Ahoi, die Piraten von Penzance kommen

Mit dem partizipativen Projekt „Die Piraten von Penzance“ bewies die Junge Oper Dortmund am 30. Juni 2024, dass Oper ein riesiger Spaß sein und auch junges Publikum begeistern kann. Gilbert (Librettist) und Sullivan (Komponist) waren Ende des 19. Jahrhunderts im britischen Empire und in den USA berühmt für ihre komischen Opern, die geschickt Kritik am britischen Klassensystem übten. Sie prägten den britischen Humor nachhaltig.

In Dortmund wurden die Arien auf Englisch gesungen, die Dialoge jedoch von Regisseur Alexander Becker ins Deutsche übertragen. Gilbert und Sullivans Gesellschaftskritik und Themen sind oft spezifisch für die britische Kultur und Politik des 19. Jahrhunderts. Das macht sie für ein heutiges internationales Publikum manchmal weniger zugänglich.

 

Eine absurde Geschichte – Die Piraten von Penzance

„Die Piraten von Penzance“ aus dem Jahr 1879 erzählt die absurde Geschichte von Frederic, der versehentlich als Lehrling bei einer Piratenbande gelandet ist. An seinem 21. Geburtstag will er seinen Pflichten entkommen und die Piraten verlassen. Er trifft Mabel, die Tochter eines Major-Generals, und verliebt sich in sie. Ein Missverständnis über sein Geburtsdatum – er wurde am 29. Februar geboren und ist deshalb technisch gesehen noch nicht 21 Jahre alt – zwingt ihn, zu den Piraten zurückzukehren. Nach vielen komischen und turbulenten Verwicklungen findet die Geschichte ein glückliches Ende: Frederic ist frei und kann mit Mabel zusammen sein. Für die Premiere in Dortmund hatte Alexander Becker einen besonderen Kniff: Die altgewordene Amme Ruth erzählt die Geschichte von Frederic ihren Enkelkindern, wodurch auch die OpernKids integriert wurden.

Szene aus "Die Piraten von Penzance": Malte Beran Kosan (Piratenkönig), Georg Kirketerp (Generalmajor Stanley), Ensemble OpernYoungsters. Foto: (c) Björn Hickmann 
Szene aus „Die Piraten von Penzance“: Malte Beran Kosan (Piratenkönig), Georg Kirketerp (Generalmajor Stanley), Ensemble OpernYoungsters. Foto: (c) Björn Hickmann 

Das Ensemble OpernYoungsters, die Young Symphonics und der Universitätschor der TU Dortmund sorgten für viel Bewegung auf der Bühne, insbesondere beim abschließenden Kampf zwischen Polizei, Piraten und den Mädchen.

Musikalische Parodien und überzeugende Solisten

Musikalisch bot die Oper einiges, denn Sullivan parodierte gerne bekannte Komponisten. In der Szene, in der der Chor „Hail, Poetry!“ singt, erinnert Sullivans Stil an die dramatischen Chorpassagen von Giuseppe Verdi. Der „Major-General’s Song“ weist hingegen Merkmale von Rossinis schnellen, zungenbrecherischen Buffo-Stilen auf. Bei den Solisten überzeugten Malte Beran Kosan als Piratenkönig, Lennart Pannek als Frederic und Johanna Schoppa als Ruth. Georg Kirketerp sang den leicht versnobten General-Major, und Lisa Pauli glänzte als Frederics Freundin Mabel.

Insgesamt war es ein wunderbarer Abend mit starkem britischem Flair, der zwar fast drei Stunden dauerte, aber keine Minute langweilte. Dies ist ein großer Verdienst der Regie sowie der Bühnen- und Kostümgestaltung. Ein besonderer Dank gilt auch allen Beteiligten auf der Bühne und im Orchestergraben.




Seniorentanztheater: Eine Bestandsaufnahme des Lebens

Seit über 13 Spielzeiten ist das Seniorentanztheater ein fester Bestandteil des Ballett Dortmund und sorgt mit seinen speziellen Choreografien für Aufmerksamkeit. Dabei sind die 17 Seniorinnen in der Mehrzahl. Die beiden Männer (Manfred Bechstein und Jürgen Huber) spielen jedoch ebenfalls eine wichtige Rolle im Gesamtgefüge.

