Das Ruhrgebiet war im 19. und 20. Jahrhundert ein Musterbeispiel des Extraktivismus, der wirtschaftlichen und sozialen Praxis, bei der natürliche Ressourcen im großen Maßstab gewonnen oder „extrahiert“ wurde. Das Künstlerhaus selbst war ein Teil dieses „Extraktivismus“, denn sie wurde vor 100 Jahren als Waschkaue für die benachbarte Zeche gebaut.
Also ist es ein guter Ort, um die Ausstellung „Inner Mining / Outer Mining“ zu beherbergen, die diesmal ein externer Kurator, Julian Volz, verantwortet. Der Untertitel „A global constellation“ macht deutlich, dass der Extraktivismus mittlerweile auf der ganzen Welt vorherrscht, wobei der klassische Abbau von Ressourcen vornehmlich in der sogenannten „Dritten Welt“ unter katastrophalen Bedingungen stattfindet.
Die 10 KünstlerInnen aus Europa und Afrika zeigen Arbeiten, die sich mit dem Ausbeuten der Landschaft sowie der eigenen Ausbeutung beschäftigen. Die Ausstellung ist bis zum 14. März 2024 zu sehen.
Die aus Südafrika stammende Künstlergruppe CUSS Group zeigt eine Serie in drei Episoden mit dem Titel „Fully Automated Luxury Influencer“. In „Fully Automated Luxury Influencer“ beschäftigt sich die CUSS Group anhand von Metaphern mit den vielfältigen Facetten des zeitgenössischen Influencer*innentums. Dabei kommen Elemente aus Genres wie dem Science-Fiction oder des Horrors zum Einsatz, um die surrealen und barocken Dimensionen der Influencer*innenkultur darzustellen.
In dem Werkkomplex „Nur die Harten kommen in den Garten“ beschäftigt sich Pia vom Ende mit der Thematik der Selbstoptimierung. Ursprünglich als interaktive VR-Arbeit angelegt, untersucht die Künstlerin mit diesem Werk die Verlockungen des Aufstiegs, welches das Internet an vielen Ecken bereithält, und dabei Handlungsmacht suggeriert. In der Ausstellung findet sich hingegen ein anderer Teil des Werks, für den vom Ende zentrale Motive aus dem VR in das Medium der Malerei übertragen hat. Weitere Spannung kreiert vom Ende, indem sie Symboliken, die ganz deutlich als solche des Aufstiegs identifizierbar sind, wie Treppen, Wolken, Raketen oder klatschende Hände, auf düstere Symboliken, wie Blitze oder verformte Clowns treffen lässt. Nicht zufällig taucht das Motiv des Clownsgesicht dabei in allen Malereien der Serie wieder auf. Obwohl der Clown ursprünglich eine Figur ist, deren Funktion darin besteht, die Menschen zum Lachen zu bringen, wird er spätestens seit den 1980er Jahren, popularisiert durch Stephen Kings Mörderclown „Pennywise“ aus seinem Roman „Es“, zunehmend mit gefährlichen Psychopathen in Zusammenhang gebracht.
In ihrem Werkkomplex “Stone Free“ bringt die Künstlerin Ângela Ferreira die Geschichte zweier sehr unterschiedlicher Minen in einer Konstellation zusammen, um nach der Stellung des Bergbaus in der Gegenwartsgesellschaft sowie dessen neokolonialen Implikationen zu fragen. Der Ausgangspunkt ist dabei die östlich von Pretoria gelegene Cullinan Diamantenmine.
Die „Chislehurst Caves“, also die zweite Mine, auf die sich Fereira für ihr Projekt bezieht, macht die Verflechtung Südafrikas mit der ehemaligen Kolonialmacht deutlich. Die bereits im 19. Jahrhundert stillgelegte Kreidemine liegt südöstlich von London. Nach der Stilllegung fungierte sie in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts als Konzertort für die gegenkulturellen Bewegungen. So trat dort etwa Jimi Hendrix mehrmals auf. Die heute als Touristenattraktion geltende Mine steht damit auch für den Wandel der Formen des Extraktivismus in den westlichen Metropolen, die zunehmend auf die kreativen Kapazitäten des Menschen zielt. In der Arbeit „Research Composite 6“ finden sich Studien zu den Eingängen beider Minen. In anderen Zeichnungen beschäftigt Ferreira sich mit „Star of Africa“ Diamanten, etwa mit seinen Umrissen und Schnittformen.
