Klangvokal 2019 – Agrippina als Kombination von Erotik und Machtbesessenheit
Am 08. Juni 2019 wurde im Orchesterzentrum NRW die Oper „Agrippina“ von Georg Friedrich Händel konzertant aufgeführt. Für die Musik waren die „Les Talens Lyriques“ unter der Leitung von Christoph Rousset verantwortlich. Zusammen mit den acht Sängerinnen und Sängern entführten uns die Künstler unter mithilfe von barocken Klängen in die Welt der Antike, in der Machtbesessenheit und Erotik eine gefährliche Mischung bildeten.
Ein wahrhaft
dramatischer Stoff: Kaiser Claudius soll auf der Rückreise aus
Britannien ertrunken sein, daher möchte seine Frau Agrippina ihren
Sohn Nero zum Kaiser krönen lassen. Dumm nur, dass Claudius lebt und
schlimmer noch, er hat seinen Feldherrn Otho (im Libretto Ottone
genannt), der ihm das Leben rettete, zum Kaiser bestimmt. Pech für
Agrippina? Sie entwickelt ein Intrigenspiel, in dem Poppea eine
zentrale Rolle spielt. Poppea wird wird Otho, Nero und Claudius
geliebt. Sie liebt zwar Otho, aber wenn ihr eingeflüstert wird, dass
Otho nur an der Kaiserkrone interessiert wird…
Musikalisch bietet
„Agrippina“ alles, was eine barocke Oper ausmacht. Viele
wunderschöne Rezitativ-Arien, so entsagt Nero verzweifelt der Liebe
„Come nubo che fugge“ in einer herrlich melancholischen Art,
zartschmelzende Liebesarien von Otho und Poppea erklingen gegen Ende.
Natürlich hat die Titelheldin, deren Motto „Gelobt sei der, der
zum Regieren die Intrige nutzt“, auch die schönsten Arien.
Angefangen von „L‘alma mia fra le tempeste“ bis hin zu „Ogni
vento ch‘al porto lo spinga“.
Händel bringt die
Gefühle von Intrigen, enttäuschter und echter Liebe, Frust und
Triumph in gekonnter Manier auf das Notenblatt. Dabei bedient er sich
seiner früheren Werke sowie von Komponisten seiner Zeit. Im 18.
Jahrhundert anscheinend kein Problem, heute hätte Händel vermutlich
Probleme mit dem Urheberrecht. Dennoch oder gerade deshalb ist
„Agrippina“ ein Stück wie aus einem Guss und es ist kein Wunder,
dass die Oper heute immer noch oft aufgeführt wird, trotz der
dreistündigen Dauer.

Auch wenn sich das
Festival Klangvokal auf die Stimmen konzentriert und es im
Orchesterzentrum gar keine andere Möglichkeit gab, die konzertante
Aufführung kann leider die Situationskomik im dritten Akt nicht auf
die Bühne bringen. Denn da versteckt Poppea, die sich auch an
Agrippina rächen will, nicht nur Otho, sondern auch Nero hinter
Türvorhängen. Zudem taucht auch noch Claudius auf.
Neben der wunderbar
dargebotenen Musik enttäuschten auch die Sängerinnen und Sänger
nicht. Maité Beaumont überzeugte als intigrante Agrippina, ebenso
wie Eugénie Warnier als Poppea. Die Mezzosopranistin Ève-Maud
Hubeaux legte noch etwas schauspielerische Energie in ihrer
Darstellung des jungen Nero. Countertenor Paul-Antoine Bénos-Djian
als Otho gelang der Wechsel von himmelhochjauchzend bis zu Tode
betrübt wunderbar und Bassbariton Arnaud Richard als Claudius, der
nicht weiß, wie im mitgespielt wird, sang seinen Part souverän.
Auch die Nebenrollen
von Narciso (Ray Chenez), Lesbo (Douglas Williams) und Pallante
(Ètienne Bazola) waren perfekt besetzt.