szene machen – Bestandsaufnahme der freien Tanz- und Theaterszene

Vom 19. bis zum 29. Oktober 2023 bietet “szene machen!“  ein vielfältiges Programm aus allen Bereichen der Darstellenden Künste.



Der Untertitel „NACHwieVOR“ kann vieles bedeuten. Ist die Situation der freien Szene nach der Pandemie nach wie vor unter Druck oder zeigt das Festival, dass die Qualität nach wie vor gut ist? Wenn ich an die Stücke denke, die ich bisher gesehen habe, kann es nur das zweite sein.

"szene machen" präsentiert 2023 aufregende Produktionen.
„szene machen“ präsentiert 2023 aufregende Produktionen.

Das Repertoire reicht von abendfüllenden Tanz- oder Theaterproduktionen über Performance-Formate bis hin zu Installationen im öffentlichen Raum und szenischen Lesungen an verschiedenen Spielorten der Freien Szene. Die Freien Theater wie das Theater im Depot, das Fletch Bizzel und das Roto Theater öffnen ihre Türen für das Festival. Auch das Turbo Prop Theater in Hörde, das Taranta Babu Kulturcafe, der Rekorder oder in Dortmund noch junge und neue Räume wie raum17 sind Gastgeber*innen.

Das Festival wird nicht kuratiert, doch es gab zwei Bedingungen: es muss professionell sein und es muss einen Dortmund-Bezug haben. Die Besucher:innen dürfen also gespannt sein.

Es gibt am 20. Oktober 2023 einen offenen Tanztag mit verschiedenen Workshops.  Workshopgebühr: pay as you wish, Spendenempfehlung 5€ pro Workshop. Anmeldung unter: hickeycelia@gmail.com

„szene machen“ dient auch als Vernetzung der Akteure rund um die freie Szene. So gibt es ein „mobiles Beratungsbüro“, das über die Fallstricke rund um das Arbeiten im Theaterbetrieb informiert.

Das gesamte Programm finden Sie unter https://www.dott-netzwerk.de/projekte/szene-machen-2023/szene-machen-dortmunder-tanz-und-theaterszene




Stutenbeißen Deluxe – Los(ge)lassen

In der Schauburg Dortmund präsentierten Triarte International und Schnitger Film am 08.10.2023 vorab den neuen Spielfilm von Regisseurin Brigitte Drodtloff „LOS(GE)LASSEN“. Das Drehbuch (Produktion) stammt von Brigitte Drodtloff & Jörg Schnitger, die atmosphärische passende klassische Musik von Anne Nikitin & Tom Kelly.



Der Plot spielt in der Umgebung Münchens während eines kräftigen Schneesturms. Die Stadt wurde vom Blitzeis getroffen und alles ist lahmlegt. Die hochschwangere Alina, eindringlich gespielt von Josefina Vilsmaier – Tochter der Schauspielerin Dana Vávrová (1967-2009) und des Regisseurs Joseph Vilsmaier (1939-2020) – wurde vom Kindsvater und Chef verlassen und lebt aus Kostengründen in einer WG. Sie lebt dort zusammen mit der verbitterten ehemalige Skiläuferin Christa (Mirjam Verena Jeremic), die ihr Bein bei einem Unfall verlor, in der Wohnung der zynisch-hart auftretenden Lucy (Silke Popp). Die hält sich so finanziell über Wasser und pflegt eine offene lesbische Beziehung zu Jessica (Salber Williams), die vor einiger Zeit von Somalia nach Deutschland kam.

Alina ist am Anfang eher eine graue Maus, die unter der Fuchtel ihrer Helikopter-Mutter (Ute Bronder) steckt. Der gelingt sogar der gefährliche Weg zur Tochter. Dann gibt es da noch die Esoterik-Nachbarin Melissa (Valentina Sauca).

