Adas Raum –Frauenschicksale über Jahrhunderte

Wie kommt ein Armband aus Westafrika aus dem 14. Jahrhundert in eine Ausstellung nach Deutschland? Das ist die Geschichte von „Adas Raum“, das am 27. April 2024 Premiere hatte. Ars tremonia besuchte die zweite Vorstellung am 05. Mai.



Anhand eines mystischen Überbaus schuf die Autorin Sharon Dodua Otoo eine Geschichte über eine Art „ewige Ada“, die in verschiedenen Zeitepochen lebt. Zudem gibt es weitere Gemeinsamkeiten: Ein perlenbesetztes Halsband und das Ende durch eine Pistolenkugel.

Linda Elsner (vorne), Nika Mišković, Lucia Peraza Rios, Akasha Daley und Viet Anh Alexander Tran in "Adas Raum" Foto: (c) Birgit Hupfeld
Linda Elsner (vorne), Nika Mišković, Lucia Peraza Rios, Akasha Daley und Viet Anh Alexander Tran in „Adas Raum“ Foto: (c) Birgit Hupfeld

Die Geschichte beginnt 1459 in Totope, Westafrika, als der damaligen Ada ihr Armband von einem portugiesischen Seefahrer geraubt wurde und bei dem Versuch es wiederzuerlangen, erschossen.

Ihre nächste Inkarnation führt Ada nach England ins Jahr 1845. Sie ist eine brillante Mathematikerin. Das Vorbild ist erkennbar Ada Lovelace, die als erste Frau Computerprogramme schrieb. Im Gegensatz zur Ada im Stück wurde sie im „wahren Leben“ nicht erschossen, sondern starb mit nur 36 Jahren an Gebärmutterhalskrebs.

Das Armband gelangt 1945 nach Deutschland, wo die nächste Inkarnation von Ada im KZ Buchenwald Sexzwangsarbeit verrichten muss. Sie versucht vor ihrer Exekution zu fliehen und wird erschossen. Das Armband gelangt in die Hand eines SS-Manns, dessen Sohn es einem Museum gibt.

„Adas Raum“ schneidet gleich mehrere Themen an: Raubkunst aus Afrika und Gewalt gegen Frauen durch Männer. Verbunden durch die Existenz der „ewigen“ Ada und durch Gegenstände wie dem Armband wird daraus eine bewegende Reise durch die Zeit.

Weitere Infos unter www.theaterdo.de




Ausbreitungszone – Könnten wir zurück in den Wald?

Der Wald gilt ja in Deutschland seit der Romantik als eine Art Sehnsuchtsort. Der Wald erfuhr als Sinnbild der malerischen Natur, aber auch der unergründlichen und gegensätzlichen Welt große Verehrung. In den Werken der Maler Caspar David Friedrich und Moritz von Schwind oder des Dichters Joseph von Eichendorff ist der Wald allgegenwärtig.



Doch in dem Theaterstück „Ausbreitungszone“ der französischen Autorin Mariette Navarro geht es nicht nur um den Wald als Rückzugsort, sondern um Themen wie Identität oder Isolation. In „Ausbreitungszone“ gehen 12 junge Menschen in einen Wald hinein, der sich mysteriöserweise ausgebreitet hat. Die Grenze zwischen Stadt und Wald ist kaum erkennbar. Doch alle haben nicht die gleichen Gründe. Für die einen ist aus Ausbruch aus den alltäglichen Leben in der Großstadt, andere erhoffen, aus ihrer Isolation zu fliehen.

