Alte Männer – eine Performance des Sprechchors Dortmund

Im Institut des Dortmunder Schauspiels traten am 28.05.2024 die fünf Männer der „Beuys Group“ (nach dem Künstler Joseph Beuys) des Sprechchors Dortmund mit ihrer Performance „Alte Männer“ in einem heimeligen Umfeld auf. Auf der Bühne saßen Jörg Karweick, Jürgen Luga, Jürgen Hecker, Roland Schröter-Liederwald und Udo Höderath.



Die einzelnen Personen der Beuys Group rezitierten abwechselnd kurze, mal nachdenkliche, dann wieder humorvoll-ironische Texte aus drei Jahrhunderten, die mit Bedacht ausgewählt wurden. Das Leben in all seiner Fülle, verpasste Chancen, Verluste und Wünsche, sowie der spezielle Umgang mit dem Altern wurden thematisiert.

Daneben spielten sie Situationen nach, die ältere Menschen gut kennen. So zum Beispiel ein Klassentreffen fast 50 Jahre nach dem Abitur, ein Schauspieler, der kurz vor dem Ende seiner Karriere in Erinnerungen schwelgt, oder das Vergleichen mit anderen Kurgästen in Baden. Mit Selbstironie und Melancholie wurde zudem der „Alzheimer“ getanzt.

Stichwort Überalterung der Gesellschaft

Die Lesung wurde fein pointiert gewürzt mit einer guten Portion Humor, Ernst und Skurrilität. Es war ein gelungener Wechsel von Rezitieren, Debattieren, ob laut tönend oder sich flüsternd verlierend. Mal einzeln, zu zweit oder im Chor.

Interessant und nachdenklich stimmend war zum Schluss ein kleiner Ausblick auf die Entwicklungsmöglichkeiten unseres Lebens im Zusammenhang mit den modernen Nanobiotechnologien.

Eine spannende Inszenierung in einer Zeit, da die Überalterung unserer Gesellschaft beständig zunimmt. Bleibt zu hoffen, dass diese Performance noch an verschiedenen Orten erlebt werden kann und auch im hiesigen Schauspiel nicht nur ein einmaliges Gastspiel bleibt.




Cyber Ghosts – Distanzen überwinden

Ob während der Pandemie oder in politisch schwierigen Zeiten – die digitale Welt eröffnet neue Räume, die gemeinsam erlebt werden können. Es muss nicht immer die langweilige Zoom-Konferenz sein: Die technischen Möglichkeiten erlauben es, einen gemeinsamen Tanzraum zu erschaffen, der in Wahrheit tausende Kilometer entfernt ist. Wie so etwas funktioniert, zeigt Kiani Rezvani in ihrem Stück „Cyber Ghosts“, das am 24. Mai 2024 im Theater im Depot aufgeführt wurde.



Der Beginn ist sehr langsam. Fast wie in Zeitlupe bewegt sich Kiani Rezvani über die Bühne, auf der Beamer und eine große Leinwand die bestimmenden Requisiten sind. Dann erwacht die Leinwand zum Leben. Eine andere Figur erscheint erst schwach und als Torso, und es wirkt, als ob Kiani Rezvani mit ihren Bewegungen diesen Torso steuert. Erst nach und nach wird ersichtlich, dass dieser Torso ein Mann ist: Rohan Amiri Far. Far lebt in einem Dorf, in einem Holzhaus, viele tausende Kilometer entfernt, und durch die Kamera sieht man in seinen Raum.

Während Kiani Rezvani auf der Bühne ist, ist der Raum von Rohan Amiri Far tausende Kilometer entfernt. (Foto: Mayra Wallraff)
Während Kiani Rezvani auf der Bühne ist, ist der Raum von Rohan Amiri Far tausende Kilometer entfernt. (Foto: Mayra Wallraff)

Jetzt erst können sich beide Tänzer*innen mit ihren Bewegungen aufeinander abstimmen und eine Choreografie beginnen. So entsteht aus den zwei unterschiedlichen Räumen ein dritter, gemeinsamer Raum.

Eine zusätzliche Ebene in diesem Stück ist das Thema Überwachung. Kurze Nachrichten werden auf einer entfernten Leinwand eingeblendet, die warnen, vorsichtig zu sein und keine Spuren zu hinterlassen. So müssen die beiden Akteur*innen zu Geistern werden – nicht greifbar, quasi unsichtbar, aber dennoch präsent.




