Lieder der Tröstung voll Schmerz und Zuversicht

Am 18.10.2021 standen beim 1. Kammerkonzert der Dortmunder Philharmoniker im hiesigen Orchesterzentrum die Streichinstrumente im Mittelpunkt.

Onyou Kim und Natalie Breuninger (Violine), Juan Ureňa Hevia und Seulki Ha (Viola) sowie Emanuel Matz und Florian Sebald (Violoncello) konnten nicht nur ihr technisches Können, sondern auch die vielfältige Ausdruckskraft ihrer Instrumenten deutlich machen.

Vor 80 Jahren fanden die ersten systematischen Deportationen der Juden in die Todeslager der Nationalsozialisten statt.

So passte es sehr gut, dass neben dem romantischen und zudem expressiven Streichsextett B-Dur op. 18 von Johannes Brahms (1823 -1897) zuvor auch Werke von drei Komponisten jüdischer Herkunft auf dem Programm standen.

Alexander Zemlinsky (1871 – 1941), Gideon Klein (1919 – 1945) und Viktor Ullmann (1898 – 1944) sind entweder an den Folgen der Nazi-Verfolgung oder im Konzentrationslager ermordet worden. Klein und Ullmann wurden von den Nationalsozialisten im Ghetto Theresienstadt genötigt bei ihrer Inszenierung eines „besonders lebendigen Kulturlebens“ als Musiker ihren Beitrag zu leisten. Sie versuchten, Energie und Kraft aus ihrer Situation zu schöpfen und den Lagerinsassen in ihren Leiden und Schmerzen auch etwas Hoffnung zu vermitteln.

Kompositionen von Künstlern, die in Konzentrationslagern ermordet wurden, standen im Mittelpunkt des Kammerkonzerts.
Kompositionen von Künstlern, die in Konzentrationslagern ermordet wurden, standen im Mittelpunkt des Kammerkonzerts.

Mit der Sopranistin Anna Sohn vom Dortmunder Opernensemble sorgte eine starke und kraftvolle Stimme für eine sensible Interpretation der Liedtexte. Dabei hatten Musik und Gesang den gleichen Stellenwert.

Alexander Zemlinskys Komposition „Maiblümchen blühten überall“ (1902/1903) für Sopran und Streichsextett, erzählt nach einem Gedicht von Richard Dehmels die tragische Geschichte zweier Liebender mit floraler Symbolik und Melancholie.

Gideon Kleins folgende musikalisch höchst expressive und trauer-volle „Fantasie und Fuge für Streichquartett“ ist 1942 entstanden. Seine Paarung von musikalischen Formen hat ihre Vorbilder im Barock.

Viktor Ullmanns „Herbst“ (für Singstimme und Streichtrio nach Georg Trakl) und „Lieder der Tröstung“ (für Singstimme und Streichtrio nach dem Anthroposophen Albert Steffen) sind beeinflusst von der christlichen Mystik. Sie berichte von Verbitterung und Zuversicht.

Alle gespielten Werke der drei Komponisten sind von der atonalen Musik ihres Lehrmeisters Arnold Schönberg beeinflusst.

Als Zugabe für das Publikum gab das tröstende „Abends, wenn ich schlafen geh“ aus „Hänsel und Gretel“ wunderbar instrumentalisiert.




Zibulla macht auf dicke Hose

Im neuen Roman des Essener Autors T.D. Reda um Privatdetektiv Tibor Zibulla geht es in dem nach „Ruhrstadt“ (Ruhrgebiet in sechs Bereiche aufgeteilt) verorteten Krimi es hoch her. Er ist eher nicht für feinsinnige und empfindliche Gemüter.

Der Detektiv ist ein zwei Meter großer ehemaliger Wrestling-Profi und Türsteher. Er ist ein Typ „eitler Macho mit weichem Kern“. Dazu gehören seine derben Sprüche mit dem gewissen „Ruhrgebiets-Charme“.

Neben seinen Maßanzügen liebt er nur zwei Sachen mehr: die Musik von James Brown und seine Freundin Anne. Auch sonst spielt er gerne den Beschützer von Frauen, die schlecht behandelt werden. Er handelt nicht immer „korrekt“ und ist manchmal auch unvernünftig. (So nimmt er etwa Appetitzügler, um schnell abzunehmen.)

Autor: T.D. Reda Titel: Zibulla – Auf dicke Hose Reihe: Kriminalroman, Region: Nordrhein-Westfalen ET:  September 2021 ISBN 978-3-7408-1248-5, (i4)_(1248-5) ebook: 978-3-96041-812-2, (e2)_(812-2)
Autor: T.D. Reda
Titel: Zibulla – Auf dicke Hose
Reihe: Kriminalroman, Region: Nordrhein-Westfalen
ET: September 2021
ISBN 978-3-7408-1248-5, (i4)_(1248-5)
ebook: 978-3-96041-812-2, (e2)_(812-2)

In „Auf dicke Hose“ bekommt er es mit einem heiklen Fall zu tun, es geht um die Erpressung eines jungen homosexuellen Profifußballers. Finn Berger wird mit einem brisanten Video erpresst. Es geht nicht um Geld, sondern um Wettbetrug und bewusste Manipulation. Zudem ist auch noch der damalige Partner auf dem Video spurlos verschwunden.

