Onkel Wanja – Zerstörte Ideale, Sehnsüchte und Sinnfragen des Lebens

Im Dortmunder Schauspielhaus hatte am 01.04.2023 die Neuinszenierung von Anton Tschechows (1860 1904) Drama „Onkel Wanja“ unter der Regie des britischen Regisseurs Rikki Henry seine Premiere.



Diese Inszenierung verlegt das Geschehen in unsere hektische Zeit in einen nüchternen Büroraum mit Computer, Papierwust und Fitnessgerät.

In diesem Drama verwaltet Iwán Petrówitsch Wojnizkij, genannt Onkel Wanja, leidenschaftlich gespielt von Ekkehard Freye, aufopferungsvoll über viele Jahre das Gut seiner verstorbenen Schwester und finanziert damit das Stadtleben seines Schwagers, dem Kunstprofessor Serebrjaków. Er trauert seinen verpassten Chancen hinterher. Was hätte aus ihm werden können, wenn er nicht diese Verantwortung und Schuldenlast übernehmen würde? Selbstmitleid ist in diesem Stück dauerhaft präsent.

Er wird tatkräftig von seiner Nichte Sonja unterstützt, die unglücklich verliebt ist in den zynischen Arzt und Umweltschützer Astrow.

Adi Hrustemović, Lola Fuchs, Antje Prust, Alexander Darkow und Ekkehard Freye. (Foto: (c) Birgit Hupfeld)
Adi Hrustemović, Lola Fuchs, Antje Prust, Alexander Darkow und Ekkehard Freye. (Foto: (c) Birgit Hupfeld)

Wir lernen die Schauspielerin Nika Mišković von einer neuen Seite kennen.

Den von der „Dummheit der Menschen enttäuschten“ und vom Landleben angeödeten Arzt und Freund von Wanja Astrow spielt eindrucksvoll Alexander Darkow. Er kann sich das Leben nur mit viel Wodka schön trinken.

Bodenständig und pragmatisch veranlagt sind die Schwiegermutter Maria Wassiljewna (Antje Prust), Marina (Lola Fuchs) – im Original die ehemalige Amme von Sonja – sowie der komisch-humorvolle, ein wenig an einen Harlekin erinnernde verarmte Gutsbesitzer Telégin (Adi Hrustemović).

Bewegung in das eintönige Landleben kommt, als der Professor mit seiner zweiten Frau Elena (Sarah Quarshie) eintrifft. Das Stadtleben ist teuer, und Serebrjaków hat die Idee, das Gut zu verkaufen. Bedrohlicher Sturm kommt auf.

Linus Ebner spielt den egoistischen Hypochonder voll Selbstmitleid mit viel Humor und Ironie.

Die schöne Elena verdreht sowohl Wanja als auch Astrow den Kopf.

Nicht nur Wanja steht vor den Scherben seines Lebensentwurfes – alle Beteiligten müssen sich ihren unerfüllten Sehnsüchten stellen.

Am Ende bleibt alles beim Alten. Die ganz normalen Antihelden schaffen es nicht, ihre Wut und Sehnsucht in konstruktive Aktivität für ein besseres Leben zu transformieren.

Das Stück hat eine aktuelle Brisanz. Wie verhalten wir uns heute in Umbruchzeiten mit diversen Krisen (Klimaveränderung, Kriege, Inflation, zunehmende Entfremdung u. a.)?

Das gilt vor allem auch für Kulturschaffende, Intellektuelle, die Privilegierten in der Gesellschaft.

Die Frage bleibt: „Wie soll man leben?“.

Diese Premiere, mit viel Herzblut und Engagement der Schauspielenden mit Leben gefüllt, wurde zu Recht mit viel Applaus vom Publikum belohnt.

Informationen zu weiteren Aufführungsterminen erhalten Sie wie immer unter

www.theaterdo.de oder Tel.: 0231/ 50 27 222




Künstlerinnen und Künstler „machen Blau“ in der BIG gallery

In der BIG gallery der BIG direkt gesund (nahe Dortmunder U) stellt der Bundesverband Bildender Künstlerinnen und Künstler Westfalen e. V. vom 02.04.2023 (Eröffnung am Sonntag um 11:00 Uhr) bis 18.06.2023 seine voraussichtlich letzte Ausstellung mit dem Titel „Blau machen“ aus.



Beteiligt daran mit jeweils einem Werk sind 21 Künstlerinnen und 20 Künstler.

