„Die Fledermaus“ geht nicht baden

Ist es wirklich schon sieben Jahre her, dass „Die Fledermaus“ zuletzt auf dem Spielplan der Oper Dortmund stand? Die Besetzung hat sich teilweise geändert, doch eines blieb gleich: Motonori Kobayashi dirigierte erneut die Dortmunder Philharmoniker bei der Premiere am 23. November 2024.

Baden bei Wien – Wannen-Symbolik und Champagner-Laune

„Die Wanne ist voll“ – dieser Satz könnte auch als Leitmotiv für das Bühnenbild von Martin Dolnik stehen. Gemeinsam mit Regisseur Hinrich Horstkotte verlegt er die Handlung in eine Badeszenerie: Von Baden bei Wien bis ins Finale im Gefängnis begleitet die Zuschauer immer wieder eine augenzwinkernde Badesymbolik – selbst der Frosch sitzt in der Wanne.

Johann Strauss‘ Operette „Die Fledermaus“, entstanden im Krisenjahr 1873, spiegelt eine Gesellschaft im Wandel wider. Während die Arbeiterklasse nach mehr Einfluss strebt, versucht das Bürgertum, wie Gabriel von Eisenstein, den Lebensstil des Adels nachzuahmen. Auch das Stubenmädchen Adele träumt von einem sozialen Aufstieg. Hinzu kommen die Themen Erotik und natürlich Alkohol – in Form von Champagner, dem in der Inszenierung ausgiebig gehuldigt wird. Schließlich ist er, wie es humorvoll heißt, „an allem Schuld“.

Tanja Christine Kuhn, Daegyun Jeong, Fritz SteinbacherFoto: (c) Björn Hickmann
Tanja Christine Kuhn, Daegyun Jeong, Fritz Steinbacher. Foto: (c) Björn Hickmann

Nicht ohne Grund wird „Die Fledermaus“ als die „Königin der Operette“ gefeiert. Ohrwürmer wie „Im Feuerstrom der Reben“ oder „Brüderlein und Schwesterlein“ gehören zu den bekanntesten Melodien des Genres und haben sich tief in die musikalische DNA Deutschlands und Österreichs eingeprägt.

Starke Stimmen und ein Frosch mit Humor

Die Sängerinnen und Sänger der Dortmunder Inszenierung überzeugten mit Leidenschaft und stimmlicher Brillanz. So meisterte Sooyeon Lee trotz Erkältung ihre Partie als Adele tadellos, während Fritz Steinbacher als Gabriel von Eisenstein und Tanja Christine Kuhn als Rosalinde mit Spielfreude und Gesang beeindruckten. David DQ Lee verlieh dem Prinzen Orlofsky nicht nur seine Stimme, sondern auch eine humorvolle Präsenz – verstärkt durch das Kostüm in Form eines Fatsuits.

Besonderes Augenmerk galt der Rolle des Froschs, die in dieser Inszenierung Steffen „Shortie“ Scheumann übernahm. Er arbeitete stark mit Wortverdrehungen, aber die Qualität von Vorgänger Fritz Eckenga war schwer zu übertreffen war. Doch auch das ist Kritik auf hohem Niveau.

Wer Operette liebt, kommt an „Die Fledermaus“ nicht vorbei. Und wer Operette bisher gemieden hat, sollte dieser Inszenierung eine Chance geben – das Lächeln beim Verlassen des Theaters ist garantiert. Am Silvesterabend 2024 um 20 Uhr lädt „Die Fledermaus“ erneut zum festlichen Vergnügen ein, unterstützt von prominenten Gästen wie Angelika Milster. Ob es Champagner gibt? Das bleibt abzuwarten. Doch eines ist sicher: Jede Menge Spaß ist garantiert.

