Akte X-Mas: Eine Weihnachtstradition im Dortmunder Schauspiel
Es ist eine schöne Tradition geworden: Jedes Jahr, kurz vor Weihnachten, findet an zwei Tagen im Dortmunder Schauspiel die Akte X-Mas statt. Moderiert wie gewohnt von Thomas Koch, bietet diese besondere Veranstaltung eine Mischung aus Musik und Texten – mal besinnlich, mal weniger besinnlich. Ein Bericht vom 19. Dezember 2024.
Die Weihnachtszeit hat bekanntlich etwas Rituelles: Adventskalender werden geöffnet, Kerzen auf dem Adventskranz entzündet, und es gibt die alljährlichen Klassiker wie Socken oder Pralinen als Geschenke sowie Kartoffelsalat an Heiligabend. In diese Tradition reiht sich auch die Akte X-Mas nahtlos ein. Was in der Vergangenheit gut war, ist auch in diesem Jahr wieder ein Highlight – zum Beispiel das Lied „Danny Boy“, eindrucksvoll gesungen von Charlotte Brandi, oder die humorvollen Beiträge wie „Worte, die es nur in dieser Sprache gibt“.
Besinnliches und Skurriles zur Weihnachtszeit
Doch keine Sorge: Nicht alles wurde recycelt. Die Autorinnen und Autoren hatten viele neue, frische Texte im Gepäck, die die Zuschauer*innen begeisterten und die Tannenbaumkugeln beinahe zum Klingen brachten. So erzählten sie etwa von der Wiederentdeckung einer längst vergessenen Blockflöte im Keller oder von amüsanten Irrfahrten mit der Deutschen Bahn. Andy Strauß, bekannt für seinen surrealen Humor, ließ die Anwesenden in skurrile Welten eintauchen, in denen Igel und ein perfekt gepackter Rucksack zentrale Rollen spielten.
Fritz Eckenga steuerte mit seinen kurzen, pointierten Gedichten den typisch lokalen Dortmunder Charme bei, während Claus Dieter Clausnitzer, ein aus Dortmunder Zeiten wohlbekannter Name, das Publikum ebenfalls mit seinem Auftritt für sich gewann. Ein besonderer Moment war der Auftritt des ehemaligen musikalischen Leiters des Schauspielhauses, Paul Wallfisch, der es sich nicht nehmen ließ, an seiner alten Wirkungsstätte erneut zu brillieren.
Die Akte X-Mas 2024 war erneut eine gelungene Revue mit einem charmant-launigen Thomas Koch als Moderator. Die perfekte Mischung aus Tradition und neuen Impulsen machte den Abend zu einem unvergesslichen Erlebnis. Bis zum nächsten Jahr!
Finissage der Ausstellung von Martina Bracke
Am Sonntag, den 17. November, fand um 18 Uhr die Finissage der Ausstellung „Mit offenen Augen und Ohren“ im Theater Fletch Bizzel in Dortmund statt.
Die zahlreichen Werke von Martina Bracke, die im Café des Theaters präsentiert wurden, standen im Mittelpunkt dieser besonderen Veranstaltung. Die Arbeiten der Künstlerin beeindruckten mit kräftigen Farben und konkreten Motiven, während andere mit zarten Pastelltönen und abstrakten Darstellungen die Fantasie der Besucher anregten.
Die Finissage bot die letzte Gelegenheit, diese faszinierende Ausstellung in entspannter Atmosphäre zu erleben. Begleitet wurde die Finissage durch eine Lesung: Martina Bracke, Marika Bergmann, Bernd Kleber und Clara Sinn präsentierten spannende und bewegende Texte. Viel Gelächter rief die Berliner Geschichte von Bernd Kleber hervor, und auch die Erzählungen von Martina Bracke fanden viel Anklang. Mit der Finissage fand die Ausstellung einen gelungenen und würdigen Abschluss.