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Dieser Weg wird kein leichter sein:  Jugendclubproduktion "Ausbreitungszone" mit Johannes Weber, Charlie Lutomski, Lea Sommer, Stelle Hanke, Niklas Havers, Nessa Cofala, Marie Gelfert, Rebecca Poersch, Jost Förster, Julia Hartmann, Daria Deuter und Ariana Paktin. Foto: (c) Birgit Hupfeld
Dieser Weg wird kein leichter sein: Jugendclubproduktion „Ausbreitungszone“ mit Johannes Weber, Charlie Lutomski, Lea Sommer, Stelle Hanke, Niklas Havers, Nessa Cofala, Marie Gelfert, Rebecca Poersch, Jost Förster, Julia Hartmann, Daria Deuter und Ariana Paktin. Foto: (c) Birgit Hupfeld

Die Mitglieder des Jugendclubs unter der Leitung von Christine Appelbaum und Franz Marie Hoffmann zeigten am 04. Mai 2024 im KJT , dass die romantische Sicht auf den Wald oder das Unbekannte durchaus nicht immer ganz einfach ist. Wie reagiere ich, verhalte ich mich falsch, was will ich überhaupt da? In einer Spielszene erzählen sich die Teilnehmenden, was sie an der Stadt fasziniert wie Geräusche und ähnliches.

Dennoch ist der Wunsch nach einer Gegengesellschaft bei allen spürbar. „So kann es nicht weitergehen“ scheint das gemeinsame Motto zu sein. Diese Gefühle sind nicht neu. Die frühe Naturschutz- und Umweltbewegung, die Jugendbewegung, sozialdemokratische Naturfreunde, Wandervögel und Wandervereine haben bereits Ende des 19. Jahrhunderts ein Gegenmodell zum Großstadtleben propagiert.

Das Ende von „Ausbreitungszone“ besitzt Anspielungen auf die Besetzung des „Hambacher Forsts“ und schlägt eine Brücke zu den aktuellen Umweltschutzgruppen wie Fridays for Future oder Letzte Generation. Ein großes Lob an die jungen Schauspielenden. Mit dabei waren: Nessa Cofala, Daria Deuter, Jost Förster, Marie Gelfert, Stella Hanke, Julia Hartmann, Niklas Havers, Charlie Lutomski, Ariana Paktin, Rebecca Poersch, Lea Sommer und Johannes Weber




Romeo und Julia – was wäre, wenn?

In Kooperation des Kollektivs „I can be your translator (icbyt) mit dem Schauspiel Dortmund hat sich Linda Fisahn (icbyt, 1984*, Dortmund), künstlerisch begleitet von Christoph Rogatz (icbyt), mit „Hurra, Romeo und Julia – Die Szene mit der Leiche, die habe ich gelöscht“ an ihre erste Regiearbeit gewagt. Seit April 2023 ist sie im Rahmen eines Außenarbeitsplatzes am Schauspiel Dortmund beschäftigt.



Die als Tragödie endende Liebesgeschichte von Romeo und Julia, sowie der andauernde unsägliche Streit zwischen den Familien Montague und Capulet liegen ihr am Herzen. Dabei spielt die intensive Beschäftigung mit der DVD zum Film „Romeo und Julia“ mit Claire Danes und Leonardo DiCaprio aus dem Jahr 1996 eine wesentliche Rolle. Da sie Gewalt verabscheut und die Liebesgeschichte ein gutes Ende haben soll, werden bei ihrer Inszenierung einige Änderungen vorgenommen…


Ein bunter Abend mit "Romeo und Julia" und dem Kollektiv „i can be your translator“: Christian Fleck, Marlena Keil, Lis Marie Diehl, Julia Hülsken, Anna Reizbikh, Ekkehard Freye und Laurens Wältken. Foto: (c) Birgit Hupfeld
Ein bunter Abend mit „Romeo und Julia“ und dem Kollektiv „i can be your translator“: Christian Fleck, Marlena Keil, Lis Marie Diehl, Julia Hülsken, Anna Reizbikh, Ekkehard Freye und Laurens Wältken. Foto: (c) Birgit Hupfeld

Am 05.05.2024 fand im Studio des Schauspiel Dortmund die Uraufführung des Stücks statt.

Bei diesem inklusiven Projekt stehen neben Menschen mit verschiedenen Behinderungen und nicht behinderten Personen (icbyt) gemeinsam mit Marlena Keil und Ekkehard Freye vom Schauspiel-Ensemble Dortmund auf der Bühne.