Der BBK Westfalen nimmt Abschied von der BIG gallery in "blau". (v.l.n.r.) Christoph Mandera, Brigitte Bailer und Axel M. Mosler.
Der BBK Westfalen nimmt Abschied von der BIG gallery in „blau“. (v.l.n.r.) Christoph Mandera, Brigitte Bailer und Axel M. Mosler.

Die 41 Kunstschaffenden haben sich, wie „Blau machen“ schon andeutet, mit diesem mehrdeutigen Thema ganz divers auseinandergesetzt. Die präsentierten Arbeiten zeigen erzählerische Werke, blaue Porträts oder blau strukturierte Farb- und Formmalereien, Collagen und Fotos mit digitaler Bearbeitung.

Zu sehen sind Aquarell, Tusche, Acryl oder Öl auf Leinwand, Öl auf Papier, Digitaldruck auf Acrylglas, Fotografik auf Acryl, Farbholzschnitt (Druck), Aquarell auf Büttenpapier, Strukturpasten-Collagen, textile Arbeit mit Stickerei, originale Farbfotografie sowie von Karin Hansmann Keramik-Werke.

Mit ihren expressionistisch, impressionistisch oder surreal anmutenden Arbeiten beschäftigen sich die Künstler:innen nicht nur mit der inspirativen-assoziativen Farbe Blau, sondern natürlich auch mit dem Thema „Blau machen“.

Sich den Verpflichtungen entziehen (im übertragenen Sinn), entspannen, aber auch den Blick auf die Verantwortung unserer Umwelt und Menschheit gerichtet.

Wir können uns dem Klimawandel, Kriegen und deren Folgen nicht so leicht entziehen.

Ein großer Aspekt der Ausstellung widmet sich dem Himmel, Wasser oder der Vergänglichkeit. Es steckt aber auch Hoffnung auf einen Neuanfang und Mut zum Aufbruch darin.

Das ist auch dem BBK-Westfalen für seine Zukunft zu wünschen.

Zur Ausstellung erscheint ein 64-seitiger-Web-Katalog mit allen in der Ausstellung zu sehenden Werken, der zum Preis von 5,00 € erhältlich ist.

Öffnungszeiten: Freitag bis Sonntag, jeweils 13:00 bis 17:00 Uhr. Ostersonntag (geschlossen). Eintritt ist frei.




Hoda Tawakol – Spezielle Oase im Dortmunder Kunstverein

Nach der Renovierung des neuen Standortes des Dortmunder Kunstvereins (direkt neben der Haltestelle Westentor) ist in diesem offenen Kunst-Ort die Ausstellung „Silent voices in a Palm Grove“ (Stille Stimmen im Palmenhain) der ägyptisch-französischen Künstlerin Hoda Tawakol (* 1968) vom 25.03. bis 11.06.2023 zu sehen.



Ars tremonia bekam beim Presserundgang mit der Künstlerin und Rebekka Seubert (Kuratorin und künstlerische Leiterin des Dortmunder Kunstvereins) einen ersten Eindruck.

Rebekka Seubert (links) und die Künstlerin Hoda Tawakol mit einigen ihrer Arbeiten im Dortmunder Kunstverein.
Rebekka Seubert (links) und die Künstlerin Hoda Tawakol mit einigen ihrer Arbeiten im Dortmunder Kunstverein.

Schon beim Hinkommen werden die Menschen von der großflächig von innen aufwendig gestalteten Dschungellandschaft auf Stoff eingeladen.

Auf der Erdgeschoss-Ebene erwartet die Besuchenden eine Installation aus großformatigen Textilskulpturen oder Haarmasken, die den Kunstverein zu einer Oase werden lassen.

In einem Palmenhain treffen Haarkostüme und stoffliche Skulpturen auf menschengroße Falkenmasken.

Die Werke bieten eine ambivalente Welt zwischen Sinnlichkeit und Brutalität.

Das beginnt schon im Eingangsbereich. Hier wartet eine „Kriegerin“ aus synthetischem Haarkostüm. Sie ist schön, kämpferisch und bedrohlich zugleich.

Hier spielen Fragen nach Körper und Identität sowie Ängste vor „mächtigen Frauen“ eine Rolle. Die Arbeiten nehmen Bezug auf die Kultur und die Traditionen des nordafrikanischen Raums, hybride Zustände oder die Mehrdeutigkeit von Zeichen und Sprache.

Haare sind nicht nur ein Attribut des Weiblichen, wie Hoda Tawakol erklärt hat, sondern stellen zudem eine Methode zur diskriminierenden Einordnung dar. (etwa „Bad Hair“ bei den Haaren der afrikanischen Sklavinnen).