Im Dortmunder Schauspielhaus feierten sie mit der neuen Produktion „Und Seide wasche ich bei 90 Grad“ ihre Uraufführung. Für die wunderbaren Choreografien sorgte wie immer Marc Hoskins, die Gesamtleitung lag in den erfahrenen Händen von Barbara Huber. Der Programmtitel zeugt von trotziger Entschlossenheit und Energie, denn jedes Kind weiß, dass man Seide eigentlich nicht bei 90 Grad waschen sollte.

Eine breitgefächerte Musikauswahl, die von Barock über englischen 70er-Jahre-Pop bis hin zu minimalistischer Moderne reicht, und passende Leinwandprojektionen im Hintergrund sorgten für starke unterstützende Begleitung.

Beim Tanztheater kommt es neben den Tanzbewegungen auch auf die Gestik und Mimik als Ausdrucksmittel an. Worte oder Sätze werden nur sparsam eingebracht. Die Akteure auf der Bühne trugen einheitlich schwarze, grün gemusterte Kleider und benutzten gezielt unterschiedliche Gegenstände wie Koffer, Nordic-Walking-Stöcke und bunte Hüte. Die Kleidung war passend zur „Lebenswanderreise“ ausgewählt und in die Choreografie eingebunden.

Die Bestandsaufnahme unseres Lebens zwischen Alltag, Höhenflügen und den Enttäuschungen von Hoffnungen wurde von den Beteiligten mit viel Humor, Energie und Sensibilität dargestellt. Die Seniorinnen und Senioren begeisterten das Publikum sowohl zu zweit, paarweise als auch als gut miteinander eingespielte Gruppe. Als Statement gab es die Zugabe „Hurra, wir leben noch“ (Milva).




Nicola Schubert schlüpft in die Rollen von Täterinnen und Opfern der NS-Zeit

In „Arrest“ geht es um die Rolle von Frauen im Nationalsozialismus: Die Steinwache Dortmund bietet die Kulisse für die Geschichte von Widerstandskämpferinnen und einer Gestapo-Mitarbeiterin. Am 29. Juni ist die ergreifende Inszenierung erstmalig zu sehen.



Nicola Schubert trägt ein uniformähnliches Hemd, zurückgekämmte Haare und steht verzweifelt in einer Arrestzelle der Mahn- und Gedenkstätte „Steinwache“, dem ehemaligen Gestapo-Gefängnis. Sie agiert nur durch Mimik und Gestik. Ist sie Täterin oder Opfer? Für ihre Inszenierung schlüpft sie in verschiedene Rollen, bewegt sich stumm, aber ausdrucksstark, während die Zuschauer*innen ihr durch die Flure der Steinwache folgen und über Kopfhörer der Geschichte im Hörspiel lauschen.

Geschichten von Täter*innen und Opfern

Erzählt wird die Geschichte von Erna K., die in Dortmund als Schreibkraft für die Gestapo arbeitet. Im Gefängnis begegnet sie politisch inhaftierten Frauen, darunter der Kommunistin Johanna Melzer, der ukrainischen Zwangsarbeiterin Marija Klimenko und einer Frau, die niemand so recht einschätzen kann: Ist sie wirklich Antifaschistin? Die Audio-Performance „Arrest“ nimmt weibliche Biografien von politisch Gefangenen und Gestapo-Helferinnen aus Dortmund und Köln in den Blick.

Reale Biografien waren die Basis für den Text

Vieles hat die gebürtige Dortmunderin und in Köln lebende Theatermacherin und Performerin Nicola Schubert dazu recherchiert, vieles aber auch für ihre Inszenierung abgeändert. Der Text entstand auf Basis realer Biografien von politisch verfolgten Frauen und Gestapo-Mitarbeiterinnen in Dortmund und Köln. Zusammen mit Nicola Schubert bewegen sich die Zuschauer*innen durch die Gedenkstätte und vollziehen die Wege der Frauen nach – drei Inhaftierten und der ehrgeizigen Nationalsozialistin Erna K., die bei der Polizei Karriere machen will.

