Bewegende Einblicke in gesellschaftliche und persönliche Konflikte: Die World Press Photo Ausstellung 2024

Vom 28. September bis zum 20. Oktober 2024 zeigt das Depot Dortmund als einer der wenigen Ausstellungsorte in Deutschland wieder die World Press Photo Ausstellung 2024.

Ob Einzelbild oder Fotoserie – die gezeigten Aufnahmen berühren tief, gewähren Einblicke in gesellschaftliche und persönliche Konflikte und bieten einen Rückblick auf bedeutende nachrichtenbezogene Ereignisse des vergangenen Jahres. Ein zentrales Thema der diesjährigen Ausstellung ist die Pressefreiheit und die weltweite Situation der unabhängigen Berichterstattung.

Die Mittelhalle im Depot steht bis zum 20.10.24 im Zeichen der World Press Photo Ausstellung.
Die Mittelhalle im Depot steht bis zum 20.10.24 im Zeichen der World Press Photo Ausstellung.

Zusätzlich zu den aktuellen Wettbewerbsbeiträgen ermöglicht die Winners Wall einen historischen Rückblick: Alle Fotografien, die seit der Premiere des World Press Photo Awards im Jahr 1955 den Titel „Pressefoto des Jahres“ erhielten, werden hier präsentiert.

Die Themen sind unterschiedlicher Art: Natürlich spielen Kriege, die Situation von Flüchtlingen und Naturkatastrophen eine wichtige Rolle, doch auch persönliche Schicksale wie Krebs haben ihren Platz. Das Thema Demenz wurde von Fotografen sogar zweimal beleuchtet. Einmal in Afrika (Madagaskar) und dann in Japan.

Es liegt in der Natur der Dinge, dass der Schwerpunkt der Pressefotografie auf sogenannte „schlechte Nachrichten“ liegt. Trotzdem: Krieg, Flucht, Katastrophen zu dokumentieren ist wichtig, denn wie erwähnt, die Pressefreiheit ist in vielen Teilen der Welt auf dem Rückzug. Das kann kein gutes Signal sein.

Öffentliche Führungen: Tiefer eintauchen in die Welt der Pressefotografie

Aufgrund der hohen Nachfrage werden in diesem Jahr acht öffentliche Führungen angeboten, die es den Besuchern ermöglichen, noch intensiver in die Welt der Pressefotografie einzutauchen. Jede Führung dauert etwa eine Stunde. Die Online-Reservierung ist ab sofort auf der Webseite des Depots unter www.depotdortmund.de möglich.

Rahmenprogramm: Exklusive Preview und Gespräch mit Preisträger

Das Rahmenprogramm bietet besondere Highlights: die exklusive Preview des Dokumentarfilms „Noch bin ich nicht, wer ich sein möchte“ über die 1952 in Prag geborene Fotografin Libuše Jarcovjáková sowie ein Gespräch mit dem World Press Photo Gewinner Daniel Chatard. Chatard wurde für sein Langzeitprojekt „Niemandsland“, das sich dem Konflikt um den Braunkohleabbau im Rheinland widmet, ausgezeichnet. Die Proteste rund um den Hambacher Forst und das Dorf Lützerath sind vielen Menschen in Nordrhein-Westfalen noch in lebhafter Erinnerung.

Öffnungszeiten

SO – DO 11 – 20 UHR

FR + SA 11 – 22 UHR

Ausstellungsort

Kulturort Depot, Immermannstraße 29, 44147 Dortmund

Altersempfehlung

Die World Press Photo Foundation empfiehlt den Besuch der Ausstellung ab 14 Jahren.

Eintritt (Tickets sind an der Tageskasse erhältlich)

Normal 8,00 € / Ermäßigt 6,00 €

Familienticket 1: 20,00 € (Zwei Erwachsene mit max. drei Kindern bis 18 Jahre)

Familienticket 2: 12,00 € (Eine erwachsene Person mit max. drei Kindern bis 18 Jahre)

Happy Hour: 6,00 €; unter der Woche ab 19:00 Uhr, Freitag und Samstag ab 21:00 Uhr

Am Wochenende und am Tag der Deutschen Einheit (03.10.) ist Kaffeezeit – in der Mittelhalle gibt es samstags und sonntags Kaffee und Kuchen.

Termine öffentliche Führungen:

SA 28.09 / 05.10. / 12.10. / 19.10. jeweils um 14:00 Uhr

MI 02.10. / 09.10. und DO 17.10. jeweils um 18:00 Uhr

SO 13.10. um 11:00 Uhr

Eintritt öffentliche Führungen:

Normal 8,00 € / Ermäßigt 6,00 € jeweils zzgl. 4,00 € Führungsgebühr

Achtung: Für die öffentlichen Führungen ist aufgrund der begrenzten Personenzahl eine online Anmeldung erforderlich! Das Anmeldeformular ist hier zu finden: Führungen World Press Photo 2024

Gruppenführungen können extra gebucht werden, für Schul- und Studierendengruppen gibt es zudem ermäßigte Konditionen. Anfragen per E-Mail an kultur@depotdortmund.de.