Mehr Infos und Termine unter www.theaterdo.de




Die Vielfalt der romantisch-musikalischen Welten mit Timothy Ridout

Im Rahmen der Konzertreihe „Junge Wilde“ war am 19. November 2024 der britische Musiker Timothy Ridout, einer der herausragenden Bratschisten seiner Generation, im Dortmunder Konzerthaus zu Gast. Gemeinsam mit seinem temperamentvollen Klavierpartner Jonathan Ware, gebürtig aus Texas und heute in Berlin lebend, präsentierte er ein vielseitiges Programm, das die Zuhörer auf eine faszinierende Reise durch die unterschiedlichen Facetten der romantischen Musik mitnahm.

Der Abend begann mit den drei Romanzen op. 94 (1849) von Robert Schumann, die speziell für Viola und Klavier arrangiert wurden. Besonders die zweite Romanze entfaltete eine bemerkenswerte Innigkeit, sodass sich das Publikum in eine zauberhafte romantische Welt versetzt fühlte. Anschließend folgte ein echtes Juwel der Romantik: die Sonate für Klavier und Violoncello Nr. 1 in e-Moll op. 38 (1865) von Johannes Brahms, die in einer Bearbeitung für Viola und Klavier dargeboten wurde. Timothy Ridout und Jonathan Ware schufen in den drei Sätzen – geprägt von ausdrucksstarken Übergängen – eine eindrucksvolle und bewegende Klangwelt. Besonders hervorzuheben ist das Menuett im zweiten Satz sowie die strahlende E-Dur-Schlussklanglandschaft, die durch ihre elegante Transformation des Hauptthemas beeindruckte.

Uraufführung und Abschluss mit César Franck

Nach der Pause wartete das Publikum gespannt auf die Uraufführung von Shadow Walkers, einem Werk der koreanisch-amerikanischen Komponistin Nahra Sol (*1991). Dieses fünfteilig angelegte Stück faszinierte durch den Kontrast zwischen meditativen und dynamischen Passagen, in denen avantgardistische Elemente die traditionellen Formen ergänzten. Diese geschickte Verbindung schuf eine Balance zwischen Licht und Schatten, die nicht vollständig greifbar, aber umso eindringlicher war. Es gelang dem Werk, eine besondere Tiefgründigkeit zu erzeugen, die die Zuhörer in ihren Bann zog.

Timothy Ridout faszinierte mit dem Spiel auf seiner Viola. (Foto: (c) Jiyang Chen)
Timothy Ridout faszinierte mit dem Spiel auf seiner Viola. (Foto: (c) Jiyang Chen)

Den krönenden Abschluss des Abends bildete César Francks berühmte Sonate für Violine und Klavier in A-Dur (1886), die in einer Bearbeitung für Viola und Klavier aufgeführt wurde. Dieses Meisterwerk begeisterte durch die motivische Verknüpfung aller vier Sätze. Nach einem ruhigen Beginn entwickelte sich die Sonate über leidenschaftliche Hymnen und träumerische Passagen bis hin zu einem lebhaften Rondo-Finale. Ridouts meisterhafte Interpretation und die einfühlsame Begleitung durch Ware verliehen der Aufführung eine mitreißende Intensität.

Dank der beeindruckenden Performance von Timothy Ridout und Jonathan Ware wurde das Publikum auf eine musikalische Reise mitgenommen, die nicht nur die Vielfalt romantischer Musik aufzeigte, sondern auch die außergewöhnliche künstlerische Qualität der beiden Musiker unterstrich. Der Abend bewies eindrucksvoll, warum diese „Jungen Wilden“ zu den spannendsten Künstlern ihrer Generation zählen.




Schuberts „Winterreise“ in einer besonderen Bearbeitung mit Daniel Behle

Startenor Daniel Behle begeistert erneut beim KLANGVOKAL Musikfestival

Am 17. November 2024 war Startenor Daniel Behle beim KLANGVOKAL Musikfestival im Dortmunder Reinoldihaus zu Gast. Der vielseitige Künstler, bekannt für seine Innovationsfreude, präsentierte eine außergewöhnliche Interpretation von Franz Schuberts Winterreise (op. 89, D 911), einem der bekanntesten Liederzyklen der Romantik mit Texten von Wilhelm Müller. Diesmal brachte er eine Bearbeitung für Tenor und Klaviertrio mit auf die Bühne, die er selbst arrangiert hat.

