O Fortuna – Glück für Dortmund

Festliches Chorkonzert mit dem Opernchor Dortmund

O Fortuna – es gibt Werke, mit denen man sein Schicksal direkt zu Beginn eines Konzerts positiv beeinflussen kann. Zur Glückseligkeit benötigt es an diesem Nachmittag im Dortmunder Opernhaus nur wenige kraftvolle Takte: „O Fortuna“ aus der Carmina Burana von Carl Orff zeigt gleich zu Beginn beeindruckend die Stimmgewalt des mehr als vierzigköpfigen Opernchores des Theaters Dortmund und nimmt das Publikum für sich ein.
Es folgen noch zwei weitere Sätze aus der Carmina Burana, bevor der Leiter des Opernchores, Fabio Mancini, zum Mikrofon greift und Hoffnung auf mehr macht – allerdings erst für die kommende Spielzeit. Dann steht das Werk auf dem Spielplan und soll mit Ballett auf die große Bühne. Für heute also nur ein „Apéritif“, wie Mancini es formuliert.
Nach diesen bekannten Melodien widmet sich der Chor, der mit diesem Nachmittag quasi sein persönliches „Wunschkonzert“ aufführt, einer unbekannten „Perle“: Zwei Lieder aus dem späten Schaffen Verdis – keine Opernarien – hat sich ein Chormitglied gewünscht, und nicht alle kannten sie. So erarbeitete der Chor die selten aufgeführten geistlichen Chorwerke.

Ein musikalischer Bogen von Verdi bis Puccini

Verdi ist auch später noch Thema – beziehungsweise seine Oper Nabucco, zu der nicht viel gesagt werden muss. Vermutlich könnten etliche aus dem Publikum auch mitsingen, so sehr ist die Melodie in den Köpfen verankert. Aber natürlich ist es noch viel schöner, wenn der Dortmunder Opernchor mit seinen Stimmen die Luft vibrieren lässt und man nur im Geiste mitsummt.

Das Chorkonzert des Opernchor Dortmund zeigte die Stimmgewalt des mehr als vierzigköpfigen Opernchores . (Foto: (c) Martina Bracke)
Das Chorkonzert des Opernchores Dortmund zeigte die Stimmgewalt des mehr als vierzigköpfigen Opernchores . (Foto: (c) Martina Bracke)


Zur musikalischen Unterstützung kann der Chor auf Yuna Kudo und Louis Fourie an den zwei Flügeln zurückgreifen, die ein ganzes Orchester virtuos ersetzen. Fourie ist schon seit drei Jahren als Assistenz im Theater Dortmund und täglicher Begleiter des Chores tätig. Yuna Kudo ist künstlerische Leiterin des Opernstudios NRW, eines Zusammenschlusses von vier Opernhäusern aus Essen, Gelsenkirchen, Wuppertal und Dortmund zur Förderung von jungen Sängerinnen und Sängern zwischen Studium und Beruf.
Nach den Polowetzer Tänzen des Arztes und Chemikers Borodin folgen fröhliche Partien aus der Oper Faust von Charles Gounod: Kirmesmusik und ein Walzer. Faust fühlt sich offenbar sehr beschwingt an dieser Stelle – und das überträgt sich auch aufs Publikum.
Zum Abschluss wird es blutrünstiger. Der Chor fordert mit dem Stück aus Turandot von Giacomo Puccini die Hinrichtung eines Prinzen, der leider die drei Rätsel der Prinzessin nicht lösen konnte. Doch dann erliegen die Sängerinnen und Sänger – beziehungsweise das Volk dieser Oper – dem Charme und der Jugend des Prinzen und fordern Gnade für ihn. Wie das ausgeht? Man kann es ab November erfahren, wenn die ganze Turandot auf dem Spielplan steht – mit allein über einer Stunde Gesang des Dortmunder Opernchores und seinen Mitgliedern aus dann zwölf Nationen von vier Kontinenten. O Fortuna.
Und wie erwartet gibt es stehende Ovationen und eine Zugabe, für die alle ihre Notenbücher noch einmal aufklappen.

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Der Vorverkauf für die kommende Spielzeit läuft.