Für romantische Stimmung sorgte nicht nur das Bühnenbild oder Kostüme, sondern auch die roten Anti-Stress Herzen vom Schauspielhaus. Kleine Leinwände als Projektionsfläche waren geschickt and Wand angebracht. Hier bestand neben der Möglichkeit, das Geschehen mit der Kameraführung festzuhalten, zusätzlich die Gelegenheit, Szenen aus dem Film passend einzublenden. Musik (von Christian Fleck entwickelt) spielte eine große stimmungsgebende Rolle. Für jeden der Akteure auf der Bühne gab es ein spezielles Instrument, die vor einer dramatischen Situation effektvoll eingesetzt wurden.

Die Regisseurin nahm sich die Freiheit, selbst energisch in die Handlung einzugreifen. Sieben Mal ließ sie die Hochzeitsszene von Romeo und Julia in den verschiedensten Konstellationen wiederholen, oder regte sich extrem über den Vater (Ekkehard Freye) auf, als dieser seine Tochter Julia (Marlena Keil) mit einem reichen Mann verheiraten möchte. Das hatte für ihn unangenehme Konsequenzen[LL1] [LL2] .

Neben den romantisch-humorvollen Szenen wurde auch ein ernsterer Impro-Anteil mit Gesprächen über den Umgang mit Tod, Verlust oder wie man beerdigt werden möchte eingebaut. Außerdem gab es witzig-entlarvende Dialoge zwischen Vätern und Töchtern zu hören.

Neben der gemeinsamen Spielfreude überzeugte der Zusammenhalt aller auf der Bühne. Jeder hatte seine wichtige Rolle und alle haben sich gegenseitig unterstützt. Es zeigt sich. Menschen mit Handikap sind nicht behindert, sondern werden behindert.

Die tolle Leistung wurde mit sehr viel Applaus belohnt.

Informationen zu weiteren Aufführungsterminen erhalten Sie wie immer unter www.theaterdo.de oder Tel.: 0231/ 50 27 222




Amüsantes Schlager-Theater um „Haui“ Carpendale

Im Dortmunder Theater Fletch Bizzel konnte das Publikum am 04.05.2024 bei „Spuren im Sand“ mit dem Schauspieler, Sprecher und Musiker Heinz-Peter Lengkeit als Haui Carpendale einen witzigen musikalischen Theaterabend mit liebevoller Ironie erleben.



Regisseurin Gerburg Jahnke und HP Lengkeit haben ein wunderbares Programm um den Musiker, Mensch und das Phänomen Howard Carpendale entwickelt. Zur Seite stand Lengkeit kongenial der Gitarrist Peter Engelhardt (bis 2011 bei der Kultband Birth Control). Musikalische Qualität war da schon mal gesichert.

Schon von Beginn an ging der Schauspieler als Haui mit seiner perfekten Carpendale-Perücke direkt auf Paar Frauen im Publikum und rühmte ihre Schönheit. Ein kleiner Hinweis auf Hauis Vorliebe für schöne Frauen.

Es wurde ein Abend mit vielen Geschichten (einige davon wahr), Selbst-Ironie und einer großen Palette von Carpendale-Songs. Dabei konnte HP Lengkeit seine Qualität als Sänger unter Beweis stellen. Das gelang ihm auch, als er den Elvis Presley Hit „Suspicious minds“ auf die Bühne brachte.

Ob nun Howard Carpendale-Fan oder nicht, jeder wurde von den Ohrwurm-Refrains der Songs zum mitsingen oder summen animiert.

Die perfekten „Carpendale-Gesten“ oder Attitüden brachten viele zum Tränen lachen. Als „Running Gag“ zog sich die Eitelkeit des Künstlers im Bezug auf seine und andere „fantastische Frisuren“ durch den gesamten Abend. Die Obsession für das Golfen wurde natürlich auch selbstironisch eingebracht.

