Zwischen Verlangen und Verlust: Soshiro Matsubaras „Sleeves of Desire“ im Dortmunder Kunstverein
Die Ausstellung „Sleeves of Desire“ von Soshiro Matsubara widmet sich den feinen Nuancen zwischen Verlangen, Begehren und Sehnsucht. Im Zentrum steht die Auseinandersetzung mit dem Anderen – einem unerreichbaren Horizont, der stets nur als Ahnung existiert. Matsubara kombiniert eigene Werke mit Fundstücken, Antiquitäten, Zeichnungen und Objekten, die persönliche wie gesellschaftliche Dimensionen des Begehrens sichtbar machen.
Schon der Ausstellungsraum im Dortmunder Kunstverein wird selbst zum sinnlichen Körper: Verhüllt von raumhohen, blutroten Stoffbahnen entsteht der Eindruck, man bewege sich im Inneren eines lebendigen Organismus.
Der Titel „Sleeves of Desire“ spielt metaphorisch auf Hüllen an – etwa auf Schallplattenhüllen – als Symbole kapitalistischer Oberfläche und Projektionsfläche von Begierde. Matsubara hinterfragt, wie Konsumgüter unsere Sehnsüchte vereinnahmen, glätten und letztlich banalisieren.
Ein begehbarer Körper zwischen Begehren, Konsum und Kunstgeschichte
Antiquitäten verschmelzen mit neuen Zeichnungen, Secondhand-Vasen werden zu fragmentierten Torsoskulpturen umgearbeitet. Die Werke thematisieren die enge Verbindung zwischen Erotik, Tod und Erinnerung. Im Eingangsbereich liegt ein Skelett, während im Obergeschoss ein nacktes Puppenpärchen nebeneinander ruht. Sind die beiden am Ziel des Begehrens angekommen – oder ist dies nur eine illusionäre Erfüllung?
Der raum des Dortmunder Kunstvereins erscheint in ein blutrotes Licht getaucht.-
Zahlreiche kunsthistorische Bezüge – unter anderem zu Gustav Klimt, Francis Picabia, Oskar Kokoschka oder Édouard Manets Olympia – verweisen auf eine intensive Auseinandersetzung mit der westlichen Kunsttradition. Auch die Psychoanalyse findet ihren Platz, insbesondere in ihrer historischen Verbindung mit dem Eros, wie sie in Wien, Matsubaras Wohnort, entstand.
Die Ausstellung „Sleeves of Desire“ von Soshiro Matsubara ist noch bis zum 31. August 2025 im Dortmunder Kunstverein zu sehen. Weitere Informationen sowie das Begleitprogramm finden Sie unter www.dortmunder-kunstverein.de.
Vom Suchen und Finden
„Wer suchet, der findet“, „Die Suche ist wichtiger als das Finden“ – zahllose Sprichwörter beschäftigen sich mit dem Thema des Suchens und Findens. Sechs Künstler:innen haben sich nun unter diesem Leitmotiv zur Ausstellung „Vom Suchen und Finden“ im Kunstraum 1a zusammengefunden. Kuratiert wurde die Ausstellung von Elly Valk-Verheijen, die damit eine ebenso poetische wie nachdenkliche Spurensuche inszeniert.
Zwischen Utopie und Unsicherheit
Marc Bühren nahm 2023 am Wettbewerb KUNSTstein teil. Dort zeigte er erstmals ein Kunstwerk, an dem er seit 2020 gearbeitet hatte: ein Video auf gefaltetem Papier, das durch seine Präsentation ein besonderes Raumerlebnis schuf. In der aktuellen Ausstellung präsentiert er „DYSTOPIAN COCOON II | cozy cathedral“ – eine Installation aus Ton, Bild und Raum. Sie thematisiert die Verletzlichkeit des Menschen im Zeitalter des Anthropozäns. Bühren verwendet Papierformen, Kuppeln, Projektionen und Klanglandschaften, um Räume zu gestalten, in denen man sich zugleich geborgen und bedroht fühlt. Seine Arbeit regt zur Auseinandersetzung mit der Frage an: Wie lässt sich in einer unsicheren Welt überleben?
Im Raum 1A, in Dortmund-Lütgendortmund, ist die Ausstellung „Vom Suchen und Finden“ bis zum 25.06.25 zu sehen.
Auch Anett Frontzek nähert sich dem Thema forschend. Sie untersucht in ihrer Kunst Strukturen aus Stadtplanung, Architektur oder Biologie und nutzt Karten, wissenschaftliche Daten und Statistiken als Ausgangspunkt. Ihre Werke basieren stets auf realen Beobachtungen, ergänzt durch eigene Fotos, Gespräche und Fundstücke. Für diese Ausstellung arbeitete sie mit Spuren des Sammlers Karl Ernst Osthaus – dem Gründer des Hagener Folkwang-Museums – und erforschte dessen Wirken im Stadtbild von Hagen anlässlich seines 150. Geburtstags.