An seiner Seite musizierten Oliver Schnyder (Klavier), Andreas Janke (Violine) und Benjamin Nyffenegger (Violoncello). Diese Besetzung verlieh den 24 Liedern der Winterreise eine zusätzliche Klangdimension und hob besonders den Reichtum der Klavierstimme hervor. Die erweiterte Fassung, die Schubert aus den ursprünglich 12 „Wanderliedern“ zu einem umfassenden Liederzyklus ausbaute, wurde so in neuem Glanz präsentiert.

Ein musikalischer Zyklus voller Tiefe und Romantik

Die düstere, oft melancholische Grundstimmung der Winterreise ist eng mit ihrem zentralen Thema verknüpft: der Liebe, oder genauer gesagt, der unglücklichen Liebe eines Wanderers. Der Zyklus pendelt zwischen der Sehnsucht nach Erfüllung und der bitteren Enttäuschung über unerwiderte Gefühle. Die Lieder, geprägt von Wehmut, Schmerz, Einsamkeit und Visionen von Tod und Erlösung, ziehen das Publikum in ihren Bann. Besonders bekannt ist das Lied Der Lindenbaum, das als Symbol für Trost und Erinnerung gilt.

Tenor Daniel Behle mit dem Oliver Schnyder Trio. (Foto: (c) C. Spitzner)
Tenor Daniel Behle mit dem Oliver Schnyder Trio. (Foto: (c) C. Spitzner)

Das Wandermotiv spiegelt den romantischen Zeitgeist wider, in dem das Gehen durch die Natur als Heilmittel für seelische Wunden und als Aufbruch zu Neuem betrachtet wurde. Schuberts Kompositionen, überwiegend in Moll-Tonarten gehalten, unterstützen dieses Gefühl durch langsame, regelmäßige Rhythmen, die den Eindruck einer gleichmäßigen Wanderbewegung verstärken.

Daniel Behle und sein Ensemble beeindrucken mit emotionaler Tiefe

Daniel Behles facettenreiche Stimme brachte die Tiefen und Nuancen von Schuberts Musik eindrucksvoll zum Ausdruck. Darüber hinaus setzte er Gestik und Mimik gezielt ein, um die emotionale Wirkung zu verstärken. Das Zusammenspiel mit seinen musikalischen Partnern – Schnyder, Janke und Nyffenegger – war harmonisch und präzise. Gemeinsam schufen sie ein Klangerlebnis, das das Publikum von der ersten Note bis zum tragisch-romantischen Schlusslied Der Leiermann in den Bann zog.

Diese Interpretation von Daniel Behle hat bewiesen, dass Schuberts Winterreise auch in dieser besonderen Besetzung nichts von ihrer emotionalen Intensität verliert und immer wieder neu fasziniert. Ein Höhepunkt des Musikfestivals, der nachhaltig in Erinnerung bleibt.




Einflüsse musikalischer Pioniergestalten Amerikas

Das 3. Philharmonische Konzert am 05. und 06. November 2024 in Dortmund stand unter dem Motto „Go West!“. Im Dortmunder Konzerthaus präsentierten die Dortmunder Philharmoniker unter der Leitung von Frank Dupree unter anderem die „Billy the Kid“-Ballettsuite von Aaron Copland (1900–1990) und entführten das Publikum in die verklärte Welt des „Wilden Westens“ und der Prärie. Dupree übernahm dabei selbst den Part des Solisten am Klavier und brachte zusammen mit Meinhard „Obi“ Jenne am Schlagzeug und Jacob Krupp am Jazz-Kontrabass zusätzlichen Schwung in die Darbietung.