Smetanas musikalisches Vermächtnis für die tschechische Nation

Das 8. Philharmonische Konzert bot dem Publikum am 15. und 16. April 2025 in Dortmund ein seltenes und musikalisch eindrucksvolles Erlebnis. Im hiesigen Konzerthaus stand der komplette Zyklus „Mein Vaterland“ von Bedřich Smetana (1824–1884) unter dem Titel „Entlang der Moldau“ auf dem Programm.

Im Mittelpunkt stand nicht nur die bekannte, emotional-musikalische Reise entlang der Moldau – von der Quelle bis zur Mündung –, sondern das Gesamtwerk in seinen sechs sinfonischen Dichtungen. Dieses stellt ein musikalisches Monument der tschechischen Identität und ihres Strebens nach Selbstbestimmung und Unabhängigkeit dar. Der als Einheit konzipierte Zyklus ist ein eindrucksvolles Klangbild aus Naturverehrung, Tradition, Mythen und politischem Aufbruch. Zur Zeit seiner Entstehung gehörte Tschechien noch zur Habsburger Monarchie. Smetana folgte inhaltlich einer konkreten Idee der sinfonischen Dichtung, wie sie programmatisch geprägt war.

Visionär-musikalischer Zyklus der Romantik

Den Dortmunder Philharmonikern unter der Leitung des mit tschechischer Musik bestens vertrauten kanadischen Dirigenten Charles Olivieri-Munroe gelang es auf beeindruckende Weise, dieses große Werk mit klanglicher Sensibilität und Tiefe darzubieten.

Als Ouvertüre eigener Art fungierte das erste Stück „Vyšehrad“. Der Titel bezieht sich auf den sagenumwobenen Prager Fürstenberg – der Legende nach der Sitz der Seherin Libuše – und steht als Symbol für die Größe und Hoffnung der tschechischen Nationalbewegung. Das eröffnende Harfenthema, ein prophetischer Gesang (bekannt aus Smetanas Oper Libuše), zieht sich wie ein Leitmotiv durch das gesamte Stück – ein musikalisches Drama zwischen Glanz und Verfall.

Charles Olivieri-Munroe dirigierte die Dortmunder Philharmoniker durch  Smetanas Zyklus "Mein Vaterland". (Foto: (c) Adam Golcek)
Charles Olivieri-Munroe dirigierte die Dortmunder Philharmoniker durch Smetanas Zyklus „Mein Vaterland“. (Foto: (c) Adam Golcek)

Im folgenden Teil „Die Moldau“ wird der Lauf des Flusses poetisch und eindringlich nachgezeichnet – mit all seinen Stromschnellen und ruhigen Passagen, spürbar und unmittelbar erlebbar für die Zuhörenden.

Mythisch und kämpferisch zeigt sich das dritte Stück „Šárka“, das die Geschichte einer schönen Amazonenkriegerin erzählt, die mit List und mit Hilfe ihrer Gefährtinnen eine feindliche Ritterschar besiegt – herbeigerufen durch den Klang eines Horns.

„Aus Böhmens Hain und Flur“, der vierte Teil, ist eine liebevolle und facettenreiche musikalische Landschaftsbeschreibung der böhmischen Heimat.

Dramatisch und historisch bedeutungsvoll werden schließlich die beiden abschließenden, eng miteinander verbundenen Stücke „Tábor“ und „Blaník“. Hier verweist Smetana auf die Hussitenkriege, die für das tschechische Nationalgefühl eine zentrale Rolle spielen. Ihr Auslöser war die Hinrichtung des Reformators Jan Hus im Jahr 1415.




Ein eindrucksvolles Barockerlebnis im Reinoldihaus

Am 12.03.2025 kamen Fans der Barockmusik beim Oratorium in zwei Teilen (Rom 1707) mit dem Titel „La Bellezza ravveduta nel trionfo del Tempo e del Disinganno, HWV 46a“ von Georg Friedrich Händel voll auf ihre Kosten.

Für das Konzert im Rahmen des KLANGVOKAL Musikfestivals Dortmund wurde das renommierte belgische B’Rock Orchestra unter der Leitung von René Jacobs, einem der prägendsten Interpreten der Alten Musik, gewonnen. Zu den Instrumenten des Orchesters gehörten typische Klangkörper aus der Barockzeit, wie etwa das Cembalo. Hochkarätige Sänger*innen wie die Sopranistinnen Sunhae Im (Schönheit) und Kateryna Kasper (Vergnügen), der Countertenor Paul Figuier (Erkenntnis) sowie der Tenor Thomas Walker (Zeit) sorgten für ein eindringliches Musikerlebnis.