DADADO: Lit – Dortmunder Reklamationen im Fletch Bizzel
Der Dadaismus war eine künstlerische und literarische Bewegung, die 1916 als Reaktion auf den Ersten Weltkrieg in Zürich von Hugo Ball, Emmy Hennings, Tristan Tzara, Richard Huelsenbeck und Hans Arp gegründet wurde. Ihr Ziel war es, durch provozierenden Nonkonformismus, die Ablehnung bürgerlicher Ideale und den Einsatz von Satire und Unlogik eine neue, oft humorvolle und ironische Kunstform zu schaffen.
Am 14. November 2024 feierte die Dada-Community im Fletch Bizzel Dortmund das 3. DADADO: Lit – Dortmunder Reklamationen. Schon zu Beginn sorgte das „Ready Tape“-Video für gute Stimmung. Zu sehen waren tanzende Paare aus einer Tanzschule der 1960er Jahre, begleitet von humorvoller und fetziger Musik.
Dadaistische Darbietungen und Performances
Die Veranstaltung war eine Mischung aus Videos, Texten und Performances. Guido Schlösser begleitete die Darbietungen mit Akkordeonmusik, die immer wieder die kurzen Pausen unterbrach. Die humorvolle Moderation des Abends übernahm die Dortmunder Künstlerin Anette Göke.
Im typischen Dada-Stil überraschten die Beiträge mit ironischen Wortspielen und absurden Darbietungen. So flossen Musik, Performance und sogar Alltagsgegenstände wie „Der 4. Mann“ in die Darbietungen ein. Ein besonderer Höhepunkt war die Performance von Stefanie Augustin, die sich in einem schwarz-gelben BVB-Trikot als melancholischer „Regenpfeifer“ präsentierte.
Der Schriftsteller und Kulturpädagoge Thomas Kade würdigte mit Auszügen aus der Hinterlassenschaft des 2022 verstorbenen Jürgen „Kalle“ Wiersch dessen künstlerisches Erbe. Artur Nickel zeigte mit seinem Text „Hampel-Ampel“, dass Dada auch politisch und aktuell sein kann.
Beteiligung von Dortmunder Künstler*innen und Akteuren
Die Veranstaltung war geprägt von der Leidenschaft und Kreativität der Mitwirkenden. Neben den bereits genannten Künstler*innen waren auch das HampelsternTerzett (mit Kati im Video), Dieter Gawol, Christiane Köhne (mit einem Dada-Quiz), Hans Ulrich Heuser, Anne-Kathrin Koppetsch und Mitch Heinrich mit spannenden Beiträgen und Performances dabei.
Die DADADO-Veranstaltungen sind ein lebendiges Beispiel für die anhaltende Relevanz des Dadaismus in Dortmund. Die Verbindungen zwischen Vergangenheit und Gegenwart, Kunst und politischem Diskurs, machen jedes Event einzigartig und überraschend.
Das LesArt.Festival „denkt!“
Kultveranstaltungen wie Lesungen im Stadion, das KindergartenBuchTheaterfestival, die Gala oder neue Entdeckungen und spannende Diskussionen versprechen vielseitigen Literaturspaß beim Festival LesArt im November.
Egal ob Bestseller oder Neuentdeckungen, gestandene Literaturprofis wie Susanne Fröhlich und Moritz Rinke oder aufstrebende Talente – die 25. Ausgabe des Literaturfestivals bietet unter dem Titel „denkt!“ vom 8. bis zum 16. November für jedes Alter ein facettenreiches Programm.
Die schönsten Dinge der Welt: Fußball und Literatur
Ein Highlight ist zum Beispiel die Veranstaltung LesArt.Stadion, bei der die schönsten Dinge der Welt – Fußball und Literatur – zusammenkommen, nämlich bei zwei Lesungen in den Kabinen von Borussia Dortmund. Moritz Rinke und Ronald Reng erzählen, wie weit die große Liebe zum Fußball führen kann. Der eine blickt auf sein eigenes Fan-Dasein, der andere hat drei aufstrebende Talente, ihr Glück und Scheitern, begleitet.