Ehrennadel für Ballett-Intendant Xin Peng Wang

Die Stadt Dortmund hat am 24.05.2024 im Rathaus dem langjährigen Ballett-Intendanten Xin Peng Wang feierlich die Ehrennadel für seine besonderen Verdienste verliehen.



Oberbürgermeister Thomas Westphal hob in seiner Laudatio die außergewöhnliche Persönlichkeit Wangs hervor, seine Leidenschaft und Akribie für das Ballett sowie seine Förderung des Nachwuchsbereichs, insbesondere des NRW-Juniorballetts. Der Intendant, der nun schon im einundzwanzigsten Jahr tätig ist, hat die Dortmunder Company nicht nur auf höchstes Niveau gebracht und ihr internationale Anerkennung verschafft, sondern auch seinem Publikum die Faszination der Bewegungsabläufe und Ausdruckskraft des Balletts vermittelt. Dabei ist er stets bescheiden geblieben.

Der Preisträger Xin Peng Wang (2.v.l.) und seine Gratulanten Tobias Ehinger (Direktor Theater Dortmund), Jochen Opländer (Opländer Stiftung) uind Oberbürgermeister Thomas Westphal.
Der Preisträger Xin Peng Wang (2.v.l.) und seine Gratulanten Tobias Ehinger (Direktor Theater Dortmund), Jochen Opländer (Opländer Stiftung) uind Oberbürgermeister Thomas Westphal.

Besonders begeistert haben mich seine verschiedenen Handlungsballette, wie „Der Zauberberg“ und „Traum der roten Kammer“. Innovative Ideen und Offenheit gegenüber modernen Technologien kennzeichnen sein aktuelles Wirken.

Im Laufe der Jahre hat sich bei Xin Peng Wang und seiner Familie eine enge Verbundenheit mit Dortmund und seinen Menschen entwickelt. Darauf wies er auch in seiner Dankesrede hin. Die Verleihung dieser Ehrennadel erfüllt ihn mit Freude und Stolz. Für seine Karriere waren die Jahre in Dortmund von großer Bedeutung, und es war für ihn ein großes Glück, mit dieser großartigen Company arbeiten zu dürfen. Gemeinsam haben sie sich für die Entwicklung des Balletts und dessen Bekanntheit in der Welt eingesetzt.

Herzlichen Glückwunsch, Xin Peng Wang! Wir freuen uns nun auf die letzte Spielzeit mit Ihnen als Ballett-Intendant.




Raincatchers: Szene 2wei über den (unv)erhofften Wandel

Ein Nachbericht

Am 17. & 18. Mai 2024 brachte die mixed-abled Tanzkompanie Szene 2wei den Regen auf die Bühne des Theaters im Depot. Analog zur ökologischen Lage der Welt beginnt Raincatchers mit dem drohenden Ende. Wir sehen eine reich gedeckte Tafel mit Weinkelchen und Äpfeln bestückt, um die sich die diverse Gesellschaft der Szene 2wei tummelt. Sie prosten sich zu, reichen sich die süßen Früchte an und lassen es sich augenscheinlich gut gehen. Im Hintergrund strahlt uns das romantische Bild einer unberührten Wiesen-Landschaft über einen Bildschirm an. Doch etwas Unheilvolles kündigt sich in dieser Tischidylle an, die zwischen letztem Abendmahl und morbidem großen Fressen oszilliert.



Allmählich bricht das Bild auf und die feine Gesellschaft ergießt sich über den Tischrand hinweg: Sie rollen, kriechen und robben sich in den weiten Raum der Bühne, der sonst nur einen Müllberg aus Tüten beherbergt. Das Ensemble tanzt sich mit immer wilder werdender Dynamik in verschiedene Emotionen und Zustände hinein. Sie bilden wechselnde Konstellationen, zucken, schwingen, vibrieren, imitieren, resonieren miteinander oder tanzen stur aneinander vorbei. Die Performer:innen zeigen uns Bilder und Anordnungen, die nicht nur inhaltlich von Diversität erzählen, auch die Choreografie (William Sánchez H.) setzt die diversen körperlichen Konstitutionen des Ensembles ganz selbstverständlich in Beziehung. Der Apfel als Symbol und konkretes Objekt begleitet sie durch ihre Bewegungsfolgen. Schließlich rückt er ganz in den Mittelpunkt als eine Stimme aus dem Off die reine, feine Frucht lobpreist und ein anmutiger Tanz die Eloge an den Apfel krönt.