Die großformatigen Stofffiguren mit stilisierten Brüsten dienen als Lockmittel wie der „Fleischköder“ dem Falken. Ihre Erscheinung ist gleichzeitig bedrohlich und raumgreifend. Diese Doppeldeutigkeit zieht sich durch die Ausstellung von Hoda Tawakol.

Die Falkenmasken auf der Ebene Zwei sind in einer riesigen Holzgitterkonstruktion in Form eines alten Palastes (Kairo) errichtet.

Schutz vor „äußeren Reizen“. Angst vor Macht und Selbstbestimmung der Frauen? Viel Raum für Assoziationen.

Ein gelungenes Gesamtkonstrukt, das Bewusstsein für die Blickbeziehungen zwischen Menschen oder Mensch und Kunst schaffen kann.

Einweihung & Eröffnung der Ausstellung findet am Freitag, dem 24.03.2023 ab 19:00 Uhr statt.

Neben den anderen Veranstaltungen oder der Führung mit der Kuratorin am Sonntag, dem 26.03.2023 ist sicherlich der Themenabend Haarpolitik (Ausstellungsgespräch) am 01.06.2023 interessant. 

Weitere Informationen zur Ausstellung von Hoda Tawakol erhalten Sie unter https://www.dortmunder-kunstverein.de/de/Ausstellungen/Aktuell–Vorschau-2/SOON/Hoda-Tawakol-Silent-Voices-in-a-Palm-Grove.htm




Große Retrospektive von Nam June Paik im Museum Ostwall

Im Museum Ostwall ist vom 17.03.2023 bis zum 27.08.2023 auf der 6. Etage im Dortmunder U eine große Ausstellung „Nam June Paik/Expose the Music“ als Retrospektive des Werks dieses Pioniers der Videokunst (1932 – 2006) zu sehen und zu erleben.



Da das Museum Ostwall (MO) einen Fluxus-Schwerpunkt hat, passt diese Ausstellung gut in ihr Konzept.

Nam June Paik trat schon in den frühen 1960er-Jahren mit diversen Performances auf, ging über den Weg der experimentellen Kunst schließlich zur Arbeit mit Fernsehern als Kunstobjekten. Beeinflusst wurde er sicherlich von Künstlern wie Karlheinz Stockhausen, Joseph Beuys und anderen. Er entwickelte das Konzept der „Aktionsmusik“. Paik stellt Musik aus und spielt sie nicht.

In dieser interdisziplinär konzipierten Ausstellung werden 100 Arbeiten gezeigt, darunter Skulpturen, Audio- und Videoproduktionen, ungewöhnliche Partituren, Handlungsanweisungen und Konzepte sowie Fotodokumente. Anschaulich wird den Besuchenden vermittelt, wie das Publikum Nam June Paiks Performances unmittelbar erlebte und aktiv einbezogen wurde. Die interaktive Beteiligung ist ein wichtiger Bestandteil. Ob im Galerieraum oder in der Live-Fernsehübertragung.

Erstmals wird in Deutschland die sound- und bildgewaltige Rauminstallation „Sistine Chapel (1993)“ zu sehen und hören sein. Das ist ein Höhepunkt der Ausstellung. In einem idealen Raum mit Spitzdachkonstruktion wird das frühe Beispiel multimedialer Immersion als ein nach dem Zufallsprinzip ständig wechselnden Remix aus Bildern, Festivalausschnitten und Geräuschkulissen gezeigt. Es ist eine eindrucksvolle Nam June Paik-spezifische Aufführung von Pop-/Kulturgeschichte und Politik aus den 1969er oder 1970er-Jahren.

Die Ausstellung wurde kuratiert von Rudolf Frieling (San-Francisco-Museum of Modern Art) sowie Christina Danick, Stefanie Weißhorn-Ponert und dem Museumsdirektionsduo Regina Selter/Florence Thurmes.

Ein weiteres Kapitel der Ausstellung widmet sich der Kooperation von Nam June Paik und Cellistin Charlotte Moorman. So etwa das Werk „Oil drums 1964/1991)“. Bei „Random Access (1963)“ und „Participation TV (1969/198299)“ haben die Besucher*innen eine Gelegenheit, elektronische Sounds oder Bilder zu erzeugen.

Im „ZEN“ Raum können sie sich im Schattenspiel auslassen.

Als Fortschreibung von Paiks (nicht aufgeführten) „Sinfonie for 20 rooms“ sind außerdem vier internationale Künstler*innen eingeladen, sich performativ auf Paiks Werk zu beziehen und sie als Inspiration für ortsspezifische Arbeiten zu nutzen. Den Anfang macht Aki Onda (16. März bis 7. Mai) aus Japan.