Bekannte Literat*innen: Roman, Wissenschaft und kluge Betrachtungen
Auch ist „Literaturpreis Ruhr“-Gewinnerin Enis Maci wieder da: Zusammen mit Pascal Richmann stellt sie ihren ersten gemeinsamen Roman „Pando“ vor. Derviş Hızarcı erzählt mit „Zwischen Hass und Haltung“ von einer besonderen Bildungsreise in unsere heutige Migrationsgesellschaft – und was wir noch lernen müssen, damit wir zu einer Gemeinschaft werden. Zum Thema künstliche Intelligenz gibt es kluge Einblicke der Wissenschaftsautorin Manuela Lenzen. Ihr Buch „Der elektronische Spiegel“ handelt von dem Abenteuer, Intelligenz zu verstehen, indem man sie nachbaut. Terézia Mora beschreibt in ihrem Roman die Geschichte einer toxischen Beziehung. Und die beliebte Schauspielerin Claudia Wenzel wirft einen emotionalen und kritischen Blick auf ihr Leben in der DDR und das wiedervereinigte Deutschland.
Programm für den Literatur-Nachwuchs
Das Festival bietet auch Leseförderung, von den Kleinsten bis zu Schüler*innen: Beim KindergartenBuchTheaterfestival bringen Kinder aus 15 Dortmunder Kitas Bilderbücher auf die Bühne, außerdem gibt es Schreibwerkstätten für Schüler*innen. Und: Studierende der TU Dortmund feiern im Rahmen des Held*innenabends ihre lokalen Künstler*innen.
Einer der Höhepunkte des Festivals ist der LesArt.Preis der jungen Literatur, der bei der großen Abschlussgala verliehen wird, moderiert von Gregor Schnittker. Zum Abend gehört eine Lesung der bekannten Autorin Susanne Fröhlich.
Tickets gibt es auf www.LesArt.Ruhr. Beim Vorverkauf können unterschiedliche Gebühren anfallen. Das LesArt.Festival wird veranstaltet vom Kulturbüro der Stadt Dortmund, der Stadt- und Landesbibliothek Dortmund, Kultur und Projekte e.V. und literaturhaus.dortmund. Unterstützt wird es von der Sparkasse Dortmund.
Interview mit Hartmut Salmen, Leiter des LesArt.Festivals, geführt
von Ars tremonia
Ars tremonia: Das diesjährige Motto des Festivals lautet „denkt!“. Was möchten Sie den Besucher*innen damit vermitteln?
Hartmut Salmen: „denkt!“ gehört zu einem Dreisatz, den wir in den letzten Jahren entwickelt haben. Es begann mit „kommt!“ und „hört!“, nun ist es „denkt!“. Nach der Corona-Zeit wollten wir die Menschen zurück zur Kultur bringen, zu Lesungen und neuen Gedankenwelten. Im Folgejahr stand „hört!“ für Zuhören und Verstehen. Dieses Jahr setzen wir auf „denkt!“, um die Vielfalt von Gedanken und das Hinterfragen von Vorurteilen zu fördern. Wir leben in einer Zeit, in der oft vorschnell geurteilt wird. „denkt!“ fordert dazu auf, sich Zeit zum Reflektieren zu nehmen, sich auf andere Perspektiven einzulassen. Unser Motto soll ein stetiger Impuls sein: kommt! hört! denkt!
Ars tremonia: Welche Herausforderungen begegnen Ihnen bei der Auswahl der Autor*innen und Themen für ein so vielseitiges Programm wie beim LesArt.Festival?
Hartmut Salmen: Es gibt eine Vielzahl an Faktoren, die für ein gelungenes Festival zusammenspielen müssen. Die Bücher müssen zum Thema passen, und die Autor*innen müssen Zeit für die Lesungen haben. Auch die Veranstaltungsräume und verlässliche Partner wie das Kulturbüro, die Stadt- und Landesbibliothek und die Sparkasse Dortmund – die seit 25 Jahren das Festival ermöglichen – sind entscheidend. Hinzu kommt ein eingespieltes Team, das organisatorisch alles bewältigt.