Ab und zu wurden einzelne Personen im Raum humorvoll angesprochen und einbezogen. Die Akteure hatten ihr Publikum im Griff und bescherten ihm fast zwei Stunden Unterhaltung und Ablenkung von den Problemen unserer Zeit.

Wer sich dieses Schlager-Theater-Programm erleben will, hat zudem die Gelegenheit an verschiedenen Terminen im Stratmanns Theater Europahaus (Essen). Es lohnt sich.




MAMATOR – oder Glanz und Elend eines Kuttenfans

Eine Kutte ist eine Jeansjacke, die mit Aufnähern übersäht ist. Bei Fußballfans steht meist der eigene Verein im Vordergrund, doch es gibt auch Aufnäher, die den Rivalen oder andere missliebige Vereine beleidigen. Ihre Hochzeit hatten die Kuttenfans im Fußball in den 70ern und 80ern. Mittlerweile sind sie in den Stadien beinahe eine Randerscheinung geworden, im Mittelpunkt der Fankultur stehen die Ultras-Gruppierungen, die mit Gesängen und Choreografien das Bild der Profiligen prägen.



Die Kuttenfans stehen auch für die eher proletarische Variante der Fußballfans, die die Stadien bevölkert haben, als Fußball noch nicht hip war und auch nicht in den verschiedenen Privat-TV-Sendern gezeigt wurde. Von Sky und Co ganz zu schweigen.

Basierend auf dem Roman „Nordkurve“ des Gelsenkirchener Autors Michael Klaus, der 1993 von Adolf Winkelmann verfilmt wurde, erarbeitete der kürzlich verstorbene Theatermacher Rolf Dennemann für artscenico einen Text mit dem Titel „Mamator oder guck mal ob die Mama guckt“.

„Mamator“ ist ein Solostück, das in einem Hinterhof spielt. Denn „Mamator“ spielt mit der Umgebung. Maximilian Strestik als namenloser Protagonist versucht öfters mit seiner Umgebung zu kommunizieren, sei es umherfliegende Vögel oder imaginäre Nachbarn.

Der Handlungsrahmen ist kurz erzählt: In einem Hinterhof hat sich ein Mann seinen Rückzugsort geschaffen. Der Mann ist Mitte 40 und lebt eigentlich noch bei seiner Mutter. Vor seiner Mutter verheimlicht er, dass er arbeitslos ist. Er ist leidenschaftlicher Fußballfan, Welterklärer, Biertrinker und hat, so sagt er, Stadionverbot. Dabei findet heute das entscheidende Spiel seines Vereins gegen den Abstieg statt.

Die Hauptfigur hat die Begabung, so nenne ich es mal, lose Zusammenhänge zu verknüpfen und dann in Wortkaskaden auf die Zuschauenden loszulassen. So verbindet er beispielsweise Wurstsorten mit Redewendungen in denen Wurst vorkommt. Vergleichbar mit einem Typen in der Kneipe, der einem nach einem oder zwei Bier ungefragt die Welt erklärt, indem er beliebige Bruchstücke zu einem Ganzen zusammenfügt.

Dazu passt das Setting sehr gut: Ein etwas heruntergekommener Hinterhof in der Missundestraße in der Nordstadt wird zu einem Fußballfeld, Grillplatz und Aufenthaltsort, den natürlich die Mama nicht entdecken darf.

Rolf Dennemann zeigt uns die Hauptfigur als einen Menschen, der sich seine eigene Welt geschaffen hat, in der der Geist der 70er/80er Jahre weht („Früher hießen die Fußballer noch Eisenfüße“). Auch zu erkennen im Namen des Wirtsehepaars Gerda und Jupp.

Diese Figur bringt uns Maximilian Strestik sehr gut rüber. Seine ganze Versponnenheit und positiver Enthusiasmus für seinen Verein machen ihn sofort sympathisch und sorgen für einige Lache im Publikum.