Es folgen die New Yorker Künstlerin Autumn Knight vom 13. Mai bis 2. Juli in Zusammenarbeit mit dem Schauspiel Dortmund.

Die Arbeit „Sinfonie and its parts“ der Hamburger Klangkünstlerin Annika Kahrs wird sich über sechzehn Tage (8. bis 23. Juli) erstrecken.

Den Schlusspunkt setzt Samson Young aus Hongkong mit einer theatralischen Inszenierung „20 heterophones“. Der Künstler bewegt sich zwischen verschiedenen Klangquellen in der Installation und erzeugt durch Bewegungen Sounds in einer sechsstündigen Performance.

Die Ausstellung wird am 16. März 2023 um 19 Uhr eröffnet. Tickets können online erworben werden unter www.dortmunder-u.de/tickets. Weitere Informationen gibt es unter www.dortmunder-u.de/nam-june-paik




Eine informativ musikalisch-visuelle Reise

Das 2. Konzert für junge Leute unter dem Motto „Travel Concert Sea to Sky“ am 13.03.2023 im Dortmunder Konzerthaus schickte das Publikum auf eine ganz besondere Zeitreise durch die Entwicklung und Zukunft einer zerbrechlichen Welt. Sie führt von Mexiko (Pazifik) bis zur Arktis (Spitzbergen). Das fragile Ökosystem und das Klima dort (und nicht nur dort) werden stark vom Golfstrom beeinflusst.



Dr. André Baumeister, Geograf, Wissenschaftler und Expeditionsleiter in diese Regionen, hatte als Moderator viel über die lange erdgeschichtliche Entwicklung und klimatischen Veränderungen berichtet.

Außerdem ist er Gründer von FRAM Science Travel aus Bochum, das als Dienstleister und Entwickler wissenschaftlicher Expeditionen ein Brückenbauer zwischen Wissenschaft und Öffentlichkeit sein möchte.

Er führte die Zuhörenden mit seinen Erzählungen anschaulich und informativ durch diesen Abend.

Die Projektionen auf der großen Leinwand zeigten eindrucksvolle Naturaufnahmen und Videos von Exkursionen. Ein passend ausgewähltes Musikprogramm der Dortmunder Philharmoniker unter der temperamentvollen Leitung von Olivia Lee-Gundermann untermalte das Visuelle stimmungsvoll.

Die Musikauswahl reichte von Arturo Márquez (Danzón No. 2) über Edvard Grieg (aus Holberg Suite op.40 oder „Peer Gynt“Suite Nr. 1 op. 46) bis Musik von Hans Zimmer (Suite für Orchester aus dem Film „Interstellar“) und John Powell („Ice Age 2“)

Arturo Castro Nogueras spielte mit viel Empathie auf seiner Gitarre (Nigel Westlakes: Suite für Gitarre und Orchester „Antarctica“).

Natürlich durfte auch die Musik von Antonio Vivaldi nicht fehlen. Das „Gewitter“ aus dem „Sommer“ der „Vier Jahreszeiten“ wurde als Arrangement für Orgel solo von Heinrich E. Grimm geboten.

Die Landschaft mit ihrer Fauna und Flora ist ein wertvolles Naturwunder, das es zu erhalten gilt. Dafür ist es in unserem Interesse, aktiv zu werden.

Es war eine interessante musikalische Reise dorthin, wo sich Himmel und die Erde berühren.




Tanztheater-Performance „Alles spiegelt sich“

In Koproduktion mit dem Dortmunder Theater im Depot hatte die Tanzwerkstatt KOBI Seminare in dessen Örtlichkeit am 11.03.2023 mit ihrem neuen Projekt „Alles spiegelt sich“ Premiere.



Seit September 2022 beschäftigten sich 14 Frauen, die zwischen 48 und 65 Jahre alt sind und deren leidenschaftliches Hobby Tanz und Theater ist, mit diesem neuen Stück. Konzept und die Choreografien stammen von Birgit Götz.
An der Bühnenwand waren mehrere Spiegel zu sehen und auf der Bühne vier begeh- und bewegbar gemachte große. Diese wurden später von den Beteiligten für ihre Choreografie-Performance ausgiebig genutzt.
Zudem kamen auch offene Kartons mit Spiegelfolien oder dünne weiße Masken zum Einsatz, welche die Akteure über den Kopf ziehen konnten, ohne dass ihre individuellen Gesichter erkannt werden konnten.