In einer klassischen Abfolge von Rezitativen und anspruchsvollen Arien hat Händel die Handlung zu einem „religiös-moralisierenden“ Oratorium vertont. Das Libretto stammte von Kardinal Benedetto Pamphilj.

Virtuosität und tiefgründige Symbolik

Die Partitur stellte nicht nur für das sensibel begleitende Orchester eine Herausforderung dar, sondern auch für die Singenden auf der Bühne. Besonders die Figur des Piacere (Vergnügen) verlangte eine Musik voller halsbrecherischer Koloraturen. Der ukrainisch-deutschen Sopranistin Kateryna Kasper gelang dies kraftvoll und scheinbar mühelos. Symbolisch für die Eitelkeit stand zudem die Virtuosität der Instrumentalist*innen des Orchesters.

Barockes Highlight unter der Leitung von René Jacobs. (Foto: Fiona Bischof)
Barockes Highlight unter der Leitung von René Jacobs. (Foto: Fiona Bischof)

Im Mittelpunkt der Handlung stand die Wandlung der Bellezza (Schönheit) von der sinnlichen Liebe (verkörpert durch das Vergnügen) zur geistigen Liebe (Erkenntnis). Zeit und Vergänglichkeit spielten ebenfalls eine bedeutende Rolle.

Ein musikalisches Highlight bildete das spezielle Concerto für Orgel und Streicher, das im ersten Teil bei Bellezzas Eintritt in den Palast als Zeichen des Vergnügens erklang. Am Ende, während ihrer schlicht gehaltenen Schlussarie in E-Dur – als Symbol des Himmels –, gesellte sich eine zusätzliche Violinenstimme hinzu.

Nicht nur großartige Stimmen waren zu hören, sondern es wurde auch viel mit Mimik und Gesten gearbeitet, was die Aufführung besonders lebendig machte.

Interessanterweise hat Händel in seinem ersten Oratorium geschickt seine bekannte Arie „Lascia la spina“ aus der später entstandenen Oper Rinaldo eingearbeitet.

An diesem Abend hatten die Musiker*innen an ihren Soloinstrumenten mehrfach Gelegenheit, ihr virtuoses Können unter Beweis zu stellen.




Philharmonisches Konzert entführt in mythische Nachtwelten

Mit der Sinfonie Nr. 7 von Gustav Mahler (1860–1911) fand am 11./12.03.25 ein großer Mahler-Zyklus im hiesigen Konzerthaus seinen gebührenden Abschluss. Es war ein bedeutender Schwerpunkt im über ein Jahrzehnt andauernden Wirken von GMD Gabriel Feltz bei den Dortmunder Philharmonikern.

Bereits einmal wegen der Corona-Pandemie verschoben, konnte dem Publikum nun doch noch dieses kolossale Werk mit großer Orchesterbesetzung dargeboten werden. Es zeichnet sich durch musikalische Vielfalt, Variationsreichtum und ein gezieltes Changieren zwischen den Tonarten aus. Dramatisch aufbrausende, geheimnisvolle und feierlich leise Passagen wechseln sich in den fünf Sätzen ab.

Die besondere Rolle der Nachtmusiken

Die Besonderheit dieser Sinfonie liegt in den beiden „Nachtmusik“-Binnensätzen, die geschickt über ein Scherzo mit unheimlichem Charakter im Wechsel von Dur und Moll verbunden werden.

Mahler führt uns in eine ganz eigene, mythisch-märchenhafte Nachtwelt mit all ihren musikalisch fühlbaren Geräuschen. Oft düster, entfaltet sich eine abwechslungsreiche Wanderung durch die „Musik der Nacht“, in der der Mensch mit dem Unbegrenzten und Erhabenen konfrontiert wird. Musik als Kunst der Nacht sowie als Schutz vor den Ängsten in der Dunkelheit spielen dabei ebenfalls eine Rolle.