Worte, Fundstücke und Erinnerungsschichten
Christel Koerdt lässt sich von Peter Bichsels Kurzgeschichte „Ein Tisch ist ein Tisch“ inspirieren, in der ein alter Mann durch das Neubenennen von Dingen in die Einsamkeit gerät. Für die Ausstellung hat Koerdt den gesamten Text ohne Satzzeichen oder Leerzeichen auf weiße Folie gedruckt und auf eine Wand appliziert. Darüber legte sie weiße, dreidimensionale Buchstaben – das Ergebnis ist ein strukturiertes, aber kaum lesbares Textfeld, das aus der Distanz an Brailleschrift erinnert. Ihr Werk kreist um die Themen Suchen und Finden, aber auch um Verstecken und Verlieren.
Maria Schleiner hingegen lässt sich vom Zufall leiten. Ihre Kunst beginnt oft mit Fundstücken wie Steinen, Zweigen oder Tonabdrücken. Auch Überreste anderer Kunstprojekte – selbst beschädigte Materialien – finden bei ihr neue Verwendung. Sie interessiert sich für kleine Strukturen, Farbveränderungen und ungewöhnliche Formen. Aus ausgeschnittenen Zeichnungen entstehen dreidimensionale Objekte, häufig in Serien. Durch genaue Beobachtung von Formen, Farben und Materialität sucht sie nach dem Besonderen im Alltäglichen.
Mira Schumann sammelt gebrauchte Alltagsgegenstände – etwa Tapetenreste, Holzstücke oder alte Teppiche –, die Spuren vergangener Orte und Situationen in sich tragen. Auch wenn sie ausrangiert sind, bleibt ihre Geschichte spürbar. In neuen Zusammenhängen entfalten sie neue Bedeutungen und erzählen andere Geschichten.
Elly Valk-Verheijen, die Kuratorin, ist selbst mit einer Arbeit vertreten. Sie fotografiert weiße Wände und bearbeitet die Bilder digital. Aus den dabei entstehenden Farb- und Formspielen entwickelt sie Wandmalereien, die reale und virtuelle Elemente verbinden. Ihr Werk zeigt beispielsweise die Lichtverhältnisse eines bestimmten Moments in Dortmund-Lütgendortmund und thematisiert das Wechselspiel von Licht, Schatten und Farbe im Lauf der Zeit.
Die Ausstellung ist bis zum 25.06.2025 zu sehen. Der Raum 1A in der Werner Straße 2 ist Mittwoch und Samstag von 11 Uhr bis 15 Uhr.
„Helle Wachträume“ an einem hellen, lichtdurchfluteten ersten Sommernachmittag in der Produzentengalerie Friedrich 7
Vom 10. Mai bis zum 8. Juni 2025 ist unter dem Titel „Helle Wachträume“ eine gemeinsame Ausstellung von Pia Bohr und Sonia Ruskov zu sehen – und zwar in der Produzentengalerie „Friedrich 7“ (Friedrich-Ebert-Straße 7, 44263 Dortmund). Öffnungszeiten: Mittwoch 16–18 Uhr, Samstag/Sonntag 14–17 Uhr.
Zur Vernissage haben die Künstlerinnen Pia Bohr und Sonia Ruskov eingeladen. Die gut besuchte Eröffnung um 17 Uhr wurde vom Team der Produzentengalerie Friedrich 7 in Dortmund hervorragend vorbereitet und begleitet. Friedrich 7 (https://www.kulturladenhoerde.de/), das jüngste Mitglied der KulturLaden-Familie, bietet einen großen, lichtdurchfluteten Raum mitten im belebten Zentrum Hördes für temporäre Ausstellungen, Workshops, Poetry Slams, Konzerte oder andere kulturelle Veranstaltungen. Diesen Raum haben die beiden Künstlerinnen ganz für sich gewonnen, um uns in ihre „hellen Wachträume“ zu entführen. Eine sehr gute Einführungsrede hielt die Kunsthistorikerin Silvia Schmidt-Bauer.
Zwischen Expressionismus und Skulptur – Zwei Künstlerinnen, zwei Ausdrucksformen
Sonia Ruskov ist gebürtige Bulgarin und hat an der Kunstakademie in Sofia im Hauptfach Restauration ihr Examen abgelegt. Seitdem war sie auch international an bedeutenden Restaurationsarbeiten beteiligt. Parallel dazu entwickelte sie ihre Malerei, und man erkennt deutlich, wo ihre Themen und Arbeitsschwerpunkte ihren Ursprung haben. Sie nimmt uns mit auf eine Reise durch religiös inspirierte Themen, die an die Freskenmalerei römischer Kirchen erinnern, aber gleichzeitig eine Befreiung der Malerei durch den Expressionismus andeuten.