Die sechs Frauen mit ihren unterschiedlich-belastenden Päckchen und Lebenseinstellungen im Hintergrundzicken sich sich in erster Linie gegenseitig an, wobei die schüchterne Alina meist das Opfer ist. Durch das Unwetter sind sie aber in dieser Situation auf engem komprimiertem Raum aufeinander angewiesen. In der sich zuspitzenden Situation bröckeln allmählich die Schutzfassaden…

Es ist eine Art Kammerspiel, dass auch für das Theater gut geeignet wäre. Alle möglichen Probleme der Frauen werden oft ironisch-überspitzt und in geballter Form dargestellt. Auch die verschiedenen Ansichten der Generationen aus ihrer Lebensgeschichte werden deutlich.

Den Schauspielerinnen ist es sehr gut gelungen, sich in verschiedenen Persönlichkeiten und deren Situation hinein zu versetzen. Unterstützt wurden sie dabei durch eine sensible Kameraführung (Frank Glencairn).

Es ist (natürlich) kein Film für Action-Fans. In der Problematik der sechs Frauen können viele Zuschauerinnen etwas aus ihrer Lebensrealität widerfinden.

Der Film ist ab Sonntag, dem 15.10.2023 um 13:30 Uhr in der Schauburg (Dortmund) zu sehen. Einlass ist ab 13:00 Uhr.




Max und Moritz – die Streiche gehen weiter

„Rickeracke! Rickeracke! Geht die Mühle mit Geknacke.“ So hat „Onkel Willi“ (Wilhelm Busch) das Ende von Max und Moritz in seinen Bildergeschichten beschrieben. Doch sie leben. Markus Veith und Thomas Strunk haben sich in die beiden Übeltäter verwandelt und erzählen von ihren Streichen über die Jahrzehnte. Denn irgendwie scheinen sie ja unsterblich zu sein oder nur sehr langsam zu altern.



Das Programm „Max & Moritz – der alten Knaben letzter Streich“ stammt aus der Feder von Markus Veith und wurde am 29. September 2023 im Fletch Bizzel natürlich in Reimform präsentiert.

Die Bühne brauchte nicht viel an Requisiten. Eine Bank mit einem Max und Moritz Handtuch. Das reichte, um das Publikum im Fletch Bizzel zu begeistern. Es fing mit den neuen Streichen vielleicht etwas gemächlich an, doch ab dem dritten Streich wurde die Spaßschraube deutlich angezogen. Verständlich, sind die beiden alten Knaben ja etwa 160 Jahre alt.

Es ging gerne gegen Menschen, die ihren Dünkel prominent vor sich hertrugen oder Schwächen hatten, die sie gerne verheimlicht hätten. Am Ende sterben die beiden natürlich nicht, sondern begeben sich aufgrund ihres Alters in ein betreutes Wohnen zurück. Dort geben sie den Staffelstab an die Enkel ihrer Mitbewohner weiter, die auch für reichlich Chaos auf einem Marktplatz sorgen.

Vielleicht hätten die beiden noch etwas über ihre Cousins Hans und Fritz erzählen können, die nach Amerika ausgewandert sind und dort als „Katzenjammer Kids“ Karriere machten. Der deutsche Auswanderer Rudolf Dirks schuf die beiden Hauptfiguren nach dem Vorbild von „Max und Moritz“. Die „Katzenjammer Kids“ gelten als der erste Comic.

Auf alle Fälle war es ein äußerst gemütlicher Abend mit Markus Veith und Thorsten Strunk.




Der Entstörer – ein tiefer Fall ins Kaninchenloch

Ein sehr intensives Klassenzimmerstück hatte am 28. September 2023 im KJT Dortmund Premiere. Es ging um das Thema „Verschwörungsideologien“, die vor allen durch die sozialen Medien immer wieder verbreitet werden. Zu den typischen Verschwörungsideologien gehören beispielsweise „Chemtrails“, die „Mondlandung ist fake“, „Die Impf-Verschwörung“ oder „9/11“. Während die „flache Erde“ meist noch ein Schmunzeln wert ist, gibt es mit „QAnon“ eine gefährliche Ideologie, die davon ausgeht, dass eine geheime Elite das Blut von Kindern trinkt und Donald Trump diese bekämpft.