GMD Gabriel Feltz dirigierte die 7. Sinfonie von Gustav Mahler (Foto: (C) Liudmila Jeremis)
GMD Gabriel Feltz dirigierte die 7. Sinfonie von Gustav Mahler (Foto: (C) Liudmila Jeremis)

Schon der erste, stark zerklüftete Satz beginnt furios mit einem marschartigen Rhythmus. Hierfür wählte der Komponist ein Tenorhorn – ein für den Einsatz in einem Symphonieorchester eher unübliches Instrument. Wie Mahler selbst vor seinem Tod gesagt haben soll: „Hier röhrt die Natur.“ Danach entwickelt sich durch die Verschiebung des Themas nach Es-Dur eine Art Choral und feierliche Stimmung, die von Harfen- und Mandolinenklängen unterstützt wird. Die beiden „Nachtmusiken“ mit ihrem leichten Serenadencharakter werden durch das Scherzo zu einem musikalischen Block verbunden. Jeder einzelne Satz wirkt dabei wie ein eigenes Universum.

Im optimistisch-euphorischen Finalsatz geht es temperamentvoll zu. Als Rondo angelegt, mit siebenfach wiederkehrendem Ritornell, wird er feierlich mit dem choralartigen Einsatz der Blechbläser eröffnet, den die Streicher weiterführen. Der Satz führt die Zuhörenden ins Helle – man könnte sich auf einer in leuchtendes Himmelblau getauchten Festwiese wähnen.

Ein grandioses musikalisches Finale.




Vielseitige Klangwelten: Das 4. Kammerkonzert verband Klassik und Moderne

Die Akademie für Theater und Digitalität war der Schauplatz für das 4. Kammerkonzert der Spielzeit 24/25. Das gut besuchte Kammerkonzert bot eine reizvolle Reise durch verschiedene musikalische Epochen und Stile. Im Zentrum standen vier Werke, die von subtiler Raffinesse bis hin zu expressiver Dramatik reichten und die Wandlungsfähigkeit des Zusammenspiels von Fagott und Streichern eindrucksvoll unter Beweis stellten.

Ein abwechslungsreicher Auftakt

Den Auftakt bildete Anton Reichas selten gespieltes Werk Variationen für Fagott und Streichquartett. Der Zeitgenosse Beethovens verband in diesem Stück Eleganz mit spielerischer Virtuosität. Besonders reizvoll war der Kontrast zwischen dem lyrischen Lento-Eingang und dem lebhaften Allegretto, in dem das Fagott mit charmanter Leichtigkeit brillierte.

Zu den vier Instrumenten des klassischen Streichquartetts kamen noch das Fagott und der Kontrabass hinzu. (Foto: (c) flutie8211/pixabay)
Zu den vier Instrumenten des klassischen Streichquartetts kamen noch das Fagott und der Kontrabass hinzu. (Foto: (c) flutie8211/pixabay)

Mit Wolfgang Amadeus Mozarts Streichquartett Nr. 19 in C-Dur KV 465, bekannt als „Dissonanzen-Quartett“, folgte ein Klassiker der Kammermusikliteratur. Das Werk erhielt seinen Beinamen aufgrund der kühnen harmonischen Einleitung, die zu Mozarts Zeit als gewagt galt. Zwischen feinsinniger Melodik und harmonischer Spannung entfaltete das Quartett eine erstaunliche Ausdrucksvielfalt – von der kontemplativen Tiefe des „Adagio“ bis zum mitreißenden „Allegro molto“ des Finalsatzes.

Dramatik und heitere Eleganz

Nach der Pause erklomm das Programm einen expressiven Höhepunkt mit Dmitri Schostakowitschs Streichquartett Nr. 8 op. 110. Das fünfsätzige Werk, das der Komponist 1960 in nur drei Tagen vollendete, war eine bewegende musikalische Selbstreflexion. Geprägt von Schostakowitschs persönlichem Monogramm „D-Es-C-H“ durchzog ein Geflecht aus Trauer, Sarkasmus und Resignation die einzelnen Sätze. Besonders das gravierende Largo-Thema bildete den emotionalen Rahmen dieser tief berührenden Komposition. Schostakowitsch verarbeitete darin seine Angst, während Stalins Säuberungen von der sowjetischen Geheimpolizei abgeholt zu werden. Die Instrumente imitierten sogar das bedrohliche Klopfen.

Zum Abschluss sorgte Jean Françaix‘ Divertissement für Fagott und Streichquintett für eine heitere Auflockerung. Mit französischer Eleganz und feinem Humor entfaltete sich ein musikalisches Spiel aus spritzigen Rhythmen und klanglicher Raffinesse. Die vier Sätze boten dem Fagott Gelegenheit, seine ganze Ausdrucksbandbreite von schalkhafter Lebendigkeit bis zu inniger Kantabilität zu zeigen und entließen das Publikum mit einem Augenzwinkern in den Abend.