"Alles spiegelt sich" (Foto: (C) Birgit Götz)
„Alles spiegelt sich“ (Foto: (C) Birgit Götz)

Es geht um die Frage, wie wir uns und andere sehen. Was und wen spiegeln wir? Durch welche Erfahrungen, Schönheitsideale und Vorbilder wird unser „Bild“ über uns und dem Gegenüber bestimmt? Lohnt es sich, hinter den Spiegel und die oberflächlichen Fassaden zu blicken, um Unterschiede und Gemeinsamkeiten auszuloten?
Die Frauen auf der Bühne fügen mit viel Humor und Selbstironie ihre Spiegelbilder zusammen und verbünden sich mit dem Publikum. Dies hat die Möglichkeit, schon vorher mit Taschenlampen die sich auf der Bühne bewegenden Darstellerinnen (die eine Art reflektierenden Handschuhen trugen) zu „durchleuchten“.
Da sich alles spiegelt, waren die Zuschauenden zudem selbst mit kleinen „Spiegelfolienträgern“ ausgestattet und wurden in das Stück aktiv einbezogen. Sie sollten nach Aufforderung zum Beispiel in den Spiegel schauen und sagen, ob sie damit zufrieden sind. Dann wurden auch noch Fragen zu den Personen auf der Bühne gestellt.
Witzig war die kleine, humorvoll-ironisch eingebaute Modeschau, bei der die Zuschauenden jeweils aus zwei Kleidungsstücken oder Accessoires auswählen durften.
Neben der Choreografie war natürlich die passende Musikauswahl von Marianne Rosenberg bis Aretha Franklin für die Ausdruckskraft bedeutend.
Das Wichtigste ist wohl, dass man sich gut fühlt und mit sich im Reinen ist. Nur wer sich mag, kann den Ähnlichkeiten und Unterschieden zu anderen Menschen offen begegnen.
Kompliment an alle Beteiligten für die starke Leistung.




Eine musikalische Reise in den sonnigen Süden

Die Dortmunder Philharmoniker lud ihr Publikum mit dem 7. Philharmonischen Konzert (07./08. 2023) im Dortmunder Konzerthaus auf eine musikalische Reise in den sonnigen Süden ein. Dabei boten sie unter dem Titel „Die Sonne des Südens“ ein vielseitiges Programm zwischen Klassik und Jazz.



Da war es von Vorteil, dass mit Frank Dupree als Dirigent, gleichzeitig ausgezeichneter Pianist, und ausgebildeter Jazz-Schlagzeuger für das Konzert gewonnen werden konnte. Sozusagen ein Multitalent.

Im ersten Teil standen drei französische Komponisten auf dem Programm.

Zu Anfang hatten die Blechbläser mit der kurzen prägnanten Fanfare „La Péri“ von Paul Dukas (1865 – 1935) ihren großen Auftritt. Damit hatte der Komponist damals das Publikum zu seinem gleichnamigen Ballett gerufen.

Danach wurden die Anwesenden im hiesigen Konzerthaus mit einer Auswahl der Préludes (für Klavier, Band I, 1909/19109 und Band II, 1910 – 1913) von Claude Debussy (1865 – 1935) emotional in verschiedene Mittelmeer-Landschaften (vom mythischen Delphi über die Insel Capri bis zur prachtvollen Alhambra von Granada) geführt.

Das besondere Erlebnis war, das die Originalfassung von Debussy für Klavier (am Piano und als Dirigent Frank Dupree) mit der imaginativ- verführerischen Orchesterfassungseiner Kollegen Hans Zender und Cole Matthews kollagenhaft kombiniert wurde. Das Orchester griff die thematisch- musikalischen Vorgaben des Klaviers auf eine spannende Art und Weise mit auf.

Der französische Komponist Darius Millhaud (1892 – 1974) war zwar nur zwei Jahre in Brasilien (1917 – 1919), die haben aber wohl einen starken Eindruck hinterlassen. Das beweist seine Fantasie für Orchester op. 58 (Le Bœuf sur le toit oder deutsch „Der Ochse auf dem Dach“).

Es ist eine temperamentvoll-lebensfrohe Kreuzung zwischen brasilianischer Straßen- und Volksmusik und großstädtischem Pariser-Flair, die man aus den alten Bars und Varietés kennt. Kastagnetten-Klänge kamen auch zum Einsatz.