Auch wenn das Stück nicht für die EM 2024 konzipiert wurde, es ist eine wunderbare Reminiszenz an eine Fußballkultur, die es in dieser Form nur noch selten gibt. Zumal das Ruhrgebiet sicherlich eine Hochburg der Kultur der Kuttenfans war.

Wer also den Menschen hinter der Kutte erleben möchte, kann am 03. und 04. Mai 2024 jeweils um 19 Uhr in die Missundestraße 10 kommen.

Eintrittspreise 17/10€

Tickets online unter ticketree oder Reservierung unter orga@artscenico.de.

Darsteller: Maximilian Strestik

Regie: Matthias Hecht

Regieassistenz: Ludwig Juhrich

Dramaturgie: Berthold Meyer

Ausstattung: Marius Glagovsek

Mitarbeit Produktion: Sven Möller

Fotos: Guntram Walter Artwork / Presse & Öffentlichkeitsarbeit: Lars Wege




Pinocchio – Abenteuer einer Holzpuppe

Pinocchio ist die ewig junge Geschichte einer sprechenden Holzpuppe, die sich nichts weniger wünscht, als ein Mensch zu werden und seinen Papa Geppetto stolz zu machen. Das Pinocchio bis dahin allerlei Abenteuer erlebt ist klar.



Das junge Ensemble der Kulturbrigaden, unter der Leitung von Rada Radojčić, präsentierten am 20. April 2024 eine fröhliche, bunte Version von „Pinocchio“ mit Livemusik, kleinen Gags und viel Humor nach der Bühnenversion von Jürgen Popig (Rechte beim Verlag für Kindertheater Weitendorf).

Die Geschichte von Pinocchio, der Holzfigur, ist fast jedem bekannt. Sein Wunsch ist, es ein „richtiger Junge“ zu werden, aber leider steht diesem Wunsch seine Naivität (oder Dummheit) im Weg. So geht er nicht in die Schule, sondern lieber in den Zirkus und zieht mit ihnen durch die Lande. Sein hart verdientes Gold lässt er sich tölpelhaft von den beiden Gaunern Kater und Fuchs abnehmen. Pinocchios Lernkurve ist aber immer noch sehr flach, denn er lässt sich überreden, ins „Land der 1000 Spiele“ zu ziehen. Dort kann er den ganzen Tag spielen und essen, wird aber immer dümmer. Glücklicherweise hat er eine gute Freundin, die „blaue Fee“, die ihn aus mancherlei Situationen rettet. Letztendlich fällt er in seinem Heimatdorf ins Meer und wird von einem Wal verschluckt. Doch Zufall: Auch sein Vater Geppetto ist dort. Mit einem Trick können beide sich befreien und an Land gelangen.

Das alles wurde von den Jugendlichen der Kulturbrigade in beeindruckender Weise präsentiert. Es passte alles zusammen: Die Kostüme von Anna Hörling, die Bühne von Sandra Marie Drozdowski, die Livemusik von Dixon Ra und die Schauspielkunst des jungen Ensembles der Kulturbrigaden. Da machte sich die Arbeit an dem Stück seit Januar bemerkbar. Daneben war noch Christiane Wilke als erfahrene Schauspielerin dabei. Sie spielte verschiedene Rollen, unter anderem Geppetto oder den Kater.

Insgesamt war das ein schöner Abend für die ganze Familie, eine gelungene Inszenierung von Rada Radojčić, die auch als spanischsprechender Fisch eine gute Figur machte und tolle junge Schauspieler, denen man den Spaß an dem Stück anmerkte.

Es gibt noch Vorstellungen am 26. Mai 2024, 30. Juni 2024, 22. September 2024 und am 10. November 2024 jeweils um 15 Uhr.

Mehr Informationen immer unter www.fletch-bizzel.de




Wie umgehen mit den Ängsten?