Das Ensemble von Szene 2wei bei "Raincatchers". (Foto: Stefan Wachter)
Das Ensemble von Szene 2wei bei „Raincatchers“. (Foto: Stefan Wachter)

Und dann der Bruch! Klimawandel! Und der kickt so richtig: Die Performer:innen hüllen sich in absurder Manier in Kleidung, die aus den Mülltüten zum Vorschein kommt. Die Stoffe werden in Lagen und ansteigendem Tempo angelegt, umständlich umwickeln sie die Gliedmaßen der Performer:innen und werden so teils zum Handicap. Wieder teilen sich die Bewegungsfolgen in kollektives und vereinzeltes Handeln und Sein. Die Diversität der Bühnengesellschaft bleibt gleich, aber mit der Umwelt scheinen sich ihre sozialen Dynamiken und Zustände zu verändern. Dabei hören wir Texte über Konsum, Ressourcen, Überfluss, Hoffnungen, Verunsicherung, politisches Handeln und Scheitern. Die Landschaft im Hintergrund ist längst in ein Dämmerlicht gehüllt und lässt uns im Dunkeln, ob es Nacht wird oder der Morgen wieder graut. Die Fast Fashion Show endet schließlich mit einem knalligen Statement der Nacktheit, das mit einem Augenzwinkern auf unseren „natürlichen“ Ursprung verweist, aber so schnell wieder vergeht, wie es kam. Zum Schluss geraten die Körper der Szene 2wei ein letztes Mal in Wallung und tanzen sich zu „my body, my choice“ und dröhnenden Beats (Soundtrack: Lukas Tobiassen) in Ekstase. Und dann – endlich – regnet es wieder… Ruhe kehrt ein und wir hören nur noch die belebenden Tropfen auf die Erde niederprasseln.

Choreografie: William Sánchez H.
Leitung: William Sánchez H. und Timo Gmeiner
Tanz: Jörg Beese, Sonja Pfennigbauer, Ricarda Noetzel, Manuela Aranguibel, Jose Manuel Ortiz, Sander Verbeek
Musik: Lukas Tobiassen
Licht Design: Clément Debras
Bühnenbild und Kostüme: William Sánchez H. und Simone Müller




Bildreich-modernes Ballett auf höchstem Niveau

Im Dortmunder Opernhaus gastierte am 16. und 17. Mai 2024 das renommierte Schweizer „Béjart Ballet“ aus Lausanne. Diese Compagnie wurde 1987 von Maurice Béjart (1927-2007) gegründet und erfreut Ballettfreunde weltweit mit ihren sensationellen Inszenierungen. Béjart gilt als Erneuerer des neoklassischen Balletts. Ars tremonia durfte am 16. Mai 2024 dabei sein.



Mit drei unterschiedlichen Choreografien zeigten die Tänzerinnen und Tänzer sowohl ihr technisches Können (gute klassische Ausbildung) als auch eine wunderbar bildreiche Interpretation der jeweiligen Musik. Das ist modernes zeitgenössisches Ballett und perfekt auf Musik abgestimmter Ausdruckstanz, voll Emotion und Energie. Auch die sorgfältige Auswahl der jeweils passenden Kostüme spielte eine wichtige Rolle.

Bhakti III“ Foto: (c) BBL – Gregory Batardon
Bhakti III“ Foto: (c) BBL – Gregory Batardon

In unterschiedlichsten Konstellationen, ob Solotänzer*innen, Paare, Trios, Quartette oder die gesamte Compagnie, sorgten die Tänzer für ein abwechslungsreiches Programm.

Leichtigkeit und pure lebendige Tanzfreude, gerade nach Corona und sonstigen unruhigen Zeiten, verbreitete zu Beginn „Alors on danse…!“ mit der Choreografie von Gil Roman und Musik von John Zorn, Citypercussion sowie Bob Dylan.