Ars tremonia: Manuela Lenzens Buch „Der elektronische Spiegel“ beschäftigt sich mit Künstlicher Intelligenz (KI). Wie schätzen Sie die Auswirkungen von KI auf die Literatur ein?
Hartmut Salmen: Die rasante Entwicklung der KI kann beunruhigend wirken, als könnte sie uns bald überholen. Doch, wie Lenzen aufzeigt, läuft die Forschung bereits seit 70 Jahren, und KI bleibt in vielen Bereichen hinter den Erwartungen zurück. Computer können komplexe Wenn-Dann-Szenarien abspielen, doch wie Lenzen schreibt, sind Herausforderungen wie Flexibilität, Kreativität und gesunder Menschenverstand bisher unerreichbar. KI-generierte Texte sind meist eine Neuzusammenstellung bestehender Inhalte und oft seelenlos. Ich denke nicht, dass reine KI-Texte die Literatur bereichern werden. Aber wenn Autor*innen KI als kreatives Werkzeug nutzen, kann dies spannende neue Möglichkeiten schaffen. Im Zentrum bleibt aber stets das menschliche Denken.
Ars tremonia: Wie wichtig ist es Ihnen, junge Leser*innen und zukünftige Autor*innen durch Formate wie das KindergartenBuchTheaterfestival und Schreibwerkstätten anzusprechen?
Hartmut Salmen: Das ist absolut essenziell. Ohne junge Leserinnen und Autorinnen stagniert Kultur irgendwann. Junge Menschen bringen neue Ideen und wissen oft nichts von vermeintlichen „Unmöglichkeiten“, wodurch sie Dinge einfach ausprobieren. Wir möchten diesen Bereich gern weiter ausbauen.
Ars tremonia: Welche Bedeutung hat der LesArt.Preis der jungen Literatur für das Festival, und wie sehen Sie die Rolle junger Stimmen in der Literatur?
Hartmut Salmen: Der LesArt.Preis ist eine großartige Unterstützung für junge Dortmunder Autorinnen. Einige Preisträgerinnen wie Lisa Roy, Jörg Albrecht, Tobias Rauh und Evi Spies haben beeindruckende literarische Wege eingeschlagen. Junge Stimmen bringen frische Perspektiven und spiegeln, wie sich das Leben und unsere Gesellschaft verändern. Das ist ihre Rolle in der Literatur: neue Denkweisen und Weltanschauungen zu teilen.
Mord am Hellweg – die elfte Runde!
Passend zur dunklen Jahreszeit versammelt „Mord am Hellweg“, Europas größtes Krimifestival, in seiner neuen Krimi-Anthologie erneut die Créme de la Crime der deutschen Krimiliteratur. Bekannte Krimistars von Ahlen bis Waltrop sind dem „Verbrechen nebenan“ mit ihren Beiträgen auf der Spur. Mal lustig, mal hintergründig, blutig oder grotesk – sie setzen sich individuell mit dem Thema auseinander und beziehen sich dabei stets auf die spezifische Situation ihrer Stadt. Besonders interessant ist für die Leser*innen, dass sie „ihre“ Stadt in den präzisen Beschreibungen der Autor*innen wiedererkennen können.
Gesellschaftspolitische Brisanz in Krimistorys
Aus der Vielzahl der Beiträge stechen für mich zwei Storys mit (erschreckend) aktuellem gesellschaftspolitischen Bezug besonders hervor. In „Willkommen im Kreis Unna“ von Christiane Franke und Cornelia Kuhnert geht es subtil um verallgemeinernde Vorurteile und Ausländerfeindlichkeit. Sie nehmen uns mit in die Gedankenwelt eines „Wutbürgers“, des Reisebusfahrers Edwin, was makabre Folgen hat.
Die Geschichte „Heimathafen Dortmund“ von Anna Schneider führt uns in die trostlos-isolierende und gefährliche Welt der Obdachlosigkeit. Schonungslos und ohne Selbstmitleid erzählt die ältere Obdachlose Lilo von ihrem Leben und der oft verdrängten oder verachteten Personengruppe, zu der sie gehört. Hinter der Verachtung steckt wohl oft die Angst, selbst ins soziale Abseits zu geraten. Nach und nach erfahren wir ihre bedrückende Lebensgeschichte und das Abgleiten ihres Sohnes in die gewalttätige rechtsradikale Szene.