Sonia Ruskov (links) und Pia Bohr vor ihren Arbeiten. (Foto: (c) Alexander Pohl)
„Darin wird ein Destruktionswille erkennbar, der sich gegen ein dekadent-erschlafftes und wohlanständiges Bürgertum der wilhelminischen Epoche sowie gegen die Genussästhetik des Impressionismus und Jugendstils wendet, wobei das Ziel der Stimulation oft unklar bleibt.“ (1)
Auf der Schwelle zwischen Abstraktion und Gegenständlichkeit entstehen Bildwerke, die an Künstler wie Marc Chagall, Pablo Picasso oder auch Piet Mondrian erinnern. Besonders die kräftige Farbgebung verweist auf diese Zeit des Umbruchs in der Malerei. Dabei handelt es sich jedoch nicht um bloße Kopien alter Meister, sondern um neue Werke in der Tradition jener Kunstepoche. In der modernen Kunst spricht man hier auch von Appropriation Art (englisch: appropriation = Aneignung) (2).
Dieses Phänomen trat bereits Anfang der 1970er-Jahre in der amerikanischen Kunstwelt auf. Damals kopierte man absichtlich die Originale berühmter und unerschwinglicher Künstlerinnen und stellte sie mit gesellschaftskritischem Hintergrund aus – mit der Frage: Warum soll sich nicht jeder einen Picasso leisten können? In der Tat sind die Bilder von Sonia Ruskov in dieser Ausstellung durchaus erschwinglich.
Bei Pia Bohr sehen wir neuere Bronzeplastiken und Holzskulpturen, die sie inzwischen auch erfolgreich auf großen Kunstmessen präsentiert. Ihre Werke haben es nicht leicht, sich gegen die farbgewaltigen Bilder an den Wänden zu behaupten, doch sie bilden in ihrer farblichen Zurückhaltung und reduzierten Formensprache einen spannenden Gegenpol. Nimmt man sich die Zeit, sie losgelöst vom Hintergrundgeschehen zu betrachten, entfalten sie ihre eigene Sinnlichkeit. Im Gegensatz zu musealen Präsentationen ist bei ihr das Berühren der Objekte ausdrücklich erlaubt – damit eröffnet sich eine weitere Dimension der Wahrnehmung. Wie sie selbst beobachtet hat, sind es vor allem Frauen, die diese Möglichkeit der Kunstbetrachtung gerne annehmen und genießen.
Als Bildhauerin arbeitete sie lange ausschließlich mit Holz und schuf amorphe Frauenfiguren, Torsi oder organisch wirkende Wesen. Diese Originale wurden zur Grundlage ihrer neuen Bronzeplastiken. Moderne 3D-Technik erlaubt das maßstabsgerechte Skalieren in kleinere Formate. Dennoch wird jede Bronzeplastik vor dem Guss individuell an der Gussform bearbeitet und nach dem Guss patiniert, sodass jedes Stück trotz serieller Herstellung ein Original bleibt. Dadurch erhalten die Werke von Pia Bohr eine besondere Wertigkeit.
Die Ausstellung ist noch bis zum 8. Juni 2025 zu sehen. Sie wird mit einer Finissage am 8. Juni um 14:00 Uhr feierlich beendet.
By derpohl, 11. Mai 2025
Quellen:
(1) Zitat: Richard Hamann, Jost Hermand: Expressionismus (Epochen deutscher Kultur von 1870 bis zur Gegenwart. Band 5), Frankfurt 1977, S. 32–63, 93, 123.
Kunst, Kulinarik und Medienforschung im Dortmunder U
Im Museum Ostwall im Dortmunder U eröffnen gleich zwei neue Projekte spannende Perspektiven auf Kunst und Gesellschaft: Die Sonderausstellung „Am Tisch“ widmet sich dem Thema Essen und Trinken in der zeitgenössischen Kunst.Parallel dazu erlaubt das Forschungsprojekt „Wohin gehen all diese Leute?“ seltene Einblicke in die Restaurierung digitaler Medienkunst.
In „Am Tisch“ stehen gemeinschaftliche Mahlzeiten als kulturelle Praxis im Zentrum. Die Werke zeigen, wie Essen Identität, Erinnerung und soziale Begegnung formt.
