen einen besonderen bleibenden Eindruck. Dass die Regisseurin auf Frauenpower steht (bei ihr heißt das Stück nur „Julia“), sorgt gleich für Komplikationen.

Somit knirscht es auch im Gebälk der Beziehung zwischen dem Schauspieler (Sebastian Graf) und der Schauspielerin (Merle Wasmuth) als Julia. Wasmuth spielte und sang mit viel Liebreiz und Bestimmtheit.

 

Gegen Ende wird „Romeo und Julia“ aufgeführt, wobei Andreas Beck auch in einer Frauenrolle zu sehen ist, ein großartiger Moment in einer sowieso großartigen Inszenierung.

Musikalisch stehen die 70er und 80er im Vordergrund. Von ABBA über Kraftwerk bis hin zu den Ramones. Natürlich durften die Dire Straits mit „Romeo and Juliet“ nicht fehlen.

 

Das Publikum tobte vor Begeisterung. Zurecht. „Drama Queens“ hat das Zeug zu einem Kultklassiker.

 

Die weiteren Termine für „Drama Queen“ sind der 9- November sowie der 13. und 31 Dezember 2013.

 

Infos und Karten erhalten Sie unter: Tel. 0231/50 27 222 oder www.theaterdo.de .




Drama Queens – musikalischer Blick hinter die Theaterfassade

Drama, Baby! Dramaturg und Regisseurin in Unilook. (Foto: ©  Schauspiel Dortmund)
Drama, Baby! Dramaturg und Regisseurin in Unilook. (Foto: © Schauspiel Dortmund)

Wer schon von „La Cantina Adrenalina“ aus der letzten Spielzeit begeistert war, hat wieder Grund zur Freude. Es gibt mit der Premiere von „Drama Queens – Neue Songs aus der Kantine“ am Sonntag, dem 6. Oktober um 18 Uhr eine Fortsetzung der heiter-melancholischen musikalischen Einblicke in den alltäglichen Wahnsinn zwischen Proben und Premiere im Theater. Hier geht’s zum Premierenbericht… Regie bei der Fortsetzung führt der Schauspieler Andreas Beck. Er hat auch zusammen mit Dramaturg Thorsten Bihegue das Konzept entwickelt.

„Wie alle anderen Menschen spielen auch die Schauspieler, die Kantinenchefin, die Regisseurin u.s.w. ihre „Rolle. Hinter der Fassade sieht es ja oft ganz anders aus“, so Beck. Zum Stück: „Drama Queens“ schließt nahtlos an die Premierenfeier nach der Hamlet-Inszenierung von „La Cantina Adrenalina“ an“, erklärte Bihegue. Nun steht die Inszenierung von Shakespeares „Romeo und Julia“ vor der Tür. Liebe und Eifersucht spielen im Stück natürlich wieder eine große Rolle. Neben den bekannten Schauspielern und Figuren aus La Cantina gibt auch einige Veränderungen. Die Schauspielerin Eva Verena Müller wird zum Beispiel zur Regisseurin befördert. Der alte Regieassistent (Christoph Jöde) ist weg und wird durch einen neuen (Oscar Musinowski) ersetzt. Mit Merle Wasmuth gibt es auch eine neue Schauspielerin.

 

„Wir haben uns bemüht, die Dialoge zu minimieren, Das Geschehen und die Übergänge sollen hauptsächlich von den Songs erklärt und bestimmt werden“, so Beck. Das musikalische Repertoire ist umfangreich und geht von „Romeo und Julia“ von Udo Lindenberg, „Romeo and Juliet“ von den Dire Straits bis hin zu „Die Roboter“ von Kraftwerk.

 

Die musikalische Leitung übernimmt wieder Paul Wallfisch am Keyboard und Gitarre. Ihm zur Seite stehen Gregor Kerkmann (Bass), Martell Beigang am Schlagzeug und Marcus Scheltinga an der Posaune sowie an der Gitarre. Sie werden dieses Mal am Anfang sogar mit auf auf der Bühne stehen.

 

Bei „Drama Queens“ gibt es noch etwas ganz besonderes.

Bei jeder Aufführung wird es einen überraschenden Gastauftritt geben, der den Knef-Titel „Für mich soll’s Rote Rosen regnen“ zum besten gibt.. Für die Premiere steht dieser schon fest. Für alle weiteren Vorstellungen haben mutige Interessierte die Gelegenheit, ihr Gesangstalent zu beweisen und diesen Song auf der Bühne live zu präsentieren. Interessenten können sich bei homayoun@theaterdo.de melden.

 

Die weiteren Termine für „Drama Queen“ sind der 9- November sowie der 13. und 31 Dezember 2013. Restkarten für die Premiere am 6. Oktober und für die anderen Termine sind noch zu haben.

 

Infos und Karten erhalten Sie unter: Tel. 0231/50 27 222 oder www.theaterdo.de .