Zur Person: Nicola Schubert

Nicola Schubert, geboren in Dortmund, studierte Theater- und Medienwissenschaft in Bochum sowie Schauspiel an der HfMDK Frankfurt am Main und arbeitet als Schauspielerin, Performerin, Autorin und Regisseurin. Nach Festengagements an Stadttheatern arbeitet sie seit 2021 vorwiegend an eigenen Projekten – als Einzelkünstlerin oder mit ihrem Kollektiv schubert-stegemann. Bisher zeigte sie Arbeiten im Museum Ulm, Haus der Kunst München und in öffentlichen Räumen in Köln und Dortmund, zum Beispiel auf dem Dortmunder Hansaplatz. In ihren „performativen Audiowalks“, einem Format, das sie mit schubert-stegemann entwickelte, stehen ortsspezifische Auseinandersetzungen mit gesellschaftspolitischen, historischen und feministischen Themen im Vordergrund. Dabei ist ein Hörstück die Basis für performative Arbeiten, die sich zwischen Schauspiel, Physical Theatre und Choreografie bewegen.

Termine: 29. Juni, 18 und 20 Uhr; 30. Juni, 18 Uhr (ausverkauft) sowie im Rahmen der Dortmunder Museumsnacht am 21. September um 20 und 22 Uhr, am 5. Oktober, 18 und 20 Uhr und am 6. Oktober, 18 Uhr.

Das städteübergreifende und Recherche-basierte Projekt, entwickelt zusammen mit den Sounddesignern von timecode audio, wird sowohl in der Steinwache als auch im NS-DOK in Köln gezeigt (18., 19. und 20. September sowie 17. und 18. Oktober, um jeweils 19 Uhr).

Ticketreservierung wegen begrenzter Platzzahl empfohlen unter arrest.performance@mail.de, Eintritt frei, ausgenommen Dortmunder Museumsnacht.




„Sonny Boys“: Ein Meisterwerk der Boulevard-Komödie mit Tiefgang

„Sonny Boys“ ist eine Boulevard-Komödie mit ernsten Zwischentönen, die besonders von der Chemie der Hauptdarsteller lebt. Hans-Peter Krüger und Heinz-Peter Lengkeit hatten bei der Premiere des Stückes am 21. Juni 2024 reichlich davon und sorgten im Fletch Bizzel für Begeisterung.

Kurz zur Story: Die beiden jahrzehntelang erfolgreichen Komiker Willy (Lengkeit) und Alfred (Krüger) haben sich vor elf Jahren zerstritten und seitdem nicht wieder gesehen. Für eine Show des WDR versucht Willys Nichte (Sandra Schmitz), die beiden für ihren berühmten Arztsketch wieder zusammenzubringen.
Die Geschichte der beiden in die Jahre gekommenen Komiker ist eigentlich eine Erzählung über das Altern, den verblassenden Ruhm und jahrzehntelang unterdrückte Konflikte. Dass das auch lustig sein kann, beweisen Lengkeit und Krüger häufig, wenn sie sich beispielsweise um die richtige Position von Möbeln für den Arztsketch streiten oder diskutieren, welche Funktion ein kürzlich Verstorbener innehatte.

Komische Elemente hat „Sonny Boys“ auch, weil Willy sich immer noch als erfolgreichen Künstler sieht, der jedoch auf Nachfrage zugeben muss, dass dies nicht stimmt. Seiner sich um ihn kümmernden Nichte fällt auf, dass die Wohnung kalt ist, was darauf schließen lässt, dass es bei Willy auch finanziell knapp wird.

Die unausgesprochenen Konflikte, die die beiden während ihrer erfolgreichen Karriere hatten, brechen immer wieder auf. Doch in manchen Szenen wird deutlich, dass es immer noch eine gemeinsame Verbindung gibt: Am Ende singen sie gemeinsam ein Lied.

Das Bühnenbild ist minimalistisch, aber sehr gelungen. Viele Szenen spielen in Willys Wohnung, wo ein Tisch mit zwei Stühlen und ein Liegestuhl genügen, um den Umbau mit wenigen Handgriffen zu erledigen.