Von lyrisch bis dramatisch – Die Cellistin Julia Hagen

Am 25. September 2024 eröffnete Julia Hagen die neue Spielzeit der „Jungen Wilden“ im Konzerthaus Dortmund. Die neuen „Jungen Wilden“ werden sich drei Spielzeiten lang in unterschiedlichen Besetzungen und Programmen präsentieren. Denn Anfang machte Julia Hagen mit der Pianistin Annika Treutler.

Denn Anfang machte Robert Schumanns, Fantasiestücke für Cello und Klavier op. 73. Obwohl die ursprüngliche Besetzung für Klarinette und Klavier gedacht war, wird die Cello-Version oft als besonders einfühlsam und innig empfunden, da das Cello durch seine Klangfarbe gut zur melancholischen und gefühlvollen Stimmung des Werks passt.

Julia Hagen begeisterte das Publikum im Konzerthaus Dortmund. (Foto: (c) Simon Pauly)
Julia Hagen begeisterte das Publikum im Konzerthaus Dortmund. (Foto: (c) Simon Pauly)

Einen Dialog zwischen Cello und Klavier schuf Ludwig van Beethovenmit seiner Sonate für Klavier und Violoncello Nr.3 in A-Dur. Die Sonate vermittelt einen optimistischen, kraftvollen Charakter, der typisch für Beethovens mittlere Schaffensphase ist, und verbindet lyrische Schönheit mit technischer Virtuosität. Julia Hagen und Annika Treutler schufen gemeinsam ein Klanggebilde, das im Finale zu einem energiegeladenen Ende führte.

Vielschichtiges Werk von Schostakowitsch

Nach der Pause ging es mit einem kleinen Stück weiter: Bohuslav Martinůs Variationen für Cello und Klavier über ein Thema von Rossini (1942) sind ein charmantes und lebendiges Werk, das humorvolle und virtuose Elemente verbindet. Die Komposition basiert auf einem Thema aus Rossinis Oper „Moses in Ägypten“, das Martinů mit seiner charakteristischen Leichtigkeit und Einfallsreichtum verarbeitet. Die rhythmischen Überraschungen wurden von den beiden Musikerinnen mit Bravour gemeistert.

Dmitri Schostakowitschs Sonate für Cello und Klavier in D-Moll, op. 40, aus dem Jahr 1934, ist ein emotional vielschichtiges Werk, das verschiedene Stile und Stimmungen miteinander verbindet. Sie gehört zu den frühen Werken des Komponisten und wurde während einer Zeit persönlicher und politischer Umbrüche geschrieben. Persönlich, weil sich seine Ehe mit Nina Varzar in einer Krise befand und politisch, weil Stalins Politik immer repressiver wurde.

Beeindruckend war vor allem der dritte Satz, das Largo. Eine tiefe, introspektive Elegie, die düstere und klagende Töne anschlägt. Diese Intensität wurde von Julia Hagen und Annika Treutler gut herausgearbeitet.

Als Zugabe spielten die beiden noch „Du bist die Ruh“ von Franz Schubert.

Julia Hagen begann im Alter von fünf Jahren mit dem Cellospiel und erhielt ihre Ausbildung bei namhaften Lehrern wie Heinrich Schiff und Jens Peter Maintz. Im Laufe ihrer Karriere trat sie mit renommierten Orchestern und bei großen Festivals auf. Ihre musikalische Interpretation reicht von klassischen Werken bis hin zu modernen Kompositionen, und sie ist eine begeisterte Kammermusikerin. Julia Hagen spielt auf einem wertvollen Cello von Francesco Ruggieri aus dem Jahr 1684.




Dawn – Ein Abend über Reproduktion

Zur Spielzeiteröffnung am 21.09.2024 hatte sich das Theater im Depot etwas Besonderes einfallen lassen: Sheena McGrandles‘ Musical „Dawn“ wurde präsentiert. Allerdings ist „Musical“ hier eine verkürzte Bezeichnung, da das Werk Konzert, Spoken Word und Performance miteinander vereint.

„Dawn“ bezieht sich auf die mystische Morgenröte, die in der griechischen Mythologie als Eos und im antiken Rom als Aurora bekannt ist. Das Stück beginnt mit einer mythologischen Erzählung, die jedoch anfangs nur schwer in Gang kommt, da die Akustik und das Verständnis leiden, wenn viele Darsteller gleichzeitig auf Englisch sprechen.