Nach der Pause ging es mit kleinerer Orchesterbesetzung für den Jazz – Klassik – Teil des Abends mit „Sketches of Spain“ für Trompete und Orchester von Miles Davis (1928 – 1991) / Gil Evans (1912 – 1988) weiter. Die Transkription stammte von David Berger, Jon Schapiro und Joe Muccioli.

Das Herzstück bildete dabei bildete ein Arrangement des bekannten langsamen Satzes aus dem „Conciero de Aranjuez von Joaquin Rodrigo (1901 – 1999). Eigentlich für ein Gitarrenkonzert konzipiert. Das hatte den Nachteil, dass die Gitarre als Soloinstrument sich auch nicht gegen ein kleines Orchester durchsetzen konnte Diesen Mangel behob das geniale Arrangement von Evans für die Solotrompete.

Auf der Bühne stand mit Simon Höfele einer der international erfolgreichste jungen Trompeter und zeigte sein Können. Tatkräftig unterstützt wurde er noch von Meinhard „Obi“ Jenne am Schlagzeug und Jacob Krupp am Kontrabass.

Ein fast meditatives Erlebnis, dass mit einer temperamentvollen Zugabe durch die „Trompeter-Fraktion“ erst sein (vorläufiges) Ende fand. Nach dem Konzert wurde mit einer Jam-Session und Freibier weiter gefeiert.




Multimediale Ausstellung mit Perspektivwechsel

Der Hardware MedienKunstVerein (HMKV) auf der Ebene 3 im Dortmunder U zeigt vom 11.03.2023 bis zum 31.07.2023 in seinen Räumen die multimediale Ausstellung „We grow, grow and grow, we’re gonna be alright and this is our show“. Die beiden hiesigen Künstler*innen Jana Kerima Stolzer und Lex Rütten haben innerhalb eines Jahres diese „begehbare Multimedia-Show“ künstlerisch entwickelt.



Sie geben der für unsere Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft wichtigen Bedeutung nichtmenschlicher Organismen (wie Bakterien, Polypen, Korallen, Pilze) durch ihre sieben Charaktere eine eigene Stimme.

Kooperation als Überlebensstrategie

Das große Thema ist hier Ökologie, Klima und die Anpassungsfähigkeit und Kraft durch Symbiosen. Die soziale Komponente wird hier deutlich. Nicht das oft von Charles Darwin einseitig beanspruchte und interpretierte „Überleben des Stärkeren“ hat die Welt sich weiterentwickelt, sondern die Kooperation verschiedener Organismen als Überlebensstrategie.

Key Visual der Ausstellung „Jana Kerima Stolzer & Lex Rütten – We grow, grow and grow, we're gonna be alright and this is our show“, HMKV im Dortmunder U, 11. März 2023 – 30. Juli 2023. Bild: Jana Kerima Stolzer & Lex Rütten, „Micro”, 2023, (Pattern). Gestaltung: e o t. Berlin.
Key Visual der Ausstellung „Jana Kerima Stolzer & Lex Rütten – We grow, grow and grow, we’re gonna be alright and this is our show“, HMKV im Dortmunder U, 11. März 2023 – 30. Juli 2023. Bild: Jana Kerima Stolzer & Lex Rütten, „Micro”, 2023, (Pattern). Gestaltung: e o t. Berlin.

Mit ihren eindrucksvollen Video-Installationen, zum Thema passend mit bedruckten dünnen Fließstoff gestalteten Teppichböden, den großen Mikroorganismen (ummantelt von Fließstoff) und anderen Gegenständen lassen sie die besuchenden in eine spezielle Welt eintauchen. Zusätzlich kann man im Eingangsbereich einen Kopfhörer mit Fernbedienung als akustische Begleitung mitnehmen.

Wachstum und Vergangenheit

Als Charaktere spricht zum Beispiel die als Superorganismus bekannte Algenform „Azolla“ (Symbiose aus Farn und Cyanobakterium). Sie ist nicht nur in der Lage, sich rasant zu vermehren (grow, grow), sondern kann auch nach ihrem Absterben und Sedimentation im Meeresgrund sehr viel Kohlendioxid aus der Atmosphäre binden. In einem Aquarium ist dieses „Maskottchen für die Technologien der CO2-Einsparung zu sehen.

Xtract erzählt von der Extraktion der Gesteine in der Vergangenheit. Die VR-Installation nimmt uns mit in die Zeit, als Kohle noch Biomasse war über ihre spätere Nutzung als Energielieferant (Aufklärung). Zur gleichen Zeit wurden die für Naturbewahrung eintretenden Hexen oder Hexenmeister verfolgt.