Musiziert haben Gesa Renzenbrink und Anne-Kristin Grimm an der Violine, Dahee Kwon an der Viola, Denis Krotov am Cello, Pablo Gonzàlez Hernàndez am Fagott und Michael Naebert am Kontrabass.

Dieses Kammerkonzert verband meisterhafte Kompositionen aus drei Jahrhunderten zu einem Programm voller Kontraste – ein Fest für Freunde der Kammermusik, die sich auf emotionale Tiefe ebenso freuen durften wie auf virtuose Leichtigkeit. Das wurde mit begeistertem Applaus gewürdigt.




Meisterhafte Kontraste: Mao Fujita begeistert im Konzerthaus

In einer spannenden und kontrastreichen Reise führte der japanische Pianist Mao Fujita am 26. Februar 2025 das Publikum im Konzerthaus durch musikalische Epochen und Stile.

Ein Kaleidoskop der Emotionen

Eröffnet wurde das Konzert mit Chopins 24 Préludes op. 28. Diese Sammlung ist eine Art musikalisches Kaleidoskop, in dem jedes Prélude eine eigene Stimmung entfaltet. Die Stücke wechselten zwischen lyrischer Zartheit, dramatischer Intensität und virtuoser Brillanz.

Nach der Pause erklangen Mozarts Variationen KV 265. Die charmanten, spielerisch-leichten Variationen über das bekannte französische Volkslied („Ah, vous dirai-je, Maman“, in Deutschland als „Morgen kommt der Weihnachtsmann“ bekannt) boten einen Kontrast zu Chopins tiefer Emotionalität.

Mao Fujita begeisterte das Publikum im Komnzerthaus. /Foto: (C) Dovile Sermokas)
Mao Fujita begeisterte das Publikum im Komnzerthaus. /Foto: (C) Dovile Sermokas)

Beethovens 32 Variationen WoO 80 in c-Moll sind kraftvoll, kontrastreich und formal streng. Sie verlangen pianistische Präzision, während sie ein düsteres, fast schicksalhaftes Grundmotiv durch diverse musikalische Charaktere führen. Diese Variationen dienten als Übergang zur emotionalen Wucht der folgenden Sonate.

Den Höhepunkt des Programms bildete Beethovens f-Moll-Sonate op. 57, die berühmte „Appassionata“. Sie ist geprägt von leidenschaftlicher Erregung, dynamischen Extremen und einer tiefen existenziellen Dramatik. Die drei Sätze entfalteten eine erzählerische Kraft, die von innerer Unruhe bis zu einem stürmischen Finale reichte.

Mao Fujita verzauberte vor allem durch seinen klaren, ausdrucksstarken und technisch brillanten Spielstil, der insbesondere in den beiden Beethoven-Stücken zur Geltung kam. Erst nach zwei Zugaben war das Konzert beendet.




Kontrastreich und originell: Wiener Klassik 2025

Das dritte Konzert der Reihe „Wiener Klassik“ der Dortmunder Philharmoniker griff am 24. Februar 2025 im hiesigen Konzerthaus die im 18. Jahrhundert übliche Praxis auf, dass Solokonzerte vom Solisten selbst geleitet werden. Diesmal war der musikalische Abend unter dem Titel „Flaut dolce“ einem im Konzertsaal eher selten zu hörenden Instrument gewidmet – der Blockflöte.

Maurice Steger (*1971), ein virtuoser Meister der Blockflöte, begeisterte das Publikum nicht nur mit seiner beeindruckenden Beherrschung des Instruments, sondern auch als energiegeladener Dirigent. Zudem war er für die Konzeption des vielfältigen und klanglich wie stilistisch kontrastreichen Programms verantwortlich.

Elegische Streicher und virtuose Barockklänge

Mit „Adagio for Strings“ von Samuel Barber (1910–1981) und der „Fantasie über ein Thema von Thomas Tallis“ von Ralph Vaughan Williams (1872–1958) standen zwei elegisch-schwermütige Werke des 20. Jahrhunderts auf dem Programm, die das Publikum in ihren magischen Klangkosmos zogen. Beide Stücke leben von der feinen Abstimmung und dem homogenen Klang des Streichorchesters und sind stilistisch der Spätromantik zuzuordnen. Hier zeigte sich einmal mehr das sensible musikalische Gespür der Dortmunder Philharmoniker.