"Dawn" von Shhena McGrandles. Foto: (C) Michiel Keuper
„Dawn“ von Shhena McGrandles. Foto: (C) Michiel Keuper

Doch im Verlauf bessert sich die Aufführung, und insbesondere die Musik sticht als Highlight hervor – schließlich ist es ein Musical. Die Schauspieler und Musiker meistern die verschiedenen Musikstile mit Bravour.

Vielfalt der Reproduktion – aber keine leichte Entscheidung

Der Untertitel „A Musical on Reproduction” verdeutlicht, dass es um die Themen Kinderwunsch, Familie und Fortpflanzung geht. In einer Szene fragt eine Schauspielerin das Publikum, ob jemand eine Abtreibung erlebt habe – sie selbst bejaht es. Eine schwierige persönliche Entscheidung, ebenso wie die Frage, ob man Kinder haben möchte oder nicht. Der „Chor der Kinderlosen“, der in Schwarz gekleidet auftritt, symbolisiert diese Entscheidung, die für viele nicht leicht ist.

Was nehmen wir aus dem Abend mit? Zum einen, dass ein Mann theoretisch täglich neue Kinder zeugen kann – im Lied „Dschingis Khan“ schafft die besungene Person immerhin sieben. Zum anderen zeigt das Stück, dass die Frage der Reproduktion Frauen einen Großteil ihres Lebens beschäftigt, während Männer noch immer zu laut und zu viel darüber reden.

Mitwirkende bei „Dawn“ waren Sheena McGrandles, Moss Beynon Juckes, Claire Vivianne Sobottke, Colin Self, Emeka Ene, Stellan Veloce und Marta Forsberg. Der Chor bestand aus Martin Hansen, Valerie Renay, Marek Polgesek und Cathy Walsh Irish.

Musikalisches Nachspiel

Im zweiten teil des Abends ertönte die sphärische Musik von Lara Gallagher. Ihr Stück „Abhainn“ (irisch für „Fluss“ oder „Nebenfluss“) erforscht die Konstruktion authentischer Identität in Irland. Mit einer Mischung aus elektronischen Klängen, Gesang, Geige, Klavier und Kontrabass wird die Geschichte von Éanna, einer Frau, die 2024 durch Dublin navigiert, locker dargestellt. Opernhafte, theatralische und musikalische Elemente verschmelzen zu einer Einheit, bei der der Klang als untrennbares Medium der Identität ins Zentrum gerückt wird.

Mitwirkende waren Lara Gallagher, Özgür Yilmaz, Michael McCartan und Eilís Dexter.




Zwischen Nostalgie und Neuanfang: „Forever and ever“ erkundet Vergänglichkeit und Ewigkeit

Das 4.D-Kollektiv „wichtigemenschen“ präsentierte am 21. September 2024 ein Tanz-, Theater- und Musikprojekt zum Thema Vergänglichkeit und Ewigkeit unter dem Titel „Forever and ever“ im Fritz-Henßler-Haus in Dortmund.
Sind unsere Bindungen an bestimmte Werte und Menschen tatsächlich eine Art von Nostalgie, und geben sie uns in bestimmten Lebensphasen Halt? Oder ist es emotionaler Ballast, der uns unbeweglich machen könnte? Diesen Fragen gingen mehrere junge Erwachsene in der Performance „Forever and ever“ nach. Ist Nostalgie immer etwas Gutes?

Was kann bleiben, was kann weg? "wichtigemenschen" machen sich Gedanken. (Foto: (c) 4.D)
Was kann bleiben, was kann weg? „wichtigemenschen“ machen sich Gedanken. (Foto: (c) 4.D)

Was kann bleiben, was kann weg? Sind Produkte, die uns in der Kindheit Freude bereiteten, wie das „Bum Bum Eis“, auch als Erwachsene noch erstrebenswert? Und was ist mit Begriffen wie „Menschenwürde“ oder „freier Wille“?

Eine lebhafte Reise durch Erinnerungen und Werte

 