Eine spannende, manchmal auch nachdenklich stimmende und vielschichtige Unterhaltungsliteratur – perfekt für lange Herbst- und Wintertage.
Mit dem Buch „111 Orte, die von deutscher Geschichte erzählen“ präsentiert Ralf Nestmeyer ein neues Werk der „111 Orte“-Reihe vom Emons Verlag. Logischerweise gibt es viele Orte in Berlin, aber drei liegen im Ruhrgebiet, zwei davon sogar in Dortmund.
Wofür ist Dortmund bekannt? Kohle, Stahl und Bier? Na ja, das war einmal. Heute vornehmlich durch Borussia Dortmund, also Fußball. Die Geschichte „Die Bundesliga“ erzählt vom Erfolgsmodell Bundesliga und dem ersten Torschützen, dem Dortmunder Timo Konietzka. All das begann am 24. August 1963. Doch Ralf Nestmeyer vergisst in seiner kleinen Geschichte etwas: Der Beschluss, eine Bundesliga zu gründen, wurde ebenfalls in Dortmund getroffen, nämlich in der Westfalenhalle. Das passt alles, denn Fußball ist in Dortmund mit dem Stadtleben verwoben, zudem hat das Deutsche Fußballmuseum auch seinen Platz in dieser Stadt.
Fußball und Einwanderung prägen Dortmunds Geschichte
Das Ruhrgebiet ist seit seiner Entwicklung als Kohle- und Stahlproduzent ein Einwanderungsland. Arbeitskräfte wurden benötigt, Ende des 19. / Anfang des 20. Jahrhunderts wurden sie aus den Gebieten des heutigen Polens geholt. Nach dem Zweiten Weltkrieg kamen ab 1955 Italiener, Spanier, Griechen, Türken und weitere Menschen aus vielen Nationen. Nicht nur nach Dortmund, aber auch. Diese Menschen haben Dortmund und Deutschland nachhaltig geprägt und verändert.
Es gibt auch Orte, die von deutscher Geschichte erzählen, die nicht auf dem Gebiet der Bundesrepublik liegen. „Das Schlachtfeld (Verdun)“ und „Das Vernichtungslager (Auschwitz)“ beleuchten die dunklen Seiten der deutschen Geschichte. „Der Kniefall (Warschau)“ und „Der Balkon (Prag)“ erzählen von Verantwortung sowie der Öffnung des Eisernen Vorhangs.
Positiv: Für jeden der 111 Orte gibt es einen Literaturtipp, sodass die Leserin oder der Leser sich weiter mit diesem Thema beschäftigen kann.
Ralf Nestmeyer
111 Orte, die von deutscher Geschichte erzählen
Broschur
13.5 x 20.5 cm
240 Seiten
ISBN 978-3-7408-2004-6
18,00 € [DE] 18,60 € [AT]
Gabriella Wollenhaupt: Die Toten vom Phönix-See
Die Dortmunder Autorin Gabriella Wollenhaupt hat als Schauplatz für ihren neuen Krimi „Die Toten vom Phönix-See“ ein Symbol für den Strukturwandel in unserer Stadt gewählt. Die Handlung erstreckt sich von 2008, dem Beginn der Bauarbeiten des „Projekt Phönix-See“ in Hörde nach dem Ende des Stahlstandorts, bis ins Jahr 2023.
Die Herausforderungen, denen die Menschen dieser Region durch den Strukturwandel gegenüberstehen, werden neben dem spannenden Krimi-Plot für die Leserinnen und Leser spürbar.
Eine düstere Geschichte am Phönix-See
Die junge Mutter Marie flieht mit ihrer zehnjährigen Tochter Olga vor ihrer Vergangenheit und findet Zuflucht als Table-Dancerin in einer Bar am neu entstehenden Phönix-See. Sie lebt in einem Wohnwagen auf dem Gelände, immer in Angst vor dem Vater ihres Kindes, der inzwischen Erzbischof ist. Gerüchte über einen mysteriösen Unbekannten, der Frauen nachstellt, machen die Runde – bis Marie eines Tages grausam ermordet wird.