Maurice Steger faszinierte mit seiner Blockflöte das Konzerthaus. (Foto: (c) pixabay)
Maurice Steger faszinierte mit seiner Blockflöte das Konzerthaus. (Foto: (c) pixabay)

Den Kontrapunkt dazu bildeten das Blockflötenkonzert F-Dur von Georg Friedrich Händel sowie das „Concerto A-Dur für Blockflöte und Streicher“ von Francesco Geminiani (1687–1762). Im Barock war das sogenannte „Recycling“ musikalischer Werke gängige Praxis: Erfolgreiche Kompositionen wurden für neue Kontexte bearbeitet und mit Soloinstrumenten wie der Flöte kombiniert. Grundlage für diese Stücke waren unter anderem die Solostimmen von Arcangelo Corelli. Die Werke bestechen durch abwechslungsreiche Satzfolgen, die sich zwischen langsamen Passagen und virtuosen, von spielerischen Verzierungen geprägten Läufen bewegen.

Den Abschluss bildete ein Meisterwerk der musikalischen Komik: Joseph Haydns Sinfonie Nr. 60 C-Dur, „Il distratto“ („Der Zerstreute“). Die Sinfonie basiert auf einer turbulenten Verwechslungskomödie und spiegelt deren Witz in der Musik wider – mit unerwarteten Fanfaren, abrupten Themenwechseln, scheinbar sinnlosen Wiederholungen und überraschenden Harmonien.

Das Publikum belohnte die klangliche Vielseitigkeit und die mitreißende Darbietung des Orchesters mit begeistertem Applaus.

 




Elias – Oratorium mit dramatischer Ausdruckskraft

Am 22. Februar präsentierte der Philharmonische Chor unter der Leitung von Granville Walker das Oratorium „Elias“ von Felix Mendelssohn Bartholdy. Begleitet wurden sie dabei von den Dortmunder Philharmonikern sowie den Solist:innen Kristin Ebner, Sinja Lorenz, Natasha Valentin, Aljoscha Lennert und Daniel Carison. Das Konzert fand in der Reinoldikirche statt.

Felix Mendelssohn Bartholdys Oratorium „Elias“ (op. 70), uraufgeführt 1846 in Birmingham, verbindet musikalisch und inhaltlich die dramatische Kraft barocker Vorbilder wie Johann Sebastian Bach und Georg Friedrich Händel mit der lyrischen Sensibilität und harmonischen Fülle der Romantik. In den Chorälen ist deutlich Bachs Einfluss zu hören, während Mendelssohn Bartholdy von Händel die kraftvollen, eindrucksvollen Chorsätze übernommen hat. Besonders hier zeigte der Philharmonische Chor seine Stärke: Die Chöre spielen eine zentrale Rolle und demonstrieren eine beeindruckende stilistische Bandbreite. Gewaltige, majestätische Chöre wie „Aber der Herr sieht es nicht“ unterstreichen die Erhabenheit Gottes. Volksnahe, klagende Passagen spiegeln das Leid und die Unsicherheit des Volkes wider. Dramatisch aufgeladene Turba-Chöre (Massenchöre), etwa beim Duell zwischen Elias und den Baalspropheten, verstärken die theatralische Wirkung.

Facettenreiche Charakterzeichnung in Musik und Text

Auch die Solopartien sind musikalisch vielschichtig gestaltet. Elias (Bass-Bariton) tritt kraftvoll und autoritär auf, offenbart jedoch zugleich menschliche Zweifel. Der Sopran übernimmt häufig die Rolle von Engeln oder Trostfiguren, deren Gesang sich durch lichtvolle, sanfte Linien auszeichnet. Diese kontrastreiche musikalische Gestaltung trägt zur emotionalen Tiefe des Oratoriums bei.

Das Oratorium "Elias" von Mendelssohn Bartholdy erklang in der Reinoldikirche.
Das Oratorium „Elias“ von Mendelssohn Bartholdy erklang in der Reinoldikirche.