Die jungen Erwachsenen starteten eine lebhafte Tour der Erinnerungen – angefangen bei heimlichen Besuchen auf dem Dachboden, um Computerspiele zu spielen, über Erlebnisse im Garten bis hin zu den ersten Partys am Pool. Natürlich durfte die Erinnerung an den ersten Kuss nicht fehlen. Dabei zeigte „wichtigemenschen“ einen humorvollen Kurs zum Thema „richtig Küssen“, passend zum Song „Kiss“ von Prince.
Am Ende stehen sie am Flughafen, ein Sinnbild für die Frage: „Wohin wird die Reise gehen?“ Was nehmen wir mit, was werfen wir über Bord? Die einzelnen Themen sind in Säcken verpackt und werden hin- und hergeschoben. Wichtig oder unwichtig? Alle haben unterschiedliche Meinungen.
Da erscheint eine Lösung: Auf einer Wäscheleine werden alle Themen aufgehängt. Die Wäscheleine symbolisiert die Spur, die Menschen hinterlassen und beeinflussen können. So wird es zu einer individuellen Entscheidung, „was bleiben soll“.
Das Stück war geprägt von tollen Choreografien und Live-Musik. Der Funke zum Publikum sprang da sofort über.
Insgesamt boten alle Personen auf der Bühne eine engagierte Leistung. Lob gebührt natürlich auch Birgit Götz (Tanzpädagogik) und Cordula Hein (Theaterpädagogik).
Wer sich davon überzeugen möchte, hat dazu am Samstag, den 28. September 2024, um 20 Uhr im Fritz-Henßler-Haus die Gelegenheit. Vorverkauf: Eventim.de. Kartenreservierungen: info@vier-D.info.
Mitwirkende: Carina Bährens, Ilana Bornschlegel, Carla Brockmann, Antonio Di Nauta, Lena Dockhorn, Greta Heimbach, Rouven Knape, Katharina Kelm, Marcia Kemper, Bhavdeep Kumar, Leon Lohrmann, Tatia Nanava, Mathis Pollmann, Sina Rumpke, Henna Schmaler, Lotta Severin, Cosima Zinke.




Vom Barock bis zum Swing: Blechbläser verzaubern im Phoenix des Lumières

Das erste Kammerkonzert der neuen Spielzeit brachte einen spannenden musikalischen Bogen über Jahrhunderte – von den barocken Klängen Giovanni Gabrielis bis hin zu den schwungvollen Rhythmen des Jazz und Swing. Besonders der zweite Teil des Abends stand ganz im Zeichen von George Gershwin und weiteren Jazz-Einflüssen.

Gestaltet wurde das Konzert von fünf Blechbläsern: Daniel Hufnagel und Mitsugo Hotta (beide Trompete), Jan Golebiowski (Horn), Dirk Ellerkamp (Posaune) und Thomas Kerstner (Tuba). Mit ihrem Zusammenspiel verliehen sie den Werken sowohl historischer als auch moderner Komponisten einen unverwechselbaren Klang.

Die fünf Blechbläser der Dortmunder Philharmoniker machten gute Stimmung im Phoenix des Lumières.
Die fünf Blechbläser der Dortmunder Philharmoniker machten gute Stimmung im Phoenix des Lumières. Foto: (Rainer Sturm / pixelio.de)

Musik im Dialog mit visueller Kunst

Wie schon in der vergangenen Saison fand das Konzert im Phoenix des Lumières statt – einem Ort, der sich durch die Kombination von Musik und eindrucksvollen, projizierten Kunstwerken auszeichnet. Der Raum, geflutet von riesigen, leuchtenden Bildern, bot den perfekten visuellen Rahmen für die Darbietungen. So wurde Giovanni Gabrielis „Canzona per sonare II“ von prächtigen Projektionen venezianischer Architektur begleitet, während Samuel Barbers „Adagio for Strings“ in eine melancholische blaue Lichtstimmung getaucht wurde – eine subtile, aber kraftvolle visuelle Untermalung der Bläserbearbeitung dieses Streichwerks.

Nach der Pause: Jazz und Swing im Zeichen von Gershwin und Jobim

Nach der Pause eroberte der Jazz die Bühne. George Gershwins unvergängliche Melodien eröffneten und schlossen den zweiten Teil des Programms, wobei das Quintett die Werke mit schwungvoller Leichtigkeit und Präzision präsentierte. Luther Henderson, Harry DeCosta und Herbert Meyer ergänzten das Programm mit weiteren swingenden Beiträgen. Besonders Thomas Kerstner am „Tuba Tiger Rag“ brachte das Publikum zum Staunen, als er die Tuba „von der Leine ließ“.

Einen Hauch Südamerikas brachte Antônio Carlos Jobims „One Note Samba“, der den Raum in tropische Farben tauchte. Passend dazu projizierte man an die Wände ein Bild eines Leguans, das an die Formenwelt Gaudís erinnerte – ein faszinierendes Detail, das die Verbindung zwischen Musik und visueller Kunst im Phoenix de Lumières auf die Spitze trieb.

Ein beeindruckender Konzertabend mit kleinen Hürden

Der Abend bot nicht nur ein akustisches, sondern auch ein visuelles Erlebnis, das seinesgleichen sucht. Die fünf Musiker präsentierten ein vielseitiges Programm, das die Vielfalt der Blechbläsermusik auf höchstem Niveau zeigte. Einziger Wermutstropfen: Die Anbindung des Phoenix des Lumières bleibt ausbaufähig, was den Zugang zu diesem außergewöhnlichen Kulturort erschwert. Es bleibt zu hoffen, dass sich hier bald etwas verbessert, damit mehr Menschen die außergewöhnliche Atmosphäre in diesem Ambiente erleben können.