Die „geheime Elite“, die alles lenkt, ist in fast allen Verschwörungsideologien die treibende Kraft, die hinter allem steckt. Es können Pharmakonzerne sein, die NASA, geheime Gesellschaften wie die Illuminaten oder die sogenannte Finanzelite, womit in der Regel die Juden gemeint sind. Daher kann der Brückenschlag von Verschwörungsideologien zum Antisemitismus auch recht klein sein.

Der Entstörer Jonas (Jan Westphal) mit seinen "Beweisen". Foto: (c) Birgit Hupfeld)
Der Entstörer Jonas (Jan Westphal) mit seinen „Beweisen“. Foto: (c) Birgit Hupfeld)

In „Der Entstörer“ spielt Jan Westphal den Schüler Jonas, der wahrscheinlich durch die Krebskrankheit seiner Mutter in den Bann von Verschwörungsideologien gerät. Durch das „Informieren“, dem stundenlangen Konsum irgendwelcher Google-Treffer und Youtube-Videos, gerät er immer weiter in diese Welt. Westphal macht das in seinem Spiel wirklich beeindruckend, schnell feuert er seine „Argumente“ und „Beweise“ ab, so dass das Publikum beinahe überrumpelt wird.

Doch in den Nebensätzen wird deutlich, dass die Welt von Jonas ziemlich geschrumpft ist. Seinen Kontakt zu seiner Schwester und ihren Kindern hat er verloren, weil er verhindern wollte, dass die Kinder gegen Masern geimpft werden, er bekommt keinen Zugang zu seiner netten Nachbarin und Besuch bekommt er eh nicht mehr, zumal er seine Wohnung vollständig mit Alufolie beklebt hat. Dafür wird er im Netz für seine Ideen bestärkt. Das ist ein wichtiger Punkt, denn der Mangel an sozialem Leben wird durch das Internet kompensiert.

Konzipiert ist „Der Entstörer“ für Klassen ab der 9. Stufe. Es ist auf jeden Fall ein lohnenswertes Stück, das hoffentlich zur Medienkompetenz beiträgt, die mittlerweile sehr wichtig geworden ist. Es ist wichtig, kritisch zu denken, Informationen aus verschiedenen Quellen zu beziehen und sich der Komplexität der realen Welt bewusst zu sein. Denn die von Verschwörungstheoretikern oft genannten Metapher der „roten Pille oder blauen Pille“ aus dem Film „Matrix“ greift zu kurz.  Die rote Pille repräsentiert die Bereitschaft, die Realität und die Wahrheit zu akzeptieren, auch wenn sie verstörend oder herausfordernd ist. Die blaue Pille repräsentiert die Entscheidung, in einer komfortablen Illusion zu bleiben und die Realität zu vermeiden. In der realen Welt kann die Suche nach Wahrheit jedoch komplex sein und unterschiedliche Perspektiven berücksichtigen.  

Es sollte in vielen Klassen zu sehen sein und wenn möglich auch anderen Gruppen zugänglich gemacht werden.      




Musical „RENT“ rockt Dortmunder Opernhaus

Erst Anfang September 2023 hatte Puccinis Oper „La Bohéme“ unter der Regie von Gil Mehmert seine bewegende Premiere im Dortmunder Opernhaus.



Am 30.09.2023 startete nun das in den 1990-iger Jahren (New York) zur Weihnachts- und Silvesterzeit verlegte moderne Musical-Pendant „RENT“ (Miete) in der Inszenierung des Regisseurs am gleichen Ort. Buch, Musik und Liedertexte sind von Jonathan Larson, (Deutsch von Wolfgang Adenberg). Das Originalkonzept und die zusätzlichen Liedtexte stammen von Billy Aronso.

Die drei jungen Bohemians (Gespielte von Christof Messner, Alex Snova und Lukas Mayer). Foto: (c) Thomas M. Jauk
Die drei jungen Bohemians (Gespielte von Christof Messner, Alex Snova und Lukas Mayer). Foto: (c) Thomas M. Jauk

Hier werden (vordergründig) ähnliche Geschichten erzählt. Mehmert hat nicht nur das Bühnenbild mit dem Dach-Appartement übernommen, sondern auch einige kleine Anlehnungen an die „La Bohème“-Inszenierung übernommen.