Zibulla muss in abgründige Gegenden recherchieren und in einem Homo-Club fahnden. Das ist aber nur der Anfang. Er bekommt es bei seinen Recherchen mit Drogendealern und den homophoben Vater sowie Brüdern des verschwunden jungen Mannes zu tun.

Ganz brenzlich wird es, als er auch noch einem mörderischen Zirkel mit einem äußerst brutalem Führer an der holländischen Grenze auf die Spur kommt. Da braucht er bald die Hilfe von Freunden …

Neben dem rauen Umgangston werden die Leser*innen mit viel Gewalt konfrontiert und ist nicht für Personen mit schwachen Nerven.

Es gibt jedoch durchaus einige witzige Momente und Situationen, die zum Schmunzeln anregen. Zibulla bietet einige Reibungsflächen. Der Gegensatz von dem ruppigen Ermittler und dem emotionalen Thema Schwulenfeindlichkeit hat einen gewissen Reiz.

Dem Krimi merkt man an, dass er von einem Mann geschrieben wurde.

T.D. Reda ISBN 978-3-7408-1248-5

Zibulla – Auf dicke Hose 288 Seiten

Kriminalroman (Broschur) € (D) 13.00 € (A) 13.40

Köln: Emons Verlag 2021

Originalausgabe Auch als E-Book erhältlich




Kreatives Herbstlabor 2021 Enter Culture

In den Herbstferien bekamen fünfundzwanzig Jugendliche zwischen 14 bis 21 Jahren in Dortmund vom 11.- 15.10.2021 die Gelegenheit, sich kreativ in verschiedenen kulturellen Bereichen wie Schauspiel, Performance, Objekttheater und Fotografie auszuprobieren. Ein wichtiges Angebot gerade in Corona-Zeiten.

Das hiesige Schauspiel und die UZWEI im Dortmunder U boten in den fünf Tagen unter dem Motto Enter Culture – Anfassen/Ausprobieren/Experimentieren vier Workshops an. Angeleitet wurden diese von fachkompetenten Personal aus den jeweiligen Bereichen.

Gelungener Abschluss des Herbstlabors 2021.
Gelungener Abschluss des Herbstlabors 2021.

Die Abschlusspräsentation fand am 15.10.2021 in der Jungen Oper statt.

Der Performance-Workshop 1 stand unter dem Motto „Guten Tag, ich bin ein Experiment“ (Leitung: Birgit Götz, Performerin, VIER.D).

Die sechs weiblichen Jugendlichen stellten sich Fragen nach Identität, Selbst- und Fremdwahrnehmung und ihren Vorstellungen für sich und einem Theater jetzt und auch in der Zukunft. Man merkte ihnen den Spaß am Verkleiden, Tanzen in allen Variationen und Schauspielern an.

Die zweite Workshop-Gruppe „Big Bang Theater“ wurde von Ekkehardt Freye (Schauspiel Dortmund) und der Theaterpädagogin Lisa Kaufmann geleitet. Die Entwicklung ging vom Gedanken über das Papier auf die Bühne. Heraus kam eine interessante Geschichte über ein Labor und vergiftetes Wasser. Ein kleiner „Umweltkrimi“ mit viel Raum auch für Improvisation, den die beteiligten weiblichen Jugendlichen mit viel Engagement ausfüllten.

Die beiden letzten Workshops „Fotografie“ (Erfundene Wirklichkeit) und „Theater-Materialschlacht“ (Objekttheater) wurden zusammen gelegt. Geleitet wurden diese von Sofia Brandes (Freie Fotografin) und dem freien Theaterpädagogen Hans Peters. Hier waren weibliche wie männliche Jugendliche beteiligt.

Es ging um geschickt „inszenierte Fotografie“ (Erfundene Wirklichkeiten) und Dinge des Alltagslebens wie Konfetti, Lippenstift, Luftballons, bunte Büroklammern und ähnliches. Diese Objekte werde mithilfe von spezieller Belichtung durch einen Fotografen und der jeweils fotografierten Person sowie einer Regisseur*in in Szene gesetzt.

Viel Raum für Kreativität in kurzer Zeit.




Sevdah-Musik, die Herzen berührt

Im Dortmunder domicil trat am 09.10.2021 der bekannte „König des Sevdah-Musik“ (Balkan-Blues) Damir Imamović mit zwei Kollegen Greg Cohen (Kontrabass, spielte schon mit Tom Waits) und dem türkischen Premium-Solisten auf der Kemenҫe (Türkische Laute) im Rahmen des Klangvokal Festivals auf. Imamović selbst fungierte als Sänger mit dem Tambur.

Der in 1978 in Sarajevo geborene Damir Imamović bot aus seinem Programm „Singer of Tales“ (2020) mit seinen Freunden eine beeindruckende Kostprobe des weitgefasstem Repertoires an Sevdah-Songs. Da zeigt sich die kulturelle Vielfalt. Das geht von Liedern aus den 1930er – 1990er Jahren, ein auf Ladino gesungenem jüdischem Stück (beruht u. a. in Bosnien eingewanderten sephardischen Juden im 16. Jahrhundert) bis sowie einer Komposition aus dem 19. Jahrhundert mit türkischem Einfluss.