Klangvolle Eröffnung: Brahms und Schumann im 1. Philharmonischen Konzert der neuen Spielzeit

Das 1. Philharmonische Konzert unter dem Titel „Dem Himmel entgegen“ in der neuen Spielzeit 24/25 am 18. und 27. September 2024 präsentierte zwei Klassiker der Konzert- und Orchesterliteratur. Gespielt wurden das 2. Klavierkonzert von Johannes Brahms und die Sinfonie Nr. 3 von Robert Schumann. Die Dortmunder Philharmoniker wurden von Hossein Pishkar dirigiert, und am Klavier spielte die Pianistin Anna Tsybuleva.

Anna Tsybuleva und die Dortmunder Philharmoniker: Ein harmonisches Zusammenspiel

Ich mag das 2. Klavierkonzert von Brahms lieber als das erste. Warum, kann ich nicht genau sagen. Vielleicht wegen der lyrischen Natur des Werkes, vielleicht aber auch wegen der melancholischen Hornphrase, mit der der erste Satz beginnt. Insgesamt ist die Verzahnung zwischen Orchester und Soloinstrument das Besondere, das für mich die Klavierkonzerte von Brahms ausmacht. Auch wenn Anna Tsybuleva die technischen Herausforderungen des Stücks meisterte, wird das Klavier Teil des Orchesters und verschmilzt mit ihm zu einem Gesamtklangkörper. Als Zugabe spielte Anna Tsybuleva, quasi als Übergang, noch ein Stück von Schumann.

Das 2. Klavierkonzert von Joghannes Brahms war ein Höhepunkt des 1. Philharmonischen Konzertes. (Foto: (c) U.Herbert / pixelio.de)
Das 2. Klavierkonzert von Johannes Brahms gespielt vom Anna Tsybuleva war ein Höhepunkt des 1. Philharmonischen Konzertes. (Foto: (c) U.Herbert / pixelio.de)

Nach der Pause erklang Schumanns Sinfonie Nr. 3, die „Rheinische“. Sie war einst die Titelmelodie von WDR-Sendungen wie „Hier und heute“ sowie „Zwischen Rhein und Weser“. Schumanns 3. Sinfonie verbindet in einzigartiger Weise symphonische Tradition mit volksnahen Elementen und tief empfundener Naturpoesie. In ihrer Struktur und emotionalen Vielfalt ist sie visionär. Das Besondere an ihr ist, dass sie gleichzeitig heiter, ernst und feierlich wirkt.

Die Dortmunder Symphoniker konnten einen beachtlichen Start in die neue Konzertspielzeit feiern.




Wenn das innere Kind zum Dämon wird

Am 13. September 2024 feierte die Groteske „Der Dämon in dir muss Heimat finden“ im Studio des Schauspielhauses Premiere. Das Stück, geschrieben von Lola Fuchs, ist eine Satire auf den Selbstoptimierungswahn. Seit Jahren versucht dieser, uns vorzuschreiben, wie wir inmitten des Chaos produktiv und erfolgreich bleiben sollen. Der Titel spielt provokant auf Stefanie Stahls Bestseller „Das Kind in dir muss Heimat finden“ an. Dieser beschäftigt sich mit den Auswirkungen ungelöster Kindheitstraumata auf das Erwachsenenleben.

Im Mittelpunkt steht Mandy-Galadriel (Nika Mišković), eine 30-jährige Betreiberin eines Paketshops. Sie träumt immer noch von einer Karriere als Singer-Songwriterin. Ihre Freundinnen haben genug von ihrem unsteten Leben. Sie schenken ihr einen Gutschein für die DAWN-Experience, ein esoterisches Unternehmen, das sich auf die „Heilung des inneren Kindes“ spezialisiert hat. Dort trifft sie auf Veronika von Sonnen (Marlena Keil), Markus von Sonnen (Linus Ebner) sowie auf die weiteren Teilnehmer*innen Melli (Linda Elsner) und Florian (Ekkehard Freye).

Sophie Dahlbüdding (Statisterie), Marlena Keil, Linus Ebner, Nika Mišković(c) Birgit Hupfeld
Sophie Dahlbüdding (Statisterie), Marlena Keil, Linus Ebner, Nika Mišković Foto: (c) Birgit Hupfeld

Zwischen Esoterik und Kapitalismus: Mandys Reise zur Selbstfindung

Lola Fuchs verbindet in ihrer Groteske den Druck zur Selbstoptimierung mit Science-Fiction- und Horrorelementen. Das „innere Kind“ wird hier nicht nur metaphorisch wiedergeboren. Durch ein Portal erscheint es erneut, was zu komischen und nachdenklichen Konfrontationen zwischen jüngeren und älteren Ichs führt. Besonders witzig ist die Enttäuschung von Florians jüngerem Ich. Es ist schockiert, dass seine ältere Version als Linksextremist gescheitert ist. Das kapitalistisch geprägte jüngere Ich kann das nicht fassen.