Die musikalische Reise durch die USA

Das Konzert begann mit der „Ouvertüre zu Strike Up the Band“ aus dem gleichnamigen Musical von George Gershwin (1898–1937), orchestriert von Don Rose. Diese Komposition, die mit einem Augenzwinkern geschrieben wurde, enthält auffallend militärisch anmutende Elemente, die immer wieder durch Jazz-Akkorde und -Rhythmen aufgelockert werden. Zum Verständnis: Die Handlung des Musicals spielt in einer amerikanischen Käsefabrik, deren Besitzer seine Monopolstellung durch hohe Strafzölle auf Schweizer Käse sichern möchte – eine Entscheidung, die letztlich zu einem fiktiven Krieg mit der Schweiz führt. 1930 wurde diese satirische Fassung entschärft, doch das Thema der Einfuhrzölle ist auch heute in politischen Diskussionen aktuell.

Die Solisten: Jakob Krupp, Frank Dupree und Meinhard "Obi" Jenne. Foto: Ralph Steckelbach
Die Solisten: Jakob Krupp, Frank Dupree und Meinhard „Obi“ Jenne. Foto: Ralph Steckelbach

Anschließend wurde Gershwins „Concerto in F“ aufgeführt, das Jazz und klassische Tradition kunstvoll verbindet. Der erste Satz erinnert teils an Rachmaninow, angereichert mit Jazzelementen, während der zweite Satz eher an den Blues und der dritte an den Ragtime angelehnt ist.

Nach der Pause folgte Aaron Coplands Western-Ballettsuite, bestehend aus sieben Sätzen. Mit Anklängen an mexikanische Volksmelodien und Cowboy-Lieder sowie Coplands unverwechselbarer Musiksprache wird die dramatische Geschichte des Revolverhelden Billy the Kid bis zu seinem Tod lebendig. Man hört das Trampeln von Pferden und auch das Knallen von Schüssen.

Den Höhepunkt des Konzertabends bildete schließlich der berühmte „Bolero“ von Maurice Ravel (1875–1937), der das Publikum in seinen Bann zog. Obwohl hier der „Wilde Westen“ verlassen wurde, zeigt auch dieses französische Stück subtile Anklänge an den amerikanischen Jazz. Ravel verfolgte dabei eine klare musikalische Idee und inszenierte einen berauschenden Klangteppich, der sich durch eine stetige, langsame Steigerung auszeichnet. Die einzelnen Instrumente konnten sich in dieser eindrucksvollen Darbietung besonders gut entfalten.




Zauber traditioneller Musik im Konzerthaus Dortmund

Im Rahmen der Reihe „Junge Wilde“ stand am 29.10.2024 im Konzerthaus Dortmund die junge niederländische Blockflötistin Lucie Horsch im Mittelpunkt. An ihrer Seite musizierten Emmy Storms (Violine) und der französische klassische Gitarrist Raphaël Feuillâtre. Das vielseitige Programm umfasste hauptsächlich lebendige Arrangements traditioneller Volksmusik, darunter Werke aus Irland (Thomas Tollett), den Niederlanden (Jacob van Eyck) sowie dem Barock (Antonio Vivaldi). Hier zeigte sich, wie viel Verbindendes in der Musik steckt.

Meisterhaftes Zusammenspiel und feine Nuancen

Neben der Musik aus früherer Zeit reichte das Programm auch in die jüngere Vergangenheit und beinhaltete Kompositionen von Claude Debussy, Gabriel Fauré (Frankreich), Manuel de Falla (Spanien), Béla Bartók (Ungarn), Igor Strawinsky (Russland) und zum Abschluss Astor Piazzolla (Argentinien). Die drei Künstler*innen beeindruckten das Publikum nicht nur durch die virtuose Beherrschung ihrer Instrumente und ihr harmonisches Zusammenspiel. In wechselnden Konstellationen – solo, zu zweit oder im Trio – überzeugten sie durch großes Feingefühl für die Eigenheiten der jeweiligen Stücke. Mit Leichtigkeit meisterten sie den Wechsel zwischen temperamentvoll-rasanten und ruhig-melancholischen Passagen.

