Sophie Scholl und die Gewissensentscheidung
Im kleinen intimen Bühnenraum Sckelly des Dortmunder Kinder- und
Jugendtheaters (KJT) hatte am 26.09.2019 mit „Name: Sophie Scholl“
von Rike Reiniger (ab 14 Jahre) unter der Regie von Annette Müller
ein besonderes Solo-Stück seine Premiere. Für die
KIT-Schauspielerin Ann-Kathrin Hinz war ihre erst Solorolle eine
große Herausforderung.
Worum geht es: Die
junge Jura-Studentin Sophie Scholl hat gerade ihre wichtige
Examens-Abschlussarbeit absolviert und abgegeben. Nun steht sie vor
der schweren Entscheidung, ihren korrupten Professor durch eine Lüge
als Zeugin vor Gericht zu schützen und ihre Karriere zu gefährden,
oder die Wahrheit zu sagen und die angeklagte Sekretärin der Uni mit
ihrer Aussage zu entlasten. Dass sie den Namen der
Widerstandskämpferin Sophie Scholl (1921–1943) die wegen ihrer
klaren Gewissensentscheidung gegen das Nazi-Regime ermordet wurde,
macht ihr die moralische Entscheidung nicht leichter….
Der Bühnenraum wird
zu einem Assoziationsraum, dicht mit verschieden großen
Druckbuchstaben beschriebenen Wandtafeln versehen. Auf den Wandtafeln
stehen einzelne Worte wie „Heimat“, „No Future“, prägnante
Artikel aus dem Grundgesetz, besonders groß „Freiheit“ und viele
anderen Begriffe.
Die beiden
Persönlichkeiten werden von Ann-Kathrin Hinz abwechselnd
gegenübergestellt. Sie schlüpft aber nicht nur in die beiden
Rollen, sondern auch in die der verschiedenen Wegbegleiter. Außerdem
bewältigt sie einen rasanten Wechsel in verschiedene Zeitebenen.
Mal ist sie das am
Anfang naiv begeisterte BDM-Mädchen Sophie Scholl, dann die
lebensfrohe junge verliebte Frau oder am Ende die bis zu ihrem Ende
standhaft-klare Persönlichkeit. Dann stellt sie wieder glaubhaft die
in ihrem moralischen Dilemma verzweifelte Jura-Studentin mit all
ihren Facetten dar.
Ein großes
Kompliment für diese Leistung. Die Schauspielerin war ein Glücksfall
für diese anspruchsvolle Aufgabe. Sie konnte ihre vielseitigen
Talente, wie etwa Schauspiel oder Gesang, hier voll zur Geltung
bringen.
Mit ihrer
Körperlichkeit und dem geschickten Einsatz der Stimme, leise oder
verzagt, mal wütender, mal laut, zog sie das Publikum in den Bann.
Wie die beiden Schicksale erst nebeneinander stehen, dann plötzlich
auf einander prallen, erzeugte eine Spannung und berührte die
Anwesenden.

Die Entscheidung,
sich für humanistisch-moralische gesellschaftliche Werte einzusetzen
und nicht durch allgegenwärtige Instrumentalisierung von Ängsten
lähmen zu lassen, ist gerade in der heutigen Zeit (wieder) von
Bedeutung.
Welchen Wert hat die
Wahrheit, Loyalität? Welche persönliche Verantwortung trägt der
Einzelne? Lässt sich das Private vom Politischen trennen?
Der Heute-Bezug
wurde besonders klar, als die Schauspielerin zunächst als Sophie
Scholl ein Lied der Hitlerjugend sang, und später eine fetzige
YouTube-taugliche Version darbot. Wie verführbar sind wir heute
durch solche dumpf-nationalistischen Liedtexte im modernen Gewand?
Atmosphärisch stark
begleitet wurde die Vorstellung durch die intensiven Sounds von
Michael Lohmann. Er sorgte für die leisen wie lauten stimmungsvolle
Melodien und Songs, ob als Begleitung oder im Vordergrund. Mit
relativ wenigen Requisiten wurde die passende Stimmung geschaffen.
Eine eindrucksvolle
Inszenierung, die mit Standing-Ovations belohnt wurde.
Karten und Infos
über weiteren Aufführungen erhalten Sie wie immer unter
www.theaterdo.de oder Tel.:
0231/ 50 27 222.