Pionea berichtet von den besonders anpassungsfähigen Pionierpflanzen zur Besiedlung noch vegetationsfreier Gebiete. Neophyten sind wiederum invasive Pflanzen, die sich mit Hilfe der Menschen in einem „nichtheimischen“ Bereich etabliert haben. Das „Heimische“ wird hier relativiert.

Extinct widmet sich den ausgestorbenen Arten und gedenkt ihren „unruhigen Geistern“. Die Vergänglichkeit als normaler Prozess, der zum Leben gehört.

Spekulative Zukunft

Symbiotechnica berichtet im Setting eines Gewächshauses, wo künstlich Orchideen reproduziert werden, die in der Natur eine Symbiose mit einem Pilz benötigen. Der Glaube an die technische Herstellbarkeit einer künstlichen Natur im Angesicht einer toxisch gewordenen Biosphäre wird hier zur Disposition gestellt.

Hydra generiert den Traum vom „ewigen Leben“ am Beispiel von der Symbiose von Polypen und Korallen. Dieser vielköpfige Korallenorganismus wird nur durch die sich unbegrenzt regenerierenden Zellen des Polypen „unsterblich“. Das System ist durch die Klimaveränderung gefährdet (z.B. Great Barrier Riff).

Micro erzählt von der Technosphäre sowie der zentralen Rolle der Symbiose für die Evolution. Es wird ein neuartigen Superorganismus imaginiert, der in enger Symbiose mit unseren technischen Geräten lebt. Bakterien, Mikroorganismen oder Pilze, die sich auf der glatten Oberfläche unserer Handys befinden, gehen eine Verbindung mit Schweiß und Strahlungswärme ein.

Ein Leseraum mit Stoff zu der Thematik lädt zum Verweilen und Stöbern ein.

Die Eröffnung der Ausstellung findet am 10.03.2023 um 19:00 Uhr vor Ort statt. Die Finissage mit Musik und Essen am 31.07.2023.

Nähere Informationen zu Öffnungszeiten, dem umfangreichen Begleitprogramm gibt es unter www.hmkv.de




Weiterer Meilenstein zur Sicherung des Wilsing-Werkes

Mit der Wiederentdeckung der sich seit dem Jahr 1930 in Besitz des Schuhmann-Hauses Zwickau – Dortmunds Partnerstadt – befindenden Sinfonie D-Dur des Hörder Komponisten Daniel Friedrich Eduard Wilsing (1809-1893) ist ein weiterer verborgener Musikschatz ans Licht gebracht worden.



Der Einsatz von Gerhard Stranz, zusätzlich das große Engagement des Herausgebers Johannes Guido Joerg, des Verlegers Christoph Dohr (Köln) ermöglichten es, dass dieser Beitrag aus Dortmund für die „Musikwelt verfügbar gemacht werden konnten. Für die Realisierung des Gesamtprojekts setzen sich zudem verschiedene Organisationen, Stiftungen und die Stadt Dortmund ein.

Dr. Stefan Mühlhofer erläuterte den musikgeschichtlichen Hintergrund Dortmunds. (Foto: (c) Oliver Schaper)
Dr. Stefan Mühlhofer erläuterte den musikgeschichtlichen Hintergrund Dortmunds. (Foto: (c) Oliver Schaper)

191 Jahre nach der Fertigstellung und 182 Jahre nach der wahrscheinlichen Uraufführung wurde die musikkritische Erstausgabe (Verlag Dohr) im Festsaal der Gesellschaft Casino Dortmund (Betenstraße 18) am 3. März 2023 präsentiert. Per Musiksoftware wurden auch ein erster musikalischer Eindruck gewährt.

Der Ort und das Datum dieser Präsentation wurden nicht zufällig gewählt.

Das Dortmunder „Liebhaber-Concert“ (Vorläufer des Musikvereins) führte am 3. März 1841 genau dort (damals ein Konzertsaal) die Sinfonie des Komponisten auf.

Nach der Begrüßung und einleitenden Worten durch Prof. Dr. Hans J. Sclosser (Gesellschaft Casino Dortmund) und Gerhard Stranz erfuhren die Anwesenden einiges zur musikgeschichtlichen Entwicklung in Dortmund vom Mittelalter bis heute durch Dr. Stefan Mühlhofer (Stadt Dortmund).

Dr. Raphael von Hoensbroech (Intendant und Geschäftsführer Konzerthaus Dortmund) betonte den wichtigen Beitrag zur Sicherung der Musiktradition in unserer Stadt und den Wunsch, Wilsings Sinfonie wieder erlebbar zu machen.