Lucie Horsch zeigte ihre große Vielseitigkeit, indem sie mühelos zwischen Flöten verschiedener Größe und Tonlage wechselte. (Foto: (c) Simon Fowler)
Lucie Horsch zeigte ihre große Vielseitigkeit, indem sie mühelos zwischen Flöten verschiedener Größe und Tonlage wechselte. (Foto: (c) Simon Fowler)

Lucie Horsch zeigte dabei ihre große Vielseitigkeit, indem sie mühelos zwischen Flöten verschiedener Größe und Tonlage wechselte, darunter Renaissance- und Barockflöten. Wer dachte, Blockflöte sei langweilig, wurde hier eines Besseren belehrt. Horsch ließ sogar zweimal ihre klare, helle Gesangsstimme erklingen und verlieh dem Konzert damit zusätzliche Intensität.

Durch den Einsatz besonderer Instrumente vermittelten die drei Künstler*innen die besondere Magie der traditionellen Musik und zogen das Publikum in ihren Bann. Besonders berührte die sensible Interpretation von Astor Piazzollas berühmtem „Libertango“ aus dem Jahr 1974. Man darf gespannt sein, was von diesen „Jungen Wilden“ noch zu erwarten ist.




Lustvoll-gruseliges Konzert für junge Leute

Beim zweiten Konzert für junge Leute, „Hollywood Hits Mutprobe: Die Nacht des Horrors“, wurde das Dortmunder Konzerthaus am 28.10.2024 kurz vor Halloween zum „Horrorhaus“ umfunktioniert. Schüler*innen und zwei Lehrer*innen des Mallinckrodt-Gymnasiums Dortmund dekorierten den Saal stimmungsvoll mit gruseligen Elementen wie Skeletten, Särgen, Grabsteinen mit witzigen, ironischen Sprüchen und weiteren unheimlichen Details.

Die Dortmunder Philharmoniker, unter der einfühlsamen Leitung von GMD Gabriel Feltz, zeigten sich bestens aufgelegt und sorgten für eine effektvolle Symbiose von Musik und Bildschirmprojektionen. Die Moderation übernahm humorvoll Peter Saurbier, der auch als Sänger (u. a. mit „Thriller“ von Michael Jackson, arrangiert von Andres Reukauf) beeindruckte. Zudem war Saurbier für Regie und Konzept verantwortlich und produzierte Einspielfilme. Mit ihrer starken Stimme bereicherte Sängerin Sarah Gadinger die Aufführung und bewies eindrucksvoll, wie selbst aus dem friedlichen „Ave Maria“ ein Horrorerlebnis entstehen kann.

Grusel-Hits und schaurige Hollywood-Klänge

Neben einer Vielfalt an Hollywood-Horrorhits, komponiert von renommierten Künstlern wie Jerry Goldsmith („Thema aus Alien“) und Ray Parker Jr. („Ghostbusters Main Title“), erhielt das Publikum spannende Einblicke in die Entwicklung des Genres. Die Programmauswahl enthielt Werke von Hollywood-Größen wie John Williams, Jerry Goldsmith, Howard Shore, Danny Elfman und dem polnischen Komponisten Wojciech Kilar, die sich oft von spätromantischer Musik oder Kirchenmusik inspirieren ließen. Der Philharmonische Chor des Dortmunder Musikvereins, unter der Leitung von Granville Walker, beeindruckte dabei ebenfalls. Besonders eindrucksvoll war Goldsmiths verfremdete Klangwelt gregorianischer Choräle für „Das Omen“. Alfred Hitchcocks Hauptkomponist, Bernard Herrmann, verwendete avantgardistische Psycho-Klänge und Horror-Komödien wie die „Addams Family“ brachten Humor in das Genre, wodurch sich das Konzept „Horror kann auch Spaß machen“ durchsetzte.

Leka Hindenburg von den Dortmunder Philharmonikern macht auch eine gute Figur als Vampir. (Foto: (c) Sophia Hegewald)
Leka Hindenburg von den Dortmunder Philharmonikern macht auch eine gute Figur als Vampir. (Foto: (c) Sophia Hegewald)

Tänzer*innen der „The Michael Jackson Tribute Show“ unterstützten Peter Saurbier tatkräftig beim „Thriller“-Arrangement, während fantasievoll geschminkte und ausgestattete Statist*innen des Stadttheaters mit ihren schaurig-schwarzen Kostümen für wohlige Schauermomente sorgten. Besonders geheimnisvoll wirkte die moderne Musik des 20. Jahrhunderts in „Polymorphia“ von Krzysztof Penderecki, die für eine ungewöhnliche Besetzung mit 48 Streichern komponiert wurde.