Schon der Eingangsbereich ist faszinierend. Die Künstlerin Narges Mohammadi hat gemeinsam mit Dortmunder*innen 700 Kilo Halva hergestellt und daraus einen goldglänzenden, sinnlich erfahrbaren Raum geschaffen. Das ist nicht nur gestalterisch aufregend, sondern auch riechbar. Das Künstlerduo Alina und Jeff Bliumis tauschte Kunstwerke gegen Einladungen zum Abendessen und dokumentierte so persönliche Begegnungen mit Dortmunder Haushalten.
Auch weitere Arbeiten zeigen, wie Essen gesellschaftliche Fragen reflektiert: Eine riesige Küchenreibe von Mona Hatoum verweist auf unsichtbare Sorgearbeit vor allem von Frauen hin, während die ukrainische Künstlerin Zhanna Kadyrovas in ihren steinernen Broten politische Botschaften in Kriegszeiten transportiert. Die Ausstellung lädt auch zum Mitmachen ein: In der KunstKüche können Besucher*innen Fotos machen, mit KI ihren „kulinarischen Typ“ erkunden oder selbst mit Esspapier kreativ werden.
Keyvisual „Am Tisch“ / Design: Studio Fitz
Während die japanische Teezeremonie einen gewissen Bekanntheitsgrad erlangt hat, ist die koreanische Teezeremonie weitgehend unbekannt. In ihrer Arbeit „Until our tea strainer gets dry“ widmet sie sich den Lebensgeschichten von Gastarbeiter*innen aus Südkorea und Vietnam.
Der schönste Platz ist immer noch an der Theke? Na ja, das galt früher, denn das Kneipensterben hat auch im Ruhrgebiet massiv Einzug gehalten. Marie Donike und Johannes Specks werden ihre Tresenskulptur unter dem Titel „Kulisse“ an drei Terminen zum Leben erwecken. Passend, denn das Dortmunder U war früher ein Kühlturm der Dortmunder Union-Brauerei.
Gleichzeitig zeigt das Museum im benachbarten Galeriebereich das Forschungsprojekt „Wohin gehen all diese Leute?“. Es untersucht die 2000 entstandene Installation „Dove va tutta ’sta gente?“ der Künstlergruppe Studio Azzurro – ein interaktives Kunstwerk, das auf Besucher*innen reagiert. Die Restaurierung stellt das Museum vor besondere Herausforderungen, da veraltete Technik, sich wandelnde Sehgewohnheiten und komplexe Programmierungen berücksichtigt werden müssen. Im Rahmen des internationalen Forschungsprojekts wird das Werk probeweise aufgebaut und öffentlich zugänglich gemacht.
Beide Projekte zeigen exemplarisch, wie das Museum Ostwall künstlerische Ausdrucksformen sammelt, erforscht und vermittelt. Die Ausstellung „Am Tisch“ ist bis zum 20. Juli zu sehen, der Eintritt beträgt 5 Euro, ermäßigt 3 Euro. Der Zugang zum Forschungsraum ist kostenlos.
Fotoausstellung zum Thema: Das eigene „Glashaus“ verlassen
Der Berufsverband der Bildjournalistinnen und Dokumentarfotografinnen in Deutschland, Freelens, präsentiert anlässlich seines 30-jährigen Bestehens bundesweit eine Reihe von Fotoausstellungen. In Dortmund thematisieren elf Fotografinnen der Freelens-Regionalgruppe Ruhrgebiet unter dem Titel „Glashaus – Räume, Rollen, Reflexionen“ das Verlassen der eigenen Filterblase. Die Ausstellung ist vom 9. bis 31. Mai 2025 in den Räumen „Hans A“ und „Hans B“ (Hansastraße 6–10, 44137 Dortmund) zu sehen. Die teilnehmenden Künstlerinnen beleuchten ein breites Themenspektrum – von Inklusion und Geschlechterrollen über Umweltfragen bis hin zu Drogenabhängigkeit und sozialen Brennpunkten.
Sinnbildlich für das Ausstellungsthema steht das Werk „Glashaus, Raum“ des Fotografen Axel M. Mosler: ein roter Bretterverschlag in Hausform mit durchscheinendem Lattengerüst und aufgemalten Fenstern – ein Bild, das architektonische Struktur und symbolischen Rückzugsraum in sich vereint.
Die großformatigen Fotografien laden dazu ein, gewohnte Sichtweisen zu hinterfragen. Sie zeigen eindrucksvoll, wie ein Perspektivwechsel zu mehr Reflexion, Problembewusstsein und Empathie für das „Andere“ führen kann.
Gesellschaft im Fokus – Fotografien mit Haltung
Die Ausstellung überzeugt nicht nur durch Vielfalt, sondern vor allem durch ihre persönliche Tiefe und gesellschaftliche Relevanz. Jede Serie eröffnet einen eigenen, prägnanten Blick auf Themen, die uns alle betreffen – mal leise beobachtend, mal mit deutlicher Haltung.
