Meditativ-kraftvolle Klänge aus der tuwinischen Steppe
Im Rahmen des Klangvokal Musikfestivals 2025 entführte die tuwinische Gruppe Huun-Huur-Tu das Publikum am 10. Oktober im Dortmunder Reinoldihaus in die endlose Weite der sibirischen Steppe. Tuwa – ein abgelegenes Gebiet im Süden Sibiriens – ist ihre Heimat. Seit über zwanzig Jahren prägt die Band dort die traditionellen, naturverbundenen Klänge ihrer Region und führt sie mit modernen Arrangements zusammen.
Zentrales Element ist der Khoomei, der berühmte Ober- und Kehlgesang, der Töne gleichzeitig in mehreren Frequenzen erklingen lässt. Mit Lippen, Zunge, Kehlkopf und Stimmbändern erschaffen die Musiker ein vibrierendes Klanguniversum aus tiefem Grollen, schwebenden Obertönen und feinen Pfeifmelodien. Wer sich auf diesen Klangstrom einlässt, spürt die Bewegung von Wind und Pferden in der Steppe – eine meditative Reise durch Klanglandschaften, die zwischen Erde und Himmel zu schweben scheinen.
Auch visuell ist das Ensemble ein Erlebnis: In traditionellen Gewändern stehend, umgeben von Instrumenten aus ihrer Heimat, entfaltet sich ein Klangbild von archaischer Schönheit.
Huun-Huur-TU bei Klangvokal im Reinoldisaal (Foto: Céline-Christine Spitzner)
Zu hören waren unter anderem:
Igil, das zweisaitige Streichinstrument mit geschnitztem Pferdekopf, Symbol der tuwinischen Musiktradition.
Toschpulur, eine langhalsige Laute mit warmem, holzigem Klang.
Byzaanchi, ein Streichinstrument mit vier Saiten und Tierhautbespannung.
Chuur, die weiche, atmende Flöte der Steppe.
Tungur, die Schamanentrommel, deren tiefe Schläge spirituelle Kraft entfalten.
Khomus, die Maultrommel mit ihrem schillernden Obertonspektrum.
Tuyug, ein Rhythmusinstrument aus Pferdehufen, das den Klang galoppierender Tiere nachahmt.
Mit diesem Instrumentarium erschaffen die vier Musiker von Huun-Huur-Tu eine dichte, fast filmische Klangwelt – zwischen archaischer Erdverbundenheit und hypnotischer Trance.
Ein Konzert, das weniger gehört als erlebt wird – intensiv, erdig und zutiefst verbunden mit der Natur.
Erste Male mit „Wow-Faktor“ – 1. Philharmonisches Konzert in der Spielzeit 25/26
„Wow“, entfährt es der Dame neben mir. Das ganze Publikum sieht es offenbar genauso, denn die Pause verzögert sich um wenige Minuten. „Sehr schön, meine Güte“, seufzt man noch auf dem Weg zu Wasser, Bier und Sekt.
Diese Begeisterung löst das Violoncellokonzert Nr. 1 von Dmitri Schostakowitsch (1906 – 1975) aus, das der Solist Maximilian Hornung meisterhaft mit den Dortmunder Philharmonikern zu Gehör bringt. Mit reduzierter Besetzung kommt der Klang des Cellos voll zur Geltung. Es ist kein himmelhochjauchzendes Stück, vielmehr wechseln aufwühlende Sequenzen mit deutlich längeren, sehr leisen Passagen, in denen man manchmal das Gefühl hat, eine Stecknadel auch noch fallen hören können zu müssen. Es erfordert volle Konzentration des Cellisten und des Publikums, das sich der Herausforderung gern stellt und die Leistung letztlich mit Standing Ovations belohnt.
Auf der Bühne liegen sich Solist und Dirigent in den Armen. Sicherlich beseelt von dem Musikstück und eben auch von der Reaktion des Publikums. Dem Dirigenten kann man vermutlich auch eine gewisse Erleichterung unterstellen, denn es ist das erste Philharmonische Konzert unter der Leitung des frisch angetretenen Generalmusikdirektors Jordan de Souza. Zwar hatte er seine Feuertaufe in Dortmund bereits mit Mozarts „Die Hochzeit des Figaros“ bestanden, doch dieses Konzert lag gänzlich in seiner Verantwortung.
das Cello war das Soloinstrument des 1, Philharmonischen Konzertes in der neuen Spielzeit. (Foto: (c) aischmidt / pixabay)
Dem Anlass entsprechend illuster das Publikum, Teile des Kulturausschusses sind vor Ort, der künftige Oberbürgermeister Kalouti mischt sich unter die Gäste, aber auch der ehemalige Oberbürgermeister Dr. Gerhard Langemeyer ist zu sehen.