Begleitet wird die Story musikalisch sensibel und rockig von einer Band unter der Leitung von Jürgen Grimm.

Junge Bohemiens kämpfen auch bei RENT um ihre nackte Existenz und Leben in einem schäbigen „Loft“ über den Dächern von New York. Ihnen wird hier jedoch unter anderem bewusst die Obdachlosen auf der Straße unten gegenübergestellt.

Beide Gruppen sind von den Plänen Vermieters und ehemaligen Mitbewohners des Appartements bedroht, der der die Mieter aus der Wohnung heraushaben will, um sie in eine Luxusimmobilie zu verwandeln. Der Filmemacher Mark (Christof Messner) und Musiker Roger (David Jacobs), beide noch Mieter des Appartements, bekommen Unterstützung von Marks Ex-Freundin Maureen (Bettina Mönch), deren neue Partnerin Joanne (Amani Robinson), dem arbeitslosen Universitätsprofessor Tom (Alex Snova) sowie dessen neue Liebe Drag-Künstler Angel ( Lukas Mayer). Dazu kommt die drogenabhängige und schwer kranke Mimi, in die sich Roger allmählich verliebt.

Die harte Lebenswirklichkeit holt die Paare bald ein….

Das Musical besticht durch rasante Choreografien, starken Stimmen der Darstellenden und eindringlichen geschickt wechselnden Bühnenbildern auf verschiedenen Ebenen.

Während bei Puccini Mimi an Tuberkulose leidet, spielt bei Larson Drogensucht und die in den 1990-iger Jahren akute Aids-Problematik eine Rolle. Viel ist aus seiner eigenen Lebenswirklichkeit entnommen. Ungleichheit, Armut, Gentrifizierung, Obdachlosigkeit, Homophobie werden ebenfalls schonungslos aufgezeigt.

Leider haben diese Probleme auch heutzutage nichts von ihrer Brisanz verloren.

Optisch am Auffallendsten war sicherlich Lukas Mayer in seiner Rolle als „Drag-Queen“. Bei all den tollen Stimmen beeindruckte mich persönlich besonders Amani Robinson.

Humorvoll unterstützt wurden die Hauptakteure von dem Rest des Ensembles in ihren verschiedenen Rollen.

RENT ist etwas für von Musical-Freunde wie auch Fans von romantischen Rockballaden und fetzigem Rock. Modern, aktuell, frisch und mit einer Prise Erotik.

Es ist eine musikalische Feier der Liebe („Seasons of Love“, einziger Song in englischer Sprache), der Bohème, und vor allem des „Leben im Jetzt“.

Die Premiere wurde vom Publikum stürmisch gefeiert. Weiter Aufführungstermine erfahren Sie wie immer unter www.theaterdo.de  oder Tel.: 0231/50 27 222




Instame – Gefährliche Vermengung von Internet und Real Life

Im Operntreff der Oper Dortmund konnte das junge Publikum am 27.09.2023 die Uraufführung des Auftragswerks „Instame“ erleben.



Es handelt sich hierbei um eine moderne und frische Oper, die sich mit den Gefahren, die aus einer Vermengung der beiden Daseinsebenen (digitale und reale Welt) musikalisch und theatral auseinandersetzt.

Franz Schilling (Batman, im Hintergrund), Cosima Büsing (Linny), Wendy Krikken (Sanny)
Foto: (c) Björn Hickmann
Franz Schilling (Batman, im Hintergrund), Cosima Büsing (Linny), Wendy Krikken (Sanny)
Foto: (c) Björn Hickmann 

Es geht um ein brisantes Thema, das die Realität der Jugendlichen betrifft und sie eventuell für das Genre „Oper“ zugänglich macht.

 Die Oper von Kathrin A. Denner unter der Regie von Lukas Wachernig ist in Kooperation mit der Akademie für Theater und Digitalität entstanden.

Musikalisch begleitet wurde die Oper von einer kleinen Abordnung der Dortmunder Philharmoniker unter der Leitung von Olivia Lee-Gundermann.