Die Fotoausstellung präsentieren unter anderem (v.l.n.r.) Axel M. Mosler, Andreas Buck, Merle Weidmann, Frank Schultze und Achim Pohl.
Hans Buck setzt sich mit dem Waldsterben auseinander. Seine Bilder zeigen nicht nur den Zustand der Natur, sondern auch die stille Ohnmacht des Menschen angesichts der Klimakrise. Ravi Sejk führt das Publikum in die geheimnisvolle Welt von Averdunk-Island. Die Bewohner*innen dieser fiktiven Insel erscheinen nur von hinten oder ohne Gesicht – ein Spiel mit Sichtbarkeit und Schutz, aber auch mit Ausgrenzung. Sascha Schürmanns Serie „Rausch-Raum“ gibt einen bewegenden Einblick in die Arbeit der Aids- und Drogenhilfe. Seine Fotografien zeigen die Realität derer, die oft am Rand der Gesellschaft stehen – würdevoll und direkt. Achim Pohl dokumentiert mit „Lust for Life“ die Corona-Zeit aus einem ganz eigenen Blickwinkel. Menschen tauchen an Waldrändern oder auf Feldern auf – scheinbar geschützt, aber auch isoliert. Der Wald wird zum Rückzugsraum, zur Zwischenwelt.
Mit „Women of Wuppertal“ fängt Süleyman Kayaalp die Vielfalt und den Charakter eines Frauenchors ein. Die Bilder zeigen Individualität, Stärke und Gemeinschaft jenseits gängiger Klischees. Frank Schultze blickt in „Flood-Postcards“ zurück auf die verheerende Flut im Juli 2021. Seine Arbeiten sind mehr als eine Dokumentation – sie halten fest, was geblieben ist und was noch zu tun bleibt. Heike Thomese-Osthoff begleitet in „Freiheit hat keinen Wohnsitz“ unter anderem eine Frau, die in einem Wohnmobil lebt. Ihre Geschichte erzählt von Selbstbestimmung, Unabhängigkeit – und den Grenzen dieser Freiheit. Dr. Jörg Jäger richtet den Blick auf die vielen leerstehenden Ladenlokale in unseren Innenstädten – stille Zeugnisse des Strukturwandels und des Verschwindens urbaner Öffentlichkeit. Merle Weidmann porträtiert das Leben mit einem Kind, das mit Trisomie 21 geboren wurde. Ihre Fotografien sind liebevoll, nah und voller Respekt – sie zeigen den Alltag, aber auch das Besondere dieses Familienlebens. Jörg Meier schließlich widmet sich in seinen Porträts Frauen, die sich bewusst gegen gesellschaftliche Normen stellen. Seine Bilder feiern Selbstbestimmung und Individualität – ein stilles, starkes Statement gegen Rollenzwänge.
Die Vernissage findet am 9. Mai 2025 um 18 Uhr in den Ausstellungsräumen „Hans A“ und „Hans B“ statt. Öffnungszeiten: Donnerstag bis Samstag, jeweils von 16 bis 19 Uhr.
Kein Ort. Und doch ein Wiedersehen
Anke Droste zeigt eine Retrospektive in Lütgendortmund
Es war wie eine kleine Zeitreise: Über Jahre hinweg haben wir die Galerie „der kunstbetrieb“ in der Gneisenaustraße und ihre Ausstellungen journalistisch begleitet. Nun zeigt Anke Droste im Laden 1a in der Wernerstraße 2 in Lütgendortmund noch bis zum 3. Mai 2025 eine Art Retrospektive ihres künstlerischen Schaffens. Der Titel der Ausstellung: Kein Ort. Nirgends. Anke Droste war – gemeinsam mit Sabine Spieckermann – das prägende Gesicht von „der kunstbetrieb“.
Freiheit, Fremdheit – und die Suche nach Zugehörigkeit
In der Ausstellung sind Werke aus Malerei, Fotografie, Grafik und Installation zu sehen. Droste setzt sich darin intensiv mit dem Begriff der Freiheit auseinander. Sie beschreibt Freiheit als ein Ideal, das nur in der Vorstellung existiert:
„Freiheit ist ein Ideal und existiert nur als Idee. Die Autonomie des Subjekts, des Einzelnen ist ebenso eine Kopfgeburt wie die einer Gruppe oder die einer Nation. Das, was wir als Freiheiten erleben, muss immer neu erkämpft werden.“
Eingang zur Galerie „Raum 1 a“ in Lütgendortmund. (Foto: (c) Anke Droste)
Der Ausstellungstitel no place. nowhere bezieht sich auf Christa Wolfs Erzählung Kein Ort. Nirgends, in der sich die Dichter*innen Kleist und Günderode begegnen – ein literarisches Sinnbild für Heimatlosigkeit und Fremdsein in der Welt. Der ergänzende Satz There has to be a place somewhere hingegen verweist auf das menschliche Bedürfnis nach Hoffnung und Zugehörigkeit.
