2. Philharmonisches Konzert – Stahlkochen im Konzerthaus

Früher galt in Dortmund folgender Dreiklang: Kohle, Stahl und Bier. Die Kohle ist lange Vergangenheit, die Zeit der großen Stahlwerke in Dortmund ist auch vorbei, nur beim „echten“ Dortmunder Bier scheint es eine leichte Renaissance zu geben.



Bleiben wir aber beim Stahl. Das Arbeiten in einem Stahlwerk ist wenig romantisch. Es hat mehr mit Maschinen, Lärm und harten Männern zu tun. Kein Wunder, dass es bei Künstlergruppen wie beispielsweise dem Futurismus Anfang des 20. Jahrhunderts beliebt war, solche Dinge zum Kern ihrer Arbeit zu machen. Auch in der Musik fanden Komponisten den Klang der Arbeit faszinierend.

Zu Beginn des 2. Philharmonischen Konzertes erklang Alexander Mossolow. Das Stück „In der Eisengießerei“ (im Original „В чугунолитейном цехе“) wurde 1926 komponiert und ist ein charakteristisches Beispiel für Mossolows avantgardistischen Stil. „In der Eisengießerei“ ist geprägt von dissonanten Akkorden, harten Rhythmen und einem avantgardistischen, fast mechanischen Klavieranschlag. Die Musik erzeugt eine Atmosphäre von Arbeit, Maschinen und technologischem Fortschritt. Es ist ein faszinierendes Stück, das die künstlerische Auseinandersetzung mit der industriellen Revolution und der Veränderung der Welt in der sowjetischen Gesellschaft der 1920er Jahre widerspiegelt.

Da auch Stahlarbeiter mal eine Pause brauchten, wurde es romantisch. Das Klavierkonzert Nr. 2 von Sergei Rachmaninow ist ein Paradebeispiel für die romantische Musik des späten 19. und frühen 20. Jahrhunderts. Es ist geprägt von intensiven emotionalen Ausdrücken und melodischer Schönheit. Diese Aspekte zeigte der Solist Nikolai Lugansky in seiner vortrefflichen Interpretation. Schließlich erfordert das Klavierkonzert außergewöhnliche technische Fähigkeiten vom Solopianisten.  Das Konzert steht in c-Moll, was zu einer allgemein düsteren und intensiven Stimmung beiträgt. Rachmaninow verarbeitet in diesem Werk seine eigenen emotionalen und persönlichen Konflikte

Nach der Pause ging es wieder zu Arbeit. „Le pas d’acier“ ist ein Ballett in zwei Akten, das vom russischen Komponisten Sergei Prokofjew komponiert wurde. Es wurde im Jahr 1927 uraufgeführt. Der Titel „Le pas d’acier“ bedeutet „Der Stahlschritt“ und bezieht sich auf die industrielle und technologische Entwicklung der Zeit, die das Ballett thematisiert. Die Musik ist rhythmisch, dynamisch und nutzt verschiedene Orchesterfarben, um die industrielle Umgebung darzustellen.

Den Schlusspunkt setzte ein „Stahlross“. „Pacific 231“ ist eines der bekanntesten Werke von Honegger und gehört zu den klassischen Beispielen für die musikalische Darstellung von Maschinen und Technologie in der Musik des 20. Jahrhunderts. Der Titel bezieht sich auf eine bestimmte Art von Dampflokomotive, die als „Pacific“ bekannt ist und 231 als Klassifikationsnummer hatte. Die Musik ist geprägt von rhythmischen und dynamischen Variationen, die den Eindruck von Dampf, Geschwindigkeit und mechanischer Bewegung erwecken.

Nach dem Konzert wurde Gabriel Feltz für 10 Jahre Generalmusikdirektor in Dortmund geehrt.




30. Jazztage Dortmund 2023

Die 30. Jazztage Dortmund sind eine kuratierte Konzertreihe mit 15 Veranstaltungen in 4 Wochen. Ein Hörfenster der Spielarten des Jazz und der zeitgenössischen improvisierten Musik, das vor „Ausflügen“ in umliegende Gefilde nicht zurückschreckt. Und auch gesellschaftliche und politische Themen spiegeln sich im Programm.