Kulturdezernent Jörg Stüdemann führt zu Anfang launig ein, bevor die Bühne ganz den Musikerinnen und Musikern gehört.
Vor dem ersten Violoncellokonzert von Schostakowitsch steht an diesem Abend die erste Sinfonie von Joseph Haydn (1732 – 1809) auf dem Programm, die dieser kaum fünfundzwanzigjährig mit jugendlichem Schwung schrieb. In der kleinen Umbaupause wendet sich de Souza ans Publikum, ein mit siebenunddreißig Jahren ebenfalls noch junger Mann, der im Vorfeld seines Engagements in Dortmund sich als Architekt sah, wie er es formulierte, und etwas aufbauen wollte. Dann, nach seinen Besuchen hier, aber feststellen konnte, dass es in Dortmund bereits viel gibt und er sich daher mehr als Gärtner verstehe, der an den richtigen Stellen gießt, hegt und pflegt. Eine sehr sympathische Haltung.
Nach der Pause setzen sich die ersten Male mit der ersten Sinfonie von Gustav Mahler (1860 – 1911) fort, der im Gegensatz zu Haydn, zu dessen Ära die Sinfonie als Musikstück noch nicht gefestigt war, nun mit oder gegen hundert Jahre Sinfonie und entsprechenden Erwartungen arbeiten musste. So hat er denn auch mehrere Jahre immer wieder an ihr geschrieben, letztlich selbst nach den ersten Aufführungen noch verändert und gar einen ganzen Satz verworfen.
Herausgekommen ist ein grandioses Musikstück, wunderbar gespielt vom vollbesetzten Dortmunder Philharmonischen Orchester mit seinem gut aufgelegten Generalmusikdirektor de Souza, dem bei seiner Hinwendung zum Publikum die Schweißperlen nach getaner Arbeit auf der Stirn stehen und dessen Gesicht vor Glück ebenso strahlt wie das Publikum, das mit den Standing Ovations mit rhythmischem Klatschen am Ende des Abends der Leistung des Orchesters huldigt.
Mit einer kleinen, aber aussagekräftigen Geste zum Notenbuch gibt de Souza den Applaus und Dank auch an Gustav Mahler weiter.
Hervorragende erste Male an diesem Abend mit „Wow-Faktor“, die natürlich Erwartungen für die kommenden Konzerte wecken. Das zweite Philharmonische Konzert folgt bereits Ende des Monats, am 28. und 29. Oktober, mit der Johannes-Passion von Bach.
Trauer um den langjährigen Dortmunder GMD Gabriel Feltz
Erschüttert und fassungslos haben wir vom plötzlichen Tod des ehemaligen Dortmunder Generalmusikdirektors Gabriel Feltz am 29. August 2025 erfahren. Von der Spielzeit 2013/14 bis 2024/25 leitete er als Generalmusikdirektor (GMD) der Stadt Dortmund die Dortmunder Philharmoniker, bevor er 2024 nach Kiel wechselte.
Mit unserem Kulturblog ars tremonia haben wir seine Arbeit von Anfang bis Ende begleitet und dabei viele wundervolle wie berührende musikalische Momente erleben dürfen.
Unvergessen bleibt der „Tannhäuser“ von Richard Wagner, den er 2013 gemeinsam mit Schauspielintendant Kay Voges auf die Bühne der Dortmunder Oper brachte. Apropos Wagner: Auch beim Ring-Zyklus der vergangenen Spielzeiten war Gabriel Feltz die treibende musikalische Kraft. In Erinnerung sind zudem der Beethoven-Marathon zum 250. Geburtstag des Komponisten sowie das Projekt „Rachmaninov total“ mit Klavier- und Orchesterwerken des russischen Komponisten. Großer Beliebtheit erfreuten sich auch die von ihm dirigierten Stummfilmkonzerte mit Live-Orchester.