Im Dortmunder Kinder und Jugendtheater (KJT) hatte am 19.04.2024 „Angst oder Hase“ (ab 12 Jahren) von Julia Haenni unter der Regie von Johanna Weißert seine Premiere.



Auf einer ganz in blau gehaltenen Bühnenkonstruktion mit zwei kleinen Leinwänden an den Seiten versuchen die vier Schauspieler*innen (Annika Hauffe, Bianka Lammert, Sar Adina Scheer, Jan Westphal) eine fetzige Mut-Mach-Show auf die Bühne zu bringen. Alle im knalligen Pink gekleidet und mit Perücken versehen. Ein unheimliches Geräusch stört sie und eine Angstspirale wird in Gang gesetzt…

Annika Hauffe, Jan Westphal, Bianka Lammert, Sar Adina Scheer in „Angst oder Hase“. Foto: (c) Florian Dürkopp

Unter den vier Personen entspinnt eine Diskussion darum, wer Angst hat und ein „Schisser“ ist. Nach und nach wird klar. Jeder von ihnen (auch jedes Lebewesen) hat seine Ängste. Viele versuchen sie zu verdrängen und möglichst zu verbergen, da Angst als „Schwäche und Uncool“ vor allem unter jungen Menschen gilt. Die Anzeichen einer Angstattacke, Herzrasen, Zittern Schweißausbrüche und mehr lassen sich jedoch nicht verbergen.

Das ausgestoßene Adrenalin und die Energie sind evolutionär als Überlebens-Alarmsignal vor Gefahren tief verankert. Es bietet die Möglichkeit, diese Situationen schnell einzuschätzen und sich ihnen bei Risikoabwägung entweder mutig zu stellen oder als Rettung zu fliehen. Die Ängste können sich bis zu Neurosen steigern und dazu verleiten, sich den auslösenden Objekten oder Situationen gänzlich zu entziehen. Das führt oft zur Isolation. Die Chance, schwierigen und bedrohlichen Erlebnissen mit Mut zu begegnen und gestärkt daraus heraus zu kommen, wird dann nicht gesehen. Um so wichtiger sind, wie das Stück zeigt – gute Freunde -, mit denen man offen und ehrlich über das Thema sprechen kann. So „outen“ sich auch die vier Protagonisten zu ihren ganz persönlichen „Angstproblemen“.

Mit einer interessanten Technik wird nebenbei die Hasenphobie von dem jungen Mann (Jan Westphal) erzählt. Zwei kleine Pappmodelle (Bad, Küche) wurden auf die Leinwand projiziert und von Sar Adina Scheer bedient.  

Ein links davon angebrachter Bildschirm sowie eine Kamera ermöglichte es dem Schauspieler, sich von der blauen Bühne aus in die Leinwandprojektion handelt und erzählend einzubringen. Da war Präzisionsarbeit nötig.

 Ein besonderer Einfall war der Auftritt eines knuffigen blauen Hasen (wunderbares Kostüm) im Hintergrund.

Das Geschehen wurde musikalisch und mit passender Geräuschkulisse von Peter Kirschke zielgenau begleitet.

Ein wichtiges Theaterstück gerade in diesen unruhigen, bedrohlich wirkenden und schnelllebigen digitalen Zeiten.

Informationen über weitere Aufführungstermine finden Sie wie immer unter www.theaterdo.de oder Tel.: 0231/ 50 27 222




Protokolle der Sprachlosigkeit Erinnerung an Mehmet Kubaşik

Es gibt Ereignisse, die einen sprachlos und wütend machen. Eines davon sind die NSU-Morde, die bis zu ihrer endgültigen Aufklärung unter dem scheußlichen Begriff „Dönermorde“ in den Medien waren. Grund dafür ist, dass die meisten Opfer migrantischen Hintergrund hatten. Von der Floskel „Wir ermitteln in alle Richtungen“ ist auch bei der Polizei schnell Mord im Drogenmilieu, Kämpfe innerhalb migrantischer Kreise usw. geworden, so dass die Opfer und auch ihre Angehörigen quasi verdächtigt wurden.