Die verschiedenen Stimmungslagen, ob spielerisch-humorvoll bedrohlich, fanden ihren atmosphärischen Ausdruck in Geräuschen und der Musik.

In „Istame“ wird der digitale Raum auf eine Bühne (Ort der Selbstdarstellung) verlegt. Das Publikum blickt unmittelbar in das Jugendzimmer der Influencer*in Sanny (Wendy Krikken), die wie ihre Freundin Linny (Cosima Büsing, neu im Junge Oper-Ensemble) ständig online ist. Es geht nur um Selbstdarstellung, „Likes“, viele „Follower“, Geld, Werbegeschenke und Shoppen. Als sich Sanny im den geheimnisvollen „Schiller“ verliebt und die Reality (OMG) in Form des „ertinderten Batmans“ die Lebenswirklichkeit bedroht, sind die beiden Insta-Girls überfordert. Das System ist überlastet und stürzt ab…

Das neue Ensemble-Mitglied der Jungen Oper spielte sowohl den als witziges Einhorn verkleideten „Happycorn“ vom Shopping-Lieferdienst wie auch den „Batman“ mit viel Herzblut. Alle drei Darsteller*innen konnten sowohl mit ihren Stimmen als auch ihrer schauspielerischen Darstellung der Typen.

Oft humorvoll-ironisch überzeichnet, doch auch provokant-radikal, weist die Oper deutlich auf mögliche Gefahren mit katastrophalen Folgen hin, wenn sich digitale und reale Welt konfliktreich vermengen.

Infos zu weiteren Aufführungsterminen erhalten sie wie immer unter www.theaterdo.de oder Tel.: 0231/ 50 27 222




Supertrumpf – Essstörung als familiäre Belastungsprobe

Im Dortmunder Kinder und Jugendtheater (KJT) steht aktuell das Stück „Supertrumpf“ (Premiere war am 22.09.2023) ab 10 Jahre (Esther Becker) unter der Regie von Antje Sieber auf dem Programm.



Behandelt wird hier sowohl für die betroffenen Personen wie auch das familiäre Umfeld das sensible und komplexe Thema Essstörung.

Sar Adina Scheer (vorne), Thomas Ehrlichmann, Annika Hauffe, Bianka Lammert
(c) Birgit Hupfeld
Sar Adina Scheer (vorne), Thomas Ehrlichmann, Annika Hauffe, Bianka Lammert
Foto (c) Birgit Hupfeld

Aus der Perspektive der zehnjährigen Lou (eigentlich Marie-Louise) wird vom schwierigen Familienleben nach der Entlassung ihrer magersüchtigen vierzehnjährigen Schwester Maya nach drei Monaten erzählt.

Mit viel Empathie versetzen sich die neuen Schauspieler*innen Annika Hauffe (Lou) und Sar Adina Scheer (Maya) in die Situation der Schwestern. Während des dreimonatigen Klinikaufenthalt von Maya hat sich Lou die Zeit mit ihrem Lieblingsspiel Supertrumpf (gerne als Bezeichnung für Autoquartett) vertrieben und sich abgelenkt.

Der Aufbau der Bühne (Ausstattung: Julia Schiller) in Form von unterschiedlichen Podesten und Höhen verdeutlichte die Schwierigkeiten im alltäglichen Leben und dient gleichzeitig als eindrucksvolle Video-Projektionsfläche für bekannte Ratschläge und Sprüche für den Umgang mit Essstörungen. Für Musik, Geräusche und Video zeichnet Peter Kirschke verantwortlich.

Die ambivalente Gefühlswelt der Schwestern wird mit prägnanten Dialogen, klaren Bildern, wenig Pathos, Humor und herzlichen Momenten dargestellt.  Lou kämpft zum einen um Beachtung in ihrer Familie, wo gerade die zurück gekommenen Maya im Zentrum der Aufmerksamkeit steht. Andererseits liebt sie ihre Schwester und hat Angst um das Leben von Maya. Es entsteht eine Stimmung von Misstrauen und Kontrollzwang. Drunter leidet Maya, die ja extreme Kontrolle schon genug in der Klinik erlebt hat.