Jahre später entschließt sich Olga, mit Unterstützung von Freunden den Mörder ihrer Mutter endlich zu finden. Neben der düsteren Seite des Strukturwandels behandelt dieser Kriminalroman bis zum Schluss Themen wie Gerechtigkeit, Schuld und Vergebung. Ein bedeutendes Thema ist zudem der Missbrauch innerhalb der katholischen Kirche und der Umgang der Kirche damit.
Gabriella Wollenhaupt gelingt es erneut, sich mit Empathie und Tiefe in die Gefühlslagen der unterschiedlichen Personen und starken Frauenfiguren hineinzuversetzen. Geschickt wechselt sie zwischen den Perspektiven und Realitäten verschiedener Charaktere und baut so eine bedrohliche Atmosphäre auf. Trotz der manchmal leicht melancholischen Stimmung gibt es beim Lesen auch humorvoll-ironische Momente.
Nicht nur für Dortmunder ist dieser Krimi mit lokalem Bezug eine interessante Lektüre.
Kriminalroman: Grafit (Emons Verlag GmbH 2024)
Originalausgabe: ISBN 978-3-98659-020-8, 13,00 Euro
Dortmunder Literaturkalender: Vielfalt und Kreativität im Fokus
Der gedruckte Veranstaltungskalender liegt zur Mitnahme im Literaturhaus Dortmund (Neuer Graben 78) und in der Stadt- und Landesbibliothek (Max-von-der-Grün-Platz 1-3) aus. Interessierte können ihn auch telefonisch anfordern (0231 50-16584 oder -27692). Das vollständige Programm gibt es online unter www.dortmund.de/foerderung-literatur.
Eine Auswahl aus dem Programm – Veranstaltungshighlights im Überblick
Am Donnerstag, 29. August, 19:30 Uhr präsentiert Helmut Martens in der Reihe „Literatur in Dortmund“ sein Buch „Unser Fußball – Spiegel der Welt – Unser Spiel“. Diese Kooperationsveranstaltung von Kulturbüro, VHS und Stadt- und Landesbibliothek beleuchtet die vielschichtige Bedeutung des Fußballs in unserer Gesellschaft. Eintritt: 2,50 Euro.
Für literarischen Austausch im Wortsinn sorgt am 31. Oktober um 18 Uhr der „Book Swap Nr. 3 – Die Halloweenausgabe“. Dabei können Bücherliebhaber*innen ihre Schätze tauschen und neue Werke entdecken, unterstützt von Bettina Bergmann und der Stadt- und Landesbibliothek. Eintritt frei, Teilnahme nur mit (kostenfreiem) Ticket unter www.eventbrite.de.
Zur Vorweihnachtszeit lädt am 1. Dezember um 11 Uhr die satirisch-literarische Weihnachtsmatinée „Schöne Bescherung“ ein, präsentiert von Astrid Plötner und Anke Kemper mit musikalischer Begleitung von Verena Volkmer an der Harfe. Ein genussvolles Programm voller Spannung und Humor. Eintritt: 10 Euro, Vorverkauf ab 1. Oktober in der Zentralbibliothek.
Für kreative Köpfe bietet der Comic-Workshop Storydesign „Erzählen wie die Simpsons, mit den Simpsons“ am 12. Oktober von 11 bis 16 Uhr die Möglichkeit, unter Anleitung von Ralf Marczinczik im Dortmunder U eigene Comics im Stil der Simpsons zu gestalten. Der Workshop ist Teil des Programms zur Ausstellung „Die Simpsons: Gelber wird’s nicht!“, die im schauraum: comic + cartoon noch bis zum 27. Oktober zu sehen ist. Eintritt frei, Anmeldung erforderlich unter comic@stadtdo.de.