Mit Black Lives kommt ein Kollektiv nach Dortmund, dass sich ganz dem Kampf gegen Rassismus und für soziale Gerechtigkeit durch ihre Musik verschrieben hat: A collective of artists who are continuing to fight for equality and social justice through music. Der aus Odessa stammende Pianist und Komponist Vadim Neselovskyi reflektiert in seiner Suite „Ukrainian Diary“ zusammen mit dem von geflüchteten ukrainischen Musikerinnen neu gegründeten Myria Ensemble seine Empfindungen gegenüber des andauernden russischen Angriffskrieg in der Ukraine. Die Ruhrgebiets-Band The Sephardics bearbeitet sephardische Musik, die ihren Ursprung im 16. Jahrhundert hat und traditionell geprägt wurde durch die als Sepharden bezeichneten Nachfahren iberischer Juden. Sie kooperieren hier erstmals in einem besonderen Projekt mit dem kurdischen Electro-Disco-Trio Biensüre aus der hippen Hafenstadt Marseille.  

Neben den vielen weiteren Konzerten mit einer stilistischen Spannbreite von Modern Jazz über Improvisationsmusik und experimentell-elektronische Klangwelten über französische Jazz-Chansons bis hin zu brasilianischem Latin-Pop seien noch besonders erwähnt die diesjährigen Kooperationspartner Folkwang Jazz, das junge Dortmunder Kollektiv Bunt oder Blau, das Kollektiv The Dorf und das Tanzcafé Oma Doris als kooperativer Spielort im Musikquartier Brückviertel sowie die Familienkonzertreihe SOUNDZZ. Das Doppelkonzert am Eröffnungsabend wird eingerahmt von der Vernissage der Foto-Ausstellung „Women in Jazz“ von Frank Schindelbeck.

Weitere Informationen zum Programm und den Eintrittspreisen finden Sie unter der Internetseite: https://www.domicil-dortmund.de/jazztage-dortmund.html

 




Eine Reise der Dortmunder Philharmoniker in das Land des Brexits

Der Brexit hat uns alle betroffen gemacht und wird uns wohl noch sehr lange beschäftigen. Vor allem die Briten. Die Folgen sind jetzt schon verheerend … und der Bestand des Restempires ist wohl gezählt. Der den Briten nachgesagte ökonomische Verstand hat in Brexit Kampagne aus Xenophobie versagt … ein Vorgeschmack für die Gefahr einer Braunaue*rinnen Regierung.



Trotz allem gibt es Gründe genug einen musikalischen Ausflug über den trennenden Ärmelkanal zu machen. Wobei sich die Briten gerne kontinentaleuropäische Musiker an den Hof holten … bis wir den Beatles Britpop erleben durften. Oder … da war was davor.

Eröffnet wurde das Konzert am 09. Oktober 2023 von Beethovens Variationen zu „God Save the King“ für ein Solo Klavier. Dem Hannoveraner George und der mecklenburgisch-portugiesischen Charlotte mit afrikanischen Wurzeln würde es gefallen haben. Wundervoll gespielt vom Dirigat Christian Zacharias.

Die Londonreise von Beethoven mit seinem Lehrer Haydn zerschlug sich, aber sein Faible für England blieb bestehen. Und er war auf der Insel dann auch kein Unbekannter geblieben. Seine Stücke erschienen auf der Insel im Druck. Auf dem Kontinent baute er immer wieder Elemente mit klarem Bezug zur Insel ein.

Es folgten unsere Brexiteers: Edgar Elgar und Benjamin Britton.

Zuerst spielten die Dortmunder Philharmoniker die Serenade für Streicher e-Moll op. 20 von Edgar Elgar und anschließend Les Illuminations op. 18 von Benjamin Britton. Die Texte stammen von Arthur Rimbaud, die hervorragend von Rinnat Moriah gesungen wurden … unter einer infernalischen Belastung nach dem Überfall der Hamas am vorhergehenden Samstag dieses Oktobers.