Gesungene Geschichten aus Bosnien von Damir Imamović (mitte), links steht Greg Cohen am Kontrabass, rechts ist Derya Türkan an der Kemençe. (Foto: © Bedzina Gogiberidze)
Gesungene Geschichten aus Bosnien von Damir Imamović (mitte), links steht Greg Cohen am Kontrabass, rechts ist Derya Türkan an der Kemençe. (Foto: © Bedzina Gogiberidze)

Der bosnische Künstler ist nicht nur ein Geschichtenerzähler, sondern er sucht fortwährend neue musikalische Wege, diese Musik in ihre reiche Vergangenheit für unsere Gegenwart und die Zukunft zu transformieren. Die Songs werden in einem originellen Umfeld mit drei Saiteninstrumenten kombiniert und arrangiert.

Das Publikum wird durch die kraftvolle, helle und frisch klingende Stimme zum Hinhören verführt und in den Bann gezogen.

Die Interaktion zwischen den Musikern und ihren Instrumenten klappt sehr gut, ob als Trio oder mal als Duo.

Themen sind Emigration sowie Rückkehr, Mutterliebe und Bräuche zwischen Mann und Frau in den verschiedenen Epochen.

Ein wichtiges Anliegen ist Hoffnung auf ein friedliches Miteinander der verschiedenen Kultur in der von Gewalt und Krieg so gebeutelten Balkanregion. In Zukunft sollen in seiner Heimat alle Gefühlswelten jenseits von Herkunft und Religion platz haben.

Die Eigenkomposition „Čovjeku moje zemlje“ (Für die Leute meines Landes) legen Zeugnis davon ab. Persönlich wird es, wenn er von „Sarajevo“ singt.

Obwohl der Balkan-Blues oft traurig-melancholisch klingt, schwingt bei Imamović auch Optimismus und manchmal Humor mit.

Mit Augenzwinkern wurde zum Beispiel von ihm ohne instrumentaler Begleitung ein Song vorgetragen, bei dem ein Mann und eine Frau in einem Bett schlafen sollen, sich dabei aber nicht berühren dürfen.

Zum Abschluss gab es noch eine stimmungsvolle Kurz-Session der drei Künstler mit ihren Instrumenten. Da konnten sie noch einmal ihr ganzes musikalisches Können zeigen.




John Steinbecks „Früchte des Zorns“ zeitlos aktuell

Am 10.10.2021 fand die mit Spannung erwartete Premiere von John Steinbecks „Früchte des Zorns“ unter der Regie von Milan Peschel im Schauspiel Dortmund statt.

Das neue Ensemble unter der Intendantin Julia Wissert hatte nach der Corona-Pause endlich die Gelegenheit, ihr schauspielerisches Können in einem großen sozialkritischen Klassiker unter Beweis zu stellen. Hier werden die Mechanismen des Kapitalismus schonungslos und deutlich dargestellt.

Erzählt wird im Theaterstück die Geschichte der Farmerfamilie Joad aus Oklahoma in den 1930er Jahren. Wegen der schlimmen klimatischen Bedingungen in dieser „Dust Bowl“ (Staub-Schüssel) und der daraus resultierend Ernteausfällen sowie Überschuldung verlieren sie ihr Land. Durch Handzettel werden sie in das „gelobte Land“ Kalifornien in den Westen der USA gelockt. Dort werden angeblich viele Obstpflücker gesucht.

Nika Mišković als Prediger Casey, Ekkehard Freye als Vater Joad und  Anton Andreew als "Al" (Foto: © Birgit Hupfeld)
Nika Mišković als Prediger Casey, Ekkehard Freye als Vater Joad und Anton Andreew als „Al“ (Foto: © Birgit Hupfeld)

Die Familie besteht aus dem Sohn Tom (Alexander Darkow), der wegen Totschlags (aus Hilfsbereitschaft) für sieben Jahre Haft verurteilt wurde, aber nach vier Jahren auf Bewährung aus dem Knast kommt. Seine Familie will sich gerade mit einem gebrauchten Lastkraftwagen auf den Weg nach Kalifornien machen. Dieser wurde (verantwortlich Nicole Timm) fantasievoll mithilfe einer Aneinanderreihung von Couchsesseln auf die Bühne gebracht.

Tom ist jemand, der, der gegen die Ungerechtigkeit und Unterdrückung der hungernden Massen einsetzen will. Er drängt auf den Zusammenhalt und Organisation der immer schlechter bezahlten Arbeiter gegen übermächtige Banken und Großgrundbesitzer.

Sein Bruder Al (Anton Andreew) ist ein jugendlicher Rebell.

Die Mutter (Bettina Engelhardt) versucht so gut es geht Familie zusammen zu halten und das Überleben zu sichern. Der Vater (Ekkehard Freye) geht zunächst mit viel Optimismus voran. Die Tochter Rosa ist schwanger und träumt von einem Leben in der Stadt, Studium und einer guten Zukunft mit dem Baby und dem verschollenen Kindsvater Connie.