Nach der Pause wurde das Publikum mit „Bhakti III“, Choreografie von Maurice Béjart, und traditioneller indischer Musik in eine mystisch-hinduistische Welt entführt. Die beiden Hauptakteure, eine Tänzerin und ein Tänzer, wurden hier von sechs Tänzern umrahmt. Durch die Liebe identifiziert sich der Anbeter mit der Gottheit Shiva, dem dritten Aspekt der hinduistischen Dreifaltigkeit (Brahma, Vishnu, Shiva). Shiva, der Gott der Zerstörung (auch Illusion und Persönlichkeit) sowie des Tanzes, wird in dieser Choreografie dargestellt. Seine Frau Shakti ist eigentlich seine Lebensenergie, die von ihm ausgeht und zu ihm zurückkehrt. Unbeweglich und doch ewig in Bewegung. Dies wurde durch eindringlichen Ausdruckstanz und transzendente Musik emotional transportiert.

Nach Griechenland entführt wurde das Publikum zum Schluss mit den „7 danses grecques“ (Choreografie Maurice Béjart und Musik von Mikis Theodorakis). Die Tänze begannen atmosphärisch stimmungsvoll mit Meeresrauschen und endeten schließlich auch damit. Die traditionelle griechische Musik von Theodorakis diente als Vorlage und Inspiration für eine gelungene tänzerische Transformation.

Die Akteure ließen das „griechische Lebensgefühl“ mit ihren tänzerischen Darbietungen in unterschiedlichsten Konstellationen lebendig werden.

Ein besonderer Ballettabend endete mit viel Applaus aus dem Zuschauerraum.




Das Drama von Sevilla – Eine zwiespältige Legende

Ko-Produktion der Ruhrfestspiele mit dem Fußballmuseum als Gastspiel in Dortmund

Das legendär genannte Halbfinale zwischen Deutschland und Frankreich 1982 bei der Fußball-WM in Sevilla jährt sich am 8. Juli zum 40. Mal. Aus Anlass des Jubiläums hat nun Manuel Neukirchner, Direktor des Deutschen Fußballmuseums in Dortmund, ein Buch geschrieben. „Die Nacht von Sevilla, Fußballdrama in fünf Akten“. Sein für die Bühne konzipierter Text hatte am 14. Mai Premiere bei den Ruhrfestspielen, die Inszenierung mit Peter Lohmeyer und Toni Schuhmacher gastierte am 16. Mai vor vollbesetztem Haus im Dortmunder Schauspiel, eine spannend in Szene gesetzte Lesung, ein durchaus unterhaltsamer, inspirierender, in mancher Hinsicht aber auch zwiespältiger Abend.



Halbfinalteilnahmen hat die DFB-Elf im Laufe der Jahre reichlich gesammelt. Ein Halbfinale bei einer WM zu erreichen galt vielen Fußballfans als Minimalziel. Und Halbfinals waren eigentlich immer ein Grund zum Feiern, auch wenn sie mal verloren gingen. Nach dem Halbfinale bei der WM 2006 philosophierte der Kölner Nationalspieler Lukas Podolski zerknirscht, aber durchaus fair über die gerade erlittene Niederlage gegen Italien: „So ist Fußball. Manchmal gewinnt der Bessere!“ 
Nach dem Halbfinale gegen Frankreich1982 waren sich die meisten darüber einig, dass in diesem denkwürdigen Match nicht der Bessere gewonnen hatte. Gegen elegant spielende offensivstarke Franzosen hatte sich eine willensstarke ruppige deutsche Mannschaft doch noch durchgesetzt, nachdem sie schon fast aussichtslos in der Verlängerung mit 1:3 zurückgelegen hatten. 3:3 hieß es nach 120 Minuten und im Elfmeterschießen hatten die deutschen Schützen schließlich die stärkeren Nerven, das größere Glück und einen Elfmetertöter zwischen den Pfosten, der zwei Buden verhinderte und in Deutschland zum Nationalhelden in diesem „Jahrhundertmatch“ verklärt wurde. Toni Schuhmacher, die Nr.1 im deutschen Team, war der Protagonist dieses Fußballdramas, aber nicht nur wegen seiner sportlichen Großtaten. In der 59. Minute flog ein langer Pass in Richtung deutsches Tor, der französische Stürmer Patrick Battiston jagte dem Ball nach, Schuhmacher raste wie ein Berserker aus seinem Gehäuse, um den Ball abzuwehren. Dabei traf seine Hüfte mit voller Wucht den Kopf des französischen Stürmers, der ging zu Boden, blieb bewusstlos liegen und wurde mit schweren Verletzungen ins Krankenhaus eingeliefert. Ein brutales Foul, das absurderweise ungeahndet blieb.