In seinen zwölf Jahren in Dortmund hat Gabriel Feltz das Musikleben der Stadt nachhaltig geprägt. (Foto: (c) Liudmila Jeremis )
In seinen zwölf Jahren in Dortmund hat Gabriel Feltz mit großem Engagement und viel Herzblut nicht nur die Dortmunder Philharmoniker zu einem führenden Klangkörper in Nordrhein-Westfalen geformt, sondern auch das Musikleben der Stadt nachhaltig geprägt.
Ein besonderer Aspekt der Dortmunder Musikgeschichte
Am 06.08.2025 fand im Dortmunder Pianohaus van Bremen die Vorstellung einer kommentierten Chronologie zu Leben und Wirken des Hörder (heute Dortmund) Komponisten und „Musikerlehrers“ Daniel Friedrich Eduard Wilsing (1809–1893) statt.
Der Herausgeber Gerhard Stranz hatte sich in jahrelanger, akribischer Quellenarbeit und mit großer Beharrlichkeit in das bis dahin fast in Vergessenheit geratene Leben und musikalische Schaffen des Komponisten vertieft. Mithilfe von Archiven, Bibliotheken und Melderegistern erschloss er sich Stück für Stück bislang unbekannte Zusammenhänge und musikalische Verbindungen in Wilsings Biografie.
Die Ergebnisse dieser Recherchen sind nun in einem Buch zusammengefasst. Auf der linken Seite werden chronologisch die Lebensstationen und prägenden Ereignisse des Komponisten aufgeführt. Die Sammlung von Werken Johann Sebastian Bachs und die Abschriften seines Urgroßvaters Johann Gottlieb Preller dienten Wilsing als Inspiration für eigene Kompositionen, Bearbeitungen und Klavierauszüge.
Gerhard Stranz präsentiert sein Buch zusammen mit dem Leiter des Stadtarchivs Stefan Mühlhofer.
Auf der rechten Seite ergänzen persönliche Anmerkungen in Wort und Bild die Chronologie – liebevoll gestaltet und in den zeitgeschichtlichen Kontext eingebettet.
Nach einer einführenden Begrüßung und Würdigung durch Hausherrn Maximilian van Bremen berichtete Gerhard Stranz – nach einem Dank an die vielen Unterstützer – auch von der inneren Zerrissenheit des Komponisten und dem Druck durch seinen strengen, sehr frommen Vater.
Musikalisch begleitet wurde die Vorstellung von der Pianistin Stanislava Ovdlichuk aus der Ukraine, die seit 2022 in Dortmund lebt. Beim Bundeswettbewerb „Jugend musiziert“ 2023/2024 gewann sie unter anderem den 1. Preis im Klavierduo mit Joseph Chang. Sie spielte von Johann Sebastian Bach die Englische Suite Nr. 2 in a-Moll, BWV 807.
Durch aktuelle Neuaufführungen – wie etwa die Psalmvertonung De profundis – und Neuveröffentlichungen werden Wilsings Werke auch heute einer breiten Öffentlichkeit zugänglich gemacht.
Für die Stadt Dortmund überreichte der Herausgeber ein Exemplar der kommentierten Chronologie an den Leiter des Stadtarchivs, Dr. Stefan Mühlhofer.
Das Buch kann zum Preis von 29,90 € in jeder Buchhandlung, beispielsweise in der transfer – Buchhandlung in Wilsings Geburtsstadt Hörde, erworben werden sowie direkt beim Lit Verlag erhältlich (ISBN 978-3-643-15573-3).
Ein besonderes Orchestererlebnis beim 3. Konzert für junge Leute
Zwei Orchester zum Preis von einem? Nicht ganz – aber fast. Denn am 3. Juli 2025 standen im Dortmunder Konzerthaus das Dortmunder Jugendorchester (DOJO) und die Dortmunder Philharmonikergemeinsam auf der Bühne. Unter der Leitung von Olivia Lee-Gundermann präsentierten sie Sergej Prokofjews 7. Sinfonie – ein Werk voller leiser Töne und emotionaler Tiefe.
Schon mit den ersten Takten verschmolzen die Klänge der jungen Musiker:innen mit denen der erfahrenen Profis. Die musikalische Einheit wirkte so selbstverständlich, als würde dieses generationenübergreifende Orchester schon seit Jahren gemeinsam musizieren. Die harmonische Verbindung war nicht nur hör-, sondern förmlich spürbar.