Adi Hrustemović spielte gleich in mehreren Rollen. So unter anderem einen Hilfssheriff, der unter Druck und für das Überleben seiner Familie seine Arbeit versieht.

Interessant ist in der Inszenierung, dass die Rolle des hilfsbereiten und mutigen Predigers Casy mit einer Frau (Nika Mišković) besetzt wurde. Sie spielte dir Rolle selbstbewusst und stark.

So sehr sich die Siedler bemühen, sie werde immer mehr von der (armen) einheimischen Bevölkerung abgelehnt und als „Okies“ verachtet. Eine brisante Mischung aus Wut, Zorn und Angst. Die Farmer-Vereinigung geht mit immer stärkeren Polizeigewalt gegen die ungerechte Bezahlung der streikenden Obst- oder Baumwollpflücker vor. Dabei wird der ihnen beistehende Prediger Casy ermordet und Tom zum Totschläger, der sich verstecken muss.

Das Geschehen wurde atmosphärisch gezielt sparsam von Musik (Karsten Riedel) begleitet. Wenn nötig, wurden auch per Video zusätzlich zur Situation passende Bilder an die Wand projiziert.

Letztendlich zerbrechen alle Träume von einem glücklichen Leben in Kalifornien.

Ein paar aktuelle Bezüge zur Jetztzeit wurden gezielt eingestreut (Pharmaindustrie, „Rote Socken“). Es gibt heute Millionen Menschen, die ihr Land aus den unterschiedlichsten Gründen verlassen müssen. Wie gehen wir damit um?

Neben dem Bewusstsein für die Ursachen sollte klar werden, dass wir nur gemeinsam an Problemen wie Ungerechtigkeit oder ungebremste Umweltzerstörung etwas ändern können. Die Spaltung der Gesellschaft und Gewalt werden sonst immer weiter zunehmen.

Informationen über weitere Aufführungstermine erhalten Sie wie immer unter www.theaterdo.de oder Tel.: 0231/50 27 222.




Technoschamanismus als Möglichkeit gesellschaftlicher Transformation

Auf der 3. Etage im Dortmunder U können die Besucher*innen in den Räumlichkeiten des Hardware MedienKunstvereins vom 09.10. 2021 – 06.03.2022 die Gruppen-Ausstellung „Technoschamanismus“ erleben.

Im Rahmen der Beuys-Jubiläumsausstellung 2021 widmet sich diese Ausstellung verschiedenen aktuellen technoschamanistischen künstlerischen Positionen. Die Figur des Schamanen wurde von Joseph Beuys damals zeit seines Lebens kultiviert.

Die elf anderen als Künstler*innen vertretenen Personen sehen den Schamanismus aber nicht nur als Technologie aus vergangenen Zeiten, die über viele Generationen vermittelt wurde. Es gibt ja viele „Schamanismen“, die über die Welt verteilt verschieden Ausrichtungen erfahren haben. Ob als Heiler, Wahrsager, Alchemisten u. a. versuchten sie die Verbindung zur Natur und deren Kräften herzustellen, Menschen zu heilen und etwa mit oder ohne psychogenen Drogen in Kontakt zum „Jenseits“ zu gelangen.

Blick in die Arbeit "Transformelle malor ikeae shrine" des Künstlers JP Raether.
Blick in die Arbeit „Transformelle malor ikeae shrine“ des Künstlers JP Raether.

Die Künstler suchen, ausgehend von einer zerstörerischen, auseinanderbrechenden Post-Kapitalistischen Gesellschaft, den neoliberalen Individualismus und Rationalismus nach schamanischen Kräften. Das machen sie mithilfe des Einsatzes von (spekulativer) Technologie.

Die zeitgenössischen Künstler*innen versuchen über eine Verbindung von Spiritualität und moderner Technologie Beuys‘ Strategien und Fragestellungen für das digitale Zeitalter zu aktualisieren und zu transformieren.

Obwohl sie sich nicht alle direkt mit der Figur des Schamanen oder der Schamanin identifizieren, eint sie das Interesse an rituellen, folkloristischen Praktiken, alternativen Formen von Spiritualität oder veränderten Bewusstseinszuständen.

Die Ausstellung ist in vier Bereiche untergliedert, die die Besucher*innen mit Kopfhörern für die Videos durchstreifen können.

1. Alchemie /Metallurgie: Die Schweizer Gruppe „knowbotig“ (Yvonne Wilhelm, Christian Hübler) zeigen zum Beispiel in ihrem Video (Swiss Psychotropic Gold, the Molecular Refinery), wie dort bis 70 % des weltweit gehandelten Golds raffiniert wird. Da in diesem Prozess der Verfeinerung und Veredelung alles „Schmutzige Blutgold“ eliminiert und neutralisiert wird, schreibt die Gruppe dem Edelmetall psychoaktive Wirkungen zu.

Transformella dagegen gehört zu den aLifveForms (fiktionale Identitäten und hysterisch-subversive Drag-Charaktere). Umsorgt werden diese vom Künstler JP Raether.

Die Lebenslinien der Transformellae interessieren sich für biotechnische und soziopolitische Reproduktionstechnologien. Sie sprechen über in-vitro-Fertilisation, den globalen Markt der menschlichen Reproduktion (Beispiel IKEA) sowie die kommende „Reprovolution“.