Im Zentrum des Werks steht die biblische Figur des Elias. Für die einen ist er eine inspirierende, aber auch radikale Persönlichkeit – ein unbeugsamer Mahner gegen Unrecht und ein Verteidiger spiritueller Werte. Für andere, zu denen ich mich ebenfalls zähle, erscheint Elias hingegen als fanatischer Eiferer. Sein kompromissloses Vorgehen gegenüber Andersgläubigen und die Anwendung von Gewalt werfen aus heutiger Perspektive ethische und gesellschaftliche Fragen auf – insbesondere im Hinblick auf religiöse Toleranz, Machtmissbrauch und den Umgang mit Vielfalt. In einer pluralistischen Gesellschaft hat eine Figur wie Elias keinen Platz.

Mit seiner dramatischen Ausdruckskraft und der vielschichtigen musikalischen Gestaltung hinterließ das Konzert in der Reinoldikirche einen nachhaltigen Eindruck. Der Philharmonische Chor, die Solist:innen und die Dortmunder Philharmoniker unter der Leitung von Granville Walker überzeugten mit einer packenden Darbietung, die die zeitlose Relevanz und die künstlerische Größe von Mendelssohn Bartholdys Meisterwerk eindrucksvoll zur Geltung brachte.




Opera Passion & Tango – Leidenschaft füllt den Raum

Auf der Bühne im Reinoldisaal steht ein Flügel. Und die Ankündigung, dass der vorgesehene Pianist erkrankt ist. Ballast für den Abend? Nein.
Auf die Bühne kommt für den ersten Teil der arrivierte und preisgekrönte Musiker Karsten Scholz von den Dortmunder Philharmonikern, der scheinbar mühelos in den vergangenen zwei Tagen das vorgesehene Programm einstudieren konnte. Jedenfalls füllt er seinen Part komplett aus und spielt sich virtuos durch den Abend und seinen Solopart von Schumann.

Mit ihm erscheint der Opernstar – mit wehenden Haaren, aber streng mit Fliege und Frack. Der argentinische Bariton Germán E. Alcántara ist auf den Brettern in Theatern wie dem traditionsreichen Teatro Colón in Buenos Aires, in dem auch Caruso, Callas, Domingo und Pavarotti gastierten, ebenso zu Hause wie in London oder Köln. Bereits mehrfach war er zu Gast in Dortmund beim Musikfestival „Klangvokal“. Mit diesem Hintergrund und der Liebe zu Oper und Tango entstand die Idee zu diesem Abend eigens für dieses Festival.

Karsten Scholz von den Dortmunder Philharmonikern am Klavier mit dem Bariton Germán E. Alcántara . (Foto: (c) Klangvokal)
Karsten Scholz von den Dortmunder Philharmonikern am Klavier mit dem Bariton Germán E. Alcántara . (Foto: (c) Klangvokal)

Mit eindrücklicher Leidenschaft erklingen schon die ersten Töne. Germán E. Alcántara ist jemand, der es schafft, auch ohne Kulisse seine Arien schauspielerisch zu interpretieren – mit ausdrucksstarker Mimik, Gestik und vollem Körpereinsatz. Dabei reicht seine Stimme bereits aus, um den Saal zu fesseln. Doch so ist es ein Vergnügen, ihn nicht nur zu hören, sondern ihm auch zuzuschauen.

Es erklingen Arien aus Mozarts Don Giovanni und Bellinis I Puritani – es geht um Liebe und Leidenschaft, um Verrat und Rache. Verdis Maskenball und Rigoletto liefern weitere Arien. Mit dem ausführlichen Programmheft, das alle Liedtexte im Original und in Übersetzung enthält, lassen sich die Passagen sehr gut verfolgen – wenn man es denn will. Man kann sich aber auch einfach den Tönen überlassen.

Am Ende von Verdis Anklage an die „abscheulichen Höflinge“ rauft sich der Interpret die Haare, reißt sich die Fliege ab und fällt vor dem imaginären Gesindel auf die Knie – voller und überzeugender Leidenschaft. Nicht umsonst heißt der Abend Opera Passion.

Tango-Passion: Von Buenos Aires nach Dortmund

Und der Tango?
Die Tango-Passion erfüllt sich im zweiten Teil. Dafür konnte das Klangvokal-Festival unter der Leitung von Torsten Mosgraber kurzfristig eine Tangospezialistin und Arrangeurin aus Paris gewinnen, die selbst ein Tangoorchester leitet. Auf der Dortmunder Bühne gehören Lysandre Donoso, ein gefragter Bandoneonist, und der Bassist Lucas Frontini zum Ensemble. Gemeinsam mit dem erkrankten Knut Jacques und Alcántara entwickelten sie das Programm.