Elgar, der, im Gegensatz zu Britton, nie einen Kompositionsunterricht erhielt, kann man ein Naturtalent nennen. Elgar ist mit dem Empire wie kein anderer verbunden, was auch seine Komposition „Land of Hope and Glory“ als inoffizielle Hymne zeigt. Er ist aber nicht zwingend der staatstragende Komponist, da er im klassenbetonten England von der Oberschicht nie anerkannt wurde. Das dreisätzige, 12-minütige Stück, einfühlsam intoniert und dirigiert, zeigt entfernte Echos von Felix Mendelsohn Bartholdy … gefesselt wird der Hörer aber schon mit den ersten Tönen der Serenade, die sich im dritten Satz echogleich wiederholen. Es wiederholt sich nicht einfach, sondern rundet die Serenade wunderbar ab.

Britton … sorry nicht mein Bier, ABER: Britton hatte eine seriöse Komponistenausbildung und wurde einer der Vertreter der Moderne. Britton, ein überzeugter Sozialist und Pazifist ging 1939 in die USA, segelte aber über den Teich zurück, da wohl doch zu tief dort verwurzelt. Die USA waren damals schon alles andere als sozialfreundlich oder pazifistisch … Nach Pearl Harbour kann man für uns nur sagen: Gott sei Dank.

Der von den Dortmunder Philharmonikern nun gespielte und von Moriah gesungene Orchesterlied-Zyklus Les Illustrations ist „strange“ und begeisterte Britton Fans zu Recht. Ich selber hatte weniger Freude daran, auch ein wenig wegen Rimbaud, der auch nicht mein Fall ist … Man kann nicht alles haben! Aber trotzdem eine fantastische Darbietung von Moriah und unseren Philharmonikern.

Von der verlassenen Insel geht der Bogen wieder zurück auf den Kontinent, nach Wien und zu Wolfgang Amadeus Mozart und seiner beschwingten 18. Jahrhundert Popmusik … Britpop heute, Wienpop damals. Die Philharmoniker intonierten die Sinfonie Nr. 40 g-Moll KV 550, 1. Fassung. So seine eigene 2. Fassung mit zwei Klarinettenstimmen.

Die Sinfonie KV 550 gehört zu den bekanntesten Werken Mozarts. Bereits um 1800 war sie beim Publikum hochgeschätzt, was sich auch in einer Vielzahl von Bearbeitungen ausdrückte. In der Popmusik wurden mehrfach Teile der g-Moll-Sinfonie adaptiert und bearbeitet. 1971 wurde der erste Satz als Popversion von Waldo de los Ríos zu einem Singlehit in Großbritannien und Deutschland. Ich hatte damals die LP und liebte dieses Crossover. Aber auch in der TV Werbung ertönte diese Sinfonie, so die Telekom, ein Kaffeeröster und andere andere. Die Sinfonie bildet eine Trias mit No. 39 und 41. Diese drei Sinfonien wurden aber erst nach seinem Tod erst gedruckt.

Beschwingt spielten die Dortmunder Philharmoniker unter dem Dirigat von Zacharias die Sinfonie … und mit geschlossenen Augen hätte man sich in ein Konzert am Ende des 18. Jhdt. versetzen können. Die Intensität der von Mozart beabsichtigten Ausdruckskraft wurde gekonnt und ausbalanciert wie die Sinfonie selber durch die Philharmoniker gespielt und ließ mitreißen … so sehr, dass das Publikum mit seinem Applaus nicht sparte … Also nicht nur wegen Mozart, aber die Sinfonie trug ihren Anteil an der Begeisterung.




Eine musikalische Perle des Frühbarocks

Im Rahmen des Klagvokal Musikfestivals Dortmund wurde am 02.10.2023 im hiesigen Reinoldihaus mit Emilio de Cavalieris (1550-1602) „Rappresentatione di Anima, et di Corpo“ (1600) die erste erst vollständig erhaltene Oper konzertant aufgeführt. Das Spiel um Seele und Körper in drei Akten hatte seine Uraufführung im Betsaal der Kirche Santa Maria in Vallicella (Rom).