Im Zentrum der Ausstellung befindet sich ein riesiger hellblauer „Shrine“ aus Pappmaschee, den man mit einer 3D-Brille und Kopfhörer betreten kann.

Wir werden Zeugen eines „alchemistischen“ Forkings, der Gabelung der Lebenslinien und der Entstehung von Transformella cinis. Hier geht es um den Kohlenstoffkreislauf als zentralem Bestandteil des Lebens.

2. Kosmologie:

Als ein Beispiel zu nennen ist die Videoinstallation von Tabita Rezaire „Mamelles Ancestrales“. Dort reist sie zu den Steinkreisen (300 v. Chr. Und 1600 n, Chr.) im westafrikanischen Senegambia. Sind es versteinerte Bräute, antike Observatorien, Zeremonien-Plätze, Geisterorte oder Energiequellen?

In Zeiten des privatwirtschaftlichen Eroberungsstrebens im Weltall ist die Beschäftigung mit diesen steinernen Zeugen einer alten afrikanischen megalithischen Zivilisation von großer Aktualität.

3. Ökologie/Künstliche Intelligenz:

Ökologie und künstliche Intelligenz gehen hier zum Beispiel bei der Arbeit von Jana Kerima Stolzer & Lex Rütten (Dortmund) eine eigene Verbindung ein. Es ist eine Art Science Fiction Video-Erzählung ausgehend von der Geschichte des Ruhrgebiets und des westrheinischen Braunkohletagebaus. Eine Erzählung mithilfe des Fluges einer Drohne über die Zukunft der Erde, die nach der restlosen Ausbeutung der Rohstoffe unbewohnbar wird und die Menschen ins Weltall auswandern.

4. Nicht- menschliche Akteure:

Anja Dornieden & Juan David González Monroy beobachten etwa indonesische Affendompteure und ihre tanzenden, maskierten Makaken. Sobald dem Affen die Puppenmaske aufgesetzt wird, fungiert dieser als ein Medium, welches die Zuschauer*innen in Trance versetzen soll. Der hypnotische Effekt wird durch audiovisuelle Flicker-Effekte verstärkt.

Joseph Beuys dreitägige Begegnung mit einem Kojoten (Symbol für die Ureinwohner 1974 in New York (I like America and America likes Me) ist noch mit dabei. Seine Aktionen wurden (oft) als problematisch angesehen.

Das Soft Opening findet am Freitag, dem 0.10.2021 vor Ort von 17:00 – 22:00 Uhr statt.

Zur Ausstellung erscheint Mitte November 2021 im Verlag Kettler ein reichhaltig bebildertes Magazin und Dokumentation (10,00 € in der Ausstellung, 18,00 € im Buchhandel).

Außerdem finden jeden Sonntag Führungen durch die Ausstellung um 18:00 Uhr statt und es gibt ein spannendes Veranstaltungsprogramm.

Nähere Informationen unter https://www.hmkv.de/ausstellungen/ausstellungen-detail/technoschamanismus.html




Gismondo – Barockoper voll emotionaler Virtuosität

Im Rahmen des Klangvokal Musikfestival wurde am 03.10.2021 im Konzerthaus Dortmund mit der konzertanten Oper „Gismondo, Re di Polonia“ von Leonardo Vinci (Libretto Francesco Briani) ein Juwel aus dieser Zeitepoche aufgeführt.

Internationale Gesangsstars und das mit dieser Musik erfahrene Orkiestra Historyczna (Kattowitz) unter der musikalischen Leitung von Martyna Pastuszka sorgten für hohe künstlerische Qualität.

Die Sänger*innen mit dem Orkiestra Historyczna bei der konzertanten Aufführung von "Gismondo" (Foto: © Bidzina Gogiberidza)
Die Sänger*innen mit dem Orkiestra Historyczna bei der konzertanten Aufführung von „Gismondo“ (Foto: © Bidzina Gogiberidza)

Freunde von Countertenören kamen hier voll auf ihre Kosten. Gleich vier davon standen mit Max Emanuel Cencic (Gismondo), Yuriy Mynenko (Ottone), Jake Arditti (Ernesto) und Nicholas Tamagna (Ermanno) auf der Bühne vertreten. Dazu kamen in einer Männerrolle die Koloratursopranistin Aleksandra Kubas-Kruk (Primislao), sowie Hasnas Bennani (Giuditta) und Sophie Junker (Cunegonda) als Sopranistinnen. Sie alle überzeugten mit ihren klaren, warmen Stimmen bei ihren diversen Arien und den Rezitativen.

Das Orchester begleitete das dramatische Geschehen musikalisch der Situation jeweils angepasst mit ihren (barocken) Instrumenten. Eine Oper voll Emotionen und Virtuosität. Das „Dramma per musica“ bot neben den viel Liebeswirren auch eine politische Ebene, die zu Loyalitätskonflikten bei den handelnden Personen führt.

Die Oper stellt zwei Kontrastbeispiele guter und schlechter Herrschaft gegenüber.