Ein sehr gelungener Abend, der hoffentlich in der kommenden Spielzeit wieder auf dem Spielplan des Fletch Bizzel steht. Hans-Peter Krüger und Heinz-Peter Lengkeit hätten es verdient, mit „Sonny Boys“ öfter auf der Bühne zu stehen, denn das Stück passt perfekt zu den beiden. In den Streit der beiden Querköpfe passte Sandra Schmitz als „Fixstern der Vernunft“ sehr gut hinein, die verzweifelt, aber vergeblich versucht, die beiden wieder zur Zusammenarbeit zu bewegen…  




Wenn Türen zugehen

Wenn eine Tür zugeht, öffnet sich eine andere – so sagt man. Doch stimmt das wirklich? Kann es nicht sein, dass manche Türen sich nie wieder öffnen? In „Tür auf, Tür zu“, dargeboten vom ensemble 17 unter der Regie von Barbara Müller, wird deutlich, dass es für bestimmte Personen schon ein Wunder (deus ex machina in der Theatersprache) braucht, um wieder dazuzugehören.



Das Stück von Ingrid Lausund ist in vielerlei Hinsicht bemerkenswert. Aus technischer Sicht: Es benötigt keine klassische Bühne, sondern nur Türen, keine Requisiten und keine aufwändige Ausstattung. Es braucht jedoch drei gewitzte Schauspielerinnen, die dieses Drama tragen: Christine Ates, Anke Pidun und Katharina Stillger zeigen sich wandlungsfähig, trotz der Vielzahl an Rollen, die sie verkörpern.

Worum geht es? Kurz gesagt, um eine mittelalte Frau (erkennbar an ihrem roten Jackett), die plötzlich nicht mehr dazugehört, weil „die Tür zu ist“. Das Stück entwickelt sich mit der Zeit zu einer kafkaesken Episode, in der die Frau verschiedene Stadien der Problembewältigung durchläuft. Von Überheblichkeit über Angst bis hin zur Panik ist alles dabei. Bestechungsversuche und sexuelle Avancen eingeschlossen. Nützen tut es nichts. Das „Wunder“ trifft eine Leidensgenossin, aber nicht sie.

Man kann das Stück durchaus als Analogie zum Arbeitsmarkt interpretieren, in dem ältere Arbeitnehmer*innen vor die Tür gesetzt werden und verzweifelt versuchen, wieder dazuzugehören. Ihre Kenntnisse sind verblasst und ihre Kontakte sind auch nichts mehr wert. Da bleibt die Tür dann zu.

Dass das Stück in seiner Gesamtheit so gut funktioniert, liegt vor allem an den drei Schauspielerinnen Ates, Pidun und Stillger, die es meisterhaft verstanden haben, die unterschiedlichsten Charaktere glaubhaft darzustellen und damit das Publikum zu begeistern.

Wer neugierig geworden ist, kann sich das Stück am 21. und 22. Juni 2024 im raum17 – Ausbildungs- und Produktionszentrum, Mönchengang 9, 44135 Dortmund ansehen. Kartenreservierung: ticket@theatervolk.de




Sonny Boys – wie lange hält eine Haßliebe?

Einst waren sie Stars, berühmt für ihren Arzt-Sketch, doch das Komikerduo Alfred und Willy, alias die „Sonny Boys“, hat sich heillos zerstritten. Nun bekommen sie die Chance, nach elf Jahren bei einer Show wieder gemeinsam aufzutreten. Ob das gut geht?



Im Theater Fletch Bizzel schlüpfen Hans-Peter Krüger und Heinz-Peter Lengkeit am 21. und 22. Juni in die Rollen von Alfred und Willy. Unterstützt werden sie von Sandra Schmitz, die in verschiedene Rollen schlüpft. Regie führt Thomas Hollaender. Das Bühnenbild ist reduziert, und es gibt zwei Umbaupausen, die Heinz-Peter Lengkeit musikalisch überbrücken wird.

