„Madame Butterfly“ und die Tragik einer Desillusionierung

Im Dortmunder Opernhaus hatte am 15. September 2019 die tragische
Oper „Madame Butterfly“ von Giacomo Puccini (1858 – 1924) in
drei Akten mit dem Libretto von Giuseppe Giacosa und Luigi Illica
seine vom Publikum gefeierte Premiere.

Die emotional
bewegende Musik von Puccini wurde durch die Dortmunder Philharmoniker
unter der engagierten Leitung von Generalmusikdirektor Gabriel Feltz.
Unterstützt wurden die Sängerinnen und Sänger zudem vom Opernchor
Theater Dortmund (Leitung: Fabio Mancini) sowie der Statisterie und
Kinderstatisterie (Theater Dortmund).

Beeinflusst war
Puccini für seine Oper zum einen von der der Tragödie „Madame
Butterfly“ (David Belasco) wie auch von der gleichnamigen
Kurzgeschichte des Autors John Luther Long. Musikalischen flossen in
diese italienische Oper nicht nur rein japanische Motive in das Werk
ein, sondern als Ideengeber diente zudem eine in der Schweiz
hergestellte Spieluhr mit chinesischer Folkloristik.

Die moderne
Inszenierung von Regisseur Tomo Sugao spielte bewusst mit gängigen
Japan-Amerika-Klischees, mit traditionellen (Kimono, Samurai-Krieger)
wie modernen Elementen (Projektion, Handy oder von japanischen Mangas
oder Schuluniformen beeinflussten Kleidungsfragmenten). Alles in den
amerikanischen Farben blau, weiß und rot gehalten.

Entsprechend der
Perspektive (Brille) des amerikanischen Marineoffiziers Pinkerton
(stark Andrea Shin) wurde die Hochzeitsgesellschaft entsprechend
gekleidet. Die Bühne war komplett mit japanischen Schiebetüren und
Raumteilern (Shoji-Stil) ausgestattet, die sich wunderbar flexibel je
nach Bedarf einsetzen ließen und mit denen gespielt werden konnte.

In der Handlung
benutzt Marineoffizier Pinkerton das vom etwas
schleimig-anbiederischen Vermittler Goro (humorvoll-ironisch
dargestellt von Fritz Steinbacher) erworbene Haus in Nagasaki samt
Geisha Cio-Cio-San und Dienerschaft als amüsantes Spielzeug. Er will
die exotisch reizvolle junge Sio-Cio-San, von ihm „Butterfly“
(Schmetterling) genannt, pro forma heiraten. Nach geltendem Recht
kann er die Ehe jederzeit auflösen lassen, um später eine passende
Amerikanerin zu heiraten.

Madame Butterfly (Cio-Cio-San), sehr sensibel interpretiert und großartig gesungen von Anna Sohn, gibt alles für ihren „amerikanische Traum“ als die Ehefrau von Pinkerton auf. Sie gibt ihre Familie auf, die sie – angeführt von Onkel Bonzo (kraftvoll Denis Velev) – verstößt, als sie den katholischen Glauben ihres Mannes annimmt. Außerdem wartet sie drei Jahre geduldig mit ihrem inzwischen geborenen kleinen Sohn auf die Rückkehr ihres Ehemannes.

Frank Philipp
Schlößmann schafft mit seinem Bühnenbild Raum für
Sehnsuchtsbilder, die die Hoffnung und Erwartungs-Illusionen von
Butterfly verdeutlichen. So kreisen im Hintergrund Projektionen der
Freiheitsstatue oder es ist eine große amerikanische Flagge zu
sehen, die am Ende desillusioniert heruntergefahren wird.
Atmosphärisch wird das Licht eingesetzt, und zwei gegeneinander
fahrbare Ebenen mit Lichtrahmen sorgen für immer neue Bildeindrücke
und -ausschnitte.

Zentral ist die
Brautthematik im Stück. Zunächst ist Butterfly in einem japanischen
Brautkimono gehüllt, beim Liebesduett trägt sie ein westliches
Brautkleid. Als Traum- und Spiegelbild wird ihr schon da die
„amerikanische Rivalin“ Kate Pinkerton (Penny Sofroniadou),
ebenso gekleidet gegenübergestellt.

Ihr treu zur Seite
steht immer die Dienerin Suzuki (Hyona Kim). Der Konsul Sharpless
(Mandla Mndebele) hat zwar Mitleid, kann aber auch nicht wirklich
helfen.

Als B.F. Pinkerton
nach drei Jahr mit seiner neuen Frau Kate zurück kommt, um den
kleinen Sohn nach Amerika mitzunehmen, bleibt der desillusionierten
Butterfly nur der Weg in den gemeinsamen Tod mit ihrem Sohn. Hier
nimmt der Regisseur eine kleine Änderung vor, denn in der
Ursprungsfassung überlebt das Kind.

Informationen zu
weiteren Aufführungsterminen erhalten Sie wie immer unter
www.theaterdo.de




Dramatische Oper um Rache, Macht und Liebe

Die „Chinawochen“
im Opernhaus Dortmund gehen weiter. Nach der Operette „Im Lande des
Lächelns“ hatte am Samstag, den 09.02.2019 die dramatisch-lyrische
Oper „Turandot“ von Giacomo Puccini (1858 – 1924) unter der
Regie von Tomo Sugao seine umjubelte Premiere.Das Libretto der
letzten und unvollendeten Oper von Puccini stammte von Giuseppe Adami
und Renato Simoni. Musikalisch sensibel begleitet wurde die
Aufführung von der Dortmunder Philharmoniker unter der engagierten
Leitung von Generalmusikdirektor Gabriel Feltz.