Auch in Dortmund gab es ein NSU-Opfer: Mehmet Kubaşik wurde am 04. April 2006 in seinem Kiosk in der Nordstadt ermordet. Erst mit dem Selbstmord von Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt 2011 war klar, dass der Mord nichts mit innermigrantischen Banden oder Drogen zu tun hatte, sondern mit rechtsradikalem Terrorismus.

Jasmina Musić und Johanna Wieking vom HER.STORY KOLLEKTIV gaben in ihrer Performance „Protokolle der Sprachlosigkeit“ Raum zum Angedenken nicht nur an Mehmet Kubaşik, sondern auch den anderen zahllosen Opfern des Rechtsextremismus. Denn viel zu schnell sind die vielen Opfer rechtsradikaler Gewalt aus den Nachrichten und den Erinnerungen der Öffentlichkeit verschwunden.

Schon der Beginn war beeindruckend, als die Zuschauer in den Saal kamen, der Zuschauerbereich war mit Absperrband versperrt und beide Performerinnen aus dem Grundgesetz zitierten. „Die Würde des Menschen ist unantastbar“.

Doch dann wurde es emotional. Fast dokumentarisch berichteten die beiden Performerinnen über den Mord an Mehmet Kubaşik aus Sicht seiner Tochter. Das Schlimme war, durch die einseitigen Ermittlungen wurden die Angehörigen mit in den Dreck gezogen, was Spuren hinterließ. Passend dazu wurden die Angehörigen auch nicht durch die Polizei von der Aufklärung 2011 informiert, sondern bekamen das durch die Presse mit. Daneben wurden auch persönliche Geschichten und Erfahrungen von Frauen, die aus der rechtsextremen Szene ausgestiegen sind, beleuchtet.

Damit die Opfer rechter Gewalt nicht vergessen wurden, bauten Musić und Wieking gegen Ende noch eine Art Gedenktafel mit den Namen der vielen Opfer auf. Vor der einige BesucherInnen Blumen hinterlegen konnten.

Insgesamt ein sehr emotionaler Abend zu einem ernsten, aber wichtigen Thema. Niemals dürfen die Opfer rechter Gewalt vergessen werden.




Mamator – Guckt die Mama?

Die Sprache im Ruhrgebiet ist schon eine besondere Sprache. Nehmen wir mal den Titel des Stückes „Mamator“. Es kann „mach mal (mama) das Tor“ oder auch „Mama, Tor!“ bedeuten. Jedenfalls es geht über Fußball. Nein, nicht über einen bestimmten verein. Das letzte Stück des kürzlich verstorbenen Rolf Dennemann, dem Kopf von artscenico, basiert lose auf dem Roman „Nordkurve“ von Michael Klaus, der von Adolf Winkelmann verfilmt wurde.



Die Hauptfigur, G. (gespielt von Maximilian Strestik) genannt, lebt noch mit Mitte 40 bei seiner Mutter und verbringt fast die gesamte Zeit in einem Hinterhof. Seiner Mutter erzählt er, dass er arbeiten geht. G. ist großer Fußballfan und das letzte Spiel seines Lieblingsverein steht an, bei dem es um Abstieg oder Klassenerhalt geht. Er selbst kann nicht im Stadion sein, da er nach eigenen Angaben Stadionverbot hat.

G. ist nicht nur Fußballfan, sondern auch erzählt auch gerne. So erklärt er die große und kleine Welt und kommt von Hölzken auf Stöcksken. Eine Art Kneipenphilosoph, die im Ruhrgebiet verbreitet ist und spätestens nach dem dritten Bier ihre Sicht der Dinge zum Besten geben.

Der Infoflyer zum Stück "Mamator" von artscenico.
Der Infoflyer zum Stück „Mamator“ von artscenico.