König Gismondo von Polen handelt nach dem Gesetz der Vernunft, konsequent und ist sowohl berechenbar wie auch mutig. Er erscheint milde, möchte ein friedliches Zusammenleben mit den verbündeten Fürsten- und Herzogtümern.

Herzog Primislao von Litauen dagegen ist in allem das Gegenbild. Sein Denken ist ein Spielball seiner Gefühle. Er ist labil, jähzornig und eher grausam. Sein Handeln ist von übersteigerter Ehrsucht und Geltungsbedürfnis geprägt.

Sein Stolz und Ehrgefühl macht es ihm auch schwer, als Herzog von Litauen den Lehnseid gegenüber dem polnischen König zu leisten.

Das labile Bündnis soll eigentlich durch die Hochzeit von Primislaos Tochter Cunegonda mit Gismondos Sohn Ottone gefestigt werden. So bietet Gismondo Primislao den Kompromiss eines nicht öffentlichen Lehnseides an.

Die beiden Fürsten Ermanno von Mähren und Ernesto von Livland rivalisieren derweil um die Gunst von Giuditta, die wiederum Primislao liebt.

Es kommt zum Konflikt, als während des nicht öffentlichen Lehnseid von das königliche Zelt zusammenbricht. Primislao fühlt sich gedemütigt und die Zeichen stehen auf Krieg.

Die liebenden Personen werden in einen großen Konflikt zwischen Liebe und Loyalität zu Land und ihren Vätern gestürzt.

Erst zum Schluss löst sich alles auf, und Vernunft-Herrschaft assistiert vom Eros siegt.




Kein leichter Fall im Kinder und Jugendtheater Dortmund

Das Dortmunder KJT befasst sich in seinem Stück für Jugendliche ab 14 Jahren „Kein leichter Fall“ ( David S. Craig, aus dem Englischen von Anke Ehlers) unter der Regie von Johanna Weissert mit einem kontroversen und komplexen Thema. Es geht um den sogenannte „Täter Opfer Ausgleich (TOA)“ bei jugendlichen Straftätern.

Ziel ist es, eine Art außergerichtliche Konfliktbewältigung zwischen den Beschuldigten und Geschädigten zu erreichen. Die TOA ist freiwillig und wird von einer neutralen Person (Mediator*in) vermittelnd begleitet. Die Vereinbarung am Ende muss von beiden Seiten unterschrieben werden. Die Hoffnung dabei ist, rechtzeitig den jugendlichen Straftätern die Folgen ihres Handels vor Augen zu führen, und wenn möglich, ihre Empathie gegenüber dem Opfer zu fördern. Ein frühzeitiges regulatives Eingreifen zum Nutzen für die Gesellschaft.

Eine harte Nummer ist dieser „Täter Opfer Ausgleich“. Zusehen ist das Ensemble: Andreas Ksienzyk, Ann-Kathrin Hinz, Bettina Zobel, Bianka Lammert und Thomas Ehrlichmann (Foto: © Birgit Hupfeld)
Eine harte Nummer ist dieser „Täter Opfer Ausgleich“. Zusehen ist das Ensemble: Andreas Ksienzyk, Ann-Kathrin Hinz, Bettina Zobel, Bianka Lammert und Thomas Ehrlichmann (Foto: © Birgit Hupfeld)

Die Premiere des Stücks war am 01.10. 2021:

Daniel „Didi“ Timmermann (Thomas Ehrlichmann) ist mit zwei anderen Jugendlichen bei der alten und alleinstehenden Gerda Ross (Bettina Zobel) eingebrochen, hat die Einrichtung verwüstet, beschmiert sowie Medaillen des verstorbenen Mannes gestohlen.

Die Mediatorin Vanessa (Nessa) Kallmann (Ann-Kathrin Hinz) hofft und tut alles dafür, dass sich Daniel zu einem TOA bereit erklärt. Er ist zunächst abweisend und tut so, als würde ihn das ganze nicht wirklich berühren. Seine Mutter Yvonne Timmermann, geb. Maier hat nicht nur Wut auf den von ihr getrennt lebenden, oft gewalttätigen Ex-Mann, sondern vermutet sofort ein Komplott gegen ihren Sohn und führt das Wort bei dem Gespräch mit der Mediatorin.

Nicht nur bei Daniel und seiner Mutter hat Vanessa Kallmann ein „schweres Brett zu bohren“, sondern auch bei Thomas Ross (Andreas Ksienzyk), selbstständig mit eigenem Betrieb, dem Sohn des Opfers.

Da seine Mutter wegen starker Verängstigung nicht mehr in ihrer Wohnung leben kann, ist sie im Augenblick bei ihm und seiner Familie untergebracht.

Er hat Aggressionen und Hassgefühle gegenüber Daniel. Der Täter sollte doch härter bestraft werden. Das sei das einzige, was helfen würde und gerecht wäre.

Letztendlich kommt es zum Täter Opfer Ausgleichs-Treffen und einer ganz langsamen, behutsamen Annäherung zwischen Täter und Opfer, während Daniels Mutter und Ernas Sohn, der klare Worte spricht, sich zunächst noch anschreien.

Eine Vereinbarung wird vor allem durch Gerda Ross, die Empathie und Stärke zeigt herbeigeführt.