Aus zahlreichen Interviews, Zeitungsberichten, Gesprächen und Aussagen von Beteiligten hat Michael Neukirchner seinen Text gefiltert, szenisch bearbeitet, angelegt in Dialogen und aufgeteilt auf die beteiligte Personen, Spieler, Trainer und Sportreporter. Alle verwendeten Sätze sind Originalzitate, chronologisch sortiert und geschickt montiert zu einer spannenden Erzählung, die beginnt mit dem Eintreffen der Mannschaften im Stadion, sich fortsetzt in der Schilderung der Geschehnisse auf dem Platz und endet mit den Reaktionen von Presse und Zuschauern nach dem Spiel.

Auf der Bühne des Schauspielhauses steht eine schmaler Tisch, darauf ein Wald von Mikrophonen wie auf einer Pressekonferenz. Darüber hoch aufgehängt ein runder riesiger Monitor, auf dem im Laufe des Abends immer wieder Fotos vom Geschehen eingeblendet werden, flankiert von zwei Scheinwerfer-Batterien, die an Flutlichtblocks erinnern. Der Schauspieler Peter Lohmeyer betritt die Bühne und beginnt ohne Verzögerung mit der Erzählung. Sehr gekonnt wechselt er von einer Rolle in die nächste, jeder Charakter bekommt eine eigene Farbe, eine eigene Sprache. Karl-Heinz Förster schwäbelt, Paul Breitner grantelt bayrisch, Pierre Littbarski überrascht mit einem schelmischen Kölsch, Platini und seinen Mitspielern verleiht er einen sympathischen französischen Akzent.  Dabei überzieht er nie, sehr fein abgestimmt und dosiert serviert Lohmeyer eine Stimmenvielfalt, aus der auch immer wieder der damalige Sportreporter Rolf Kramer sehr unterhaltsam herausragt. Das ist alles wunderbar lebendig vorgetragen, formidable Schauspielkunst. Dann wird Toni Schuhmacher angekündigt, um eine persönliche Erklärung zu verlesen, eine endgültige Stellungnahme zu dem Fußballdrama, in dem er im Mittelpunkt stand. Er habe nicht gewusst, sagte er vor einiger Zeit, wie sehr Patrick Battiston noch 41 Jahre nach dem Foul an Spätfolgen leide. Und er reagierte durchaus betroffen: „Das höre ich zum ersten Mal. Das ist schlimm. Das tut mir sehr leid.“ Nun sitzt er dort auf der Bühne und sagt, wie sehr ihm das alles nahegegangen sei. Ja, das klingt alles ehrlich, sein Bedauern ist echt, seine Anteilnahme nicht aufgesetzt. Es ist ihm anzumerken, wie sehr er bemüht ist, die Dinge für sich und die Welt ins rechte Licht zu setzen. Mit Battiston habe er sich ausgesprochen, versichert er – und vielleicht wäre es gut gewesen, den Abend in dieser Nachdenklichkeit enden zu lassen.
Aber dann ist es ihm auf einmal doch wichtig zu betonen, dass er in einer ähnlichen Situation als Torwart wieder genauso reagieren würde. Denn damals wie heute sei es darum gegangen, für die Mannschaft zu arbeiten für das gemeinsam Ziel ggf. auch die eigene Gesundheit aufs Spiel zu setzen.
An diesem Punkt gerät der Abend ein wenig in Schieflage, denn plötzlich werden dann – Ende gut, alles gut –  doch wieder die deutschen Fussballtugenden gefeiert, der Durchhaltewille, die eisenharte Disziplin, das Grasfressen für den Sieg, mit allen Mitteln. Alles andere heilt die Zeit, da wächst der Stadionrasen drüber oder um es noch einmal mit Lukas, dem Kicker-Philosophen zu sagen: „Fußball ist einfach: Rein das Ding – und ab nach Hause.“ Denn der Sport steht über allem.
Weniger die Sportlichkeit. Beinahe wären Schuhmacher, Rummenigge, Fischer und Co. nämlich gar nicht ins Halbfinale gekommen! Denn da gab es ja auch noch dieses andere „legendäre“ Spiel, als die Deutschen, die grottenschlecht in das Turnier gestartet waren, kurz vor dem Ausscheiden standen und nun gegen Österreich auf dem Rücken der kleinen Fußballnation Algerien mehr als 60 Minuten ein peinliches, höchst unsportliches Nichtangriffsgekicke zelebrierten, was den Kommentator des ORF so maßlos ärgerte, dass er die Zuschauer aufforderte, die Fernsehgeräte abzuschalten. Dieses Drama ging als „Schande von Gijon“ in die Geschichtsbücher ein und ist ganz sicher auch einen Theaterabend wert.