Mit dieser geistlichen Oper markierte der vielseitig begabte italienische Komponist als ein wesentlicher Impulsgeber den Beginn der frühen Barockzeit mit Monodie (solistischer Gesang mit akkordischer Instrumentalbegleitung) und Generalbass.

Das Ensemble und die beiden Solisten entführten das Reinoldihaus in die Zeit des Frühbarocks. (Foto: (c) Bülent Kirschbaum)
Das Ensemble und die beiden Solisten entführten das Reinoldihaus in die Zeit des Frühbarocks. (Foto: (c) Bülent Kirschbaum)

Im Wesentlichen geht es in der Oper um die damals für den Menschen entscheidende Frage: Genieße ich das irdische Leben in vollen Zügen, ungeachtet der Folgen? Oder richtet man schon jetzt den Blick auf das, was nach dem Tod (laut religiöser Verheißung) folgen wird?

Die (musikalische) Zwiesprache zwischen „Seele“ und „Körper“ mit widersprüchlichen Gefühlen, den Versuchungen und Verunsicherungen. Bildet das Zentrum der Oper. Die weiteren handelnden Figuren (Welt, Rat, Vergnügen, Geist, Weisheit, Vernunft, Schutzengel…) sind vorrangig Allegorien. Nur bei den „Titelfiguren“ (Seele und Körper) handelt es sich um echte Menschen.

Die niederländische Mezzosopranistin Sophia Faltas (Seele) und der Tenor Raffaele Giordati (Körper) gaben den inneren Konflikten zwischen Seele und Körper eine starke eindringliche Stimme.

Der 2004 gegründete belgische Vokalensemble für Musik der Renaissance und Barock begeisterte als Chor, mit ihren einzelnen Stimmen für die weiteren handelnden Figuren aber vor allem auch mit dem ausdruckstarken Zusammenspiel unterschiedlichster Instrumente (Harfe, Viola, Violine, imposanter Posaune, Gitarre, Cembalo, Truhenorgel, Gamba und Theorbe).

Eine Musik voll Anmut und Intensität, mit emotionalen Lamenti, glanzvollem Chor und Einflüssen traditioneller Volksmusik. Sie fand danach bei Claudia Monteverdi ihren Meister.

In der Gegenwart ist die Frage nach den Folgen unseres Handelns (für Umwelt und Gesellschaft) durchaus aktuell. Der religiöse Kontext ist für viele Menschen heutzutage befremdlich. Auch ohne die Hoffnung auf eine „himmlische Belohnung“ nach dem Tod für ein “gottgefälliges“ Leben gibt es genug humanistische Gründe, sich über Gedanken über ein achtsames Verhalten gegenüber uns selbst, anderen Menschen oder der Umwelt im Diesseits zu machen.




Zündende Rhythmen von Tango bis Flamenco

Die Dortmunder Philharmoniker unter der emotionalen Leitung des jungen Dirigenten Leo McFall lud am 19./20. September 2023 zum Auftakt der neuen Saison zum „Tango im Revier“ in das hiesige Konzerthaus.



Dass der Tango im Revier eine feste Größe ist, ist vielen klar, die hier leben. Das Bandoneon („Klavier des kleinen Mannes“) ist unverzichtbar für die Entwicklung der Tango-Musik. Erfunden von Heinrich Band (1821-1860) aus Krefeld gehörte es bis weit nach 1945 zur Feierabendmusik der Bergleute.

Als Exportschlager kam es dann nach Argentinien in die Kneipen und Bordelle, wo der Tango entstand. Mit der Tangowelle in den 1980iger Jahren kehrte das Bandoneon als Instrument des Tangos ins Revier zurück.

Der Konzertabend begann mit einem musikalisch südamerikanisch. Mit „Bachianas brasileiras Nr 4“ gelang es Heitor Villa-Lobos (1887-1959) seine Hochachtung vor dem musikalischen Werk J.S. Bachs mit der reichhaltigen populären Volksmusik seiner brasilianischen Heimat zu etwas spannenden Neuem zu verbinden. Eine Art Huldigung für die beide prägenden musikalischen Einflüsse.