Die Schauspieler*innen überzeugten mit ihrer sensiblen Darstellung der unterschiedlichen Personen und deren subjektiven Befindlichkeit.

Am Ende bleiben Fragen: Wann ist eine Strafe oder etwa ein TOA gerecht? Was bedeutet Gerechtigkeit bei oft ungerechten gesellschaftlichen Bedingungen?

Informationen und Karten für die weiteren Vorstellungen unter www.theaterdo.de oder 0231/ 50 27 222

Auch Schulklassen können sich gerne anmelden.




Neu-Edition des Klavierwerks von Eduard Wilsing

Mit der Neu-Edition (Dohr-Verlag) des Klavierwerks von dem Komponisten Eduard Wilsing (1809 – 1893) aus Hörde wird ein Komponist der Romantik aus unserer Heimatstadt wieder in das Blickfeld gerückt und gewürdigt. Es ist erstaunlich, dass eine damals noch so kleine Stadt, die erst 1928 nach Dortmund eingemeindet wurde, so einen bedeutenden romantischen Komponisten hervorgebracht hat.

Die kritisch revidierte Edition umfasst acht mehrsätzige Werke Wilsings, die schon von Robert Schuhmann oder Brahms große Wertschätzung erführen.

Bremen, Kulturdezernent Jörg Stüdemann und Gerhard Stranz. (Foto: © Oliver Schäper)
Präsentierten die neue Ausgabe der Klavierwerke des romantischen Komponisten Eduard Wilsing aus Dortmund-Hörde (v.l.nn.r.) Rainer Maria Klaas (künstlerischer Leiter des van-Bremen-Klavierwettbewerbs), Willy Garth (Heimatmuseum Hörde), Pianist Luis Benedict Alfsmann, Maximilian van Bremen, Kulturdezernent Jörg Stüdemann und Gerhard Stranz. (Foto: © Oliver Schäper)

Die Dortmunder Wurzeln Eduard Wilsings reichen bis zu seinem Urgroßvater Johann Gottlieb Preller (1727 – 1786), ein Kantor der Dortmunder Marienkirche. Dessen Enkel, der reformierte Prediger Johann Wilhelm Wilsing, war sein Vater.

Nach dem Abitur auf einem Hörder Gymnasium machte er zunächst eine Lehrerausbildung in Soest. Dann war er Organist und Gesangslehrer in Wesel, bis der Weg ihn nach Berlin führte, wo er wie etwa Felix Mendelssohn Schüler des berühmten Konzertpianisten und Komponisten Ludwig Berger war.

Die neu aufgelegten Klavierwerke gehören alle nachweislich zu Wilsings Werken. Etliche Manuskripte soll der Komponist vor seinem Tod vernichtet haben. Neben den aufgelegten Klavierwerken gehören dazu außerdem eine Sinfonie, Lieder, Kammermusik, diverse Bearbeitungen anderer Komponisten, sowie das Oratorium „Jesus Christus“ und das 16-stimmige Chorwerk „De profundis“.

Willi Garth (Heimatmuseum Hörde) hatte schon 2009 zum 200. Geburtstag des Komponisten eine Lebensbeschreibung erstellt.

Der Dortmunder kulturell engagierte Gerhard Stranz war nach der beeindruckenden Aufführung von „De profundis“ mit vier Chören (bei einem sang Stranz mit) und der Dortmunder Philharmoniker unter der Leitung von GMD Gabriel Feltz 2016 im hiesigen Konzerthaus begeistert von dem Werk Wilsings und war ab da ein eifriger Initiator zur Neuausgabe.

Über Kontakte zu der Ur-Großnichte des Komponisten Ulrike Wilson (lebt in Schottland) führte dazu, dass das Klavierwerk Bestandteil des Dortmunder van-Bremen-Klavierwettbewerbs wurde. In diesem Zusammenhang entstand eine Initiative von den drei Personen Gerhard Stranz, Rainer Maria Klaas (Pianist, künstlerischer Leiter des van-Bremen-Klavierwettbewerbs) und Maximilian van Bremen (Geschäftsführer des Pianohauses van Bremen).

Ziel war es, die Klavierwerke neu herauszugeben und einem breiten Interessentenkreis von jung bis alt zur Verfügung zu stellen und für die Zukunft zu sichern.

Beim Pressegespräch im Pianohaus van Bremen gab der Jung-Pianist Luis Benedict Alfsmann eine Kostprobe aus der abwechslungsreichen Klaviersonate Fis-Dur (op 7) von Wilsing.

Unterstützt wurde das Projekt tatkräftig von der Reinoldigilde zu Dortmund e. V., Werner Richard, Dr. Carl Dörken (Stiftung Herdecke), Sparkasse Dortmund, Kulturbüro Dortmund, Stadtbezirksmarketing Dortmund-Hörde und Ulrike Wilson (Edinburgh).




Der Hetzer – ein modernes Musiktheater mit aktueller Brisanz

Im Opernhaus Dortmund hatte am 26.09.2021 „Der Hetzer“ (Oper in vier Akten) vom Österreicher Bernhard Lang unter der Regie von Kai Anne Schuhmacher seine Uraufführung.