Die Spielzeit 2024/25 im Theater Dortmund

Einen spannenden Ausblick auf die neue Spielzeit 2024/25 „made in DO“ bot das Opernhaus Dortmund am 5. Mai 2024. Hier einige Highlights aus dem umfangreichen Programm für 2024/2025:



Im Bereich Oper bleibt ein Schwerpunkt auf Richard Wagner. Auf dem Programm stehen die „Götterdämmerung“ sowie zwei zyklische Aufführungen von Wagners Tetralogie „Der Ring des Nibelungen“ in der Regie von Peter Konwitschny.

Das Publikum darf sich auf eine neue Inszenierung von Verdis „La Traviata“ (Regie: Vincent Boussard) sowie Mozarts „Don Giovanni“ unter der Regie von Ilaria Lanzino (Gewinnerin des International Opera Awards 2023) freuen. Eine Kostprobe aus diesen Inszenierungen bot Kammersänger Morgan Moody, begleitet am Klavier von Solorepetitor Karsten Scholz.

Die Operette „Die Fledermaus“ von Johann Strauss, wird kurz vor Silvester unter der Regie von Hinrich Horstkotte Premiere feiern. Dies geschieht anlässlich des 200. Geburtstags von Strauss und dem 150. Jubiläum dieser Operette. Die gesamte Strauss-Dynastie steht zudem im Mittelpunkt einer Opern- und Operettengala.

Regisseur Gil Mehmert setzt den Musical-Thriller „Sweeney Todd“ in Szene.

Das Schauspielhaus bietet mit „Der Dämon in dir muss Heimat finden“ (13.09.24) wieder eine Komödie von Lola Fuchs, sowie „Dantons Tod und Kants Beitrag“ (ein Stück über Aufklärung und Freiheit) und „Jeeps“ unter der Regie von Babett Grube gleich drei interessante Komödien. Eine ernsthafte und berührende Auseinandersetzung eines Sohnes mit seinem Vater thematisiert „Vatermal“ unter der Regie von Intendantin Julia Wissert. Einen Ausschnitt aus der Produktion „Das Kapital“ wurde ebenfalls dem Publikum präsentiert.

Das Kinder- und Jugendtheater beginnt die neue Spielzeit humorvoll-gruselig mit „Monsta“ (Regie: Antje Siebers) sowie einer besonderen Version von „Der Zauberer von Oz“ (Regie: Johanna Weißert). Als Weihnachtsmärchen für die ganze Familie steht diesmal „Dornröschen“ auf dem Programm (Regie: Andreas Gruhn, Intendant des KJT). Ein kleiner Ausschnitt aus dem aktuellen Stück „Angst oder Hase“ machte Lust auf mehr.

Ein besonderes Highlight ist der 8. Mai 2025. Das aus dem Hebräischen von Natalie Fainstein übersetzte Stück „Ohne Titel (194418)“ von Elinor Milchan und Sharon Burstein Bichachi, wird unter der Regie von Andreas Gruhn die Geschichte einer möglichen jüdischen Existenz, die hätte sein können, beleuchten.

In seiner letzten Spielzeit als Ballettintendant schenkt Xin Peng Wang der Stadt, neben zwei Ballett-Gala-Abenden, das Handlungsballett „La Bayadère“ (nach der Choreografie von Marius Petipa), das als Filmset in die 1920er Jahre Hollywoods verlegt wird.

Die Bedeutung der Förderung junger Balletttalente zeigt sich nicht nur in der Qualität des NRW-Juniorballetts. Mit „Dips“ (Choreografie: Nadav Zeiner) beweisen sie ihren Variationsreichtum und verbinden ihre Tanzkunst zu einem „kulinarischen Gesamtgenuss“.

Auch für GMD Gabriel Feltz ist es die letzte Spielzeit mit den Dortmunder Philharmonikern. Er gab eine kleine musikalische Kostprobe am Klavier zum 2. Philharmonischen Konzert am 15. Oktober 2024. Auf dem Programm steht dann „Roma Aeterna“ von Ottorino Respighi, das die musikalische Stimmung der Stadt an verschiedenen bekannten Sehenswürdigkeiten einfängt.