Danach folgte Astor Piazzollas (1921-19929 „Aconcagua. Konzert für Bandoneon und Orchester“.

Mit Per Arne Glorvigen  hatte die Philharmoniker einen Meister an diesem Instrument gewinnen können, der mit viel Feingefühle die melancholisch wie animierend dramatischen Stimmungen fühlbar machen konnte. Das Stück ist klassisch angelegt, ist dabei mit dem Tangostil für den Konzertsaal verbunden. Als speziell für das Werk verkleinerte Orchesterbegleitung fungierten neben dem Solo-Bandoneon, Harfe, Klavier, Pauke, Schlagzeug und Streicher.

Nach der Pause ging es mit iberischen Klängen weiter.

Die Suiten Nr. 1 (Szenen und Tänze) und Nr. 2 (Drei Tänze) aus „Dreispitz“ von Manuel de Falla (1876-1946) beruhen verschiedenen Richtungen der iberischen Volksmusik, insbesondere der Flamenco-Tradition. Es ist geprägt von Farbigkeit und Sinnlichkeit, zeichnet sich jedoch auch durch klare Formen und scharfe Kontraste aus.

In das geheimnisvolle, zwielichtige, manchmal auch etwas unheimliche Nachtleben Südspaniens, dass am Ende in einer rauschhaften musikalisch virtuosen Volksfeststimmung mündet führt zum Schluss die „Rapsodíe espagnole“ von Maurice Ravel (1875-1937).

Der geheimnisvolle Grundton mit den ersten Tönen, einem seltsamen ortlos erscheinenden viertoniger Ostinato (widerkehrende Musikelement) sowie die Widerkehr mancher Melodien dienen dazu, die Rhapsodie zu einem gelungenen ganzen zusammenwachsen zu lassen.




 Ein besonderer Abend mit Cello und mehr

Ein Konzert an ungewöhnlicher Stelle: Die Maschinenhalle der Kokerei Hansa in Huckarde war Schauplatz eines besonderen Kammerkonzertes „Cellissimo Plus“. Das Cello stand am 07. September 2023 im Mittelpunkt und die ausgesuchten Werke zeigten die Bandbreite dieses Instrumentes.



Angeführt von Hauke Hack, zeigten Aglaja Camphausen, Mladen Milodarovic, Andrei Simion und Christiane Schröder, was das Cello musikalisch so kann. Hinzu kam Frank Kistner, der Kontrabass spielte. Du dem Plus gehörte auch, dass die Cellistin Camphausen als Sopranistin auftrat und drei Morgensternlieder von Bernhard Hölscher mit Cellobegleitung sang. Höscher war der Musiklehrer von Hauke Hack.

Die Musik reichte von Barock (J.S. Bach) über sozialistischen Realismus (Nikolai Rakov) bis hin zu Ragtime oder den Evergreen „Mr. Sandman“. Der Komponist Peter Jansen zeigte, dass man auch über ein einfaches Kinderlied („Bi-Ba-Butzemann“) ein interessantes Stück für vier Celli und Kontrabass schrieben kann.

Alles in allem: Coole Location, cooles Konzert, gelungener Start in die neue Spielzeit.




Musikalische Romantik und kunstvolle Verleger-Verspottung

Im Dortmunder Reinoldihaus startete die Konzertsaison 2023/24 des Klangvokal Musikfestivals am 07.09.2023 mit einem besonderen Liederabend mit dem Tenor Daniel Behle und seinem kongenialen Begleiter am neuen Flügel Oliver Schnyder.



Behle ist vielen noch von der Opern- und Operettengala im letzten Jahr mit seiner weichen wie auch kraftvoll starken Stimme in guter Erinnerung.

Zu Beginn des Liederabends standen mit „Zwölf Gedichten op. 35 (Liederreihe nach Kerner)“ von Robert Schuhmann (1810-1856) und „Sechs Lieder op. 48“ von Edvard Grieg (1843-1907) zunächst einige romantische Vertonungen von bekannten Dichtungen auf dem Programm.