Nein, das war keine der üblichen Opern mit oft harmonischen, emotional-dramatischen Arien, wie es das Publikum kennt. Bernhard Lang nutzt in seiner Komposition Mittel, die in der elektronischen Musik zum Einsatz kommen. Samples werden geloopt, verkürzt und verfremdet. Seine Musik ist von verschiedenen Elementen wie Jazz, Rap, Hip-Hop, Pop-Rock oder aber Barock (Purcell) beeinflusst.

Für die musikalische Leitung von Dirigent Philipp Armbruster und die Dortmunder Philharmoniker eine große Herausforderung. Orchester und Chor spielten nicht live, sondern wurden coronabedingt und als künstlerische Weiterentwicklung vorab aufgenommen. Es wurde zu Playback live gesungen. Die einzelnen Spuren aus den Orchesteraufnahmen des Hetzers wurde gezielt gefiltert und abgemischt und dann im Raum positioniert. Dabei half dem Dirigenten für die schwierige Aufgabe ein Kopfhörer.

Jack Natas (David DQ Lee) beobachtet im Hintergrund, wie die Beziehung zwischen Desirée (Álfheiður Erla Guðmundsdóttir) und Joe Coltello (Mandla Mndebele) kriselt. (Foto: © Thomas Jauk, Stage Picture)
Jack Natas (David DQ Lee) beobachtet im Hintergrund, wie die Beziehung zwischen Desirée (Álfheiður Erla Guðmundsdóttir) und Joe Coltello (Mandla Mndebele) kriselt. (Foto: © Thomas Jauk, Stage Picture)

Die Geschehen auf der Bühne wurde zur emotionalen Verstärkung live von einer Kamera begleitet und auf Leinwände projiziert. Für die eindrucksvollen Video-Projektionen war Stephan Kosmitsch verantwortlich.

Lang hat die bekannte Oper „Otello“ (1887) von Giuseppe Verdi überschrieben und sowohl textlich wie musikalisch in die Jetztzeit transformiert (Text nach William Shakespeare (1564 – 1616) und Arrigo Boito (1842 – 1918)). Zusätzlich wurde er durch standortbezogene Einschübe von Dortmunder Jugendlicher erweitert.

Die Texteinschübe um Bosheit, Liebe und Eifersucht wurden im Rahmen eines Schreibworkshops des Planerladen e. V. (Jugendforum Nordstadt) von jungen Menschen aus unserer Stadt entwickelt. Direkt und aktuell aus unserer Stadtgesellschaft.

Der Rapper IndiRekt und sein Kollege S.Castro brachten die Ergebnisse als Rap eindringlich auf die Bühne.

Als analytisches Werkzeug, um unsere Vorgefassten Meinungen und die Ereignisse auf der Bühne zu überdenken, nutzt der Komponist auch Loops im Text. Außerdem wechselt er während der Aufführung je nach dem vom teils deftiger deutscher, zur romantischem italienisch bis hin zur britischen Sprache. Dabei ist der Verdi-Kontext immer präsent.

Wie der Titel „Der Hetzer“ (hier wegen des Machtaspekts im Polizeimilieu verortet) schon nahe legt, stand bei dieser Inszenierung der intrigante, von rassistischen Vorurteilen und Neid getrieben Bösewicht, hier der kleine Polizeibeamte Jack Natas, im Mittelpunkt. Seine Kleidung wie aus einem SM-Studio hat einen leicht erotischen Touch und mit einem roten Schleier am Hinterkörper wirkt er optisch wie ein „Teufel“. Die Wirkung wird durch den starken Countertenor von David DQ Lee verstärkt.

Er verabscheut den als schwarzen Flüchtling schnell zum Hauptkommissar aufgestiegenen Joe Coltello und will ihn vernichten. Dazu ist ihm jedes Mittel recht. Den Anti-Helden Coltello singt und stellt überzeugend Mandla Mndebele dar.

Natas manipuliert alle Personen nach Belieben. Seine arglosen Kollegen Mark Kessler (Fritz Steinbacher), Rodriguez (Morgan Moody), Erich Berger (Denis Velev) und vor allem Coltello. Da hat es Joes Frau Desirée (Álfheiður Erla Guðmundsdóttir) schwer, ihre Treue zu beweisen und den eifersüchtigen traumatisierten Ehemann zu beruhigen. Er hört Stimmen, die ihn in den Wahnsinn treiben.

Der Opernchor Theater Dortmund unter der Leitung von Fabio Mancini hat hier in ihren weißen, leicht blutverschmierten Brautkleidern ganze Arbeit geleistet. Er fungierte zudem wieder als Volkes stimme. Zum Schluss klärt Desirées Freundin Emily (Hyona Kim) das Spiel des Hetzers auf. Entgegen der Vorurteile wird Coltello nun nicht zum gewalttätigen Mörder, sondern setzt seinem Leben durch Freitod ein Ende. Es gibt für ihn keine Gerechtigkeit.

Ein gerade in der Gegenwart wichtiger theatraler Weckruf gegenüber schnellen Vorurteilen, Rassismus und der Instrumentalisierung von Menschen.

Weiter Vorstellungstermine und Karten unter: www.theaterdo.de oder Tel: 0231/ 50 27 222