Die Verunsicherung der Eltern und Freunde von Lou verkörpern wunderbar Bianka Lammert und Thomas Ehrlichmann.

Ganz langsam finden wieder eine Annäherung und Vertrauensbildung statt.

Während der Aufführung wird geschickt zwischen Erzählung und direktem Konfrontationsspiel changiert.

Ein sensibler Umgang mit dem Thema Essstörungen. Die eine und einzige Ursache für deren Entstehen gibt es nicht. Allen Betroffenen gemein ist eine gestörte Selbstkontrolle. Da sind viel Geduld und vertrauensbildende Maßnahmen notwendig.

Weitere Aufführungstermine erfahren Sie wie immer unter www.theaterdo.de oder Tel.: 0231/ 50 27 222




Penthesilea – wie den Kampf der Geschlechter überleben?

Penthesilea, das Drama von Heinrich von Kleist, diente dem Theaterkollektiv Trafique unter der Leitung von Björn Gabriel als Vorbild für ihre Version von „Penthesilea“ mit dem Untertitel „Battle oft he Sexes“. Das zeigte schon von Anfang an, wohin die Reise in den kommenden 90 Minuten gehen wird. Ein Premierenbericht vom 22.09.2023 aus dem Theater im Depot.



Die Geschichte von Achill und der Amazonenkönigin Penthelisea geht auf Homers (der auch zu Beginn auf der Leinwand erschien) Erzählung über den Trojanischen Krieg zugrunde. Bei ihm nahm Penthelisea ein böses Ende, bei Heinrich von Kleist siegte die Amazonenkönigin.

Lassen wir mal die ganzen Überlegungen über das sagenumwobene Amazonenvolk (no evidence) beiseite, natürlich gab es, mehr als manche bis jetzt annehmen, Kriegerinnen zu allen Zeiten. Doch Trafiques „Penthelisea“ ist auch kein Stück über das weibliche Heldentum, sondern seziert die Beziehung zwischen Mann und Frau.

Diese Beziehung ist nicht einfach und geprägt und Ungleichbehandlungen. Im Stück träumt Penthelisea von einer Welt ohne Männer, die sie als „große Plage der Welt“ bezeichnet. Dieser Monolog, ich könnte ihn neudeutsch auch als „Rant“ bezeichnen, erinnert an einige Science-Fiction-Filme, in denen durch eine Katastrophe oder ähnliches, (fast) nur noch Frauen auf dem Planeten Erde leben. Die Serie „Y: The Last Man“ ist so ein Beispiel.

Wie hat sich Mann denn nun zu verhalten in der Welt, in der Frau ihren gerechten Anteil fordert? Bezeichnet er sich schnell als Feminist, um als „pinker Gockel“ eine Frau in Bett zu bekommen?

Und was wäre, wenn Achill und Penthelisea beide überlebt hätten? Trafique zeigt es uns gegen Ende des Stückes in all seiner Schönheit. Ehe, Kind, Alltagstrott. (K)Eine Alternative?

Eine weitere Figur hat in dem Stück Platz. Ein Namenloser, der anscheinend mit der strikten Einteilung von Mann und Frau bricht. Von der Gesellschaft ausgeschlossen, ist er aber jemand, der sexuelle Selbstbestimmtheit lebt.

„Penthesilea“ gibt keine Antworten auf die Kämpfe zwischen den Geschlechtern, sondern zeigt einen kleinen Einblick in die aktuellen Diskurse. Hervorzuheben sind die drei Darstellenden auf der Bühne: Nicolas Martin, Johanna Reinders und Tomasso Tessitori, die ihre Figuren mit Leben erfüllen. Hinzu kommt der typische Trafique-Stil mit einer Mischung von Film und Schauspiel und den obligatorischen Backgroundgesprächen der Schauspielenden.

Nicht zu vergessen: Trafique schafft es wieder, die Vorlage (hier Kleist) zu entstauben und für den aktuellen Diskurs aufzupeppen.