Von Klischees und Lebenslügen

Der Plan für die Wette wird ausgearbeitet: (v.l.n.r.) Sebastian Kuschmann, Frank Genser, Andreas Beck und Ekkehard Freye. (Foto: © Birgit Hupfeld)
Der Plan für die Wette wird ausgearbeitet: (v.l.n.r.) Sebastian Kuschmann, Frank Genser, Andreas Beck und Ekkehard Freye. (Foto: © Birgit Hupfeld)

Die Komödie „Männerhort“ von Kristof Magnusson ist sicherlich nicht die feinfühligste zum Thema Geschlechterklischees. Gerade zu Beginn, als die vier Männer ihre einkaufenden Frauen beschrieben, hat man das Gefühl, Mario Barth zuzuhören.

Auch bei der Charakterisierung der Männer hat Magnusson tief in die Klischeekiste hineingegriffen und Pizza, Bier und Fußball herausgeholt. Das die Premiere am 21. September nicht in diesem Schwarz-Weiß-Schema stecken blieb, ist der Regie von Jens Kerbel und Jennifer Whigham zu verdanken. Die bestens aufgelegten Schauspieler verstanden es außerdem, auch die tragischen Seiten des Stückes gut darzustellen.

 

Wiederholungen sind das Thema der Spielzeit 13/14 im Schauspielhaus. Nach der Wiederholungsorgie „Das Goldene Zeitalter“ geht es in der Komödie „Männerhort“ um drei (später vier) Männer, die jeden Samstag nach fünf Stunden einkaufen mit ihren Frauen in einen Heizungskeller flüchten, in dem sie es sich heimelig gemacht haben. Fernseher, Pizza, Kühlschrank mit Bier, alles ist vorhanden, was ein Mann braucht. Jeder hat unterschiedliche Ausreden. Doch als Mario, die „Formel 1“-Wette vorschlägt, die besagt, dass Mann nur eine statt fünf Stunden braucht, um in den Männerhort zu gelangen, bricht das Chaos aus und Lebenslügen kommen zu Tage.

 

Der Dortmunder „Männerhort“ hat ein fast reales Vorbild: Die Thier-Galerie. Das Regieduo Kerbel und Whigham haben das Einkaufzentrum, das nur 200 Meter vom Studio entfernt liegt, als aktuelles Vorbild genommen, beispielsweise sind die Namen der Läden reale. Ob Larissa Hartmann im Heizungskeller der Thier-Galerie war, weiß ich nicht, aber sie hat einen realistischen Raum mit Heizungsrohren gebaut, was der hochgewachsene Andreas Beck als Mario ab und an zu spüren bekam.

 

Die Chemie zwischen den vier Schauspielern stimmte. Ekkehard Freye spielt Helmut, der den Männerhort quasi gegründet hat. Ihm ist es wichtig, diesen Rückzugsort nicht zu verlieren, er stemmt sich gegen die Auflösungserscheinungen. Freye spielt zu Beginn Helmut als Macher, Organisator, der an dem Status Quo festhalten will, weil sich seine Lebenslügen draußen langsam zu einem Orkan zusammenbrauen.

Frank Genser zeigt sehr schön die innere Verwandlung von Eroll, der sich im Laufe des Stückes zu einem „Frauenversteher“ wandelt, Das konnten die Zuschauer auch an seinen Outfit-erkennen. Trug Genser zunächst eine sportliche Radlerkluft, zeigte er sich am Ende im schicken Anzug.

 

Sebastian Kuschmann spielte glaubwürdig den selbstverliebten, eitlen Lars, der eine offene Ehe führt, aber eigentlich nicht damit zurecht kommt, wenn seine Frau auch ihn betrügt.

Köstlich, wie er zum Beispiel bei den Handy-Gesprächen mit seinen Internet-Bekanntschaften seine blonde Haarmähnen-Perücke gekonnt nach hinten wirft und versucht, eine möglichst maskulin klingende Stimme zu bekommen.

 

Andreas Beck glänzt als sächselnder Feuerwehrmann Mario mit Vokuhila und Schnäuzer. Naiv und unbekümmert setzt Mario mit seiner 1-Stunden-Wette die Katastrophe in Gang.

 

Nachdem das Pointenfeuerwerk der Klischees zu Beginn abgebrannt wurde, kippt die Stimmung als die Männer merken, dass sie ihre Beziehungen aufs Spiel gesetzt haben und ihre Lebenslügen kommen zum Vorschein. Whigham und Kerbel haben nämlich das ursprüngliche Happy-End verändert. Die, die sich sonst als pfiffige Gewinner darstellen, stehen plötzlich vor den Trümmern ihres Lebenstraums. Symbolisch dafür steht die Zerstörung der riesigen Kette aus Bierdosenverschlüssen, mit der sie ins Guinessbuch der Rekorde kommen wollten. Am Ende bleibt ihnen nur das trotzige „Wir sind keine Verlierer“, bis das Licht ausgeht.

 

Karten sind noch für den 1. und 17. November 2013 zu haben.

 

Informationen und Karten erhalten Sie über Tel. 0231/50 27 222 oder www.theaterdo.de