Wenn das innere Kind zur Ware wird: Kritik an spirituellen Heilversprechen

Der Höhepunkt des Stücks zeigt Veronika und Markus im „Zukunftslabor“. Sie wollen die gechannelten inneren Kinder entweder als Arbeitssklaven (Schattenkinder) oder Führungskräfte (Sonnenkinder) verkaufen. Die älteren Versionen sollen verschwinden. Doch dieser Plan scheitert. Mandy und Galadriel stellen sich gegen die Ausbeutung. Lola Fuchs bietet in diesem Werk eine scharfe Analyse der gegenwärtigen Verhältnisse. Sie beleuchtet die skrupellose Profitmaximierung in der Selbstoptimierungsbranche. Die engagierten Darsteller*innen trugen entscheidend zum Erfolg des Stücks bei. Besonders Sophie Dahlbüdding, die das 12-jährige Ich von Mandy spielte, glänzte in ihren Dialogen mit dem älteren Ich.

Weitere Informationen finden Sie unter: www.theaterdo.de




Essen und Trinken im Überfluss: Die Ausstellung „Schlaraffenland“ im Dortmunder Kunstverein

Vom 15. September bis zum 22. Dezember 2024 zeigt der Dortmunder Kunstverein die Ausstellung „Schlaraffenland“. Zehn künstlerische Positionen beleuchten die Utopie des Überflusses beim Essen und Trinken, wobei auch kritische Perspektiven nicht fehlen: Leben wir durch die industrielle Massenproduktion bereits im „Schlaraffenland“? Denn Lebensmittel sind immer und überall verfügbar.

Mythos und Moderne: Die kulturelle Bedeutung des Schlaraffenlandes

Der Mythos des „Schlaraffenlandes“ wird erstmals im „Le fabliau de Cogagne“ aus dem Jahr 1250 erwähnt und verbreitete sich anschließend nach den Niederlanden und Deutschland. Im Spanischen heißt das Schlaraffenland „Jauja“, was einen Ort in Peru bezeichnet, an dem Milch und Honig fließen. Verwandt damit sind das keltische „Tír na nÓg“ sowie das japanische 宝の国 (Takara no Kuni), wobei letztere weniger stark den Fokus auf Essen und Trinken legen.

Ausstellungsplakat von "Schlaraffenland" im Dortmunder Kunstverein.
Ausstellungsplakat von „Schlaraffenland“ im Dortmunder Kunstverein.

Die Besucher*innen werden von einem Werk von Hannah Levy begrüßt, das einen überdimensionalen Spargel zeigt, der in zwei metallenen Krallen ruht. Der Spargel, das beliebteste Gemüse der Deutschen, wird allerdings immer noch unter prekären Bedingungen geerntet.

Alwin Lays Fotografie „Knuspriges Hähnchen“ ist eine Referenz auf den zweiten Streich von Wilhelm Buschs „Max und Moritz“, in dem die beiden die Hähnchen von Witwe Bolte stehlen. Lay thematisiert die moderne Esskultur, die zunehmend auf Snacks und To-go-Mahlzeiten setzt. Bereits in der Antike gab es jedoch Fast Food, sodass das Konzept des Essens „to go“ keine moderne Erfindung ist.

Von Mukbang bis Kaffee: Die kulturellen und sozialen Implikationen

Das To-go-Essen hat eine weitere Auswirkung, da es zur Vereinsamung führt. Ein kurioser Trend namens „Mukbang“, der aus Südkorea stammt, zeigt Menschen, die sich beim Essen filmen. Diese Videos haben teils groteske Ausmaße angenommen, da dabei riesige Mengen an Lebensmitteln konsumiert werden. Am 14. Juli 2024 verstarb Pan Xiaoting (24), die in China durch extreme Mukbang-Videos bekannt wurde, während eines Mukbangs. Das Duo „Artist Mukbang“ (Liza Dieckwisch und Julia Gruner) greift dieses Phänomen in ihren künstlerischen Videos auf.

Julia Gruner ist ebenfalls mit einer weiteren Arbeit vertreten, bei der sie Lebensmittel scannte und diese auf einem 7×5,80m großen Vorhang präsentierte. Der schwarze Hintergrund erinnert an klassische Stilllebenmalerei.

Belia Zanna Geetha Brückner untersucht das Motiv von Tischgemeinschaften, um Machtstrukturen zu analysieren und zu zeigen, wie sich diese systematisch herausbilden, transformieren und manifestieren. Für ihre Performance zur Ausstellungseröffnung wird ein Catering eines privaten Luftfahrtunternehmens serviert.