Da geht es um erfüllte und unerfüllte Liebe, Wanderlust, Naturfreude, Schmerz und Schwermut. Der Tenor mit seiner variablen Stimme sowie die Verstärkung durch das schmeichelnde Pianospiel verliehen den unterschiedlichen Stimmungen einen emotionalen Ausdruck.

Nach der Pause konnte sich das Publikum auf den satirisch-spöttischen 12 Gesänge „Krämerspiegel op. 66“ (Texte: Alfred Kerr) vom „letzten Romantiker“ Richard Strauss (1864-1949) freuen.

Seit der Jahrhundertwende hatte sich Strauss für eine Reform des Urheberrechts eingesetzt und die Genossenschaft Deutscher Tonsetzer gegründet. Nachdem der Berliner Verlag Bote & Bock  dem Komponisten 1903 neben einem großzügigen Honorar für dessen „Symphonia Domestica“ noch zwölf neue Lieder gerichtlich abverlangte, gab er Texte bei dem für seine spitze Feder bekannte Alfred Kerr in Auftrag. Die Musikverleger sollten aufs Korn genommen werden und Kerr lieferte das gewünschte zu der großen Musik des Komponisten. Genüsslich und mit sichtbarem Spaß brachten Behle und seine musikalische Begleitung den „Krämerspiegel“ zu gehör.

Mit den Strauss-Liedern „Herr Lenz“, „Ich liebe dich“ (1896/98) sowie der bekannten „Freundlichen Vision“ (1900) schlossen Daniel Behle und Oliver Schnyder den Kreis zum ursprünglichen Liebesthema des besonderen Liederabends.




Ein Abend für das Cembalo

Es ist bedauerlich, aber vielleicht auch verständlich, dass das Cembalo aus dem gewöhnlichen Konzertleben beinahe verschwunden ist. Es ist halt leiser als ein Klavier und verlangt von den Zuhörenden einiges an Diszplin. Etwas, was die Dortmunder am 05. September 2023 im Konzerthaus glücklicherweise mitbrachten. So konnte Jean Rondeau seine Goldberg-Variationen zu Gehör bringen.



Die „Goldberg-Variationen“ von Johann Sebastian Bach bestehen aus einer Aria, gefolgt von 30 Variationen und einer abschließenden Reprise der Aria. In fast 90 Minuten zeigt Rondeau seine Meisterschaft am Cembalo. Die Variationen sind bemerkenswert für ihre komplexe musikalische Struktur und ihre technische Herausforderung für Musiker.

Ich möchte ungern auf jede einzelne Variation eingehen, es sei nur gesagt, dass Jean Rondeau die Mischung aus langsamen und schnellen Variationen, unterschiedlichen Tonarten auf unterhaltsame Art und Weise zu Gehör brachte. Es gehört schon eine gewisse Meisterschaft dazu, Dinge so abwechslungsreich zu präsentieren, dass es nicht ermüdend wird. Denn das Konzert war ohne Pause – die auch gestört hätte, um ehrlich zu sein.




Abschluss des Orgelsommer im Zeichen von Eduard Wilsing

Der Dortmunder Orgelsommer 2023 fand seinen besonderen Abschluss am 4. August mit Simon Daubhäußer (Orgel) & Gästen in der hiesigen Propsteikirche.



Diese letzte Veranstaltung der Reihe „Orgelsommer“ stand im Zeichen des Hörder Komponisten Daniel Friedrich Eduard Wilsing (1809 – 1893).

Dessen spezieller Bezug zur Propsteikirche und der Umgebung wurde von Gerhard Stranz (unermüdlicher Forscher der Werke des Hörder Komponisten) vor Beginn der musikalischen Veranstaltung erläutert.

Wilsings frühe „Kontrapunktstudien“ mit einigen Beispielen und ausgearbeiteten Chorälen zu Anfang der Veranstaltung machten den Zuhörenden klar, welche Bedeutung der Komponist mit der Erstellung dieses Lehrbuchs hatte. Er legte hiermit die Grundlage für Weiterentwicklungen-Improvisationen für die ihm nachfolgenden interessierten Kollegen.