Foto des Programmflyers des 3. Konzertes für junge Leute.
Ein Glücksgriff war auch die Programmauswahl: Prokofjews 7. Sinfonie – sein letztes vollendetes Werk – gilt als poetisches Vermächtnis. Anstelle eines triumphalen Finales entfaltet sich hier eine zarte, transparente Melancholie, die an einen stillen Rückblick erinnert. Eine Komposition, die weniger durch Dramatik als durch Feinfühligkeit beeindruckt – und genau diesen Charakter ließen die Musiker:innen eindrucksvoll lebendig werden.
Für einen temperamentvollen Kontrast sorgte schließlich die Zugabe: Der mitreißende erste Satz aus Arturo Márquez’ „Danzón Nr. 2“ brachte rhythmische Energie und tänzerische Leichtigkeit ins Konzerthaus – ein gelungener Abschluss eines außergewöhnlichen Konzertabends.
Poro – Händels Kammeroper im königlichen Gewand
Die Oper Poro markierte für Georg Friedrich Händel eine Art Comeback. Nachdem die Royal Academy of Music in Schwierigkeiten geraten war, gründete Händel 1729 gemeinsam mit dem Impressario Johann Jakob Heidegger eine neue Opernkompanie am King’s Theatre in London. Zwei Jahre später, 1731, feierte Poro Premiere – eine Oper, die ganz im Zeichen des Humanismus steht. Sie zählt heute zu den weniger häufig gespielten Werken Händels, umso erfreulicher war es, dass das Klangvokal Musikfestival dieses Juwel am 19. August 2025 in einer konzertanten Aufführung im Konzerthaus Dortmund präsentierte.
Worum geht es in Poro?
Die Handlung spielt im alten Indien zur Zeit Alexanders des Großen. König Poro wurde von Alexander besiegt und lebt versteckt. Seine Geliebte Cleofide versucht, ihn zu schützen. Alexander wiederum zeigt Interesse an Cleofide – politisch wie persönlich –, was bei Poro Misstrauen und Eifersucht weckt. Um ihre Treue zu prüfen, gibt er sich als einfacher Offizier aus.
(v.l.n.r.) Martyna Pastuszka ([oh!] Orkiestra ), Julia Lezhneva (Cleofide),, Rémy Brès-Feuillet als Gandarte , Lucile Richardot (Erissena) und Timothy Edlin (Timogene). (Foto: (c) Oliver Hitzegrad)Es folgen Intrigen, Missverständnisse und ein beinahe tödlicher Konflikt. Doch Cleofide bleibt standhaft. Am Ende zeigt Alexander sich als großmütiger Sieger: Er vergibt Poro und gibt ihm und Cleofide ihre Freiheit und ihr Reich zurück. Die Oper endet mit einem versöhnlichen Schluss – Gnade statt Rache, Menschlichkeit statt Machtgehabe.
Kalkutta liegt nicht am Ganges – und Alexander war nie dort
Wie viele Werke der Barockoper ist auch Poro kein historisches Tatsachenstück, sondern ein moralisches Drama. Der Fokus liegt auf dem Ideal des aufgeklärten Herrschers: Alexander zeigt Stärke nicht durch Gewalt, sondern durch Großmut. Seine Vergebung – auch gegenüber dem Verräter Timagene – unterstreicht seine Größe, nicht seine Schwäche.
Hugo Hymas sang den Alexander. (Foto: (c) Oliver Hitzegrad)
Historisch ist einiges allerdings anders gelaufen: Alexander besiegte König Poros tatsächlich am Fluss Hydaspes (heute im heutigen Pakistan), doch er erreichte nie den Ganges. Seine Truppen weigerten sich, weiterzuziehen. Auch Cleofide, Poros Geliebte, ist eine reine Erfindung der Opernliteratur.
Ein musikalisches Erlebnis
Musikalischer Mittelpunkt der Aufführung war weniger der Titelheld, sondern Cleofide. Die russische Sopranistin Julia Lezhneva brillierte in dieser Rolle mit technischer Präzision, feiner Phrasierung und emotionaler Tiefe. Ihre Stimme spannte den Bogen von zarter Innigkeit bis zu entschlossener Stärke – mehrfach quittiert mit spontanen Bravo-Rufen aus dem Publikum.
Max Emanuel Cenčić überzeugte als Poro mit seiner wandlungsfähigen Countertenorstimme und einer tiefgründigen Darstellung des innerlich zerrissenen Königs.