Hier ist leider nicht der Platz, um das umfangreiche Gesamtprogramm mit Wiederaufnahmen, den beliebten Cityring-Konzerten und sämtlichen Sonderaufführungen in verschiedenen Bereichen darzustellen. Informationen hierzu finden Sie im Theater Dortmund, im in Samtrot eingefassten Programm-Katalog oder wie gewohnt im Internet unter www.theaterdo.de.




Dritte Orte feiern

Vom 24. bis zum 26. Mai 2024 laden die DRITTEN ORTE DORTMUND zu vielen kleinen Kultur-Events im ganzen Stadtgebiet ein. DRITTE ORTE DORTMUND – das ist ein Netzwerk freier Begegnungs- und Kulturorte: einladende Orte für Begegnung und Kommunikation in der Nachbarschaft, lebendige Orte für interdisziplinären und interkulturellen Austausch, großzügige Orte zum Teilen von Wissen und Ressourcen, bunte Orte, die Kunst, Kultur und Teilhabe mehr Sichtbarkeit in der Stadtgesellschaft verleihen.



Zehn dieser Orte bieten am Wochenende (24.–26.5.24) ein vielfältiges Programm. An jedem der Orte gibt es Kultur pur: Lesungen, Ausstellungen, Konzerte, Tanz, Workshops und Gespräche. Eintritt frei! Wer mehrere der Veranstaltungen an einem Tag erleben möchte, ist zur DRITTE-ORTE-Bustour eingeladen. Zwei Stadtrundfahrten der besonderen Art führen jeweils am Samstag (25.5.24) und Sonntag (26.5.24) zu mehreren DRITTEN ORTEN.

Entdecken Sie besondere kulturelle Orte mit drei Bustouren.
Entdecken Sie besondere kulturelle Orte mit drei Bustouren.

Möglich machen dies das Engagement vieler ehrenamtlich Aktiver sowie Förderungen der Stadt Dortmund im Rahmen des Programms „Spielräume – Fußball im Herzen“ und vom Ministerium für Kultur und Wissenschaft des Landes Nordrhein-Westfalen durch Soziokultur NRW.
2024 ist Dortmund eine der gastgebenden Städte der Fußball-Europameisterschaft. Darum haben einige Orte die Gemeinsamkeiten von Kultur und Sport als Thema aufgenommen. Die DRITTEN ORTE DORTMUND zeigen, was Gastgeber:innen jenseits des Stadions zu bieten haben: Toleranz, Vielfalt und Teamgeist!

Interessierte sind zu allen Einzelveranstaltungen unabhängig von den Bustouren herzlich willkommen. Alle DRITTEN ORTE verzichten auf Eintritt, freuen sich natürlich über Spenden.
Die Bustouren sind kostenpflichtig – Tickets und Preise:
DRITTE-ORTE-KulTour 1
Sa, 25.5.24 • 14.30–21.00 Uhr
Hörde – City – Kaiserviertel – Nordstadt
15,- € / ermäßigt 10,- €
DRITTE-ORTE-KulTour 2
So, 26.5.24 • 14.00–21.00 Uhr
Klinikviertel – Aplerbeck – Kaiserviertel
15,- € / ermäßigt 10,- €
DRITTE-ORTE-KulTour-Kombi
Sa/So, 25./26.5.24
25,- € / ermäßigt 15,- €

Detaillierte Informationen zu allen Veranstaltungen und zum Vorverkauf für die Bustour unter der Projekt-Website www.dott-netzwerk.de/projekte/dritte-orte-dortmund und auf Eventim!




Satan – Solostück mit Iggy Malmborg

Eine Inszenierung im Theater kann aufwändig und üppig sein, sie kann aber auch mit wenig Requisiten realisiert werden. Der schwedische Schauspieler Iggy Malmborg bringt das aber noch auf die Spitze, denn er braucht in seinem Programm „Satan“ am 10. und 11. Mai 2024 im Theater im Depot nur einen Stuhl.



Gut, es gibt noch einen kleinen musikalischen Beitrag und einen Theaterkampf, aber die meiste Zeit der etwa 90 Minuten sitzt Malmborg auf seinem Stuhl und erzählt seine fiktive Geschichte, die am Ende einen besonderen Twist hat, soviel sei verraten.