Simon Daubhäußer ist zu verdanken, dass die von Wilsing zu Noten gebrachten Ideen und intensiven Gefühle in einem von ihm gestalteten Zusammenhang gebracht und für das Publikum erlebbar gemacht wurde.

So folgte als nächstes der vom Organisten gespielte „Choral in a-moll (1890) des Deutsch-französischen Organisten und Komponisten César Franck (1822-1890). Ein freies Stück eingerahmt von sich aufbauenden Klangtürmen mit einem eher lyrischen Mittelteil und einem wiederkehrenden, choralartigem Motiv.

Die folgenden 12 Choralpräludien über gregorianische Choräle op. 8 (1947) von der französischen Komponistin und Organistin Jeanne Demessieux (1921-1968) sind ein Beispiel für die enge Verbindung der französischen Orgelliteratur an die Urgesänge der katholischen Kirche. Nach den typischen Gesängen folgte die jeweilige musikalische Ausgestaltung.

Als rauschender Schlusspunkt erklangen zum Ende die kraftvollen Orgelklänge des Kopfsatzes (Allegro) der Sinfonie Nr. 6 g-moll von dem französischen Organisten und Komponisten Charles Marie Widor (1844-1937).




Endspurt im Orgelsommer 2023

Noch drei Konzerte finden im Rahmen der diesjährigen Orgelwoche in der Dortmunder Propsteikirche statt. Ein besonderes Augenmerk liegt auf dem Abschlusskonzert, denn dort spielt Simon Daubhäußer werke des Hörder Komponisten Edurad Wilsing kommen.



Die Konzerte beginnen um 19:30 Uhr und der Eintritt ist frei.

21.07. Tamás Bódiss (Budapest)

Franz Tunder (1614-1667) Praeludium in G

Nun lob mein Seel den Herren – Choral und Variazione aus der Lüneburger Tabulatur (1650)

J. S. Bach (1685-1750) Phantasie und Fuge g minor BWV 542

J. G. Walther (1684-1748), Nun lob mein Seel den Herren – Choralbearbeitung

J. G. Albrechtsberger (1736-1809), Fuge B-A-C-H

F. Liszt (1811-1886) Angelus! Prière Aux Anges Gardiens

J. N. Hummel (1778-1837) Praeludium und Fuge c minor

F. Liszt: Weimars Volkslied

A. Guilmant (1837-1911), Nun lob mein Seel den Herren – Choral, op. 93.

28.07. Mario Hospach-Martini (Konstanz)

Dietrich Buxtehude (1637-1707) Toccata in d BuxWV 155

Johann Adam Reincken (1642-1722) Choralfantasie „An Wasserflüssen Babylon“

Johann Sebastian Bach (1685-1750) Sarabande con partite BWV 990

César Franck (1822-1890) Choral Nr.1 in E-Dur

04.08. Simon Daubhäußer

Während des Abschlusskonzertes am 4.8. wird es zu einer (Wieder-)Uraufführung von Orgelwerken bzw. kontrapunktischen Studien des Hörder Komponisten Eduard Wilsing kommen. Durch die Forschungsarbeit und das Engagement von Gerhard Stranz werden dem Dortmunder Publikum an unterschiedlichen Orten und in verschiedensten Besetzungen Auszüge aus Wilsings Werk wieder vor Ohren geführt. Der Zeitgenosse von Felix Mendelssohn Bartholdy, die beide Kompositionsunterricht bei Ludwig Berger hatten, hat sich unter anderem durch die bisher wenig bekannte Sicherung von Werken von Johann Sebastian Bach, so auch für das Weihnachtsoratorium und die Matthäuspassion, und vor allem auch durch die fast in Vergessenheit geratenen eigenen Werken in hohem Maße verdient gemacht. Er schuf u.a. das von Schumann hochgelobte 16stimmige Oratorium De Profundis, Klavier und Vokalwerke und das in seiner Anlage einmalige Oratorium „Jesus Christus“. … Erläuterungen zu den Werken erwarten Sie eingebettet in ein Programm aus klassischen Werken des organistischen Konzertrepertoires zum Abschluss der diesjährigen Reihe.