Germán E. Alcántara – mit streng zum Pferdeschwanz gebundenen Haaren, schwarzem Hemd, oben offen, und Jackett – ergibt sich im ersten Tango der Trunkenheit. In zwölf Chansons sind auch die Liebe und die Umgebung Thema, in der der Tango Argentino seine Heimat hat.

Der Tango hat es in den „Operntempel“ Teatro Colón in Buenos Aires geschafft, entstanden ist er jedoch auf den Straßen von Buenos Aires und Montevideo – beeinflusst von Einwanderern aus aller Welt.

Alcántara interpretiert Chansons von Troilo, Stampone, Mores, Gardel und anderen – Piazzolla darf dabei natürlich nicht fehlen.

Ihren instrumentalen Solopart bestreiten die Musikerinnen und Musiker mit einem Tango von Luis Bernstein.

Im Grunde könnte es so weitergehen. Doch auch dieser Abend erreicht sein Ende.
Noch nicht ganz.

Zwei Zugaben runden das zweistündige Programm ab. Bei einer davon greift Alcántara selbst zur Gitarre. Eine Strähne hat sich längst aus dem strengen Pferdeschwanz gelöst.

Ein leidenschaftlicher Abend mit einem hervorragenden Ensemble, das harmonierte, obwohl die Pianisten nur zwei Tage zur Vorbereitung hatten. Eine Wiederholung des Abends wäre wünschenswert – es würde sich lohnen.

Das Klangvokal-Festival startet also furios in die neue Saison. Das aktuelle Programmheft erscheint am 26. Februar. Online findet man alle Informationen unter www.klangvokal.de.




6. Philharmonisches Konzert: Orchestrale Farbenpracht und romantische Sehnsucht

Im Osten geht die Sonne auf – so lautete der Titel „Sonnenaufgang“ für das 6. Philharmonische Konzert der Dortmunder Philharmoniker am 11. und 12. Februar 2025 im Konzerthaus Dortmund. Zwar war kein Komponist aus dem Land der aufgehenden Sonne zu hören, doch auf dem Programm standen zwei Russen: Peter Tschaikowsky und Nikolai Rimski-Korsakow.

Den Beginn machte das Violinkonzert in D-Dur von Tschaikowsky. Der Violinist Guy Braunstein übernahm den Solopart, Alondra de la Parra dirigierte die Philharmoniker. Die Musik ist voller Energie, leidenschaftlicher Läufe und technischer Brillanz, aber auch von tiefer Melancholie durchzogen. Besonders beeindruckend ist der langsame zweite Satz, der poetisch und zurückhaltend wirkt und einen ruhigen Gegenpol bildet. Wild wurde es wieder im dritten Satz, der mit einem mitreißenden Finale endet. Diese Mischung aus leidenschaftlicher Dramatik und lyrischer Melancholie macht dieses Konzert so hörenswert und bewies die technische Virtuosität von Braunstein.

Alondra de la Parra dirigierte die Dortmunder Philharmoniker. (Foto: (c) Leo Manzo)
Alondra de la Parra dirigierte die Dortmunder Philharmoniker. (Foto: (c) Leo Manzo)

Zwischen Ost und West: Musikalische Brücken

Braunstein spielte noch zwei Zugaben, darunter eine Version von „A Hard Day’s Night“ von den Beatles, die er zusammen mit anderen Songs zu einem Violinkonzert bearbeitet hat – übrigens mit Alondra de la Parra als Dirigentin.

Mit „Scheherazade“ begaben wir uns noch weiter in den Osten, Richtung Persien. Inspiriert von den Geschichten aus Tausendundeine Nacht schuf Rimski-Korsakow einen Klassiker der Orchesterliteratur. Das Werk erzählt in vier Sätzen die Abenteuer aus den berühmten Märchensammlungen. Am bekanntesten ist sicherlich der erste Satz: Er wird mit einem schweren, markanten Thema im tiefen Blech (Symbol für den Sultan) eröffnet, das bald von der sanften, lyrischen Violine (Scheherazade) abgelöst wird. Das Meer wird musikalisch in schwellenden, wellenartigen Bewegungen dargestellt, während Sindbads Abenteuer durch lebendige, dynamische Orchesterpassagen erzählt werden. Eine viersätzige Reise in den Vorderen Orient.