Der Opernchor
Theater Dortmund unter der Leitung von Fabio Mancini sowie die
Statisterie und Kinderstatisterie Theater Dortmund sorgten für eine
berührende und atmosphärische starke „Volks-Begleitung“.

Dem chinesischen
Hintergrund der Oper wurde mit einem relativ statischen Bühnenbild
mit rot-schwarzer intensiver Farbe an den Wänden und der Decke oder
dreigeteilten Kammern mit chinesischen Lampen Rechnung getragen. Für
spezielle Effekte und Auftritte ließ sich hinten eine Luke öffnen.
Die Kostüme waren fantasievoll und passend für eine Fabel
kontrastreich ausgestattet. Glanzvoll bei den Herrschaften am
Kaiserpalast und ärmlich für das Volk. Eine besondere Bedeutung bei
der Inszenierung zur Unterstreichung der verschiedenen Gemütszustände
hatte die Beleuchtung. Ein großes Kompliment an Ralph Jürgens, der
für das Licht verantwortlich war.

Die Geschichte der
von Rachegelüsten zerfressenen und in sich zurückgezogenen
Prinzessin Turandot und deren Öffnung für die Liebe am Ende,
eindrucksvoll gespielt und gesungen von Stéphanie
Müther, wird kontrastiert durch den starken Charakter
der Sklavin Liù
. Durch ihre wahrhaftige
Liebe für den Werber um
Turandot, den
tatarischen Prinz Calef, ist
sie diejenige, die eigentlich die Veränderung bei der chinesischen
Prinzessin bewirkt und ihren „Drachenpanzer“ langsam durchdringt.
Mit spielerischer Leidenschaft und Stimmgewalt begeisterten
Sae-Kyung Rim (Liù)
und Andrea Shin als Calaf
in diesen Rollen das Publikum. Überzeugen konnte auch die hier gut
bekannte Karl-Heinz Lehner als Timur
(entthronter
König der Tataren) und Kammersänger Hannes Brock als Altoum (Kaiser
von China). Das auf
Machterhalt und Rache ausgerichtete autoritäre System wird in seiner
Brutalität dargestellt. Die Männer
kommen in der Oper
eher schlecht weg. Der Prinz Calaf ist kein Held , der nur um seine
Liebe kämpft, sondern zuerst jemand, der sich etwas beweisen muss.
Er will vor allem Kaiser und als Herrscher von China Macht und ein
Reich zurück gewinnen. Dazu opfert er auch seine eigentliche Liebe
zu Liù.

Im kalten blauen Mondlicht fühlt sich Turandot (rechts) am wohlsten. Sie zörgert nicht einmal, Liù (links) und Timur (unten) zu foltern, um an den Namen ihres Herausforderers zu kommen. (Foto: © Theater Dortmund)
Im kalten blauen Mondlicht fühlt sich Turandot (rechts) am wohlsten. Sie zörgert nicht einmal, Liù (links) und Timur (unten) zu foltern, um an den Namen ihres Herausforderers zu kommen. (Foto: © Theater Dortmund)

Die
Männer, in der Geschichte wirken bis
auf Calaf, eher hilflos
und auf den Erhalt des Systems gerichtet. Calaf
ist dagegen gerissen, und schlägt die Prinzessin am Ende mit ihren
eigenen Waffen, indem er ihr selbst ein Rätsel stellt.

Eine
besondere Rolle als
zynische Komiker spielen
die aus der Commedia
dell‘ Arte entnommenen Figuren dreier
Minister Ping (Morgan Moody), Pong (Sunnyboy Dladla) und Peng (Fritz
Steinbrecher). Die drei
füllten diese Aufgabe mit viel Sinn für Humor und Stimme gut aus.
Sie wollen eigentlich kein Blutvergießen und wünschen sich die
„alten Zeiten“ zurück. Sie sind aber ein Teil des Systems und
denken nur an ihr Vergnügen. Hier
kommen Komik, Groteske und Grausamkeit zusammen.

Beeindruckend
inszeniert Regisseur Sugao das Volk. Wie eine geifernde Zombiehorde
weidet sie sich am Tod des persischen Prinzen zu beginn und freut
sich schon auf das nächste Opfer. Doch das Volk ist eine
beeinflussbare Masse, die mal „köpft ihn“ruft, dann wieder
Mitleid für einen an den Rätseln der Prinzessin gescheiterten
„schönen Prinzen“ hat.

Die
Beeinflussung der Menschen durch die sozialen Medien ist heute
ungleich größer und unberechenbarer. Das konnte Puccini sich damals
natürlich in seinen kühnsten
Träumen nicht vorstellen. Die
Härte und Extreme und Mechanismen an „Turandot“ sind uns leider
auch heute immer noch zu vertraut.

Musikalisch
bietet die Oper eine Vielfalt unterschiedlichen Stilen. Melodien aus
der aus einer
chinesischen Spieldose und dem Buch „Chinese Music“ (Shangai,
1884), emotionale italienische Arien wie die die
berührende „Nessun dorma“,
oder etwa von Richard
Strauss, Claude Debussy sowie Igor Strawinsky musikalisch
beeinflusste Passagen. Außerdem setzte Puccini ein nur aus fünf
Tönen bestehendes exotisch anmutendes System ein.

Eine
Inszenierung mit starken Stimmen, Bildern und Gegensatzpaaren.

Informationen
zu weiteren Aufführungsterminen erhalten Sie wie immer unter
www.theaterdo.de