LesArt.Festival
Das LesArt.Festival (8. bis 16. November) ist der Höhepunkt des literarischen Jahres in Dortmund. Seit seiner Gründung im Jahr 2000 bringt es bekannte Autorinnen und aufstrebende Talente zusammen, um literarische Lichtblicke zu präsentieren. Das Festival feiert nicht nur seine 25. Ausgabe, sondern auch das 20. KindergartenBuchTheaterFestival, das Kinderbücher auf die Theaterbühne bringt und damit eine ganz neue Generation von Leserinnen inspiriert. Eintrittspreise variieren je nach Veranstaltung.
Literarische Bewegung in der Natur
Eine besondere Verbindung von Literatur und Natur bietet die Veranstaltungsreihe „Fernwandern“. Bei mehreren literarischen Wanderungen durch Dortmund entdecken Teilnehmer*innen die Stadt aus einer neuen Perspektive. Die Autorin liest dabei an verschiedenen Stationen aus ihrem neuen Buch und teilt ihre Erfahrungen von europäischen Wanderwegen. Tickets (20-25 Euro) sind ausschließlich mit Voranmeldung unter www.linnschiffmann.de erhältlich.
Über den Literaturkalender
Herausgegeben wird der Literaturkalender von Kulturbüro und Stadt- und Landesbibliothek in Zusammenarbeit mit den Dortmunder Literaturschaffenden und vielen Institutionen.
Spannender Krimi im Umfeld des Gesundheitswesens
In ihrem neuesten Kriminalroman „Bad Business: Deal mit dem Tod“ hat sich die Autorin Lucie Flebbe ein brandaktuelles Thema als Plot vorgenommen. Es geht unter anderem um die Auswüchse von profitorientierten Privatisierungs- und Effizienzwahn im Gesundheitssektor.
Im Zentrum des Krimiplots steht Mieke Jentsch. Schon länger als stellvertretende Klinikverantwortliche tätig, begeht plötzlich ihr Vorgesetzter vorgeblich Suizid. Sie rückt in die Chefposition auf und wird mit einem gewissen Druck von außen beauftragt, Rehakliniken der Rentenversicherung an einen privaten Medizinkonzern zu verkaufen. Nach und nach kommen ihr nicht nur Zweifel an den Suizid, sondern auch an dem Verkaufskonzept. Mehrere Anschläge auf sie machen ihr klar. Sie ist längst zu einer Schachfigur in einem tödlichen Spiel geworden…
Flebbe überzeugt wieder mit einem packenden und in seiner Deutlichkeit teils schockierend emotionalen Story. Mit ihrer lässigen Erzählweise und schonungslosen Direktheit wird nicht nur der enormen Kostendruck (unter dem alle Beteiligten stehen) für die Leserinnen und Leser plastisch vor Augen geführt. In diesem Roman gibt es im Grunde keine Nebenrollen. Stattdessen zeigt Flebbe starke Frauenfiguren, vielschichtige Charaktere, die in komplexen Beziehungen zueinanderstehen. Eine wichtige Rolle in der Geschichte spielt noch Mo (Moritz) Blümel, bei dem Mieke an einem Führungskräfte-Coaching auf seiner Pferdranch teilnimmt.
Ein ständiger Perspektivwechsel zu den beteiligten verschiedenen Frauenfiguren und Mo erlaubt den Lesenden einen tiefen intimen Einblick in die verschiedenen Persönlichkeiten und ihre Hintergründe.
Jedes neue Kapitel des Buches ist mit den Vornamen (Kurzform) der jeweiligen Person aus deren Perspektive die Handlung dann gesehen wird, versehen. Deren Gedanken, Geheimnisse und emotionalen Zustände werden aus ihrer Sicht langsam und detailliert verdeutlicht. Am Anfang bedarf es etwas Konzentration, bei den vielen Wechsel die Übersicht zu behalten. Nach und nach werden die Zusammenhänge klarer und der Spannungsbogen steigt stetig Dramatisch- rasante und überraschende Momente führen zu einem furiosen Ende mit kleinem Überraschungseffekt.