Max Emanuel Cenčić als „Poro“. (Foto: (c) Oliver Hitzegrad)
Als Alexander glänzte der britische Tenor Hugo Hymas mit klarer Diktion und charismatischer Bühnenpräsenz – er verkörperte den humanistischen Herrscher mit Eleganz und Feinsinn. Lucile Richardot gab Poros Schwester Erissena mit warmer Stimme und subtiler Charakterzeichnung. Rémy Brès-Feuillet als Gandarte verlieh der Rolle heldische Stärke, ohne die lyrischen Nuancen zu vernachlässigen.
In der Rolle des zwielichtigen Timagene überzeugte Timothy Edlin mit klarer Linienführung und dramatischem Ausdruck.
Insgesamt hatten die Sängerinnen und Sänger Spaß daran, durch Gesten und Mimik der konzertanten Aufführung noch mehr Leben einzuhauchen, sehr zur Freude des Publikums.
Das polnische Ensemble [oh!] Orkiestra unter der Leitung von Martyna Pastuszka sorgte für den klanglichen Rahmen dieser konzertanten Aufführung. Mit feinem Gespür für barocke Klangfarben und dramatische Zuspitzung brachte Pastuszka Händels Musik zum Leuchten – ausbalanciert zwischen dramatischer Geste und fein ziselierter Detailarbeit.
Global Jazz Spaniens auf hohem Niveau
Im Rahmen des diesjährigen Klangvokal Musikfestivals Dortmund wurde am 18. Juni 2025 im Domicil ein weiterer Höhepunkt für Fans des spanischen Global Jazz gesetzt. Als hochkarätiger Gast trat die junge katalanische Sängerin, Posaunistin und Komponistin Rita Payés gemeinsam mit ihrer Band auf.
Dass Payés aus einer musikalischen Familie stammt, zeigte sich nicht zuletzt durch die energiegeladene Unterstützung ihrer Mutter Elisabeth Roma an der spanischen Gitarre. Ergänzt wurde das Ensemble durch Juan Rodriguez Berbin (Percussion), Horacio Fumero sowie Pol Batlle (Gitarre, Gesang) – allesamt exzellente Musiker.
Die Sängerin mit ihrer leicht angerauten Altstimme, die auch mühelos höhere Lagen erklimmen konnte, beeindruckte zudem durch ihre sprachliche Vielseitigkeit: Ob Spanisch, Portugiesisch, Katalanisch oder Englisch – sie wandte sich stets charmant an ihr Publikum.
Rita Payés verzauberte das domicil. (Foto: (c) Clara Ruiz)
Das abwechslungsreiche Programm war geprägt von einem spannenden Stilmix. Mal klanglich leicht verschleiert und portugiesisch-melancholisch, dann wieder durchzogen von lateinamerikanischen oder brasilianischen Rhythmen wie Bolero-Son oder Bossa Nova.
Ihr Gesang – häufig inspiriert von persönlichen Lebenserfahrungen – wurde eindrucksvoll durch ihr ausdrucksstarkes Posaunenspiel ergänzt. Ihre starke Bühnenpräsenz erfüllte den Raum mühelos.
Immer wieder bekamen auch die anderen Bandmitglieder Gelegenheit, ihr Können solistisch oder in kleineren Formationen unter Beweis zu stellen. Dabei entstand stellenweise eine mitreißende Jam-Session-Atmosphäre.
Ein gelungener und klangvoller Abschluss des Klangvokal Musikfestivals im Domicil – und ein überzeugender Beweis dafür, wie lebendig und facettenreich der spanische Global Jazz sein kann.
Bewegender französischer Liederabend aus drei Jahrhunderten
Im Dortmunder Konzerthaus stand am 17. Juni 2025 erneut ein Abend der Reihe „Junge Wilde“ auf dem Programm. Diesmal gab die französisch-italienische Mezzosopranistin Lea Desandre ihr Debüt – mit einer facettenreichen Reise durch drei Jahrhunderte französischer Liebeslieder. Begleitet wurde sie einfühlsam an der Laute von Thomas Dunford (Frankreich, *1988).