Die "Sonny Boys": Hans-Peter Krüger (links) und Heinz-Peter Lengkeit. Foto: Rada Radojcic
Die „Sonny Boys“: Hans-Peter Krüger (links) und Heinz-Peter Lengkeit. Foto: Rada Radojcic

Das Stück, geschrieben von Neil Simon, ist eine Boulevard-Komödie. Zwei Männer, geplagt vom Altersstarrsinn, streiten sich um Kleinigkeiten und machen sich gegenseitig das Leben schwer. Sie schwelgen in Erinnerungen und lassen den „alten, weißen Mann“ zum Vorschein kommen. Früher konnte man noch…

Dennoch liegt eine gewisse Tragik in „Sonny Boys“. Denn das Beharren auf Winzigkeiten macht beiden das Leben schwer und führt letztendlich ins Exil ins Sauerland. Sandra Schmitz wird vor allem als Nichte und Agentin von Onkel Willy versuchen, die beiden alten Streithähne irgendwie in den Griff zu bekommen.

Für Hans-Peter Krüger war es wichtig, die Figuren ernst zu nehmen, trotz aller Situationskomik, die dieses Stück bietet. Die „Sonny Boys“ werden auch ins Ruhrgebiet überführt, sodass lokale Bezüge sichtbar werden.

TERMINE:

Fr. 21. Juni 20.00 Uhr PREMIERE

Sa. 22. Juni 20.00 Uhr

Theater Fletch Bizzel, Humboldtstr. 45, 44137 Dortmund

Ticketshop: MO, DI & MI 10:00 – 14:00, FR 14:00 – 18:00

Telefon: 0231 / 14 25 25, Email: karten@fletch-bizzel.de oder www.fletch-bizzel.de




Dynamisch-ausdrucksvolle Performance des NRW Juniorballetts

Im Opernhaus Dortmund hatte das NRW Juniorballett am 14.06.2024 seine Premiere des Projekts „Da Vinci Mode“ mit speziellen Eigenkreationen für diese Company. Das Juniorballett feiert in diesem Jahr zudem sein zehnjähriges Bestehen.



Beteiligt daran waren gleich vier renommierte Choreografen. Wie der Titel andeutet, geht es um die Verbindung von Bildkunst, Ausdruckstanz und dazu passender Musik.

Jane Crow, Jihan Jung, António Ferreira, Milivoje Andrejević („Troupe“) Foto: (c) Leszek Januszewski 
Jane Crow, Jihan Jung, António Ferreira, Milivoje Andrejević („Troupe“) Foto: (c) Leszek Januszewski 

Die erste Choreografie „Proportions in Palette“ von Gaj Zmavc (Slowenien) wurde inspiriert von den großartigen Farbpaletten der Werke von Leonardo Da Vinci. Der Choreograf sorgte auch für die Musikauswahl und Visual Effects. Die sieben beteiligten Tänzer*innen vermittelten die Farbpalette ausdruckstark mit ihren Körpern in allen Schattierungen. Ihre minimalistisch-einfarbigen Kostüme verstärkten die Wirkung und Konzentration auf Bewegungen und Musik.

Beeindruckt von Edvard Munchs Gemälde „Der Schrei“ war der niederländische Choreograf Marijn Rademaker. Seine Choreografie „The Full Length“ stellt sich die Frage: Was macht das Bild mit uns? Wir nehmen uns und alles so ernst und möchten ständig so viel (das Höchste) erreichen. Es geht um innere Kämpfe und Balance im Leben. Munchs „Der Schrei“ löst unterschiedliche Gefühle wie etwa Angst oder Neugierde aus. Die Suche nach dem Sinn des Lebens sollte mit einer Portion Leichtigkeit angegangen werden. Dem trug diese Choreografie als Tanzkomödie mit der bewegenden Musik von Peter Tschaikowsky und der Dynamik Rechnung. Es ist erstaunlich, welche innovative Power das moderne zeitgenössische Ballett besitzt.

Inspiration für die dritte Choreografie „Troupe“ von Douglas Lee bot Pablo Picassos „L’acrobate“. Akrobatik und Tanz haben bemerkenswerte Ähnlichkeit. Beide können ihr Publikum in den Bann ziehen. Das bewiesen die vier Tänzer*innen in ihren farbigen, hochgeschlossenen Kostümanzügen zur surrealistischen Musik von Nicolas Savva.