Die teilweise genaue Beschreibung von brutalen Handlungen dürften für sehr empfindsame Menschen nicht so als Lesestoff geeignet sein.
Gewalt gegen Frauen, Flüchtlingsdrama, vor allem auch die Folgen der Privatisierung im Gesundheitssektor, wie Einsparungen beim Personal, Hygiene, beim Essen, schlechte Bezahlung usw. werden ungeschönt dargestellt.
Lucie Flebbe: Bad Business. Deal mit dem Tod Kriminalroman: 432 Seiten Köln: Grafit in der Emons Verlag GmbH 2024 Originalausgabe: ISBN 978-3-98659-018-5 € (D) 15.00 € (A) 15.50
Schriftsteller Saša Stanišić erhält Nelly-Sachs-Preis der Stadt Dortmund
Der Schriftsteller Saša Stanišić ist am Sonntag (10. Dezember) in einem Festakt mit dem Nelly-Sachs-Literaturpreis der Stadt Dortmund ausgezeichnet worden.
Bürgermeisterin und Juryvorsitzende Barbara Brunsing übergab den mit 15.000 Euro dotierten und damit wichtigsten Dortmunder Kulturpreis im Museum für Kunst und Kulturgeschichte. Im Anschluss trug sich der Autor in das Goldene Buch der Stadt Dortmund mit den Worten ein: „…niemals aufhören, zuzuhören.“
Saša Stanišić bedankte sich mit einer berührenden Rede, in der er betonte, wie wichtig es sei, trotz aller Widerstände, trotz Krieg und Rassismus, Spuren zu hinterlassen, „trotzdem warnen, vielleicht hört ja wirklich jemand zu. Trotzdem weiterschreiben, vielleicht sagt ja jemand: Aha. Trotzdem nicht verstummen angesichts des Abgrunds.“
Fluchterfahrung als zentraler Moment
Saša Stanišić wurde 1978 in Višegrad (Jugoslawien) geboren und floh mit 14 Jahren vor den Schrecken des Krieges nach Deutschland. Früh entdeckte er die Liebe zur Sprache und hatte den Wunsch, Schriftsteller zu werden. Seine Bücher wurden mehrfach ausgezeichnet.
„Zum zentralen Moment seines Schreibens macht er die Fluchterfahrung. Mit Ironie und Witz behandelt er auch das Unangenehmste, das ihm und seiner Familie sowohl in Jugoslawien als auch in Deutschland widerfahren ist, ohne dabei zu verharmlosen“, sagte Jury-Mitglied Dr. Bozena Badura über Saša Stanišić. In ihrer Laudatio bescheinigte die Literaturkritikerin Saša Stanišić sprachliche Virtuosität, eine komplexe Handlungsführung, authentische Figuren und präzise gestaltete Romanwelten. Damit habe er die deutschsprachige Literatur um die Erzähltradition der Balkankulturen bereichert.
Texte verbinden Kulturen miteinander
Seine Texte entfalteten eine außergewöhnliche Sogkraft, die es den Lesenden ermögliche, sich restlos in die Figuren hineinzuversetzen und so die beschriebenen Erfahrungen geradezu zu durchleben. Dies erschaffe eine einzigartige emotionale Dimension der Verständigung, die Kulturen und Menschen miteinander verbindet, so Dr. Bozena Badura.
Saša Stanišić
Saša Stanišić lebt seit 1992 in Deutschland. Er veröffentlichte die Romane „Wie der Soldat das Grammofon repariert“ (2006), „Vor dem Fest“ (2014) und „Herkunft“ (2019), den Erzählband „Fallensteller“ (2016) sowie zuletzt mehrere Kinderbücher.
Seine Werke wurden in über 30 Sprachen übersetzt und vielfach ausgezeichnet. Saša Stanišić erhielt u.a. den Preis der Leipziger Buchmesse für „Vor dem Fest“ und für „Herkunft“ den Deutschen Buchpreis 2019, sowie u.a. den Eichendorff-Literaturpreis, den Schillerpreis und den Hans-Fallada-Preis. Er lebt und arbeitet in Hamburg.