Der Verleger Christoph Dohr gab Einblicke in ausgewählte Abschnitte des Werks in Notenbild (Leinwand) und Klangbeispielen aus den vier Sätzen der Sinfonie D-Dur (1832 fertig gestellt von Wilsing).

Einflüsse durch Komponisten wie etwa Beethoven, besonders im zweiten Satz von der Romantik (Schubert) waren erkennbar, aber durchaus auch eine individuelle jugendliche Kraft.

Guido Johannes Joerg (Herausgeber) verschaffte Überblicke zu Notizen zur Entstehung und Aufführung sowie zum Verbleib der Handschrift (samt einem Einblick in die Arbeit des Herausgebers einer Erstausgabe). Zu besichtigen waren neben der Gesamtpartitur auch die Einzelstimmen.

Geplant ist ja die Wiederaufführung der der Sinfonie im Jahr 2024 (Konzerthaus Dortmund) durch das Jugendorchester Dortmund.

Achim Fiedler (Leiter des Dortmunder Jugendorchesters) berichtete über die Herausforderung und Chance für junge Musizierenden bei einem „neuentdeckten musikalischen Schatz“.

Wir dürfen gespannt auf das Ergebnis sein.




Berührendes Maskentheater im Fletch Bizzel

Am 24.02.2023 gab es im Dortmunder Theater Fletch Bizzel mit „LONELY HEARTS CLUB“ eine besondere Premiere. Die vier Darsteller*innen führten das ganz neue Genre des nonverbalen Musiktheaters unter der Regie von Björn Leese ein. Der Regisseur hat im Bereich Maskentheater schon einige Erfahrung (z.B. Familie Flöz).



Da die Gesichtsmimik wegen der Masken und die Sprache als Ausdrucksmittel wegfallen, spielen Gesten und genaues Timing der Akteure eine wesentliche Rolle. Als zusätzlicher „emotionaler Vermittler“ dient die Musik. Passgenau eingesetzt vom musikalischen Leiter Dixon Ra.

Der Lonely Hearts Club. Alle vier DarstellerInnen auf einen Blick. (Foto: (c) Fletch Bizzel)
Der Lonely Hearts Club. Alle vier DarstellerInnen auf einen Blick. (Foto: (c) Fletch Bizzel)

Nicht nur, dass die Schauspielenden – für sie ungewohnt – keine vorgegebenen Texte lernen mussten, sondern zudem mit Atmung und Orientierung durch ihre Masken zu kämpfen hatten. Eine physisch starke Beanspruchung. Außerdem spielten die Darstellenden nicht nur eine Rolle, sondern meisterten die Aufgabe, sich gleich in mehrere Charaktere hinein zu versetzten.

Ort der Handlung war eine zeitlose, liebevoll Retro (etwa mit zwei alten Telefonen mit Wählscheibe, oder einer Musik-Box) eingerichtete Bühne als „Club“. Dieser spezielle Ort im Bahnhofsviertel hat schon bessere Zeiten gesehen. Die Kostüme sorgfältig ausgewählt.

Die (couragierte) Chefin Frau Hartmann spielte Rada Radojčić , zusätzlich noch den Gast Siggi. Ihre Nichte Dzaki Radojčić die Reinigungskraft Heidi und eine alte Dame. Cristiane Wilke begab sich in die Rollen des Geschäftsführers Fritz, einer schönen Dame in Blau sowie in die des Schlägers Carlo. Mika Kuruc übernahm die Rolle des Barkeepers Ernie und als albanischer Mafiosi. Allen gelang es gut, sich in die emotionalen Lagen ihrer Charaktere einzufühlen und für das Publikum rüber zu bringen.

Das Maskentheater changiert zwischen Komik und Tragik. Das erinnert uns an den Clown aus unserer Kindheit. Die ganz Palette der Gefühle, ob heimliche Liebe, Ängste, Melancholie oder Sucht fanden auf der Bühne ihren Platz. Scheitern mit Chance als Option inklusive.

Die verschiedenen Personen, die Angestellten, heimische Gäste oder auf der Durchreise verbindet die Sehnsucht nach Abenteuer und nach dem Tanz ihres Lebens.

Es blieb der Raum für die ganz persönlichen Interpretationen und wie es Björn Reese formulierte „Spiegelungen der eigenen Seele“.

Ein wunderbares Theatererlebnis über alle Sprachgrenzen hinweg. Ein kleiner Gegenpol zum  „Action-Trend“.  Informationen über weitere Aufführungstermine erhalten Sie unter www.fletch-bizzel.de oder Telefon: 0231/ 14 25 25