Den Abend beendete die Dortmunder Erstaufführung von „Blushing“ des Choreografen Marco Goecke. Inspiriert von den individuellen, inneren Bildern, die unser Äußeres zum Erröten bringen, wurde eine Alltagssituation herangezogen (Begegnung mit Tänzer oder Tänzerin im Studio) und in eine eigene Bewegungssprache übersetzt. Es wurde nicht nur die spezielle Musik von Tom Waits, Garbage und anderen genutzt, sondern auch mit Geräuschen (Trampeln, Klatschen, auf Knien rutschen) gearbeitet. Das Ganze mit einer gewissen unterschwelligen Aggressivität und Hetze.

Ein wunderbares Erlebnis für die Freunde des modernen Balletts in all seiner Vielseitigkeit.

Infos über weitere Aufführungstermine erhalten Sie wie immer unter www.theaterdo.de oder Tel.: 0231/5027 222.




Ein Ungewöhnlicher Abend: Normal gibt’s schon präsentierte „Lange Rede – kurzes Gesicht“

Mit „Lange Rede – kurzes Gesicht“ bot das Theater im Depot einem ungewöhnlichen Ensemble zwei Tage Raum auf der Bühne. Am 7. und 8. Juni 2024 präsentierte „Normal gibt’s schon“ einen musikalischen und literarischen Abend.



„Normal gibt’s schon“ trägt diesen Namen nicht umsonst, denn die meisten ihrer Mitglieder sind psychisch erkrankte Erwachsene. Im Jahr 2017 entstand in der Halte-Stelle in der Blücherstraße in Dortmund auf die Initiative von Regina Schubert und Carmen Krüger die Theatergruppe. Mit Ekkehard Freye konnten sie einen erfahrenen Schauspieler am Theater Dortmund gewinnen, der die Leitung übernahm.

Zu hören waren am Anfang vom gesamten Ensemble kurze Texte, die wie Kalendersprüche oder Redewendungen wirkten. Ein Schwerpunkt schien mir dabei auf Kommunikationsproblemen zu liegen. So gab es eine Nummer, bei der ein ausufernder Streit die Hauptrolle spielte, aber die gesamte Diskussion eigentlich ein Reden um nichts war. Floskelhaft eben.

Bei der zweiten längeren Nummer, die von einem Besitzer eines Pfandhauses handelte, dem vergeblich „singende Blumen“ verkauft werden sollten, entstand ein wortreicher Schlagabtausch.

Die Texte stammten von Autoren wie Ionesco, Charms, Bayer und Wolf sowie von selbst verfassten Texten von Zoé Ritterstern und Heike Jordan.

Bereichernd für diesen Abend war auch eine Live-Band, bestehend aus Robin Krick (Bass), Peter Bollmann (Gitarre) und Lisa Heinrich (Schlagzeug). Mit Songs wie „Ohne Dich“ oder „Stay (Just a Little Bit Longer)“, das lange Zeit das Werbelied für eine Brauerei war.

Zum Ensemble gehörten: Lisa Heinrich, Zoé Ritterstern, Heike Jordan, Saskia Singh, Sevda S., Annette Yüksel, Anna Helmsorig, Ralf Neuhaus, Caro Manthei, Peter Bollmann und Ekkehard Freye.

Ein vergnüglicher Abend ging zu Ende, bei dem man auch spürte, dass alle Beteiligten großen Spaß hatten.




Dortmunder Ehrennadel auch für Andreas Gruhn

Nach Xin Peng Wang (Intendant Ballett) wurde nun auch dem Intendanten des Kinder- und Jugendtheaters (KJT), Andreas Gruhn, am 31.05.2024 im Dortmunder Rathaus von Oberbürgermeister Thomas Westphal die Dortmunder Ehrennadel überreicht.



Seit über 25 Jahren leitet Andreas Gruhn das KJT – eine halbe Ewigkeit. Zusammen mit seinem engagierten Ensemble und dem gesamten Team wurden zahlreiche fantasievolle Inszenierungen entwickelt. Für alle Altersgruppen, von kleinen Kindern bis zu Jugendlichen, wurden Stücke gespielt, die sich konstruktiv mit deren aktueller Lebenssituation auseinandersetzten. Es ging immer darum, freie Denkräume für junge Menschen zu öffnen und spielerisch darzustellen.