Alkohol ist in unserer Gesellschaft weit verbreitet; wer keinen trinkt, muss sich erklären, nicht umgekehrt. Pablo Schlumberger lässt sich von der Figur des „Trinkers“ inspirieren, der Exzess und Abschweifung thematisiert. In der Ausstellung „Schlaraffenland“ stellt er sowohl alte als auch neue skulpturale Arbeiten aus.

Schlaraffenland: Globalisierung und Massenproduktion

Der Geruchssinn spielt beim Essen und Trinken eine zentrale Rolle. Vittorio Brodmanns Gemälde „Tag und Nacht im Leben einer Bäckerei“ zeigen die Arbeit eines Brot-Sommeliers.

Im Schlaraffenland bestehen die Häuser aus Brot, doch im Dortmunder Kunstverein ist das Gelände beim Aufgang aus Fondant mit einer leichten Vanillenote gestaltet – bitte nicht hineinbeißen! Josephine Scheuer schuf dieses Kunstwerk. Fondant erfüllt keinen kulinarischen Zweck und bietet keinen gesundheitlichen Mehrwert, sondern wirkt glatt und kalt wie Marmor.

Die ständige Verfügbarkeit von Lebensmitteln hat zu einem Verlust ihrer kulturellen Bedeutung geführt. So sieht es das Künstler*innenkollektiv „Slavs and Tatars“, das sich mit der Kultur Eurasiens auseinandersetzt. Früchte wie Maulbeeren oder Sauerkirschen haben auf spiritueller oder emotionaler Ebene ihre Bedeutung verloren.

Kaffee ist seit 1850 ein Massenprodukt. 1938 reichte Achille Gaggia das Patent für eine dampffreie Kaffeemaschine ein, was den Siegeszug des Kaffees einleitete. Alwin Lays 24-teiliger Bildzyklus zeigt eine Kaffeemaschine, die im Kaffee, den sie produziert, quasi ertrinkt – ein Symbol für den Burn-out moderner Menschen, die sich oft nur noch durch Kaffee über den Arbeitstag retten.

Aufstand im Schlaraffenland

Zum Schluss habe ich noch etwas von Deichkind zum Thema. „Aufstand im Schlaraffenland“ gefunden:

Die Leute kommen und protestieren
Sie wollen nicht länger konsumieren
Sie schmeißen all die Leckereien
Direkt in eure Fresse rein!
Sie reißen jetzt die Schnauze auf
Widerstand wird aufgebaut
Sie klettern auf den Käseberg
Und rufen auf zur Gegenwehr!
________________________________________
Öffnungszeiten:
Mittwoch–Freitag: 15 – 18 Uhr
Samstag und Sonntag: 12 – 18 Uhr
Eintritt frei.
Sonderprogramm
21.09. (SA), 16–21 Uhr
MUSEUMSNACHT
Performance
Julius Metzger: Invisible Labor Bar
11.10. (FR), 20 Uhr
QUEER CINEMA III
Pride Power
17.10. (DO), 19 Uhr
FILMABEND #25
Ulrike Ottinger: Bildnis einer Trinkerin
25.10. (FR), 19 Uhr
WEINPROBE
In Kooperation mit Restaurant Labsal
21.11. (DO), ab 19 Uhr
THEMENABEND #7: SCHLARAFFENLANDSOZIOLOGIE
Dr. Daniel Kofahl (Ernährungskulturwissenschaftler):
Wo Genussüberfluss und Askesemangel herrschen
12.12. (DO), 19 Uhr
DIALOGISCHE FÜHRUNG
Mit Mira van Leewen (Deutsches Kochbuchmuseum, Dortmund) und Linda Schröer




111 Orte der deutschen Vergangenheit

Mit dem Buch „111 Orte, die von deutscher Geschichte erzählen“ präsentiert Ralf Nestmeyer ein neues Werk der „111 Orte“-Reihe vom Emons Verlag. Logischerweise gibt es viele Orte in Berlin, aber drei liegen im Ruhrgebiet, zwei davon sogar in Dortmund.

Wofür ist Dortmund bekannt? Kohle, Stahl und Bier? Na ja, das war einmal. Heute vornehmlich durch Borussia Dortmund, also Fußball. Die Geschichte „Die Bundesliga“ erzählt vom Erfolgsmodell Bundesliga und dem ersten Torschützen, dem Dortmunder Timo Konietzka. All das begann am 24. August 1963. Doch Ralf Nestmeyer vergisst in seiner kleinen Geschichte etwas: Der Beschluss, eine Bundesliga zu gründen, wurde ebenfalls in Dortmund getroffen, nämlich in der Westfalenhalle. Das passt alles, denn Fußball ist in Dortmund mit dem Stadtleben verwoben, zudem hat das Deutsche Fußballmuseum auch seinen Platz in dieser Stadt.