Zum Abschluss des gelungenen Konzerts überraschte Sarah Gadinger in der Rolle der Tochter Wednesday aus dem Addams Family Musical mit einer weiteren eindrucksvollen Kostprobe ihres Könnens.




Die verbindend-magische Kraft der Musik

Das ursprünglich für Anfang Juni 2024 geplante Konzert „Iberia < 1492“ von Orpheus XXI NRW im Rahmen des Klangvokal Musikfestivals konnte am 27. Oktober 2024 schließlich im Reinoldihaus Dortmund stattfinden. Geleitet wurde es von dem syrischen Komponisten, Sänger und Musiker Rebal Alkhodari.

Orpheus XXI NRW begann als interkulturelles Projekt, das geflüchtete Musiker*innen mit Talent unterstützt und ihnen eine Plattform bietet. Daraus entstand der „Chor der neu Angekommenen“, der seit Mai 2018 unter der Leitung von Alkhodari eine fast symbiotische Mischung aus arabischer und europäischer Musik entwickelt. Zum Ensemble gehören rund 20 Sängerinnen und Musiker*innen an traditionellen Instrumenten aus Syrien, Ägypten, Jordanien, Kurdistan, Palästina, Iran und Deutschland.

Orpheus XXI NRWKulturelle Vielfalt und die verbindende Kraft der Musik

Das Jahr 1492 markierte für „al-Andalus“ ein einschneidendes Ereignis, als die arabisch-berberische Herrschaft in Andalusien mit der Übergabe Granadas an die spanischen Könige endete. Über sieben Jahrhunderte hinweg hatten Muslime, Christen und Juden in Andalusien relativ friedlich zusammengelebt und kulturell wie sozial interagiert. Das Konzert zeigte eindrucksvoll, wie Musik als universelle Sprache überlebenswichtige Kraft schenken und Menschen in existenziell bedrohlichen Situationen vereinen kann.

Das Ensemble von Orpheus XII NRW mit dem Leiter Rebal Alkhodari. (Foto: Klangvokal Musikfestival)
Das Ensemble von Orpheus XII NRW mit dem Leiter Rebal Alkhodari. (Foto: Klangvokal Musikfestival)

Die individuell gestalteten Arrangements der Lieder aus Griechenland, Spanien, Marokko, Syrien, Kurdistan und der Berberkultur spiegelten die Vielfalt des musikalischen Erbes Andalusiens vor 1492 wider. Chorleiter Alkhodari begleitete das Ensemble mit heller, eindringlicher Stimme und spielte zudem Klavier. Verschiedene Chormitglieder überzeugten als Solist*innen, während die Musiker*innen an Violine, Oud, Santur, Kamanche und Percussion das Publikum durch ihr einfühlsames Spiel in ihren Bann zogen und bei den Instrumentalstücken eine eigene, faszinierende Klangwelt schufen.

Das Konzert ermöglichte es dem Publikum, die fremde, arabische Klangwelt näher kennenzulernen und verband kulturelle Unterschiede in einer einheitlichen musikalischen Erfahrung.




Kammerkonzert an einem außergewöhnlichen Ort

Die Kokerei Hansa ist ein Architektur- und Industriedenkmal in Huckarde, das unter anderem für Kunst- und Kulturveranstaltungen genutzt wird. Bereits in der vergangenen Spielzeit fand ein Kammerkonzert in der Kompressorenhalle statt, und am 24. Oktober 2024 diente das Salzlager als Konzertort.

Im Salzlager wurde früher Ammoniumsulfat gelagert, ein Nebenprodukt der Koksherstellung, das als Dünger verwendet wurde. An diesem Abend zeugten nur noch die Förderbänder und Maschinen von dieser Vergangenheit. Im Mittelpunkt standen neun Musiker der Dortmunder Philharmoniker, die ein abwechslungsreiches Programm darboten.