Ein Tanzfestival der Extraklasse

Internationale Ballettgala XXXVII

Die Internationale Ballettgala, gefördert von den Ballettfreunden Dortmund e. V. und weiteren kunstsinnigen Sponsoren, bot einen einmaligen Tanzfest Abend von internationalem Rang. Xin Peng Wang lud das Publikum in dieser Saison dazu ein, mit ihm sein 20-jähriges Dortmund-Jubiläum zu feiern! Durch den Abend führte als Conférencier/Moderator Hannes Brock.



Die bei dieser 37. Internationalen Ballettgala präsentieren Tänzer*innen international namhafter Compagnien, wurden von den Dortmunder Philharmonikern begleitet. Die Tänzer präsentierten die vielen Facetten und Schattierungen der Ballettkunst. Stars des Stuttgarter Balletts, des Royal Ballet London, des National Ballet of China und Het Nationale Ballet Amsterdam waren im Opernhaus zu Gast und zeigten ein höchst abwechslungsreiches Programm.

Eine Choreografie von Ted Brandsen, ebenfalls seit 20 Jahren Direktor und Chefchoreograf des Dutch National Ballet, gab den Auftakt zu dieser feierlichen Gala.

Das Dortmunder Ballett erarbeitete/ertanzte sich mit und unter Xin Peng Wang seit 2003 zu Weltruhm und Reputation. Sonst wären andere weltbekannte, renommierte Tanzkompanien nicht nach Dortmund gereist. Dieser Aufstieg ist auch durch die von Xin Peng Wang 2014 gegründete NRW Ballett Junior Academy begründet. Diese Ballett Junior Academie war auch an diesem Abend Teil des begeisternden Programms. Die eröffneten nach der Pause den zweiten Teil des Abends mit einer fantastischen Choreografie von Xin Peng Wang, Im Wald, mit der Musik von Camille Pepin. 

Die insgesamt 17 Stücke, Ballettszenen, begeisterten das Dortmunder Publikum, das die Tänzer, eigentlich Tanzkünstler, zu Ovationen begeisterte … auch inmitten ihrer Darbietungen. So wie bei Polina Semionova vom Staatsballett Berlin, sie zeigte, dass eine Frau/Ballerina auch auf kleinster Fläche standhaft stehen kann …

Die Gründung der NRW Junior Academy durch Xin Peng Wang machte Dortmund zu einem international beachteten Knotenpunkt für hochbegabten Ballettnachwuchs. Jährlich können zwölf Tänzer*innen aufgenommen werden. Allerdings ist die Bewerberzahl um ein Vielfaches höher. Diese jungen Ballettkünstler sind bereits professionell ausgebildet und erhalten in Dortmund ihren letzten Schliff. Kein Wunder, dass die Welt auf die Dortmunder Jugend Academy schaut, wenn es um die besten Nachwuchstänzer geht.

Auch dies ein Grund für die starke internationale Resonanz auf die Einladung zur 37. Internationalen Ballettgala.




Mein lieber Scholli

Ein Tegtmeierabend im Fletch Bizzel, am 22. September, Beginn 20:00, mit Carsten Bülow, Peer Claßen und Monika von Manger, der Nichte von Jürgen von Manger, alias Adolf Tegtmeier.



Tegtmeier schwadronierte in bestem Ruhrpottslang über die Widrigkeiten des Lebens auf Bühnen und bundesweit im ZDF in 6 verschiedenen TV Formaten. Mein beliebtestes und weithin bekannteste war/ist Tegtmeier´s Reisen. In diesem Format bereist von Manger als Tegtmeier die Welt und war dabei herrlich skurril provinziell … ein Spagat für den kosmopolitischen von Mager, den er mit Bravour hinlegte oder besser darbot. Der literarische Kabarettist war aber nicht nur der Kabarettist sondern auch ein Schauspieler von Rang und Gesangskünstler.

Bülow, Claßen und von Manger lassen im 100 Geburtsjahr von Jürgen von Manger den Ausnahmekünstler hochleben. In diesem Programm. dass sich um das Bühnenschaffen von von Manger dreht, und mit der Familie von Manger erarbeitet wurde, werden wir ein Gesamtbild wiedererstehen sehen.

www.fletch-bizzel.de