Der Tagebau reißt Löcher in die Landschaft, die wie Wunden aussehen. Doch der Bergbau hat nicht nur die Oberflächen der Landschaft geprägt, sondern auch die Menschen, die in der Umgebung leben. Die Filmemacherin Katarina Jazbec arbeitete mit einer Gruppe von Stahlarbeitern, jungen Umweltschützer*innen und einer Geologin zusammen.
Einen ungewöhnlichen Weg als Künstler wählte Andy Kassier. Bekanntheit erlangte er durch seine Langzeit-Performance „Success is just a smile away” auf instagram (2013 – 2023). Zehn Jahre lang inszenierte Kassier sich dabei als erfolgreicher und gutaussehender Bussinesstyp, der um die Welt jettet. Im Künstlerhaus sind folgende Arbeiten zu sehen: Eine Skulptur aus reinem Sizilium zeigt die Naturschönheit des Steins und reflektiert dabei auf die Abhängigkeit der meisten Zukunftsbilder von extraktivistischen Praktiken. Zentral für die Serie ist das Ölgemälde „Celestial Odyssey“. Es zeigt das Gesicht des Künstlers vollverchromt vor einem blauen, leicht bewölkten Himmel, während über seinem Kopf ein Cowboyhut zu schweben scheint. Die metallene Oberfläche und die kantigen Umrisse seines Gesichtes lassen ihn dabei als eine Art Hybrid zwischen Mensch und Maschine erscheinen.
Waffenkauf im Künstlerhaus? Christian Kölbl präsentiert nun mit seinen „CK Guns“ seine eigene Lifestylewaffen. In trendigen Farbkombinationen und mit dem echten Christian Kölbl Branding versehen, versprechen die nach Tutorials aus dem Internet gefertigten 3-D Druck Waffen einen echten Distinktionsgewinn für ihre Träger*innen. Die Waffe kann über die Homepage des Künstlers erworben werden.
Auf einem schmalen Betonsockel hat der Künstler Johannes Leidenberger ein Stahlgestell angebracht, das einen Kohlestein quasi mühelos in die Luft hebt. Dort ruht die Kohle nun bequem wie auf einem Thron, sie scheint beinahe zu schweben. Daher der Titel „Residuum“. Es ist der Stahl, der dieses Schweben möglich macht. Dabei war es ja eigentlich andersrum: Erst die Kohleförderung in großem Stil machte den großflächigen Einsatz von Stahl in Architektur, Transportwesen, Militärtechnik aber auch in der Kunst erst möglich. Leidenbergers Kohle ist so präzise geschnitten, wie ein Diamant. Durch seine geraden Linien arbeitet er die ästhetischen Qualitäten der Rohstoffe heraus und macht die Extraktion auch als ein ästhetisches Projekt sichtbar.
Auch Helena Uambembes Installation aus Macheten verbindet Fragen der Alltagswelt mit denen der antikolonialen Politik und des Widerstands. Während die Machete in vielen afrikanischen Ländern ein alltäglicher Gebrauchsgegenstand in der Landwirtschaft ist, geriet sie auch zu einem Symbol der antikolonialen Kämpfe. Noch heute findet sie sich in der Flagge Angolas wieder und auch die streikenden Minenarbeiter in Marikana versuchten verzweifelt, sich mit Machteten gegen die Polizeikugeln zu wehren.
In der zweiten Arbeit, der Videoperformance „How to make a mudcake“ (Wie man einen Schlammkuchen macht) handelt es sich nicht um ein kindhaftes Spiel. Spätestens ihre leicht sarkastischen Kommentare und verwendeten Utensilien, wie etwa die Wasserflaschen von Soldaten, machen dies deutlich: „27 years of democracy and more than 44 years of independence didn‘t do much to the soil and the underlying issues.“
Im Keller läuft das Video von Salvatore Vitale. In seinem Video „I am a human” nimmt Vitale Rückgriff auf die Formen des spekulativen Dokumentarismus, um in einer assoziativen Montage über den Zusammenhang zwischen dem Bergbau in Südafrika, IT-Technologien und der Ausbeutung in der Gig-Ökonomie nachzudenken. In seinen Bildern dokumentiert er dabei weniger deren Arbeit selbst als deren Lebensumfeld und Alltagskultur, etwa ihre selbstgemachte Musik und ihre Tänze. Diese parallelisiert der Künstler dann wiederum mit Einblicken in die Arbeitsbedingungen von südafrikanischen IT-Freelancern, die er über die Online-Plattform Upwork beauftragt hat, um Videos, Bilder und Musik zu erstellen, die ihr tägliches Leben und ihre Arbeitsumgebung zeigen.