Das Programm spannte den Bogen vom musikalischen Liebesreigen des 17. Jahrhunderts am Hof von Versailles – mit Werken von Honoré d’Ambruys, Michel Lambert, Sébastien Le Camus, Robert de Visée und Marc-Antoine Charpentier – über die Salonlieder der Belle Époque (Ende des 19. Jahrhunderts bis 1914) mit Kompositionen von Erik Satie, Reynaldo Hahn, Claude Debussy und André Messager, bis hin zu Liedern zweier starker französischer Stimmen des 20. Jahrhunderts: der unvergessenen Barbara und Françoise Hardy. Den Abschluss bildete eine Ode an die Liebe aus der Operette „Die schöne Helena“ von Jacques Offenbach.
Alle Facetten der Liebe – Freude, Scherz, Leid, Wehmut und Hoffnung – wurden berührt. Neben heiteren Momenten hatten auch melancholische Klänge ihren Platz. Besonders frech und augenzwinkernd wurde es bei André Messagers „J’ai deux amants“ („Ich habe zwei Liebhaber“).
Thomas Dunford und Lea Desandre (Foto: (c) Julien Benhamou)
Die Laute, sensibel gespielt von Thomas Dunford, erhielt viel Raum für träumerische Solopassagen, in die man sich förmlich verlieren konnte. Lea Desandre überzeugte mit ihrer klaren, ausdrucksstarken Stimme und großer stilistischer Bandbreite. Gemeinsam punkteten die beiden Musiker auch mit charmanten Moderationen und humorvollem Kontakt zum Publikum.
Ein gelungener musikalischer Liederabend mit zwei jungen, charismatischen Interpret*innen, von denen man in Zukunft sicher noch viel hören wird.
Ein roter Teppich für Weltmusik: Morekoma
Klangkosmos – Familienkonzert – Klangvokal
Der rote Teppich ist ausgerollt. Frühmorgens im domicil Dortmund. Für Kinder, die auf ihm Platz nehmen können, um ganz nah bei Musikerinnen und Musikern und ihren Instrumenten zu sein, die konsequenterweise auch nicht auf der Bühne, sondern davor spielen. Allerdings sind die meisten im Saal „Kinder mit grauen Haaren“, wie der Moderator und Initiator des multinationalen Ensembles, Percy Yip Tong, feststellt. Begeistern lassen sich diese erwachsenen Kinder genauso schnell. Sie tauchen ein in die Vielfalt der Musik des südindischen Ozeans. Viele kleine Inselstaaten gehören dazu, auf der Bühne versammeln sich Madagaskar, La Réunion, die Komoren und Mauritius mit etablierten Künstlerinnen und Künstlern – quasi „Indian Ocean All Stars“. Die Gruppe ist speziell für diese kleine Reihe von Konzerten zusammengewachsen. Und sie nehmen uns mit in den Rhythmus und in die Gesänge. Traditionelles ist im Programm ebenso wie eigene Stücke der Musiker:innen. So präsentiert Christine Salem von der französischen Insel La Réunion, die bereits mit zwölf Jahren komponierte, ihren Song über Nelson Mandela. Sie ist die „Königin der Maloya“, einer inzwischen zum immateriellen Weltkulturerbe gehörenden Musikrichtung des Indischen Ozeans. 2009 aufgenommen von der UNESCO, war der Musikstil doch bis 1981 auf La Réunion verboten. Von Musik der Sklavenarbeiter auf Zuckerrohrplantagen wollte man sich wohl distanzieren. Heute wird sie weiterhin gespielt und immer wieder auch neu interpretiert. Rund dreihundert Ensembles widmen sich ihr. Es wird in verschiedenen Sprachen gesungen, darunter auch Sanskrit, eine alte indische Sprache. Diesen traditionellen Song präsentiert Sarasvati Mallac mit Herzblut, die auf Mauritius geboren wurde.