Zur Vernissage kam das alte kunstbetrieb-Gefühl wieder auf: Jazzmusik aus den Lautsprechern, Süßigkeiten auf dem Tisch und neben Anke und Sabine einige Künstler*innen, die früher in der Galerie ausgestellt hatten. Ein Hauch von Wehmut lag in der Luft – vielleicht gibt es bald wieder einen Ort, der zur künstlerischen Heimat werden kann.
Ausstellung im Kunstbonbon: „WÜ50 – weit über fünfzig“
Vernissage am 26. April 2025 um 15 Uhr
Im Dortmunder Kunstbonbon gibt es wieder eine spannende neue Ausstellung zu entdecken. Unter dem Titel „WÜ50 – weit über fünfzig“ setzen sich 14 Künstler:innen mit den Facetten des Älterwerdens auseinander – ernsthaft, nachdenklich, humorvoll und kritisch. Wer Lust hat, einen frischen Blick auf ein oft tabuisiertes Thema zu werfen, sollte sich die Ausstellung nicht entgehen lassen.
In der neuen Ausstellung „WÜ50 – weit über fünfzig“ im Kunstbonbon in Dortmund setzen sich 14 Künstler:innen mit den Veränderungen auseinander, die das Leben jenseits der 50 mit sich bringt – sowohl auf persönlicher als auch auf gesellschaftlicher Ebene. Die Ausstellung wird am Samstag, den 26. April 2025, um 15 Uhr mit einer Vernissage eröffnet und läuft bis zum 24. Mai 2025.
Ausgangspunkt der Ausstellung war eine frühere Präsentation von Angelika Luise Stephan, in der sie sich zeichnerisch mit Frauen über 50 auseinandersetzte. Daraus entwickelte sich ein Austausch über das Älterwerden und dessen Auswirkungen auf Selbst- und Fremdwahrnehmung – insbesondere, aber nicht ausschließlich, aus weiblicher Perspektive.
Eine breite Palette künstlerischer Ausdrucksformen
Die teilnehmenden Künstler:innen beleuchten nun, welche Rollenbilder, Klischees und Wahrnehmungsveränderungen mit dem Überschreiten der Lebensmitte einhergehen. Welche Unterschiede bestehen zwischen der Außenwahrnehmung und dem Selbstbild? Wie erleben Frauen und Männer diesen Lebensabschnitt? Und was sagt dies über unsere Gesellschaft aus?
„Wie geht das mit dem Älterwerden“, fragt die neue Ausstellung im Kunstbonbon.
Die Beiträge der Ausstellung zeigen eine breite Palette künstlerischer Ausdrucksformen – von Zeichnungen über Skulpturen bis hin zu Collagen und Fotografien. Inhaltlich reicht das Spektrum von persönlichen Erfahrungen über gesellschaftliche Beobachtungen bis hin zu ironischen, kritischen oder auch humorvollen Reflexionen über das Altern.
Dabei stehen Fragen im Raum wie: Welche Chancen bietet ein höheres Lebensalter? Welche Herausforderungen bringt es mit sich? Wird man „unsichtbarer“ oder neu sichtbar? Und: Gibt es Vorbilder, die das Alter nicht als Rückzug, sondern als Aufbruch begreifen?
Die Ausstellung lädt zum Nachdenken über gesellschaftliche Werte und zum Austausch über die eigene Perspektive auf das Älterwerden ein. Sie ist während der regulären Öffnungszeiten zu sehen:
Dienstags von 13 bis 18 Uhr, freitags von 15 bis 18 Uhr und samstags von 12 bis 15 Uhr.
T(Räume) – Surreale Welten zwischen Malerei und Fotografie
Seit über zehn Jahren erforscht der Fotograf Klaus Pfeiffer den kreativen Zwischenraum zwischen Malerei und Fotografie. Mithilfe digitaler Filter verwandelt er gegenständliche Motive in surreale Welten, die die Sehgewohnheiten der Betrachtenden herausfordern. Noch bis zum 31. Dezember 2025 zeigt Klaus Pfeiffer auf über 300 Quadratmetern insgesamt 34 Arbeiten, verteilt auf sieben Räume, in den Räumlichkeiten von audalis am Rheinlanddamm 199. Die Ausstellung ist während der Öffnungszeiten von audalis frei zugänglich.