Beethoven, Klein und Mozart im Fokus

Das Oktett in Es-Dur, op. 103, von Ludwig van Beethoven wurde vermutlich zwischen 1792 und 1793 komponiert, in einer Phase, als Beethoven noch stark vom Stil der Wiener Klassik und insbesondere von Mozart beeinflusst war. Ursprünglich für zwei Oboen, zwei Klarinetten, zwei Hörner und zwei Fagotte geschrieben, trägt das Werk eine leichte, unterhaltsame und charmante Note und gehört zur sogenannten Harmoniemusik, einer Form höfischer Bläsermusik.

Mit dabei: Alina Heinl (Klarinette). Foto: (c) Leszek Januszewski.
Mit dabei: Alina Heinl (Klarinette). Foto: (c) Leszek Januszewski.

Ein bedrückendes Zeitzeugnis ist das Divertimento für Bläseroktett von Gideon Klein. Der tschechische Komponist verarbeitete in diesem Werk die Besetzung seines Landes durch die Wehrmacht. Es offenbart eine bemerkenswerte künstlerische Tiefe und formale Raffinesse, die die Tragik und zugleich die künstlerische Widerstandskraft des Komponisten unter schwierigen Bedingungen widerspiegelt.

Mozarts Serenade in c-Moll, KV 388, auch als Bläseroktett oder Nachtmusique bekannt, hebt sich von der sonst heiteren und geselligen Tradition der Serenade ab. Komponiert um 1782 für zwei Oboen, zwei Klarinetten, zwei Hörner und zwei Fagotte, verleiht die Tonart c-Moll dem Werk eine ungewöhnlich ernste und dramatische Ausdruckskraft, die klassische Erwartungen an das Genre durchbricht.

Ein gelungener Kammermusikabend in einer außergewöhnlichen Umgebung. Mitwirkende waren Reika Kosaka und Stefanie Dietz (Oboe), Alina Heinl und Amely Preuten (Klarinette), Minori Tsuchiyama und Pablo Gonzáles Hernández (Fagott), Sofie Herstvik Berge und Peter Loreck (Horn) sowie Tomoko Tadokoro (Kontrabass).




Musikalisches Rom-Porträt der besonderen Art

Das 2. Philharmonische Konzert in Dortmund führte am 15./16. Oktober 2024 unter dem Titel „Roma aeterna – Ewige Stadt“ musikalisch in die Hauptstadt Italiens. Auf dem Programm im Konzerthaus stand die „Rom-Trilogie“ (entstanden 1916–1928) von Ottorino Respighi (1879–1936). Dem Komponisten gelang damit eindrucksvoll der Nachweis, dass Italiener auch großartige Orchestermusik schreiben können. Die Zuhörenden wurden in die Tiefe der Geschichte Roms entführt, und die Schönheit der italienischen Landschaft wurde spürbar.

Die drei Werke wurden sensibel von den Dortmunder Philharmonikern unter der lebhaften Leitung von Gabriel Feltz (GMD) interpretiert. Die Stücke sind jeweils in vier pausenlos ineinander übergehende Sätze gegliedert, die unterschiedliche Stimmungen und Sujets darstellen.

Der Konzertabend begann mit der Symphonischen Dichtung „Fontane di Roma“ (Brunnen von Rom). Der Weg führte von der geheimnisvollen Morgendämmerung bei der Villa Borghese über den Triton-Brunnen, bei dem die Wasserspiele vor den Augen der Zuhörer lebendig wurden. Weiter ging es zum berühmten Trevi-Brunnen bis in die Abenddämmerung bei den Gärten der Villa Medici.

