Hedda Gabler – destruktiv aus Langeweile
Das hatte sich Hedda
irgendwie anders vorgestellt: Die Ehe mit dem Gelehrten Jörgen
Tesman ist nicht im geringsten aufregend, zumal seine Ernennung als
Professor in den Sternen steht, die alte verschmähte Jugendliebe
wird plötzlich erfolgreich und selbst einfältige Landfrauen wie
Frau Elvsted begehren aus ihrer kleinbürgerlichen Welt auf. Für
Hedda steht fest: The thrill is gone. Langeweile macht sich breit und
diese Langeweile gebiert Monster. Um ihre bürgerliche Sicherheit und
die positive Perspektive für ihren Ehemann zu erhalten, macht sich
Hedda dran, Menschen zu manipulieren und zu zerstören. Sie schafft
sie es nicht, sich zu emanzipieren und für ihre Jugendliebe Lövborg
zu entscheiden. So endet sie schließlich tragisch. Regisseur Jan
Friedrich durchbricht in seiner Inszenierung das naturalistische
Stück und erzählt es als Art Seifenoper mit Lachern vom Band. Ein
Premierenbericht vom 15. Februar 2019.
Die literarische
Figut der Hedda Gabler von Henrik Ibsen kommt nicht gerade
sympathisch daher. Sie hasst ihren Ehemann Jörgen und seine Tante
Julle, ist eifersüchtig auf ihre Bekannte Thea Elvsted, da sie
zusammen mit Heddas Jugendliebe Lövborg ein neues Leben plant. Daher
versucht sie das Leben von Lövborg und Thea zu zerstören. Nebenbei
hat sie noch ein Verhältnis mit dem Hausfreund Brack. Auf einer
Sympathieskala von 0 bis 10 würde sie wahrscheinlich im
Negativbereich landen.
Das große Problem
von Hedda ist, dass sie aus einer gutbürgerlichen Schicht (sie ist
die Tochter eines Generals) durch die Heirat mit Jörgen Tesman in
die Kleinbürgerlichkeit abgestiegen ist. Ihre einzige Hoffnung ist,
dass ihr Mann eine Professorenstelle bekommt und dadurch ihr sozialer
Status wieder steigt. Doch mittlerweile hat sich in ihrem Leben die
Langeweile breit gemacht.

Friedrich inszeniert
das Stück in zwei Ebenen. Die erste ebene ist durch Künstlichkeit
geprägt und findet in einer sauberen „Barbie und Ken“-Welt
statt. Hier tragen die Schauspieler Puppenmasken werden von externen
Kolleginnen und Kollegen quasi „synchronisiert“. Wie in einer
Seifenoper – inklusive Lacher vom Band – wird die scheinbar heile
Welt, in der es keine Konflikte gibt, dargestellt. Doch wehe, wenn
die Masken fallen.
Bettina Lieder als
Hedda Gabler hat einen schweren Job und sie meistert ihn vorzüglich.
Denn neben der oberflächlichen Barbie-Hedda, muss sie auch die
intrigante Hedda zeigen. Sehr eindringlich gelingt ihr das beim
Quälen von Thea Elvsted. Keine Angst, hier wurde Thea durch eine
Puppe gespielt.
Hedda hat es mit
sehr schwachen Männern zu tun. Ihr Ehemann Jörgen (gespielt von
Ekkehard Freye) ist ein Bücherwurm par exellance und ganz in seiner
Kleinbürgerlichkeit gefangen. Er setzt seine Frau mit seinem
Kinderwunsch unter Druck und bemerkt nicht, dass er keinen richtigen
Kontakt zu ihr bekommt. Eine typische Szene ist, als Jörgen sich
freut, dass Tante Julle ihm seine Pantoffel mitgebracht hat. Er ist
halt ein echter „Pantoffelheld“. Hedda nennt sie ihm am Anfang
des Stückes konsequent „Herr Tesman“. Doch ihre Manipulationen
führen nicht zum gewünschten Erfolg, auch Lövborg nimmt ḱeinen
„schönen Tod“. In letzter Konsequenz tötet sich Hedda selbst.
Tod durch Langeweile.
Ejlert Lövberg
(gespielkt von Christian Freund) könnte zum Held des Stückes
werden, ja wenn er etwas gefestigter im Leben wäre. Er verachtet
Thea Elvsted, obwohl sie für ihn ihren Mann verlassen will und ihn
von seinem Alkoholismus befreit hat. Doch leider ist er standhaft wie
ein Kartenhaus und unter Heddas Einfluss beginnt er wieder zu trinken
und verliert das Manuskript seines kommenden Buches.
Den schmierigen
Charakter Brack spielt Uwe Rohbeck. Brack ist ein Mensch, der genau
weiß, wo und wie er einen Vorteil bekommt. Er erkennt sofort die
Differenzen zwischen Jörgen und Hedda und nistet sich als Liebhaber
ins Hause Tesman ein. Darüber hinaus bekommt er mit wie Hedda das
Manuskipt von Lövborg vernichtet.
Jetzt könnte man
sagen, Hedda ist eine starke Frau, die sich gegen drei schwache
Männer durchsetzen muss, aber leider behandelt sie ihre
Geschlechtsgenossin Thea Elvsted (Alexandra Sinelnikova) genauso
mies. Thea wird als Gewinnerin aus der Geschichte herausgehen, denn
sie hat als einzige den Mut, sich aus der kleinbürgerlichen Ehe zu
emanzipieren. Sie verlässt ihren Mann und wird höchstwahrscheinlich
mit Jörgen zusammenkommen, da die beiden an den erhaltenen Notizen
von Lövborg weiterarbeiten werden.
Bleibt als weitere
Figur Tante Julle (Marlena Keil). Die Ausgeburt der
Kleinbüprgerlichkeit und dient quasi als Sidekick für die
Inszenierung. Sie opfert ihr Leben und ihr Geld wie
selbstverständlich für ihren Neffen und lässt sich auch durch
Heddas Verachtung nicht aus der Ruhe bringen.
Sicher, die
Inszenierung eines Stückes aus der Zeit des Naturalismus mit
Barbie-Puppen und Lachern aus dem Off wird nicht jedem gefallen. Doch
es zeigt sehr gut die Künstlichkeit, die sich hinter der Fassade
versteckt. Bettina Lieder ist mit ihrer Präsenz und Wandelbarkeit
eine nahezu perfekte Hedda, ebenso in ihren verletzlichen wie
boshaften Momenten.
Infos über weitere
Termine und Karten gibt es unter www.theaterdo.de