Eliasse Ben Joma von „Morekoma“ (Foto: (c) Martina Bracke)
Die Geschichte der Lieder und ihr Inhalt werden jeweils von den Musikerinnen und Musikern auf Englisch, Französisch und Deutsch vermischt erklärt, ansonsten bleibt einmal mehr Musik die Sprache der Welt. Aber über Sprache kann man sich auch amüsieren. So sorgt es für Erheiterung, dass ein Instrument „Sense“ heißt, was nichts mit Tod oder dem Schneiden von Heu zu tun hat. Es ist eh nur die Lautsprache, denn man schreibt es wohl eher „Dzendze“. Dafür lernen wir auch das Wort „Marahaba“. Ein wichtiges Wort, denn es bedeutet „Danke“. Und Danke kann man immer gebrauchen. Aber es geht auch weiter: Dankeschön heißt Marahaba menji. Jedenfalls auf den Komoren, von denen Eliasse Ben Joma stammt, der auch die Dzendze spielt und seit Längerem in Bordeaux in Frankreich lebt. Ein bisschen mokiert er sich zu Beginn über den frühen Start des Konzerts, der für die Stimme nicht besonders förderlich sei, aber sie ist schon beim ersten Ton voll da. Wer weiß, wann er dafür aufgestanden ist. Besonderen Klang bringt auch Bosco Rakoto aus Madagaskar ins domicil – zum einen über seine voluminöse Stimme, zum anderen über seine Instrumente, die er selbst baut. So spielt er eine Harfe, die aus der Ferne an ein Didgeridoo erinnert; bei näherem Hinsehen sind aber Saiten rund um das Holz angeordnet. Diese stammen von Fahrradbremszügen und klingen doch wie eine Harfe. Lieder voll Rhythmus, stimmgewaltig, mit viel Gefühl und Hintergrund – auch brennende Wälder und Nachhaltigkeit gehören zu den musikalisch verarbeiteten Themen. Das Publikum swingt mit, singt mit, tanzt am Ende gar auf dem roten Teppich und widmet sich mit viel Interesse und Freude den einzelnen Instrumenten, die auch angefasst werden dürfen.
Das Konzert fand im Rahmen des 17. Dortmunder Klangvokal-Musikfestivals unter der Leitung des an diesem Morgen fröhlich mittanzenden Leiters Torsten Mosgraber in der soundzz-Familienkonzertreihe des domicil mit Unterstützung von Klangkosmos Weltmusik NRW statt.
Rachmaninow total – Ein Tag zwischen Triumph, Trauma und Transzendenz
Text: Michael Lemken & Lisa Lemken
Das 10. Philharmonische Konzert am 15. Juni 2025 im Konzerthaus Dortmund war ein ganz besonderes Ereignis: Es bestand aus drei vollständigen Konzertprogrammen. Unter dem Titel „Rachmaninow total“ wurden um 11 Uhr das 1. Klavierkonzert und die 1. Sinfonie, um 15 Uhr das 2. Klavierkonzert sowie die 2. Sinfonie und schließlich um 19 Uhr das 3. Klavierkonzert sowie die 3. Sinfonie aufgeführt.
Das erste und letzte Konzert wurden von den Dortmunder Philharmonikern gespielt, das zweite gestalteten die Kolleginnen und Kollegen der Beogradska Filharmonija. Als Solist*innen traten Beatrice Berrut, Olga Scheps und Bernd Glemser auf. Auch am Dirigentenpult wechselte die Besetzung: Den Auftakt übernahm Mateusz Molęda, gefolgt von Moritz Gnann; zum Abschluss dirigierte der scheidende Generalmusikdirektor Gabriel Feltz den dritten Konzertblock.
„Rachmaninow total“ war kein klassischer Konzertmarathon wie etwa ein Beethoven-Zyklus. Es war keine Heldensaga, sondern eine emotionale Reise – zwischen russischer Seele, Exilerfahrung und tief empfundener Romantik. Die Besucherinnen und Besucher hörten nicht nur Musik, sie erlebten ein musikalisches Lebenspanorama.
11 Uhr – Jugendkraft und Dramatik
Das Klavierkonzert Nr. 1 in fis-Moll, op. 1 ist ein Werk voller Elan – noch suchend in der Form, aber reich an Energie. Wer dieses Konzert hört, erkennt die deutlichen Einflüsse Tschaikowskys: lyrische Melodien, kraftvolle Themen und ein ausgeprägtes Ausdrucksbedürfnis. Als Opus 1 ist es eine Visitenkarte des jungen Rachmaninow – eindrucksvoll interpretiert von Beatrice Berrut.
Die Sinfonie Nr. 1 in d-Moll, op. 13 ist ausdrucksstark, düster und tief in slawischer Klangsprache verwurzelt. Eine gelungene Aufführung – wie sie Mateusz Molęda hier lieferte – zeigt die unterschätzte dramatische Kraft des Werkes. Die Sinfonie wirkt wie ein musikalisches Seelenbild zwischen nationalem Pathos und persönlicher Verzweiflung.