Der Ausstellungstitel „T(Räume)“ spiegelt das Spiel zwischen Traum und Raum wider und symbolisiert das kreative Pendeln des Künstlers zwischen fotografischer Realität und malerischer Fantasie. Gerade in den nüchternen Konferenz- und Besprechungsräumen entfalten die Bilder ihre besondere Wirkung. Sie bieten keine einfache Lesart, sondern verändern sich je nach Gemütszustand der Betrachtenden.
Im Vordergrund: Klaus Pfeiffer und Elke Niermann,, Partnerin bei audalis, bei der Eröffnung der Ausstellung. Elke Niermann hat vor 20 Jahren das Projekt „Kunst in der Kanzlei“ ins Leben gerufen.
Meer, Magie und Traumspuren
Die Themen, die Klaus Pfeiffer für die einzelnen Räume gewählt hat, wirken zugleich konkret und sphärisch. Beispielhaft dafür steht „Das Meer“ – geheimnisvoll und unergründlich, zugleich aber auch Sehnsuchtsort und Traum. Gegenständlicher erscheinen hingegen die Arbeiten unter dem Titel „Nach dem Zauber“, die sich mit der Pflanzenwelt beschäftigen. Auch Träume selbst sind zentrales Thema der Ausstellung: In „Traumspuren“ setzt sich der Künstler mit dem Unfassbaren und Flüchtigen unserer nächtlichen Erlebniswelten auseinander. Für mich persönlich einer der eindrucksvollsten Räume.
Insgesamt lädt diese Ausstellung dazu ein, viele unterschiedliche Facetten im Schaffen von Klaus Pfeiffer zu entdecken. Er ist ein Künstler, der bewusst und virtuos mit digitalen Mitteln die Grenzen zwischen Fotografie und Malerei weiter auslotet.
Muster, die unser Leben bestimmen – Eine internationale Gruppenausstellung im Dortmunder U
Auf Ebene 3 im Dortmunder U, der Heimat des HMKV (Hartware MedienKunstVerein), können Besucher*innen vom 15. März bis zum 27. Juli 2025 die internationale Gruppenausstellung „Holding Pattern – Warteschleifen und andere Loops“ erleben.
Die Idee zur Ausstellung entstand aus einer Einladung der Autorin und Kuratorin Anne Hilde Neset an den aus Schottland stammenden, inzwischen in Berlin lebenden, preisgekrönten Schriftsteller Tom McCarthy. Ziel war es, die Themen seiner Bücher durch zeitgenössische Kunst zu vertiefen.
Die Ausstellung, die erstmals 2022 in Oslo präsentiert wurde, beschäftigt sich mit Bewegungsmustern, Loops und anderen Wiederholungen, die unseren Alltag bestimmen. Welche Muster prägen unser Leben, und wie sind sie mit (moderner) Technologie verwoben? Wie können diese durch Kunst – sei es Literatur, Film oder Musik – sichtbar gemacht, hörbar, lesbar und hinterfragt werden?
In ihren künstlerischen Positionen setzen sich sieben internationale Künstler*innen auf ganz eigene Weise mit diesen Fragen auseinander.
„Luanda-Kinshasa“ (2023) von Stan Douglas (Kanada): Diese einkanalige Videoprojektion (6 Std., 1 Min., Loop) zeigt eine imaginäre Jamsession in einem legendären New Yorker Tonstudio. Musikerinnen und Tontechnikerinnen mit Bezug zur politischen Geschichte der Schwarzen Bevölkerung erschaffen ohne Worte eine Musik, die einen Sog und eine eigene Dynamik entwickelt.
„SLOW DANS“ von Elizabeth Price: Zwei Filme der zyklischen Mehrkanal-Trilogie – „KOHL“ und „TEACHER“ – verweben Bergbau, Datenspeicherung und ein geheimnisvolles Untergrundritual zu einer fiktiven Geschichte. Prices Werk „FOOTNOTES“ (2020) greift diese Themen auf und kommentiert sie.
„Exploration“ (2007): Diese 12-Kanal-Arbeit macht physische, soziale, Sicherheits- und Übertragungsmuster, die das Endspiel der Fußball-WM 2006 geprägt haben, in ihrer Gleichzeitigkeit spürbar.
„Freeroam – Version All Choices All Endings“ (2025) von Stefan Panhans und Andrea Winkler: Diese Installation ermöglicht es Computerspielfans, die Umgebungen von Spielen wie „Grand Theft Auto“ zu erkunden. Es wird zwischen realen Schauspieler*innen und digitalen Avataren hin- und hergeschaltet. Dabei treten reale Menschen in einen Dialog miteinander, indem sie die Fehler und Unzulänglichkeiten der Spielesoftware offenlegen. Im Raum sind zudem Utensilien der Massenkontrolle verteilt.