Andreas Gruhn, Intendant des Kinder- und Jugendtheaters Dortmund (Mitte), ist für seine Verdienste von OB Thomas Westphal mit der städtischen Ehrennadel ausgezeichnet worden. Links: Gruhns Ehefrau Bettina Zobel. © Stadt Dortmund / Roland Gorecki
Andreas Gruhn, Intendant des Kinder- und Jugendtheaters Dortmund (Mitte), ist für seine Verdienste von OB Thomas Westphal mit der städtischen Ehrennadel ausgezeichnet worden. Links: Gruhns Ehefrau Bettina Zobel. © Stadt Dortmund / Roland Gorecki

Oberbürgermeister Westphal würdigte Gruhn in seiner Laudatio als „echte Persönlichkeit“ mitten in der Stadtgesellschaft, die ihren Weg beharrlich verfolgt – auch wenn dieser nicht immer gerade ist.

In seiner berührenden Dankesrede erzählte der KJT-Intendant nicht nur von seinem Lebensweg, sondern betonte auch die Bedeutung der bedingungslosen Akzeptanz durch seine verstorbenen Eltern. Starke Unterstützung erhält er zudem von seiner Frau Bettina Zobel (Regisseurin, Schauspielerin, Autorin).

Es ist ihm ein großes Anliegen, auf die wesentliche Rolle von Kultur und Literatur für die Persönlichkeitsentwicklung junger Menschen hinzuweisen.

Ein ganz persönliches „afrikanisches Gesangsgeschenk“ erhielt er von Gastschauspieler Mohammed Marouf Alhassan. Herzlichen Glückwunsch, Andreas Gruhn, und viel Kraft für die nächsten Jahre!




Theater und Diversität: Herausforderungen und Chancen in der modernen Kunst

Das Theater steht vor der Herausforderung, bestimmte Themen und die damit verbundenen gesellschaftlichen Konflikte zu verarbeiten. Dabei steht zur Debatte, ob Kunst oder Künstler:innen überhaupt noch in der Lage sind, Positionen zu beziehen. Beziehungsweise, ob Künstler:innen ihrer Aufgabe gerecht werden können, ein Spiegelbild der Gesellschaft zu sein.



Seit August letzten Jahres waren die Künstler:innen Ayse Kalmaz, Sinem Süle, Aydın Işık, Aylin Kreckel und Eymen Nahali in tiefer Auseinandersetzung mit Themen rund um Diversität in Kunst und Kultur. Sie forschten in Arbeitsgruppen mit Vertreter:innen der Kulturpolitik, Kulturverwaltung und Kulturbetriebe über den Ist-Zustand des strukturellen Bodens, auf dem die Kunstproduktion stattfindet. Dabei haben sie ihre eigenen Perspektiven auf Problemlagen zu Tage gelegt. Die Ergebnisse ihrer Arbeit wurden am 31. Mai und am 1. Juni jeweils um 20:00 Uhr im Theater Fletch Bizzel in Dortmund gezeigt. Ein Stück von Theatermachern für Theatermacher und Interessierte.

Die Auseinandersetzung mit dem Kulturbetrieb kann auch tragikomische Seiten haben. Beispielsweise, wenn Eymen Nahali als typischer Deutscher gecastet werden möchte und sich dämliche Fragen anhören muss, ob er sich als echter Deutscher fühlt. Das ist natürlich eine Replik auf alle Castings, bei denen ein ausländischer Schauspieler gesucht wird, der alle Klischees erfüllen muss.

Sprache ist ein Werkzeug, das verbinden, aber auch teilen kann. Es kann als Herrschaftsinstrument gebraucht werden und kann faul und schlecht werden, wie Aylin Kreckel als Brotbäckerin erklärt. Selbst die „Modebegriffe“ wie Postkolonialismus oder andere können Schmerzen verursachen. Wenn Worte sich ändern, aber nicht die Missachtung der Person, ist niemandem geholfen.

Das Theater hat das Potenzial, ein Ort des Dialogs und der Verständigung zu sein, an dem unterschiedliche Stimmen Gehör finden und gesellschaftliche Konflikte auf konstruktive Weise verhandelt werden können. In einer Welt, die immer komplexer und vielfältiger wird, bleibt das Theater ein unverzichtbarer Raum für die Auseinandersetzung mit den großen Fragen unserer Zeit.