Auch wenn das Stück im Hinterhof der Missundestraße 10 tief in der Dortmunder Nordstadt spielt: In „Mamator“ geht es um keinen speziellen Fußballverein. Eher um das Lebensgefühl von Menschen, die einen Großteil ihres Lebens ihrem Fußballverein widmen. Denn Liebe kennt keine Liga.  

Mamator ist ein Theatersolostück für einen lebendigen Ort – also nicht notwendigerweise ein Theater. Mamator ist eine Hinterhofballade; Garagenblues. Und nicht zuletzt ist Mamator auch eine Hommage an einen Fan und seinen Fußball.

Natürlich könnte man denken, dass „Mamator“ ein kultureller Beitrag zur EM 2006 in Dortmund sei, aber das Stück war vorher schon geplant, leider kam der Tod Dennemanns dazwischen. Damit ist „Mamator“ nicht nur eine Erinnerung an Rolf Dennemann, sondern auch der Neubeginn von artscenico.

Uraufführung am 26.04.24

Aufführungen: 27.04. / 03. & 04.05.24 / Beginn 19:00 Uhr

Hinterhof Missundestraße 10, Dortmund

Eintrittspreise 17/10€

Tickets online unter ticketree oder Reservierung unter orga@artscenico.de.




Ausdrucksstarke Verbindung von Musik und Ballett

Am 13.04.2024 feierte der Ballettabend „Dawson“ in der Oper Dortmund seine Premiere. Das Ballett Dortmund – mit Unterstützung des NRW Juniorballetts – hatte die große Ehre und Gelegenheit, dem anwesenden Publikum ihr Können bei gleich zwei Choreografien des renommierten britischen Choreografen David Dawson (*1972) zu präsentieren.



Dawsons Kreationen bestechen mit seinem technisch höchst anspruchsvollen Niveau, Präzision, ausladenden Bewegungen und vor allem durch eine fast symbiotische Verbindung von inniger Musik und Tanz. Die Musik ist hier der Rahmen und Bühne für den Tanz. Was nicht aussprechbar ist, wird hier von den Tanzenden ausdrucksvoll vermittelt. Dabei sorgen die gleichen hellen Kostüme für einen einheitlichen Eindruck. Bunte Kleidung steht hier nicht im Vordergrund oder lenkt von der Dynamik ab.

Daria Suzi, Javier Cacheiro Alemán (Affairs of the Heart)
Foto: (c) Leszek Januszewski
Daria Suzi, Javier Cacheiro Alemán (Affairs of the Heart)
Foto: (c) Leszek Januszewski 

Sowohl „Metamorphosis“ wie auch „Affairs of the Heart“ waren beide in unterschiedlicher Weise von der Corona-Pandemie betroffen.

Metamorphosis konnte bei seiner damaligen Premiere nach verschiedenen Entwicklungsphasen zunächst nur digital stattfinden. Spürbar waren der wachsende Wunsch und die Hoffnung, als Metamorphose wieder vom Dunkeln in das Helle zu gelangen.

Die innig-starke Musik von Philip Glass wurde sensibel von der Pianistin Ana-Maria Dafova auf dem Klavier passend zum Geschehen auf der Bühne transportiert.

Nach der Pause verbreitete „Affairs of the Heart“ viel positive Energie und Vitalität, pure Lebensfreude über das Ende der Pandemie. Liebe und Nähe in verschiedenen Formen und Konstellationen sin in dem Werk zu spüren.

Wunderbar begleitet wurde die Choreografie musikalisch von der Dortmunder Philharmoniker unter der Leitung von Koji Ishizaka. Shinkyung Kim sorgte an der Solovioline für eine ganz eigenen Zauber bei der Interpretation der Musik von Marjan Mozetich (*1948 Kanada).

Beide Werke zeugen von einer Version, wie wir an Herausforderungen wachsen können. Die starke Leistung aller Beteiligten wurde vom Publikum mit viel Applaus belohnt.

Informationen zu weitere Aufführungsterminen erhalten Sie wie immer unter www.theaterdo.de oder Tel.: 0231/ 50 27 222