„Ambient Air“ (2021) von Susan Philipsz: Diese Arbeit zeichnet ein Warteschleifenmuster mit einem Kleinflugzeug in den Berliner Himmel, kurz nach der Schließung des Flughafens Tegel. Dabei summt Philipsz die Melodie von Brian Enos „Music for Airports“, die über den Funkturm an die Beschallungsanlage des Flughafens übertragen wird.
„igevär“ (1963, dt.: „zu den Waffen“) von Ăke Hodell (Norwegen): Dieses bahnbrechende Werk dekonstruiert durch die wiederholte Darstellung des titelgebenden militärischen Befehlswortes in einem kleinen Notizblock die militärische Formationssprache und deutet gleichzeitig emanzipatorische Aufrufe an.
Begleitprogramm
Zur Ausstellung gibt es ein umfangreiches Rahmenprogramm mit Führungen, Künstler*innengesprächen, Buchpräsentationen, Konzerten, Workshops und Film-Screenings.
Kunst will Veränderung: Costantino Ciervo macht die Opfer der Flucht sichtbar
Die politischen Medienkunstwerke des italienischen Künstlers Costantino Ciervo, „mare nostrum“ und „Sew in the Sea“, widmen sich den Menschen, die bei der Flucht über das Mittelmeer ums Leben kommen. Das Museum Ostwall zeigt die Werke vom 14. März an im MO_Schaufenster.
Ein Soundgemisch aus Meeresrauschen, metallischem Klackern von Nähmaschinen und Kinderschreien schwappt aus dem MO_Schaufenster im Museum Ostwall auf der fünften Ebene des Dortmunder U. In der Mitte stehen alte Nähmaschinen im Kreis und sticken mit rotem Garn Daten auf Tablets, auf denen sich sanft Wellen bewegen. Es handelt sich um die Daten von Seeunfällen, bei denen jedes Mal mehr als 200 Menschen auf ihrer Flucht ertrunken sind. „Sew in the Sea“ heißt das Kunstwerk von Costantino Ciervo. Damit möchte er seinen Beitrag zur aktuellen Diskussion über Migration leisten. „Ich bin Optimist“, sagt Costantino Ciervo. „Die Kunst ist ein wichtiges Mittel, Menschen zu informieren und zusammen mit anderen Kräften die Welt zu verändern.“
Kunst kann auf gesellschaftliche Themen aufmerksam machen
„Im Rahmen der Debatten über Grenzen finde ich die Arbeiten hochpolitisch, es wichtig zu fragen, wer sind diese Menschen? Die Werke passen daher sehr gut in unser Museumsprofil: Wir wollen zeigen, dass Kunst auf gesellschaftliche Themen aufmerksam machen kann“, sagt Museumdirektorin Regina Selter. Die Werke eröffnen eine besondere Perspektive auf das hochaktuelle Thema der Migration: Costantino Ciervo richtet seinen Blick auf die Menschen, die auf der Flucht über das Mittelmeer ums Leben kommen. Die Videoinstallation „mare nostrum“ verbindet die Filmaufnahme einer Meeresoberfläche mit einem (unbetitelten) Gedicht von Marco Mantello, das mit Blick auf die vielen namenlosen Toten zum Nachdenken über Legalität und Legitimität im Umgang mit Geflüchteten anregt.
Künftig wird das Museum Ostwall einmal im Jahr Neuerwerbungen der Sammlung im MO_Schaufenster präsentieren. Die Präsentation der Werke von Costantino Ciervo leitet die Reihe „Neu im MO“ ein. „Damit möchten wir Neuerwerbungen für unsere Sammlung zeitnah für Besucher*innen zugänglich machen“, sagt Sammlungsleiterin Dr. Nicole Grothe.
Das MO zeigt die Werke seiner Sammlung alle drei Jahre neu unter wechselnden thematischen Schwerpunkten. „Kunst – Leben – Kunst. Das Museum Ostwall gestern, heute, morgen“ ist die aktuelle Sammlungspräsentation. Sie präsentiert Werke von der klassischen Moderne bis zur Gegenwart und vermittelt, wie Kunst und Alltag sich wechselseitig beeinflussen. Gezeigt wird unter anderem, wie sich die Fluxus-Bewegung von Alltagsgegenständen inspirieren ließ und wie gesellschaftliche Debatten die Sammlungspolitik beeinflussten. dortmunder-u.de/museum-ostwall
Schaufenster #39
Neu im MO: Costantino Ciervo – Die Namen der Toten im Meer