Generalmusikdirektor Gabriel Feltz dirigierte die Dortmunder Philharmoniker mit voller Kraft. (Foto: (c) Andy Spyra)
Generalmusikdirektor Gabriel Feltz dirigierte die Dortmunder Philharmoniker mit voller Kraft. (Foto: (c) Andy Spyra)

Es folgte der letzte Teil der Trilogie, „Feste Romane“, ein deutlicher Kontrast. Zunächst entführt das Werk in die dramatisch-grausame Zeit der Christenverfolgung, dann in das Pilgerleben des Mittelalters. Die letzten beiden Sätze widmen sich dem modernen Christentum im 20. Jahrhundert. Die musikalische Reise führt von einem Oktoberfest, das der Weinlese gewidmet ist und von Mandolinenklängen begleitet wird, bis zum ausgelassenen Dreikönigsfest auf der Piazza Navona. Diese Abschnitte zeigen die beeindruckende Vielfalt der Musik und die Bildhaftigkeit der Klänge, ebenso wie Respighis grandiose Instrumentation. Eine besondere Herausforderung für alle Beteiligten auf der Bühne.

Ein Klangfeuerwerk in „Pini di Roma“

Nach der Pause erhellte „Pini di Roma“ die Atmosphäre mit unbeschwert spielenden Kindern in den Pinienhainen der Villa Borghese. Dieser Beginn in der Morgendämmerung gleitet unvermutet in die düsteren Katakomben mit wehmütigen Klängen. Der dritte Satz, eher naturalistisch geprägt, ließ in einer Nacht auf dem Gianicolo zauberhafte Klänge und sogar eingespielte Vogelstimmen erklingen.

Der letzte Satz spielt auf der alten Heerstraße „Via Appia“. Mit dem Einsatz von Buccinen (Naturhörnern) wird der triumphale Einzug römischer Soldaten schmetternd begleitet. Die Musik steigert sich in Dramatik, und ein Gefühl der Bedrohung macht sich breit, bis am Ende nur noch Aggressivität übrig bleibt.

Die Dortmunder Philharmoniker, unter der Leitung des sich körperlich stark einbringenden Gabriel Feltz, konnten erneut ihr Können eindrucksvoll unter Beweis stellen.




Spanisches Temperament mit Al Ayre Español

Italien, Frankreich, Deutschland oder England: Diese Länder sind bekannt für ihre Rolle im Barock. Aber Spanien? Das Ensemble Al Ayre Español bewies am 11. Oktober 2024 im Reinoldihaus beim Festival Klangvokal, wie bereichernd das musikalische Erbe Spaniens im 17. Jahrhundert war. Schon 2015 hatte das Ensemble in der Marienkirche beeindruckt.

Die Volksmusik prägte die spanische Barockmusik entscheidend. Bei jedem Stück spürten die Zuhörer*innen die Magie alter Volkslieder, die im Programm „¡oigan, miren y vengan a ver!“ (Hör, schau und komm und sieh!) zum Leben erweckt wurden. Auch die Gitarre spielte eine zentrale Rolle und hatte in vielen Werken eine Schlüsselposition.

Moderne Erstaufführungen spanischer Barockwerke durch Al Ayre Español

Eduardo López Banzo, der Leiter des Ensembles, transkribierte die meisten Stücke aus Originalmanuskripten. So wurden Werke von Komponisten wie Matías Juan de Veana oder Sebastián Durón nach Jahrhunderten wieder lebendig. Zwei Sonaten von Arcangelo Corelli, die italienische Akzente setzten, ergänzten das Programm.

Mit spanischer BArockmusik überzeugte das Ensemble "Al Ayre Español" das Publikum bei Klangvokal. (Foto: (c) Klangvokal)
Mit spanischer BArockmusik überzeugte das Ensemble „Al Ayre Español“ das Publikum bei Klangvokal. (Foto: (c) Klangvokal)

Trotz der eher sakralen Themen blieb die fröhliche Stimmung der Volksmusik stets präsent und sprang schnell von der Bühne auf das Publikum über. Den Höhepunkt bildete „¿Ola qué?“ (Was nun). Duróns Villancico, vorgetragen von allen Musikerinnen des Al Ayre Español und den Sängerinnen von Vozes del Ayre, riss das Publikum beinahe von den Stühlen. Das Konzert zeigte eindrucksvoll, wie lebendig und mitreißend spanische Barockmusik sein kann – und wie sie frischen Wind in die Konzertwelt bringt.