Die Geschichte handelt von einem Protagonisten, der in einer religiösen Sekte in Schweden groß wird und versucht, sich langsam zu emanzipieren und es letztendlich mit Hilfe seines Freundes Adam, eines Atheisten, auch schafft. Da er an einer seltenen Erkrankung leidet, die es ihm unmöglich macht, jemanden aktiv zu Schaden oder selbst bei Bewerbungsgesprächen selbstbewusst zu sprechen, gerät er letztendlich in Obdachlosigkeit. Dank der Beschäftigung mit der Kunst, er wird Schauspieler, kann er sein Leben in den Griff bekommen. Dann trifft er seinen alten Freund Adam wieder, der ein skrupelloser, aber erfolgreicher Geschäftsmann geworden ist. 

Die Reduzierung von Theatermitteln auf das Wesentliche, die Erzählung einer Geschichte, führt automatisch dazu, sich auf die Hauptfigur zu konzentrieren. Die zwar auf Englisch erzählt (mit deutschen Übertiteln), aber alle hängen an seinen Lippen. Auf jeden Fall war es ein intensiver Abend.




Rheingold oder in jedem Anfang liegt schon das Ende

In der Spielzeit 23/24 war es soweit. Als dritte Aufführung des Ringzyklus kam am 09. Mai 2024 Wagners „Rheingold“ in der Oper Dortmund zu Gehör. Normalerweise ist „Rheingold“ ja der Beginn des Zyklus, der „Vorabend“. Regisseur Peter Konwitschny würfelte die Reihenfolge aber durcheinander und so erlebten die BesucherInnen nach der „Walküre“ und „Siegfried“ erst jetzt das „Rheingold“.



Bereits im „Rheingold“ sind viele Elemente vorhanden, die letztendlich zur „Götterdämmerung“ führen. Für mich spielt eine Person eine entscheidende Rolle. Nein nicht Wotan, sondern Loki oder Loge, wie ihn Wagner nennt. Loki ist ein Gott, der in einem Gut-Böse-Dualismus fehl am Platze scheint. Er ist ein Trickster, eine Figur wie Prometheus oder Mephisto. Ein Wanderer zwischen den Welten, stets aber auf eigene Rechnung handelnd. Er ist es, der Wotan überredet, Freia als Pfand für die Riesen zu überlassen, um danach, als sich eine Katastrophe anbahnt, schnell einen anderen Plan auszuhecken, der im Grunde das Ende der Götter einläutet.

Rheingold: Tommi Hakala (Wotan) hört zu, was Ks. Matthias Wohlbrecht (Loge) ihm einflüstert. Foto: (c) Thomas M. Jauk
Rheingold: Tommi Hakala (Wotan) hört zu, was Ks. Matthias Wohlbrecht (Loge) ihm einflüstert. Foto: (c) Thomas M. Jauk

Natürlich geht es wie der Titel schon vermutet auch um die Gier nach Geld, Gold und Macht. Diese Gier sorgt dafür, dass Alberich der Liebe entsagt und generell Mord und Totschlag herrscht. Der Ring, aus dem Gold geschmiedet, bringt Neid und Missgunst hervor, ein Motiv, das auch J.R.R. Tolkien für sein Epos benutzte.

Passend dazu schuf Jörg Kilian eine passende Bühne. Er verortet die Entstehungsgeschichte der nordischen Mythen in eine Steinzeit und so wohnen die hehren Götter als Jäger und Sammler in Zelten und haben Kleidung aus Fellen. Nur Alberich hat den Kultursprung zum Banker in Manhattan wohl geschafft, nur lässt er sich hereinlegen und wird mit Gewalt seiner Macht beraubt.  In „Rheingold“ holt sich jeder was er braucht mit Gewalt. Leider passte das letzte Bild mit den Göttern in Rollstühlen nicht so ganz ins stimmige Bild.

Was absolut stimmig war, waren die Stimmen und die Musik. Ob Wotan (Tommi Hakala), Loge (Ks. Matthias Wohlbrecht) oder das Brüderpaar Fasolt (Denis Velev) und Fafner (Artyom Wasnetsov): es war ein Genuss alle beteiligten beim Singen zu erleben, unterstützt von den Dortmunder Philharmonikern unter der Leitung von Gabriel Feltz.

„Rheingold“ ist ein herrliches Opernerlebnis, nicht nur für Wagner-Fans.

Mehr Infos zu Terminen und Karten unter www.theaterdo.de