Fußball und Einwanderung prägen Dortmunds Geschichte

Das Ruhrgebiet ist seit seiner Entwicklung als Kohle- und Stahlproduzent ein Einwanderungsland. Arbeitskräfte wurden benötigt, Ende des 19. / Anfang des 20. Jahrhunderts wurden sie aus den Gebieten des heutigen Polens geholt. Nach dem Zweiten Weltkrieg kamen ab 1955 Italiener, Spanier, Griechen, Türken und weitere Menschen aus vielen Nationen. Nicht nur nach Dortmund, aber auch. Diese Menschen haben Dortmund und Deutschland nachhaltig geprägt und verändert.

Ralf Nestmeyer, "111 Orte, die von deutscher Geschichte erzählen", Emons-Verlag (c) Emons
Ralf Nestmeyer, „111 Orte, die von deutscher Geschichte erzählen“, Emons-Verlag (c) Emons

Es gibt auch Orte, die von deutscher Geschichte erzählen, die nicht auf dem Gebiet der Bundesrepublik liegen. „Das Schlachtfeld (Verdun)“ und „Das Vernichtungslager (Auschwitz)“ beleuchten die dunklen Seiten der deutschen Geschichte. „Der Kniefall (Warschau)“ und „Der Balkon (Prag)“ erzählen von Verantwortung sowie der Öffnung des Eisernen Vorhangs.
Positiv: Für jeden der 111 Orte gibt es einen Literaturtipp, sodass die Leserin oder der Leser sich weiter mit diesem Thema beschäftigen kann.

Ralf Nestmeyer

111 Orte, die von deutscher Geschichte erzählen
Broschur
13.5 x 20.5 cm
240 Seiten
ISBN 978-3-7408-2004-6
18,00 € [DE] 18,60 € [AT]

 




Daughters of the Future – Muss Geschichte immer gleich erzählt werden?

Das Favoriten Festival 2024 in Dortmund startete am Donnerstag, den 05.09.2024, mit einem schauspielerischen Paukenschlag. waltraud900 präsentierte mit „Daughters of the Future“ eine Neuinterpretation von „Iphigenie auf Aulis“. Die zentrale Botschaft: Töchter können und sollen auch einmal Nein sagen.

Die Geschichte von Iphigenie kurz erzählt: Agamemnon, Iphigenies Vater, verärgert die Göttin Artemis. Um nach Troja segeln zu können, benötigt er günstige Winde, doch Artemis hat den Wind gestoppt. Sie würde den Wind nur freigeben, wenn Agamemnon seine Tochter Iphigenie opfert.

Ein Teil der Darsteller*innen von "Daughteers of the Future" von waltraud900. Foto: (c) Melanie Zanin.
Ein Teil der Darsteller*innen von „Daughteers of the Future“ von waltraud900. Foto: (c) Melanie Zanin.

Zusammen mit einem Chor von Jugendlichen hinterfragt waltraud900 den antiken Stoff aus heutiger Sicht und interpretiert Iphigenies Geschichte neu. Die Jugendlichen reflektieren dabei ihre Beziehung zu ihren Eltern – insbesondere zu ihren Vätern. Wie gut kennt ein Vater seine Tochter wirklich? Weiß er, was ihr Lieblingsessen ist, welchen Film sie mag oder welche Sorgen sie umtreiben?

Selbstbestimmung als zentrale Botschaft

In der klassischen Tragödie ist Klytämnestra, Iphigenies Mutter, keine große Unterstützung. Doch wie sieht es in der Gegenwart aus? Was wünscht sich die Mutter von heute für ihre Tochter? Auch diese Fragen stellen die Jugendlichen in ihrer modernen Interpretation.

Die emotionalen Höhepunkte des Stücks liegen in der Beziehung zwischen Vater und Tochter. Als Agamemnon merkt, dass seine Tochter nicht bereit ist, seinen Befehlen zu folgen, versucht er zunächst zu schmeicheln, dann zu drohen – jedoch ohne Erfolg. Die Töchter der Zukunft haben eigene Vorstellungen und Wünsche. Für sie zählt: „Die einzige Grenze, die ich kennen werde, sind die Grenzen der Physik.“

„Daughters of the Future“ zeigt, wohin der Weg der Töchter der Zukunft führen soll: in ein selbstbestimmtes Leben, frei von den Erwartungen der Eltern oder der Gesellschaft.
Ein besonderes Lob verdient auch Juliette Serrié, die für die Musik und Percussion verantwortlich ist. Ihre Arbeit trägt maßgeblich zur Wirkung des Stücks bei.
Insgesamt ein großartiger Auftakt zum Festival, der nicht umsonst für die Vorauswahl des Theatertreffens der Jugend in Berlin nominiert wurde.