15 Uhr – Reife und Romantik
Am Nachmittag standen zwei Werke vom Beginn des 20. Jahrhunderts auf dem Programm: das erfolgreiche Klavierkonzert Nr. 2 in c-Moll, op. 18, gefolgt von der Sinfonie Nr. 2 in e-Moll, op. 27.
Das Klavierkonzert wurde virtuos und zugleich einfühlsam von der in Moskau geborenen Pianistin Olga Scheps interpretiert – begleitet von der Beogradska Filharmonija unter der souveränen Leitung von Moritz Gnann. Der magische Beginn des Soloklaviers, der erzählende Ton des Hauptthemas sowie die kraftvollen Steigerungen im Wechsel mit melancholisch-ruhigen Passagen machten die Interpretation bewegend. Besonders das Zusammenspiel im zweiten Satz (Adagio sostenuto) berührte durch seine Transparenz und Innigkeit. Ein furioses Finale krönte das Werk.
Die 2. Sinfonie entstand in einer Phase des Aufschwungs im Leben des Komponisten. Nach einer ausgedehnten langsamen Einleitung folgen immer wieder klanggewaltige, emotionale Steigerungen. Die ausdrucksstarken Streicherpassagen lassen schwärmerische Bilder russischer Landschaften entstehen. Der zweite Satz (Scherzo) ist temporeich und technisch anspruchsvoll, mit abrupten Wechseln zwischen Virtuosität und Elegie. Nach einem traumhaften dritten Satz endet das Werk in einem mitreißenden Finale, das das Publikum förmlich aus seiner Versunkenheit riss.
Gabriel Feltz konnte trotz Sportverletzung das dritte Konzert um 19 Uhr selbst dirigieren.
19 Uhr – Spätstil und Abschied
Der Abschluss des Tages war in mehrfacher Hinsicht bemerkenswert. Im Abendkonzert erklangen das Klavierkonzert Nr. 3 in d-Moll, op. 30 sowie die Sinfonie Nr. 3 in a-Moll, op. 44.
Trotz eines gebrochenen Fingers ließ es sich der scheidende Generalmusikdirektor Gabriel Feltz nicht nehmen, Teile des Konzerts persönlich zu dirigieren – mit einem gemischten Orchester aus Dortmunder Philharmonikern und Beogradska Filharmonija.
Mit Bernd Glemser konnte ein Ausnahmepianist für das wohl anspruchsvollste Klavierkonzert Rachmaninows gewonnen werden. Das über 40-minütige Werk – geprägt von spätromantischer Dichte und technischer Brillanz – meisterte er mit beeindruckender Souveränität. Das eröffnende Thema im ersten Satz (Allegro ma non tanto), vom Klavier in Oktaven vorgestellt, durchzieht das gesamte Werk mit wehmütigem Charakter. Immer neue Steigerungen, klanggewaltige Akkordblöcke und atemberaubend schnelle Läufe fordern höchste Konzentration – Glemser ließ es leicht erscheinen.
Nach der Pause folgte die 3. Sinfonie, entstanden 1935 im amerikanischen Exil. Die bedrückenden Einflüsse der russischen Umwälzungen und der heraufziehenden Weltkriegskrise sind spürbar. Die stilistische Entwicklung gegenüber der zweiten Sinfonie ist deutlich: Zwar gibt es noch immer schwelgerische Momente, doch sie werden von moderneren, oft dissonanten Klängen durchbrochen – besonders eindrucksvoll im zweiten Satz. Der Finalsatz besticht durch rhythmische Energie und tänzerische Elemente. Trotz der neuen Formensprache bleibt Rachmaninow seiner russischen Klangwelt treu.
Die Sinfonie besteht nur aus drei Sätzen, wirkt aber dennoch in sich geschlossen und ausdrucksstark.
Am Ende wurden nicht nur die Musikerinnen und Musiker auf der Bühne gefeiert. Auch Gabriel Feltz wurde als „Motor“ der Dortmunder Philharmoniker gebührend verabschiedet. Bereits vor Konzertbeginn würdigten Oberbürgermeister Thomas Westphal und Tobias Ehinger, geschäftsführender Direktor des Theaters Dortmund, seine Verdienste. Zum Abschied gab es fantasievolle Geschenke – überreicht von „seinen“ Philharmonikern.